Die Fresken von St. Vigil und St. Zyprian Studien zur Bozner Wandmalerei um 1400 von Sigrid Popp vom Fachbereich Kommunikations- und Geschichtswissenschaften der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Gutachter: Gutachter: Prof. Dr. R. Suckale Prof. Dr. W.Wolters Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 1. Juli 1996 Berlin 2003 D83 DIE FRESKEN VON ST. VIGIL UND ST. ZYPRIAN Studien zur Bozner Wandmalerei um 1400 von Sigrid Popp Tectum Verlag Marburg 2003 Popp, Sigrid: Die Fresken von St. Vigil und St. Zyprian. Studien zur Bozner Wandmalerei um 1400. / von Sigrid Popp - Marburg : Tectum Verlag, 2003 ISBN 3-8288-5169-X  Diese Arbeit ist urheberrechtlich geschützt. Sie darf ohne Zustimmung des Verlags nicht vervielfältigt oder in Datennetzen oder auf sonstige Weise zugänglich gemacht werden. Tectum Verlag Marburg 2003 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 3 2. Forschungsstand zur Bozner Wandmalerei um 1400 6 3. Die ausgewählten Zyklen 14 3.1 Die Freskenausstattung der Kapelle St. Vigil auf dem Virgl bei Bozen 14 3.1.1 Die Malereien der Westfassade 19 3.1.2 Die Ausmalung des Triumphbogens und der Apsis 23 3.1.3 Die Vigilslegende an der Nordwand 27 3.1.3.1 3.1.3.2 3.1.3.3 3.1.3.4 Die Einzelbilder: Beschreibung, Ikonographie und Textquellen Erzählstruktur und Bildprogramm des Vigilszyklus Exkurs: Überlegungen zur Darstellung der Kelchspende Beobachtungen zur Technik des Malers der Vigilslegende 28 35 39 43 3.1.4 Die Marienlegende an der Südwand 46 3.1.4.1 3.1.4.2 3.1.4.3 47 59 3.1.4.4 Die Einzelbilder: Beschreibung, Ikonographie und Textquellen Erzählstruktur und Bildprogramm des Marienzyklus Ara Coeli und Heilige Sippe als franziskanische Bildthemen und der ekklesiologische Zug der Gesamtausstattung der Kapelle Beobachtungen zur Technik des Malers der Marienlegende 3.2 Die Freskenausstattung der Kapelle St. Zyprian in Sarnthein 72 3.2.1 Der Passionszyklus im oberen Register an der Nordwand 75 3.2.1.1 3.2.1.2 Die Einzelbilder: Beschreibung, Ikonographie und Textquellen Erzählstruktur und Bildprogramm des Passionszyklus 76 85 3.2.2 Die Zyprianslegende im unteren Register an der Nordwand 88 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3 3.2.2.4 Die Einzelbilder: Beschreibung und Ikonographie Erzählstruktur des Zyprianszyklus Die Legende der hll. Zyprian und Justina und das Zyprians-Patrozinium Exkurs: Das Reliquiar der hll. Zyprian und Justina in Mailand 89 94 96 102 4. Kunsthistorische Analysen zur Bozner Malerei um 1400 106 4.1 Aspekte der Bilderzählung der Bozner Freskenzyklen 106 4.2 Beobachtungen zu Kostüm und Mode 115 4.3 Bemerkungen zu einigen charakteristischen Architekturmotiven 122 64 70 4.4 Bezüge zur italienischen Trecentomalerei 126 4.4.1 4.4.2 Vorbilder bei Giotto und der Paduaner Schule Sienesische Vorbilder für Bilder im Marienzyklus von St. Vigil 126 132 4.5 Hinweise auf einige Elemente aus der nordalpinen Kunst des 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts 138 Die Malereien des Hans Stocinger aus Ulm in Terlan als Modellfall für den Austausch zwischen Italien und dem Norden 143 4.7 Untersuchungen zur Figurenauffassung in der Bozner Malerei 149 4.7.1 4.7.2 4.7.3 4.7.4 Figur und Gewand Gesichter und Inkarnate Bewegungsmotive und Ausdrucksgebärden Figurengruppen sowie Figur und Raum 149 162 168 173 4.8 Untersuchungen zur Raumauffassung 176 4.8.1 4.8.2 Verhältnis von realem (Betrachter-)Raum zum Bildraum Architektur und Landschaft 176 181 4.9 Untersuchungen zur Naturdarstellung und die Frage nach einem Naturstudium 183 Beobachtung von Natur und Wirklichkeit versus Reduzierung und Stilisierung: Die Bozner Malerei um 1400 vor dem Hintergrund zeitgenössischer künstlerischer Tendenzen 187 Schlußbetrachtung: Die Zyklen von St. Vigil und St. Zyprian im Kontext der Bozner Malerei um 1400 192 Literaturverzeichnis 199 Abbildungen 212 4.6 4.10 5. 6. 3 1. Einleitung Bei ersten Recherchen zum Marienzyklus der Vigilskapelle in Bozen, der Gegenstand meiner Bamberger Magisterarbeit war,1 habe ich bereits festgestellt, wie lückenhaft und unsystematisch die Forschung zur „Bozner Wandmalerei um 1400“ ist. Aus diesem Grund habe ich versucht, mit der vorliegenden Untersuchung eine Grundlage für weitergehende Studien zu diesem Komplex zu schaffen. Dazu habe ich die bislang wenig gewürdigten Ausmalungen zweier Kapellen ausgewählt, die Freskenzyklen von St. Vigil auf dem Virgl in Bozen und von St. Zyprian in Sarnthein, an denen ich exemplarisch den unterschiedlichsten Fragestellungen nachgegangen bin. Generell werden in Südtirol drei Kunstzentren unterschieden, nämlich Brixen, Bozen und Meran. Alle drei sind an einem wichtigen europäischen Knotenpunkt gelegen und über gut frequentierte Pässe auch mit dem Norden verbunden. Sie haben gerade in den Jahrzehnten um 1400 viele Kontakte und regen Austausch mit den angrenzenden Nachbarländern zu verzeichnen. Genaue Abgrenzungen der einzelnen Gebiete, besonders im Bereich der mittelalterlichen Wandmalerei, kann man aber nicht vornehmen, da innerhalb der Kunstproduktion dieser drei Zentren immer wieder Überschneidungen zu beobachten sind. Vereinzelte Zeugnisse der Wandmalerei in Südtirol gehen bereits ins 8. und 9. Jahrhundert zurück (St. Proklus in Naturns, St. Benedikt in Mals). Aus dem Ende des 12. und der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ist bereits eine größere Anzahl von Werken erhalten, die den ursprünglichen Reichtum der malerischen Ausstattungen dieser Zeit ahnen lassen (Maria Trost in Obermais, Burgkapelle von Hocheppan, Johannes-Kirche in Brixen, St. Jakobs-Kirche in Tramin). Eine Vielzahl von Fresken und Malereifragmenten sind dann aus der Zeit des späten 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts vorhanden, und immer wieder wird bisher Unbekanntes aufgedeckt. Die weitaus größte Anzahl erhaltener Wandmalereien aus dieser Zeit hat die Region um Bozen vorzuweisen. Bozen ist nicht nur von einer einzelnen Künstlerpersönlichkeit oder Schule geprägt, sondern vereint selbst mehrere künstlerische Richtungen. Bislang wurden jedoch ähnlich wirkende Objekte immer unter dem Namen „Bozner Malerschule“ subsumiert und zwei Kirchenausstattungen, nämlich St. Johann im Dorf und Terlan, als Fixpunkte benannt, um welche schließlich die übrigen Wandmalereien gruppiert wurden. In den Untersuchungen stand immer die 1 SIGRID POLLACK: Zur Bozner Malerei um 1400. Die Ausmalung der Kapelle S. Vigilio auf dem Virgl unter besonderer Berücksichtigung des Marienzyklus, Magisterarbeit Uni Bamberg 1990 (Typoskript). 