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Zwischen Antisemitismus und Apartheid

der Kampf jüdischer Südafrikaner gegen die ’Rassen’herrschaft (1948-1990)

Plass, Hanno

Die überproportionale Beteiligung jüdischer Südafrikaner am Kampf gegen die Apartheid über fast fünf Jahrzehnte ist erklärungsbedürftig. Ihre Bereitschaft, das eigene Leben für die Befreiung vom rassistisch begründeten weißen Minderheitsregime zu riskieren, war keineswegs selbstverständlich. Die Begründungen und Biographien der Aktivisten lassen jedoch eindeutige Rückschlüsse und Erklärungen auf ihre Motivation zu. Eine »jüdische Erfahrung« von Antisemitismus und Ausgrenzung durch die weiße Minderheit, aber auch von Anpassungsdruck und Ächtung innerhalb der jüdischen Gemeinschaft, konstituieren diesen Erfahrungsraum. Partikulare jüdische Erfahrungen wurden von ihnen in universelle Leitmotive übersetzt. Ihre Freundschaften, die sich durch die politische Arbeit entwickelten, zeigten ihnen einen Weg aus der diskriminierenden Wirklichkeit hin zu einer nicht-rassistischen Zukunft. Vermittelt über die Kommunistische Partei war es den jüdischen Aktivisten möglich, nicht nur in der theoretisch die Farbschranke, die das Apartheid-Regime immer weiter ausbaute, zu überschreiten, sondern sie vermochten es unter ihren Genossen Beziehungen und Freundschaften als Gleiche zu entwickeln. Dieses existenzielle Verhalten war, wie auch die Theorie universeller, Unterschiede überkommender Befreiung, eine Antwort auf die Demütigungen und Herausforderungen, die die Apartheid ihnen stellte. Als »nicht-jüdische Juden« überschritten sie die Grenzen des Partikularismus. Joe Slovo, Ruth First oder Rica Hogdson sahen ihre Hoffnung auf Anerkennung als Gleiche in einem neuen Südafrika, in welchem die rassistischen Spaltungen überwunden und ein gemeinsames Verständnis nicht als Weiße oder Schwarze sondern als Südafrikaner die Nation eine. Ins Exil getrieben führten sie von London aus ihren Kampf in der Anti-Apartheid-Bewegung und dem African National Congress fort. Unter ihrem Einfluss entwickelten sich beide Organisationen zu den maßgeblichen Repräsentanten des Widerstands. Die jüdischen Aktivisten stellten das Rückgrat beider Organisationen, bis beide in den 1980er Jahren als Massenbewegungen Wirkungsmacht entfalten konnten. Wer von ihnen in den 1990er Jahren zurückkehrte war unmittelbar in den Aufbau des Landes involviert. Noch heute repräsentieren Mitglieder dieser Gruppe den nicht-rassistischen Charakter des nationalen Befreiungskampfes Südafrikas.
The disproportionate participation of Jewish South Africans in the struggle against Apartheid needs some explaining. Their willingness to risk their own lives for the liberation from white minority rule was not at all self-evident. Their biographies and their own rationale provide unambiguous conclusions and explanations for their motivation. A “Jewish experience“ of Antisemitism and exclusion by the white minority and also pressure to conform and ostracism by the Jewish community constitute the distinct realm of experience. The activists translated particular Jewish experiences into universal leitmotifs. Their friendship which developed through political work indicated a way out of the discriminating present to a non-racial future. By joining the Communist Party, the activists gained the opportunity to cross the colour bar which the Apartheid regime successively drew closer and closer not only theoretically but to explore relations and friendship amongst their comrades as equals. This existential attitude as well as the theory of universal, discrimination overcoming liberation had been an answer to the humiliations and challenges which Apartheid posed. As 'non-jewish Jews' the activists crossed the boundaries of particularism. Joe Slovo, Ruth First or Rica Hodgson hoped to be acknowledged as equals in a new South Arica in which racist rule and division had been overcome and in which a shared understanding as South Africans not as whites or blacks unified the nation. Driven into exile they continued their struggle from London as part of the Anti-Apartheid Movement and the African National Congress. Under their influence both organisations grew into the main representatives of the resistance movement. Until the 1980s, the Jewish activists were the backbone of both bodies, when AAM and ANC unfolded as mass movements. Activists that returned to South Africa in the 1990s immediately became involved in the reconstruction of the country. Even today members of this distinct group stand for the non-racial character of the struggle for national liberation in South Africa.