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Das Denken leben

Asmuth, Christoph

>Das Leben denken< - damit sind zwei wichtige Fundamentalbegriffe zusammengestellt und miteinander verbunden, der Begriff des Lebens und der des Denkens, zwei Begriffe allerdings, die neben ihrer philosophischen Bedeutung auch eine hinreichende Unschärfe gemeinsam haben. Der eine erreicht eine Spannbreite von sinnen- und leibloser intellektueller Tätigkeit bis zu meßbaren kognitiven Prozessen; der andere deckt ein Feld ab, das sich von religiös-metaphysischen Vorstellungen bis zu biologischen Vorgängen erstreckt. >Das Leben denken< - wem bei diesen Worten wohlig philosophisch zumute wird, dürfte jedoch einem Mißverständnis unterliegen. Bei Hegel jedenfalls ist weder das Denken noch das Leben eine bloß beschauliche Angelegenheit. Das Denken - einerseits - formt keine passive Abbildung einer immerfort quellenden Vitalität; das Leben - andererseits - ist keine harmlose unscharfe Ganzheit grundsätzlich freundlicher Prozesse, zu denen noch ein erleuchtendes Denken nachträglich hinzutreten müßte. Hegels Auffassung von der Wirklichkeit - darin folgt er Kant, Fichte und Schelling - verunmöglicht die Trennung von Denken und Leben, so daß Interpretation und Praxis nicht auseinanderfallen können. Daher mißt sich das Verständnis für die Philosophie Hegels nach gerade an der Bedeutung der Umkehrung: >Das Denken leben<.
Published in: Hegel-Jahrbuch, 10.1515/hgjb-2007-0144, Akademie Verlag
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