4 Frage nach den verschiedenen Einflüssen, d.h. den Anregungen aus dem Norden bzw. dem Süden, an erster Stelle. Nie wurden die Zyklen separat, monographisch behandelt, um ein komplexes Bild der einzelnen Werke als Grundlage zu erhalten. Es wurden lediglich an einem oder zwei Bildern Ähnlichkeiten oder Unterschiede bestimmt, welche für eine bestimmte Einflußrichtung standen. Die Ikonographie wurde stets mit der bloßen Nennung der dargestellten Legende – Passion Christi, Marienoder sonstigen Heiligenlegende – abgehandelt. Fragen nach Funktion und Inhalt der Bilder, einzeln oder in ihrem zyklischen Zusammenhang, wurden nicht gestellt. Mir geht es in dieser Arbeit nicht in erster Linie darum, eine endgültige Künstlerzuschreibung oder Datierung der Bozner Wandmalereien vorzunehmen. Vielmehr möchte ich mit meiner Vorgehensweise und den an die Werke gestellten Fragen aufzeigen, wie bislang vage oder nur wenig fundierte Einordnungen präzisiert werden können bzw. wie die komplexe Disposition eines Bildes oder einer Bilderfolge mit all ihren Facetten erfaßt werden kann. Eine Ausweitung dieser Herangehensweise auf andere Objekte des Bozner Kreises, immer wieder im Vergleich mit den übrigen Werken, kann schließlich zu einer genaueren Definition der einzelnen Künstler und Werkstätten sowie ihrer Zusammenhänge führen. Die Ausmalungen der beiden Kapellen St. Vigil in Bozen und St. Zyprian in Sarnthein sind bislang am ungenügendsten erforscht. Nicht einmal ein Kunstführer oder eine zusammenfassende Darstellung wurden für sie erarbeitet, obwohl einzelne Bilder der Zyklen immer zu Vergleichszwecken herangezogen worden waren. Aus diesem Grund waren sie ein geeignetes Feld für exemplarische systematische Untersuchungen. Außerdem zeichnen sich die ausgewählten Zyklen durch interessante ikonographische Programme aus, und sie vertreten vier verschiedene Modi von Bildfolgen: die Passion Christi als eines der geläufigsten Themen mit sehr großer Verbreitung; den Marienzyklus, ein bekanntes Thema, hier mit besonderer programmatischer Aussage; die Vita des hl. Vigilius, des regional bedeutenden Patrons des Bistums Trient; sowie schließlich die weniger bekannte und auch für die Region nicht typische Heiligenlegende der hll. Zyprian und Justina. Im ersten Teil meiner Arbeit bringe ich in einem kurzen Literaturbericht einen knappen Abriß der Forschungslage der Wandmalereien in Bozen aus der Zeit um 1400. Er soll einen groben Überblick liefern und zeigen, dass nicht die Werke an sich interessierten, sondern dass sich die Diskussion auf Argumente pro und contra italienische oder deutsche Einflüsse bzw. auf eine Zusammenfassung von Werkgruppen beschränkte. 5 Im zweiten Teil führe ich monographisch die beiden Kapellen mit ihrer Ausmalung vor.2 Einem historischen Überblick und einer Beschreibung der beiden Bauten folgt jeweils eine kurze Vorstellung der einzelnen Bilder der vier Zyklen, wobei bereits deren inhaltlicher und gestalterischer Reichtum dargelegt wird. Einzelfragen zu besonderen Aspekten, wie Bilderzählung und -programm oder ikonographischen Sonderfällen, schließe ich direkt an. Für die Freskenzyklen der Vigilskapelle folgen Beobachtungen zur Malweise der dort tätigen Künstler.3 Der dritte Teil ist detaillierten Untersuchungen zu einzelnen kunsthistorischen Aspekten gewidmet, wobei ich den Analysen der beiden zu Grunde liegenden Kapellenausstattungen exemplarisch andere Werke der zeitgleichen Bozner Malerei gegenüberstelle. Untersucht werden Erzählweisen der Zyklen, Motive in Mode und Architektur, Bezüge zu künstlerischen Strömungen in verschiedenen Zentren Italiens und im nordalpinen Bereich, gestalterische Aspekte wie Figuren- und Raumauffassung sowie Naturdarstellung. Diese Studien münden in den Versuch der Charakterisierung der unterschiedlichen Gestaltungsweisen in der Bozner Malerei um 1400 vor dem Hintergrund zeitgenössischer künstlerischer Tendenzen. Um eine Vergleichsbasis zu schaffen, habe ich vor allem Zyklen herangezogen. Große Substanzverluste ließen jedoch Aussagen zum Stil in St. Zyprian und St. Magdalena nur für wenige Aspekte zu, für andere Beispiele wie St. Martin in Kampill oder die Pfarrkirche Terlan erschweren Übermalungen des 19. Jahrhunderts objektive Beobachtungen zu Stilformen. Mit den daraus gewonnenen Ergebnissen nehme ich in der Schlußbetrachtung eine Einordnung der Fresken von St. Zyprian und St. Vigil in den Kreis der Bozner Werke vor. Die Frage der Urheberschaft oder der genauen Entstehungszeit ist dabei zwar nicht vorrangig, doch zeigen die vielen, neuen Erkenntnisse ein etwas differenzierteres Bild der Bozner Malerei um 1400. 2 3 An dieser Stelle möchte ich Dr. Serenella Castri, Udine herzlich danken, die mich bei Archivstudien in Trient unterstützte, wo ich Akten zur Vigilskapelle einsehen konnte. Für Informationen und Hilfe bei der Materialbeschaffung vor Ort in der Anfangsphase meiner Forschungen bin zu Dank verpflichtet: Dr. Helmut Stampfer, Leiter des Denkmalpflegeamtes Bozen, Dr. Waltraud Kofler-Engl und Dr. Leo Andergassen, beide Denkmalpflegeamt Bozen, Dr. Silvia Spada Pintarelli, Leiterin des Stadtmuseums Bozen. Außerdem danke ich für verschiedene Hinweise Dr. Karl Gruber, Diözesandenkmalpfleger Bozen, Monsignore Iginio Rogger, Leiter des Diözesanmuseums Trient, Dr. Hans Nothdurfter, Schloß Tirol, Prof. Dr. Josef Riedmann, Universität Innsbruck, Prof. Dr. Franz Machilek, Bamberg. Technische Beobachtungen konnte ich nur an den beiden Zyklen der Vigilskapelle machen, da ich während der Restaurierungsmaßnahmen von 1994-1996 die Möglichkeit hatte, sie vom Gerüst aus genauer zu studieren. Für Hinweise zu Maltechnik und Material danke ich dem Restaurator Martin Pittertschatscher, Bozen. 6 2. Forschungsstand zur Bozner Wandmalerei um 1400 Der große Komplex der Wandmalereien in Südtirol um die Wende zum 15. Jahrhundert ist in der Kunstgeschichtsforschung eher am Rande angesiedelt. Im Gegensatz zu Giotto, Giusto de' Menabuoi und anderen oberitalienischen Meistern werden die Malereien in Südtirol in den Standardwerken zur italienischen Malerei nicht genannt.4 Die Grundlagen der Forschung zur Südtiroler Wandmalerei schuf Gottfried Semper 18875, der als erster den bedeutenden italienischen Einfluß am Beispiel des Brixner Domkreuzganges festmachte und Übereinstimmungen in Komposition und Farbgebung mit Giottos Ausmalung der Scrovegnikapelle in Padua herausstellte. Er brachte einige Wandmalerei-Ausstattungen in Schulzusammenhänge, was der Ausgangspunkt für die weitere Beschäftigung bildete. Hans Schmölzer stellte daraufhin 18886 den italienischen Einflüssen aus der Scrovegnikapelle einen nordisch-gotischen Stil gegenüber, den er in Terlan festmachte. Alle 'deutsch' anmutenden Malereien subsumierte er unter dem Namen Hans Stocinger, der in Terlan signiert hatte. Paul Clemen äußerte sich 1889 sehr vorsichtig über einflußnehmende Strömungen: „... eine Abwägung der fremden Beeinflussungen wird erst möglich sein, wenn das Material in der ganzen Fülle zusammengetragen ist.“7 Für ihn waren Salzburg, Bozen und Innsbruck die bestimmenden Zentren, wobei er die beiden letzten Städte etwa auf eine Stufe stellte. Trotzdem äußerte er sich zu Einflüssen auf die Malerei in diesen Gebieten, ohne konkrete Beispiele anzuführen: „Nordtyrol wird von süddeutschen Einflüßen ganz überschwemmt, während Südtyrol ein Jahrhundert lang sich auf der Gränze zwischen deutscher und italienischer Kunst hält, durch eine große Künstlerpersönlichkeit für eine Zeit ganz dem deutschen Einfluß zurückgewonnen wird, um endlich vollständig der italienischen Richtung anheimzufallen.