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Etablierung und Charakterisierung eines dreidimensionalen Zellkulturmodells für Kuhpockeninfektionen

Koban, Robert

Zellkultivierungen stellen ein elementares Werkzeug für die Erforschung vielfältiger biologischer Phänomene dar. In der Virologie werden Infektionen in vitro fast ausschließlich in Monolayer-Kulturen charakterisiert und erforscht, in denen Zellen flach ausgebreitet auf starren Oberflächen kultiviert werden und im Vergleich zum in vivo Status der gleichen Zellen deutliche Unterschiede bezüglich Morphologie und Physiologie aufweisen. Im Gegensatz dazu werden in einigen Teilen von Forschungsfeldern wie der Onkologie und der Stammzellforschung, aber auch für spezielle virale Erreger, deren Bedürfnisse keine andere Art der Kultivierung zulassen, bereits seit Jahrzehnten alternative Kultivierungsmethoden verwendet. Bei diesen Alternativen handelt es sich um dreidimensionale (3D) Gewebekulturen, in denen Zellen in vivo-ähnliche Charakteristika aufweisen und somit ein sehr gutes Abbild des jeweiligen Gewebes und untersuchten biologischen Phänomens liefern. Für Infektionen mit Orthopockenviren (OPV), deren Analyse aufgrund des zoonotischen Potentials einiger Vertreter wie den Kuhpockenviren (CPXV) einerseits und der Bedrohung eines Missbrauchs als bioterroristisches Agens des humanpathogenen Variola Virus andererseits, von hoher Relevanz für die öffentliche Gesundheit ist, wurden bis dato nur wenige Untersuchungen in 3D-Kulturmodellen publiziert. Diese beschränkten sich hauptsächlich auf morphologische Charakterisierungen und die Analyse der Wirksamkeit verschiedener antiviraler Substanzen. Das Ziel dieser Arbeit war daher die Etablierung eines 3D-Zellkulturmodells, das einerseits zur weiterführenden Erforschung von OPV Infektionen beitragen sollte und andererseits einfacher zu handhaben und an ein breiteres Spektrum möglicher Wirtszellen adaptierbar sein sollte als bisher etablierte 3D-Ansätze. Zu diesem Zweck wurde als Fundament für die 3D-Kulturen eine dezellularisierte biologische extrazelluläre Matrix (EZM) verwendet, die mit verschiedenen Zelltypen besiedelt werden konnte und somit für die Untersuchung unterschiedlicher Viren geeignet war. Uninfizierte epitheliale 3D-Zellkulturen wiesen im Vergleich zu korrespondierenden Monolayer-Kulturen distinkte Unterschiede bezüglich Zellmorphologie, Differenzierungsstatus sowie Polarisation auf und zeigten auf Transkriptomebene ein ähnliches Expressionsmuster wie ihr in vivo Gegenstück – die menschliche Epidermis. Um detailliertere Erkenntnisse über die Virusreplikation von OPV und deren Interaktionen mit den Wirtszellen innerhalb eines komplexen biologischen Systems zu erhalten, wurden zwei epitheliale 3D-Infektionsmodelle mit dem CPXV-Stamm Brighton Red (BR) als Modellvirus etabliert. Durch die 3D-Kultivierung der Zelllinie Vero E6 konnte bei einer Infektion mit CPXV eine im Vergleich zur Monolayer-Kultur deutlich verlängerte Zellviabilität bei annähernd gleichbleibenden Virustitern erzielt werden. Weiterhin war in diesem Modell, wie auch bei der Weiterentwicklung der 3D-Kulturen mit primären humanen Keratinozyten, eine effektivere Virusreifung in Zelllysaten und Überständen zu erreichen. Während die Virusreplikation in 3D- und Monolayer-Kultur ansonsten sehr ähnlich ablief, gab es in primären 3D-Kulturen erhebliche Unterschiede im Wirtszelltranskriptom, die sich signifikant auf die Regulation spezifischer biologischer Prozesse auswirkten. Zudem konnte durch die Inhibition des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors, der sich anhand von Vorergebnissen und früherer Arbeiten unserer Arbeitsgruppe als vielversprechendes Ziel für eine antivirale Therapie mit Gefitinib anbot, erstmals gezeigt werden, dass eine Virusinfektion in Abhängigkeit der Kultivierungsart in 3D-kultivierten Zellen wesentlich effizienter gehemmt werden kann als in korrespondierenden Monolayer-Kulturen. Das in dieser Arbeit etablierte Kultivierungsmodell stellt ein vielfältig einsetzbares, reproduzierbares und im Vergleich zu komplexeren 3D-Ansätzen einfacher zu handhabendes 3D-Zellkulturmodell für Zelllinien und Primärzellen dar. Durch das gewebeähnliche Verhalten der Zellen können in vitro prädiktivere Daten für das Geschehen in vivo generiert und mögliche Zielmoleküle für antivirale Substanzen ermittelt werden, die in konventionellen Monolayer-Kulturen aufgrund des artifiziellen Wachstums der Zellen unter Umständen nicht von Relevanz sind. Andersherum trägt die 3D-Kultivierung auch dazu bei, die mitunter langwierige Erforschung von Zielmolekülen zu vermeiden, die durch Versuche in Monolayer-Kulturen identifiziert werden und unter Umständen lediglich kultivierungsabhängige Artefakte darstellen. Aufgrund der besseren Vorhersage der Wirkungsweise von Substanzen in vivo können so eventuell notwendige Tierversuche präziser geplant und auf ein Minimum reduziert werden und somit nur noch die aussichtsreichsten Kandidaten in weiterführende, kostenintensive klinische Studien überführt werden.