“8 4 5 6 7 8 Für meine Arbeit charakterisiere ich im folgenden den Stand der Literatur zur Malerei im Bozner Gebiet in der angesprochenen Zeit. Ich nenne dabei nur die Literatur, die maßgeblich den Fortgang der Forschung bestimmte und wohl Leitpositionen einnahm. Auf Datierungen der Wandmalereien, die in den verschiedenen Artikeln und Büchern vorgeschlagen werden, gehe ich nicht näher ein, da sie zum Teil widersprüchlich sind, und eine genaue Diskussion würde den Rahmen dieses Literaturberichtes sprengen SEMPER 1887. SCHMÖLZER 1888. CLEMEN 1889, S. 12. CLEMEN 1889, S. 12. 7 Diese Autoren gaben in ihren Betrachtungen dem italienischen Einfluß einen großen Raum, aber auch Spuren der einheimischen Werkstätten und des deutschen Figurenstils nahmen sie wahr. Keiner jedoch belegte seine Beobachtungen an entsprechenden Beispielen oder machte gar vergleichende Analysen. Zumindest stellten die Autoren des 19. Jahrhunderts ihren Überlegungn ausführliche Beschreibungen der besprochenen Wandmalereien voran, worauf in späterer Zeit, dies sei hier vorweggenommen, zumeist verzichtet wurde und stattdessen die Malereien mit ihrer Ikonographie als bekannt vorausgesetzt wurden. In der weiteren Forschung war die Frage nach italienischer oder deutscher Beeinflussung der Malereien Hauptthema. Hans Semper brachte 1904 den Brixner Domkreuzgang wieder in die Diskussion mit ein. Zur Einordnung der Bozner Vigilskapelle in die Südtiroler Malerei bemerkte er u.a., „... dass sich zwischen den Fresken von St. Johann und St. Vigil sowohl als zwischen diesen und denen der 10. und 11. Arkade im Brixner Kreuzgang ebenfalls verwandte Züge herausstellen ...“9 lassen. Diese Züge beschrieb er mit „... der Ähnlichkeit der Behandlung gewisser Kopftücher von Frauen sowie dünner linnener Stoffe ...“.10 In der Folgezeit steigerte sich die Diskussion um deutsche oder italienische Einflüsse immer mehr. 1906 kritisierte Heinz Braune die immer wieder benannten Einflüsse aus Italien: „Man hat eine Reihe von italienischen Künstlernamen in Tirol nachgewiesen und sie als Belege für den direkten italienischen Einfluß auf Bozen benutzt. Dies scheint uns zu viel gefolgert zu sein.“11 Wenn er auch generell italienische Einflüsse nicht ablehnte, da ihm selbst italienische Künstlernamen in Bozen geläufig waren, beharrte er darauf, dass die Malereien in ihrem Wesen deutsch seien und einen gotischen Kern beinhalten: „Für das Verhältnis dieser italienischen Züge in der Bozener Kunst zu den deutschen ist es durchaus charakteristisch, dass man meist nur von italienischen Beeinflussungen zu sprechen versucht ist, und nie oder nur höchst selten von bayerischen oder schwäbischen. Was sie mit der nordischen Kunst gemeinsam hat, empfindet man deutlich als nicht in sie hineingetragen, sondern als ihr von Natur eigen.“12 Diese Aussage Braunes macht aber auch deutlich, dass er seine kunsthistorische Analyse nicht am Objekt selbst, sondern an einer politischen und naturgemäßen 9 10 11 12 SEMPER 1904, S. 251. SEMPER 1904, S. 252. BRAUNE 1906, S. 26. BRAUNE 1906, S. 30. 8 Zugehörigkeit Südtirols zu Deutschland festmachte. Gotik und Giotto in einem Atemzug zu nennen, war für Braune ein Widerspruch. Eine umfassende Untersuchung veröffentlichte Josef Weingartner 191213. In drei großen Kapiteln behandelte er die drei bedeutenden Kunstzentren Südtirols des 14. Jahrhunderts, nämlich Brixen, Bozen und Meran. Er benannte Unklarheiten von stilistischen Zuordnungen, die auf Grund falscher Voraussetzungen, an denen sich die früheren Autoren orientierten, zustande gekommen waren. Speziell zur Verneinung des italienischen Einflusses antwortete er: „Nur leidet das Beweisverfahren ... an dem fundamentalen Fehler, dass hier als Zeugnisse gegen die italienische Beeinflussung Werke herangezogen werden, die eben auch selber nur national und lokal abgewandelte Abzweigungen des toskanischen Trecentostils sind.“14 Er begründete diese Kritik damit, dass in den Jahren zuvor immer Köln und Prag als Vorbilder benannt worden seien. Diese Zentren seien damals jedoch selbst schon von italienischen Künstlern beeinflußt gewesen. Im großen und ganzen referierte Weingartner die bislang bestehende Forschungslage und versah sie mit eigenen Kommentaren. Mit diesem Beitrag versuchte der Autor, eine geographische 'Entwicklungsreihe' der Bozner Malerei aufzustellen, deren Auftakt er in den Chorfresken von Terlan sah, welche wohl von einem Bozner Maler geschaffen worden seien. Ein gleichzeitiges Hauptwerk, von anderen (italienischen) Einflüssen geprägt, sei St. Johann im Dorf. Seine Hinweise auf die Internationalität italienischer Motive und stilistischer Eigenarten, die er jedoch nicht genau benannte, gaben ihm die Möglichkeit, unangefochten und ohne sich festzulegen Italienisches und Einheimisch-Gotisches in der Malerei gleichermaßen anzuerkennen.15 Doch differenzierte er dabei überhaupt nicht, d.h. er stellte keinerlei stilistische Analysen an. Auch bei ihm erschöpften sich Zuordnungen in Motivbenennungen, Ähnlichkeiten und Stimmungsbildern. Versuche, den Stil zu erfassen, verloren sich in oberflächlichen Äußerungen. Insgesamt betrachtet ist Weingartners reichhaltiger Beitrag doch eher verwirrend als klärend. Denn in der Hauptsache werden die verschiedenen Wandmalereien hin- und hergeschoben und Zusammenhänge konstruiert, die nur sehr oberflächlich und vage erläutert werden. Auch wirkt die Fülle der referierten Literatur eher irritierend. 13 14 15 WEINGARTNER 1912. WEINGARTNER 1912, S. 9. Weingartners Arbeit ist insofern wichtig, als er fast alle damals sichtbaren Wandmalereien anspricht und genauso jeden Autor berücksichtigt, der über die Südtiroler Malerei allgemein oder auch nur über einzelne Objekte schreibt. Leider ist er gegenüber einigen Verfassern zu unkritisch. 9 Als eine Art Antwort auf Weingartner erschien 1917 im Handbuch der Kunstwissenschaft „Deutsche Malerei der Renaissance“16 von Fritz Burger eine Abhandlung über Südtiroler Kunst, in der auch der Wandmalerei viel Platz eingeräumt wurde. Für Burger haben die Fresken in Südtirol nicht nur eine einzige Stilwurzel, so dass er Braune widersprach, der meinte, Gotik und Giotto – die auch bei Burger genannten Ursprünge – gemeinsam zu nennen, sei nicht möglich. Aber auch für ihn hatten die Malereien einen deutschen Geist: „Giotto und die Gotik sind hier durchaus keine sich ausschließenden Gegensätze, zumal der deutsche Grundcharakter auch in den von Italien beeinflußten Schöpfungen Südtirols überall deutlich sichtbar wird.“17 Als stilbildende Einflüsse in Tirol, außer den italienischen, nannte der Autor den Prager und den oberrheinisch-burgundischen Schulkreis. Jedoch zeigte er diese einzelnen, bestimmenden Elemente nicht an Beispielen auf. Vielmehr legte er einen Entwicklungsweg der Bozner Malerei vor: „In der Bozner Schule scheint sich zuerst die langsame Verdrängung des norditalienischen Vorbildes durch den französischrheinischen und pragischen Einfluß zu vollziehen.“18 Bei ihm spielten die nordischen Einflüsse in der Malerei Südtirols die entscheidendere Rolle, was vielleicht auch in der damaligen Zugehörigkeit Südtirols zu Österreich begründet war. Dennoch relativierte er eine Ausschließlichkeit solcher regionalen Einwirkungen: „Der sogenannte 'Einfluß' ist auch hier nicht das Wesentliche, sondern die persönliche Verarbeitung der übernommenen Stilmaterialien.“19 Für die jüngere Forschung setzte schließlich Nicolo Rasmo mit seinen Äußerungen zu den italienischen Einfüssen Maßstäbe. In seinen zahlreichen Aufsätzen und Beiträgen, die er vor allem in regionalen Organen veröffentlichte, arbeitete Rasmo überwiegend monographisch. Entweder widmete er sich einem Künstler oder einem Objekt.20 Seine allgemeinen Beschreibungen und Zuschreibungen, wiesen allerdings einen analytischeren Blick auf als die Arbeiten seiner Vorgänger. So legte er einleuchtend die Verwandtschaft einiger Fresken in der Bozner Dominikanerkirche mit Guariento dar, die noch von Weingartner als rein Bozner Werke gesehen worden waren.21 In den Jahren 1942-43 widmete Rasmo neben anderen Arbeiten auch den klei16 17 18 19 20 21 BURGER 1917. BURGER 1917, S. 233. BURGER 1917, S. 236. BURGER 1917, S. 239. Anhand der einzelnen, separat stehenden Aufsätze Rasmos ist es nicht möglich, sein Bild der Wandmalerei des 14. und beginnenden 15. Jh. darzulegen. Hier möchte ich auf ein von Silvia Spada Pintarelli zusammengetragenes Schriftenverzeichnis Rasmos hinweisen, das in der Festschrift für Nicolo Rasmo veröffentlicht ist; siehe SPADA PINTARELLI 1986, S. 15-57. RASMO 1942, Domenicani, S. 60. 10 neren Kirchen in und um Bozen mit ihren Ausstattungen des 14./15. Jahrhunderts knappe Beiträge mit viel Fotomaterial. In der übergroßen Fülle dieser Artikel kann man eine Art Bestandsaufnahme der in den Kriegsjahren gefährdeten Kunstwerke sehen, in denen er all seine Beobachtungen zusammenfaßte. Leider blieb er auch hier bei Beschreibungen des öfteren in Oberflächlichem verhaftet.22 Eine allgemeine Charakterisierung der Südtiroler Wandmalerei, insbesondere der verschiedenen Regionen Meran, Bozen und Brixen, oder ein übergreifender Abriß scheinbar zusammengehöriger Werke ist in seinen Aufsätzen nicht zu finden. Sein Hauptgewicht lag demnach nicht auf der kunsthistorischen Forschung, sondern auf einer denkmalpflegerischen Inventarisierung. Dennoch bilden die von ihm veröffentlichten Meinungen und Aussagen neben denen Weingartners das Fundament für die jüngeren Arbeiten. Alfred Stange beschäftigte sich 1960 von deutscher Seite aus mit Tirol und seinen Malereien. Im Gegensatz zu Weingartner, der „... die südtirolische Wandmalerei der Zeit von 1340 bis 1450 landschaftlich gruppiert“23, wollte Stange mit seinem Beitrag „... nun einmal die befruchtenden Einflüsse und die stilistischen Richtungen“24 herausarbeiten. Die böhmische Richtung machte er mit einleuchtenden Beispielen in Meran und Umgebung fest. Eine italienische Beteiligung stellte er dort dagegen in Frage: „Im späteren 14. Jahrhundert arbeiteten in Grill bei Tisens, in Kuens, in Castelbell boznerische Maler, aber niemals trat der italienische Einfluß im Meraner Raum sonderlich verbreitet und betont hervor.“25 Zum Teil nannte er auch spezifische stilistische Eigentümlichkeiten, die diese Richtung besonders auszeichneten. Die Grundlage für diese Stilrichtung in Meran sei natürlich die Tatsache gewesen, dass Meran die Residenzstadt der Habsburger gewesen ist. Mit der Aufstellung des in Wien gearbeiteten Altares von Schloß Tirol ebendort sei auch der böhmische Stil nach Meran gelangt. Dass Italien in gewisser Weise auch eine Rolle spielte, zeigt er an der Votivtafel des Hans Austrunk aus der Kartause Schnals: „Der frontal sitzende Christus und die Nische dahinter sind dem Umkreis des Giusto de' Menabuoi entliehen, die Formensprache leitet sich aber letztlich von der böhmischen Malerei der Theoderich-Schule her.“26 Westlich-burgundischen Einschlag machte er in den höfischen Fresken von Runkelstein und im Brixner Domkreuzgang fest. Für letzteren, dessen Malereien von Bischof Friedrich von Erdingen (1374-96), der 22 23 24 25 26 RASMO 1942, Storie di S.Vigilio, S. 47: „... le sue figure sono semplificate in tipi dolcissimi di donna ed in altri rudi ed ispidi di vecchi.“ STANGE 1960, S. 145. STANGE 1960, S. 145. STANGE 1960, S. 137. STANGE 1960, S. 138. 11 vorher Bischof von Chur gewesen war, in Auftrag gegeben wurden, versuchte er ebenfalls die verschiedenen Einflußgebiete herauszuarbeiten. So identifizierte er einen bömisch geschulten Meister in der achten Arkade. In der Folge „...arbeiteten einige in der höfischen Kunst des Westens, Burgunds oder Oberitaliens, geschulte Meister im Kreuzgang.“27 Für den Schmerzensmann sowie die Muttergottes mit den hll. Georg und Bartholomäus der 12. Arkade sah er in den Typen und Formmotiven „... böhmische und westliche, seeschwäbische Tendenzen ... .“28 Leider grenzte er diese verschiedenen Erscheinungsformen nicht gegeneinander ab. Auf die Bozner Beispiele, die in dieser Arbeit zur Sprache kommen, ging er in seinen stilistischen Anmerkungen nicht ein. Er zählte diese lediglich in einem überblickshaften, allgemeinen einführenden Teil nach subjektiven Gesichtspunkten auf. Seeschwäbischen Einfluß machte er lediglich für die Siebenschläferlegende des Conrad Erlin in der Bozner Pfarrkirche fest, ohne jedoch näher auf die Stileigentümlichkeit einzugehen. Allgemein schrieb er über Bozen: „Die italienische Welle war zuerst und vor allem eine Angelegenheit von Bozen ... Und ebenso war die höfischburgundische Richtung, über Seeschwaben und Verona-Trient zugleich kommend, bald in Bozen, in Meran und in Brixen heimisch.“29 Für das ausgehende 14. Jahrhundert bescheinigte Stange den Bozner Wandmalereien böhmische und burgundische Einflüsse, die die italienischen ablösten. 197130 arbeitete Rasmo sehr anschaulich die verschiedenen italienischen Maler heraus, von denen sich Reflexe in einigen Bozner Wandmalereien aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wiederfinden ließen. Mit genaueren Beschreibungen war es ihm hier möglich, seine Hypothesen früherer Schriften zu präzisieren. So konnte er für die Fresken in der Dominikanerkirche Einwirkungen Guarientos rekonstruieren: „I rapporti stilistici col Guariento sono palesi benché le architetture degli sfondi siano tradotte in forme tipicamente nordiche.“31 In den Fresken von St. Magdalena zeigten sich Elemente aus den Werken Giusto de' Menabuois. Mit Hilfe von Motivvergleichen schaffte es Rasmo, die Vorbilder präziser zu bestimmen. Auch die Cappella Rinuccini in S. Croce, Florenz, ausgemalt zwischen 1360-65 von Giovanni da Milano, habe innovativ auf die Bozner Wandmaler gewirkt. Rasmo konnte also einige italienische Anregungen genauer lokalisieren. Die deutsche bzw. nordische Komponente vermochte er jedoch nicht zu benennen, da er dafür keine 27 28 29 30 31 STANGE 1960, S. 143. STANGE 1960, S. 143. STANGE 1960, S. 145. RASMO 1971. RASMO 1971, S. 144. 