Cell cultivations reflect a fundamental tool for research on diverse biological phenomena. Research on viruses in vitro is mainly carried out in conventional monolayer cultures where cells grow outstretched and flattened on rigid surfaces. Compared to in vivo conditions monolayer cultured cells show distinct differences in morphology and physiology. Unlike in virology, three-dimensional cell cultivation methods are used in different fields of research such as oncology or stem cell research since several decades because of their in vivo like characteristics and therefore high similarity to the respective organs or investigated biological phenomena. But also a few viruses whose biological needs are linked to more complex and differentiated tissues are studied in 3D cultures since more than twenty years. So far, infections with orthopoxviruses (OPV) which are highly relevant for public health because the zoonotic potential of some species such as cowpox virus (CPXV) as well as the threat of Variola virus being misused as a biological weapon were rarely studied in 3D culture models. The few existing studies were limited to morphological characterizations and some efficacy studies of antiviral substances. Therefore, the aim of the study was on the one hand the establishment of an easy-to-handle 3D cell culture model for comprehensive investigations of OPV infections. Further, the 3D culture system should allow adaption to a broad spectrum of cells for the study of different viruses. For this reason, a decellularized biological extracellular matrix (ECM) was used to generate 3D cultures with several cell types. Uninfected epithelial 3D cultures showed distinct differences regarding cell morphology, differentiation, and polarization compared to the corresponding monolayer cultures. Their gene expression patterns exhibited strong similarities to their in vivo counterparts – the human epidermis. For more detailed analysis of OPV replication and virus-host cell interactions within a complex biological system two epithelial 3D infection models with CPXV Brighton Red (BR) as model virus were established. Cell viability in CPXV-infected 3D cultures established with the Vero E6 cell line was distinctly prolonged compared to the corresponding monolayer cultures producing nearly stable viral titers. In this infection model as well as in an advanced 3D culture system with primary human keratinocytes efficiency of virus maturation in cell lysates and in supernatants was strongly elevated. However, while overall virus replication in 3D and monolayer cultures was comparable, considerable differences in the host cell transcriptome were observed which resulted in a significant differential regulation of specific biological processes. Based on the data from the 3D culture and on data from previous studies of our working group, the epidermal growth factor receptor emerged as a promising target for a host-directed antiviral therapy that could be specifically inhibited by gefitinib. With this approach it was shown for the first time that virus inhibition was cell culture model dependent with a strongly enhanced efficiency in 3D cultures. In summary, this versatile and reproducible 3D culture system for cell lines and primary human cells is far easier to handle than many previously established 3D approaches. Due to the tissue-like behavior of the cells, data generated in vitro will be more predictive for the in vivo situation. Therefore, 3D cultivation allows the discovery of novel target molecules for antiviral treatment otherwise missed due the artificial nature of conventional monolayer cultivation. Vice versa, 3D cultivation may help reducing potential lengthy and expensive research on target molecules only identified as cultivation artefacts in monolayer cultures. Due to an improved prediction of the in vivo mechanisms of substances based on 3D cultivation, animal experiments can be planned more precisely and therefore ultimately could be reduced to a minimum. In consequence, only the most promising candidate substances would finally reach the cost-intensive clinical trials.