12 eigenen Untersuchungen anstellte. So blieb sein Urteil zu dieser Frage eher allgemein: „Accanto al maestro del Virgolo, di cui si sembra di avere sufficientemente illustrato la formazione veneta, o più esattamente padovana, intrisa di elementi lombardi, lavorava un allievo, di origine sicuramente tedesca, che ne continuò lo stile operando nella regione fin verso la fine del secolo.“32 Auf die Bedeutung Guarientos für die Bozner Wandmalereien ging Rasmo 1980 in seinem Artikel 'Bolzano e la pittura Bolognese' noch einmal näher ein „Il successo raggiunto dal Guariento con le sue opere bolzanine attirò infatti artisti padovani fra i quali il Maestro delle storie di Maria in S. Vigilio a Bolzano ... cui allievi locali divulgarono la sua arte in tutta la regione fino alla fine del secolo.“33 Damit konkretisierte er die Bedeutung des Paduaner Malers, der, selbst vor Ort tätig, wirkungsvolle Vorbilder hinterließ. Rasmo kam in seinen späteren Arbeiten völlig von der Diskussion über Schulen um Stocinger und andere Meister ab. Hans Stocinger war ja bis 1944 die einzig bekannte Künstlerpersönlichkeit im Bozner Raum. Erst durch einen Bombenangriff 1944 kamen in der Pfarrkirche von Bozen Malereireste zutage, die in die Zeit des frühen 15. Jahrhunderts datiert wurden und die von einem Conrad Erlin signiert sind. Rasmo konzentrierte sich weiter einzig darauf, die Quellen der italienisierenden Elemente in den Bozner Wandmalereien aufzuspüren. Seine Ergebnisse bilden heute ein hilfreiches Fundament, zum einen, um die Auswirkungen der italienischen Malerei noch mehr zu präzisieren, da man an seinem Stand der Forschung anknüpfen kann, zum anderen, um die immer noch zu Diskussion stehenden nordischen Einflüsse herauszufiltern. Die jüngste, allgemeine Abhandlung zur Südtiroler und zur Bozner Malerei um 1400 ist das einleitende Kapitel des 1985 überarbeiteten zweiten Bandes von Weingartners „Kunstdenkmäler in Südtirol“.34 In einem Überblick werden hier Wandmalereien vom 9. bis zum 19. Jahrhundert vorgestellt. Ein eigener Abschnitt ist der Malerei des 14. bis 15. Jahrhunderts gewidmet. Benannt werden die Werke mit ihren zeittypischen Themen und Darstellungsformen sowie knapp umrissen die charakteristischen Stileigentümlichkeiten und die französisch-deutschen Einflüsse zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Ein Wandel sei in der Mitte des 14. Jahrhunderts zu 32 33 34 RASMO 1971, S. 146. RASMO 1980, S. 267. Das Kapitel 'Die Kunstentwicklung Südtirols' basiert auf einer Vorlage von Josef Weingartner, wurde jedoch besonders in den neueren Teilen bearbeitet. 13 verzeichnen, als die italienische Malerei im Südtiroler Raum immer mehr Boden gewinne. Allerdings sei dies nicht als eine regionale Erscheinung zu beurteilen, denn diese Tendenz sei international zu verzeichnen gewesen. Wegen der geographischen Nähe Südtirols zu Italien sei es nicht verwunderlich, dass in Südtirol das Anlehnen an Italien enger gewesen war: „Auch mischt sich mit den italienischen Elementen seit der Zeit um 1400 ein starker französisch-burgundischer Einschlag ...“.35 Erwähnt wurde auch die Tätigkeit deutscher Maler in Südtirol. Jedoch wurden weder für die eine, noch für die andere Erscheinungsform Belege gebracht. Die große Zahl der Fresken sei dem damaligen Wohlstand zu verdanken, der sich in zahlreichen Kirchenbauten niederschlug, die wiederum ohne Wandmalereien nicht denkbar gewesen wären. Abschließend wurden kursorisch einige Objekte aufgezählt und eher unsachlich charakterisiert: „Trotz dieser stark naturalistischen Züge liegt über den unrestaurierten und wohlerhaltenen Bildern, auf der zarten Lieblichkeit der Gestalten, auf ihren goldblonden Ringellocken, rosigen Wangen und sanften, verträumten Augen ein großer Liebreiz, ein fast märchenhafter Stimmungszauber.“36 Zu den einzelnen Kunstwerken, speziell im Bozner Gebiet, ist der überarbeitete zweite Band von Weingartners "Kunstdenkmäler in Südtirol" von 1991 zu nennen. Im Vergleich zu den älteren Ausgaben sind die Beschreibungen und Benennungen der Zyklen etwas ausführlicher und genauer. Ergänzend wurden Ansichten der älteren Forschung mit eingebracht. Bei den Datierungen der in Frage kommenden Kunstwerke hielt man sich an die älteren Ausgaben. Allerdings fehlen immer noch spezielle kunsthistorische Untersuchungen zu einzelnen Objekten der Bozner Wandmalerei. Derartige Beiträge erschöpften sich bislang in den Texten von Führern zu einzelnen Monumenten, wobei längst nicht jeder Kirche ein Heft gewidmet ist, und in kleineren Aufsätzen und Notizen in regionalen Organen. Jedoch verharren auch diese immer noch in einer allgemeinen Betrachtungsweise, wie sie die Literatur zur Wandmalerei in Südtirol seit Ende des 19. Jahrhunderts kennzeichnet. 35 36 WEINGARTNER 1985, S. 56. WEINGARTNER 1985, S. 57. 14 3. Die ausgewählten Zyklen 3.1 Die Freskenausstattung der Kapelle St. Vigil auf dem Virgl bei Bozen Die Kapelle St. Vigil steht südlich der Stadt Bozen auf dem Virgl (Abb. 1).37 Zur Entstehung und Nutzung der Kapelle gibt es keine gesicherten Daten, doch gehörte sie zu der ehemaligen Stadtburg von Bozen, welche die Herren von Weineck bewohnten.38 Die Burg Weineck war Lehen des Hochstifts Trient39 und in Händen einer nur schwer überschaubaren Anzahl von ministerialen Burgmannen. Diese „... verfügen innerhalb des Beringes über jeweils eigene Wohnstätten sowie über einen außerhalb der Burg stehenden, an Burggrafentürme gemahnenden Turm mit anschließendem Haus.“40 Im 12. und 13. Jahrhundert war die Burg also nicht von einer Familie, sondern von einer „Vielzahl von Personen ministerialen und niederadeligen Standes“41 bewohnt. Aus welcher Zeit der gesamte Komplex stammt, konnte bis heute nicht genau geklärt werden; bislang datierte man seine Errichtung auf Mitte 12. Jahrhunderts. Neuere Forschungen setzten die Erbauung der Burg weit früher an.42 Das ist auch für die Geschichte der Kapelle von Bedeutung, wie sich unten zeigen wird. Die Kapelle bildete nach Walchegger „... mit einem nördlich von ihr isolirt stehenden kleinen Thurm, der Buckelquadern zeigt, selbst ein kleines Vorwerk der Burg Weineck“.43 Diese Situation kann man an dem von ihm veröffentlichten Grundriß ablesen. Demnach hätte die Kapelle außerhalb des Wohnbereiches, zirka hundert Meter tiefer gelegen.44 37 38 39 40 41 42 43 44 Virgl bezeichnet einen Sporn des Kohlerer Berges, der gegen Westen in die Bozner Talsohle vorspringt und die von Nord nach Süd fließende Talfer nach Westen abdrängt. Weineck, ehemals Stadtburg von Bozen, „... hatte einst die vom Süden längs der Etsch gegen Bozen hin führende Straße zu überwachen, welche durch ein Tor, das sogenannte 'Bozner Klausl', das mit der Kirche durch eine Mauer verbunden war, abgesperrt werden konnte.“ SEMPER 1904, S. 205. Heute ist von der ehemaligen Burganlage ohne genaue Kenntnis des Ortes nichts mehr zu sehen. BITSCHNAU 1983, S. 492 f., Nr. 589. BITSCHNAU 1983, S. 492. Er bezieht sich in seinem Artikel auf Quellen, veröffentlicht in Acta Tirolensia (= VOLTELINI 1888) und im Tiroler Urkundenbuch (= HUTER 1937-57). Auch Josef Nössing nennt für die Burg Weineck mehrere Wohnbauten in der Ummauerung; siehe NÖSSING 1989, S. 70-75. NÖSSING 1989, S. 73. NÖSSING 1989, S. 72. Auf welche Quellen er sich dabei bezieht, führt er allerdings nicht an. WALCHEGGER 1893, S. 33. In dem von ihm veröffentlichten Grundriß ist ein solcher Wehrturm noch auszumachen. Vgl. SEMPER 1904, S. 378. Über Funde von Quaderresten und Mauerzügen berichtet INNEREBNER 1955, S. 15. 15 Der saalartige Grundriß der Kapelle (Abb. 2) mit der nicht eingezogenen Apsis ist typisch für Kirchenbauten der Spätantike, und es ist in der Tat nicht ausgeschlossen, hier einen spätantiken Bau anzunehmen, da in der Umgebung Siedlungen aus dieser Zeit nachgewiesen werden konnten.45 Genaueres läßt sich jedoch nicht aussagen, da am Virgl nie systematisch gegraben worden ist. Einen weiteren Anhaltspunkt für eine frühere Bauzeit gab Josef Rampold, der die Vigilskapelle als Nachfolgerin einer älteren Korbinianskapelle bezeichnete.46 Zudem zitierte er den langobardischen Schriftsteller Paulus Diaconus, der berichtet, „... dass um 680 ein bajuwarischer Grenzgraf das Castellum Bauzanum innehatte.“47 Dieses Castell stand auf dem nahen Virglberg, wo im Mittelalter die Stadtburg Weineck folgte. Diese wird in den Jahren 1177 und 1180 erstmals als „in castro Winekke“ genannt.48 Eine Güterteilung unter den Burginsassen ist in einer Regeste aus dem Jahre 1242 vermerkt.49 Danach blieb wenigstens ein Zweig der dort ansässigen Burgmannen auf der Burg ob Bozen. Als Lehensleute der Bischöfe von Trient, welche auch die Stadtherren von Bozen waren,50 sind die Weinecker seit dem 12. Jahrhundert eng mit den politischen Geschehnissen in der Stadt Bozen verbunden gewesen. Während der Auseinandersetzungen Meinhards II., Graf von Tirol-Görz (1258-1295), mit den Bischöfen Egno und Heinrich von Trient in den 1270er Jahren spielten auch die Stadt Bozen und die dort seßhaften Adelsgeschlechter eine entscheidende Rolle.51 Die Weinecker, welche in diesem Streit die Partei ihres Landesherren, der Bischöfe von Trient, verteidigten, 45 46 47 48 49 50 51 Für diese Hinweise zur Einschätzung des Alters der Kapelle danke ich Dr. Hans Losert, Bamberg, und Dr. Hans Nothdurfter, Innsbruck. RAMPOLD 1985, S. 182. Korbinian, 675 geboren, war von Papst Gregor beauftragt, das Evangelium in Bayern zu verbreiten, und wurde zum Gründer des Bistums Freising. Dieses hatte schließlich auch reiche Besitzungen in Südtirol. RAMPOLD 1985, S. 13. Dass neben dem Castellum Bauzanum eine Korbinianskapelle errichtet worden war, ist nicht auszuschließen: Zum einen war Korbinian, bevor er in Bayern missionierte, in Meran-Mais tätig, so dass er bald in Südtirol verehrt wurde. Zum anderen könnten die Bajuwaren sein Patrozinium wieder in den Süden gebracht und ihm eine Kapelle geweiht haben, als sie auf dem Castellum Bauzanum saßen. RAMPOLD 1985, S. 182. NÖSSING 1989, S. 71. NÖSSING 1989, S. 73. NÖSSING 1989 und HORMAYR VON HORTENBURG 1822, bes. Bd. II. Meinhard II. entmachtete den Adel und beschnitt seine Sonderrechte. Dagegen erfuhren Städte und Gemeinden besondere Förderungen in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht. Er verstand es aber auch, Teile des Adels und vornehme Familien auf seine Seite zu bringen, was den Landesherren, den Bischöfen von Trient, zum Nachteil gereichte. Meinhard riß nämlich die Herrschaft im gesamten bischöflichen Stiftsland an sich. Dadurch vergrößerte und festigte er seinen Besitz in einem Gebiet, welches er sich bis dahin mit den Trienter Bischöfen teilen mußte. Aus dieser Situation heraus, die sich noch weitaus vielschichtiger darstellte, entstand der Zwist zwischen den beiden Lagern. Vgl. dazu FORCHER 19813. 16 traf letztendlich, wie viele andere, die Zerstörungswut des Tiroler Grafen Meinhard II. Nach längerer Belagerung ließ dieser die Burg Weineck im Jahre 1292 schleifen.52 Die dem Bistumspatron Vigilius geweihte Kapelle blieb dabei jedoch verschont. Interessant ist demnach die Tatsache, dass lange Zeit nach der Zerstörung der Burg die Kapelle eine neue Ausstattung erhalten hat. Die Vigilskapelle wird erstmals nach der Zerstörung der Burg, anläßlich der Stiftung einer Gelte53 Öl im Jahre 1275 urkundlich erwähnt.54 Ein weiteres Mal 1346, als ein „herr Weiglin vin Weineck“ als „Provisor und Rector der Kapelle hl. Vigilius de purchstall“ genannt wird.55 Zur Entstehung der Kapelle gibt es keinerlei Aussagen. Walchegger hielt sie für eine der ältesten Kapellen Bozens.56 Im Gegensatz zu den 1180 geweihten Kirchen St. Johann im Dorf und St. Martin in Kampill, mit denen es meist verglichen wurde, hätte St. Vigil noch keinen gemauerten Turm, sondern nur einen Dachreiter besessen. Für einen Dachreiter gibt es jedoch keinerlei Anzeichen, zumal beim Umbau im 16. Jahrhundert der Dachstuhl abgerissen und das Gebäude aufgestockt wurde. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der nördlich situierte Wehrturm vor seiner Umgestaltung zur Wohnung als Glockenturm genutzt wurde.57 Um die Mitte des 15. Jahrhunderts wurde der Wehrturm zu einer Einsiedelei ausgebaut.58 Dies dokumentierte eine Inschrift unter der Darstellung des Heiligen Vigilius, welche an der Westwand des Anbaues zu finden ist (Abb. 3): „Dise Klause pawet bruder Stephan hagkel in dem namen des Allmachtigen gottes und zu den eren des heiligen hern sanct Vigilen mit hilfe und stewer fromern lawt. a.dni. mccccl.“59 Semper60 vermutete, das Geld für diese Baumaßnahme stammte aus einem Ablaß, welcher der Kirche 1446 gewährt wurde.61 Aus einem alten Verkündbuch vom Jahre 1600 ist zu entnehmen, dass öfters im Jahr Prozessionen von der Bozner Stadtpfarre zu St. Vigil gingen. Eine alte Gewohnheit sei es auch gewesen, dort in Quatemberzeiten62 Salz und Wasser zu weihen.63 Nach dem alten Kirchenkalender 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 NÖSSING 1989, S. 73. Gelte bezeichnet ein altes Flüssigkeitsmaß. INNEREBNER 1955, S. 107. Vgl ATZ / SCHATZ 1903, S. 101. WALCHEGGER 1893 führt allerdings andere, nicht haltbare Gründe für seine These an. WALCHEGGER 1893, S. 34. Vgl. Grundriß von WALCHEGGER 1893, S. 35, Abb. 1a. Die weißen Mauerzüge zeigen die Verbindungsmauern an. Worauf dieser Grundriß basiert, ist nicht festzustellen. SEMPER 1904, S. 207. WALCHEGGER 1893, S. 34 las mcccc. Heute ist die Inschrift nicht mehr lesbar. SEMPER 1904, S. 207. WALCHEGGER 1893, S. 34. Quatemberzeit sind durch Fasten, Gebete und Almosen ausgezeichnete Bußwochen. 17 der Pfarre von 1673 soll St. Vigil drei Altäre gehabt haben, die den hll. Vigilius, Stephanus und Georg geweiht waren, ferner einen Taufstein und einen Friedhof.64 Am 29. April 1683 wurde die Vogtei der Vigilskapelle auf die Pfarrkirche übertragen.65 Zu dieser Zeit hatte man bereits zweihundert Meter bergab den Neubau einer Kalvarienbergkapelle begonnen.66 Nach deren Fertigstellung profanierte man St. Vigil, um darin die Wohnung für den Messner der neuen Kirche einzurichten:67 „Bei dieser Gelegenheit wurden auch die alten Fassaden und Seitenmauern der Vigiliskapelle um ein Stockwerk erhöht, in welchem Kammern eingerichtet wurden, deren Fußbodentramen rücksichtslos durch die Gemäldeflächen des Schiffes gezogen wurden. Zugleich wurde letzteres als Stadel und die durch eine eingezogene Mauer davon getrennte Apsis als Pferdestall eingerichtet.“68 Gleichzeitig brach man wohl auch die Fenster in Nord- und Südwand des Kirchenschiffes ein. Noch 1893 bildete Walchegger in seinem Aufsatz zur Vigilskapelle einen Querschnitt ab, der die Fußbodentramen zeigt (Abb. 4). Die Bildfelder des oberen Registers des Marienzyklus sind darauf nur skizzenhaft festgelgt, da bis dato vom Putz verdeckt. Auch Semper berichtete von zwei Registern, beschrieb 1904 jedoch ebenso nur das untere. Wann die Einbauten entfernt wurden, ist nicht zu eruieren gewesen. Im Zuge der 1943 vorgenommenen Freilegung der Fresken durch Nicolo Rasmo wurde auch der Mittelteil der Vermählung Mariens, der bis dahin im Museo Alto Adige, dem heutigen Bozner Stadtmuseum, untergebracht war, wieder an seinem ursprünglichen Ort eingepaßt.69 63 64 65 66 67 68 69 WALCHEGGER 1893, S. 34. ATZ / SCHATZ 1903, S. 101. Dies widerspricht jedoch einer anderen Quelle, auf die ich weiter unten noch zu sprechen komme. SPORNBERGER 1894, S. 102. Außerdem bei ATZ / SCHATZ 1903, S. 102, Anm. 1: „Auf wiederholte Bitten des Josef Friedrich Kuepach zu Ried, Haselburg und Zimmerlehen als ältesten seines Geschlechtes an den Stadtrath als weltliche Vorstehung seine von den Weineckern ererbte Vogtei der St. Vigilkirche auf die Pfarrkirche zu übernehmen zu wollen, entschloß man sich hiezu am 29. April 1683 und das alte Vigiliuskirchlein sammt dem umliegenden Grunde und einigen Zinsen wurde übernommen, weil man schon im Begriffe war eine große Grabkirche zu bauen (Stadtraths-Protokoll)“. Außerdem sei das Kirchlein S. Viglius sehr baufällig bzw. zerfallen gewesen. SEMPER 1904, S. 206, gibt als Datum für den Neubau 1680 an. 1994 wurde die Einsiedelei wieder zur Wohnung umgestaltet. Dabei wurde die Treppe ins obere Geschoß der Wohnung über die Kalotte der Apsis geführt. Meiner Ansicht nach bedeutet dies eine gefährliche Belastung für den Bau. SEMPER 1904, S. 206. RASMO 1972, S. 142. Wann der Mittelteil der Vermählungszene von dort entfernt wurde, ist mir nicht bekannt. Der Nachlaß Nicolo Rasmos befindet sich seit Herbst 1989 im Museo Civico in Bozen. (Diesen Hinweis verdanke ich Dr. Leo Andergassen) Nach Auskunft von Frau Dr. Spada Pintarelli wurde er ab Herbst 1990 geordnet und bearbeitet. 18 Über die Ausstattung der Kapelle gibt es einige wenige Hinweise in Visitationsprotokollen des 17. Jahrhunderts, also noch vor der offiziellen Auflösung der Kapelle.70 So ist zum Beispiel 1674 von einem der hl. Barbara geweihten Altar die Rede: „Visitavit Altari Sta. Barbara a[pud] cornu evangeli ...“71 Außerdem stand wohl inmitten der Kapelle eine Kalvarienbergsgruppe: „Quattuor Statuae salvatoris es [et] trium apostulorum hortum rappresentantes in remotionem essent collocandae locum cum medio sind [?] inpedimento ecclesiae.“72 Während einer Visitation der Pfarre Bozen im selben Jahr, wurde auch die Kapelle auf dem Virgl wieder besucht. Dieser Bericht zeichnet jedoch ein düsteres Bild der Ausstattung von St. Vigil: „Altare majus est non consecratum, et profanatum, ut indicatu aperturas Superlevi [?] Reliquias, est muriatur [?] arca portabili canonica, est omnibue [?] ornamentis expoliatus ... lignea mensa, nec quis [Sacerdos] ex ignorantia super eum celebret.“73 Auch aus dem 18. Jahrhundert gibt es Protokolle über Visitationen von St. Vigil. Doch ist nicht klar ersichtlich, ob es sich dabei um die aufgelassene Kapelle handelt oder die neugebaute Kalvarienbergskirche, die vielleicht im Volksmund weiterhin St. Vigil genannt wurde. Denn es ist von Marmorstatuen und diversen Altären die Rede, die wohl in einer aufgelassenen Kirche nicht mehr zu sehen gewesen wären. Über die malerische Ausstattung der Kapelle ist jedoch nichts zu lesen. Der gesamte Innenraum der ursprünglich nur im Chor durchfensterten Kapelle war vollständig mit Fresken ausgeschmückt. Mit der klaren Anordnung der Malereien war bewußt auf die Architektur Rücksicht genommen worden. Die Schiffswände sind in drei annähernd gleichhohe Zonen unterteilt, wobei sich Nord- und Südwand entsprechen. Über der Sockelzone, die gemalte Marmorplattenimitationen aufweist, folgen die beiden Bildregister, die in jeweils sechs Bildfelder aufgeteilt sind. Die Trennlinie zwischen den beiden oberen Register verläuft etwa auf Höhe der Kämpferzone der Apsis. Gegenüber dem Kirchenschiff sind Chor und Triumphbogen um eine Stufe erhöht und dementsprechend auch die Gliederung ihrer malerischen 70 71 72 73 Die Visitationsprotokolle befinden sich im Archivio archivescovile / diocesano in Trient; zur Vigilskapelle siehe Inventario p. 251. Die Einsichtnahme gestattete mir dankenswerterweise der Leiter des Diözesanarchivs Don Livio Sparabani. Atti visitali, 18: Bozen 1674, Canon Sigismundus Alphonsus Episcopus Prinz Tridenti ac Brixina comes a Thun, p. 33-36: Chiesa di S. Vigilio "in monte Calvario", Zitat p. 33. Ebd., Zitat p. 34. Atti visitali, 18: Bozen 1674, Canon Sigismundus Alphonsus Episcopus Prinz Tridenti ac Brixina comes a Thun, Visitatione Parochia Bulsani año 1674, p. 318: Pro Ecclesia St. Vigiliy in cole Wainegg, Zitat p. 318. Vielleicht war dieser Ölberg als Pilgerziel so berühmt, dass die Kapazität der alten Vigilskapelle erschöpft war und deshalb der Bau einer neuen Kalvarienbergskirche geplant wurde. 19 Gestaltung in den unteren beiden Zonen. Die Trennlinie zwischen Konche und mittlerer Zone der Apsis liegt allerdings auf gleicher Höhe wie die Trennlinien der Bildregister der Längswand. Somit ist die mittlere Zone der Apsis, die von drei kleinen Rundfenstern durchbrochen ist, niedriger. Die Marmorplatten imitierenden Felder der Sockelzone wurden bei der letzten Restaurierung entfernt, da sie zum einen stark durch Salzausblühungen in Mitleidenschaft gezogen waren, zum anderen nicht zum ursprünglichen Bestand gehörten.74 Eine Gliederung der Westwand ist nicht mehr zu erkennen. Auch die hier in den Ecken überstehenden sichtbaren Rahmenfragmente sind wohl nicht zur Orginalsubstanz zu zählen.75 Als Ausstattung läßt sich hier ein Jüngstes Gericht denken. 3.1.1 Die Malereien der Westfassade Die Westfassade (Abb. 5) wurde von Semper mit Hilfe der dort gezeigten Wappen, die er zwei Familienzweigen zuordnete, auf um 1421 datiert.76 Das Wappen mit weißer Zinnenmauer auf rotem Grund gehört laut Siebmacher den Herren von Weineck aus Bozen („Alt-Weineck“).77 Das zu sechs Plätzen in rot und weiß geschachte bezeichnete er als das Wappen der Weineck aus Malans bei Chur („NeuWeineck“).78 Über und unter dem Wappen der Neu-Weineck sind die Wappen beider Familienzweige noch einmal in kleinerer Ausführung zu sehen.79 Diese Wappen sind bisher das einzige Dokument, welches die Weinecker als Stifter dieser Fresken ausweist. Die Bemalung der Westfassade ist in zwei übereinanderliegende Register gegliedert. Breite Ornamentbänder, die Inkrustationen imitieren, rahmen drei Bildfelder. Links des Eingangs ist der hl. Martin dargestellt, wie er den Mantel mit dem Bettler teilt (Abb. 6). Das Bildfeld ist zu großen Teilen zerstört und man erkennt die Figuren nur noch schemenhaft. Der Heilige sitzt etwas erhöht, mit dem gesamten Körper dem 74 75 76 77 78 79 Freundlicher Hinweis von Martin Pittertschatscher, Restaurator der Vigilskapelle. Dito. SEMPER 1904, S. 215. Nach SIEBMACHER 1969: Tir 10, SI 3 102, das Wappen der Alt-Weineck. Nach SIEBMACHER 1969: Tir 10, SI 3 102, das Wappen der Neu-Weineck. Auch SEMPER 1904, S. 214 nennt es das Wappen der Weineck aus Malans bei Chur. In dem an der Fassade im Sterbelager Liegenden vermutete man Hans von Weineck, welcher 1421 starb und in seinem Wappen beide Motive vereinte. Da um 1420 beide Wappen zusammengeführt wurden, liegt es nahe, dass die Gemälde auf Grund eines Gelübdes des Hans von Weineck, das er auf dem Totenbett ablegte, entstanden sind. Als Datierung für die Fassadenfresken ergäbe sich demnach um 1421. 20 Betrachter zugewendet. Sein Nimbus überschneidet leicht die obere Rahmenkante. Mit beiden Händen reicht er dem schräg unter ihm stehenden Bettler seine Mantelhälfte. Der leicht gebückt stehende Bettler hält in der zum Zeigegestus erhobenen linken Hand ein Schriftband. Seinen Blick hat er zum Heiligen erhoben. Rechts der Tür ist eine Szene aus der Oswaldlegende wiedergegeben80; der hl. Oswald übergibt seine Frau dem als Bettler verkleideten Christus (Abb. 7). Auch dieses Bild ist schwer beschädigt, doch sind die Figuren noch etwas besser zu erkennen. In der Mitte steht der König in zeitgenössischer Kleidung und ausgezeichnet durch einen Hermelinkragen. Seine rötlichen Haare gehen in einen kurzen Bart über. Auf dem Kopf hat er einen schmalen Kronreif. Mit der rechten Hand hält er die linke Hand seiner Gemahlin, mit der linken deutet er auf sie. Die Königin trägt einen Umhang, einen Kruseler und einen schmalen Kronreif. Links vom König steht der Bettler, gestützt auf einen Wanderstab und einen Sack auf seinem Rücken. Seine Haare und Bart sind blond. Diese beiden die Tür flankierenden Szenen sind in den unteren Hälften völlig zerstört und abgeblättert, so dass beim Martinsbild Fragmente einer noch älteren Malschicht zum Vorschein kommen. Im großen Bildfeld des Giebels ist das Totenbett eines Ritters dargestellt mit dem Teufel als Ankläger und Heiligen als Fürbitter vor Gott Vater, der in einer Mandorla sitzend den Giebel einnimmt (Abb. 8). Sein Blick und ein von seinem Mund ausgehendes Schriftband sind nach links unten gerichtet. Dort stehen Christus als Schmerzensmann, der ebenfalls ein Schriftband hält, und hinter ihm die hl. Anna-Selbdritt. Auf der rechten Seite, in der heraldisch prominenteren Position, sieht man eine Heilige in rotem Kleid und Mantel,81 hinter welcher der hl.Vigilius steht. Beide halten wiederum Schriftbänder, die in eindeutiger Weise auf den Sterbenden gerichtet sind.82 Zwischen den stehenden Heiligen ist das Sterbelager vorgeführt. Der darin liegende Mann mit verbundenem Kopf hat die Hände, in denen er ein an Maria gerichtetes Schriftband hält, zum Gebet erhoben (Abb. 10).83 Heute sind die Inschriften unleser- 80 81 82 83 Der Kult des hl. Oswald, König von Northumbrien, gelangte durch schottische Missionare nach Deutschland. Er ist Patron der Schnitter und des Viehs und wird als Wetterherr angerufen. Eine eindeutige Identifizierung dieser Heiligen ist nicht möglich. BEISSEL 1909, S. 362, bezeichnete dieses Bild als ein "drastisches Pestbild". Die Hinwendung des Ritters in der Not an Maria habe ihren Grund in der alten Sitte, unter dem Schutz der Gottesmutter Maria in die Schlacht zu ziehen. Ich habe bei meinen Recherchen keine Hinweise auf eine Pestepidemie zu Beginn des 15. Jh. gefunden. Nach RAMPOLD 1985, S. 20, schlägt die Pest jedoch das erste Mal 1348 zu. Sicherlich gaben die Schriftzüge ehemals Hinweise auf die Thematik und damit vielleicht auf eine Stiftung 21 lich. Auf dem Bettkasten sitzt ein Teufel mit gekreuzten Unterschenkeln und blickt zum Schmerzensmann auf. Auch er ist nur noch schwer zu erkennen. Die obere Zone des Fassadenfreskos von St. Vigil zeigt demnach den Kampf der guten Mächte gegen den Teufel um die Seele eines Sterbenden, ein Thema das besonders im 15. Jahrhundert in Schnitt- und Stichserien der 'Ars moriendi' weit verbreitet war und in Form von Blockbüchern eine große Popularität erfahren hat. In diesen Büchern sind in fünf Bildpaaren die Anfechtungen von Seiten des Teufels in der Todesstunde den guten Einsprechungen der Engel gegenübergestellt. Das Abschlußbild zeigt die Selige Sterbestunde.84 Die Anselm von Canterbury fälschlich zugeschriebene 'Admonitio morienti et de peccatis suis nimis formidanti' (11. Jahrhundert), die nähere Vorbereitung auf den Tod mit einer Reihe von Fragen an Mönche und Laien, gilt als die literarische Grundlage zur Ars moriendi. Schon gegen Ende des 14. Jahrhunderts predigten die Franziskaner und Dominikaner über den Tod und die Letzten Dinge, wie auch die asketische und spirituelle Theologie dieser Orden die Glaubenspraxis des christlichen Sterbens vorbereitete. Zur eigenen Literaturgattung wurde die Ars moriendi durch das 'Opus tripartitum' (1408) des Johannes von Gerson (1363-1429),85 dessen dritter Teil 'De arte moriendi' in Teilen der meisten späteren Sterbebüchlein wieder aufzufinden ist, die gegen Ende des 15. Jahrhunderts eine rapide Verbreitung erfuhren.86 Die Erlebnisse der Pestseuchen und die allgemeine Unsicherheit des Lebens in dieser Zeit waren die Hauptgründe, weshalb der Tod viele Lebensäußerungen beherrschte. Eine der berühmtesten Serien der Ars moriendi ist die um 1450 entstandene des Meisters E.S., dem auch lange die Erfindung ihrer Illustrationen zugesprochen wurde. Aber schon um 1420-30 entstand eine bildliche Fassung im sog. Wellcome Manuscript., das Saxl 1942 noch fälschlicherweise ans Ende des 14. Jh.´s datierte. 87 84 85 86 87 LCI 1990, Bd. I, Sp. 188-189. Dort sind auch die fünf Bildpaare thematisch aufgezählt. Genauso wie in RDK 1937, Bd. I, Sp. 1122 und an anderen Stellen. Doch zeigt sich, dass die Benennung nicht immer einheitlich ist. RUDOLF 1956, S. 81. LMA 1980, Bd. I, Sp. 1040. Falk 1969, S. 7, setzte die Enstehung der Ars moriendi in den Jahren zw. 1400 und 1419 an. Er begründete dies damit, dass die Vorrede zum Text noch vom Kanzler Johann Gerson stamme, dieser seine Kanzlerwürde aber 1419 niederlegte, so dass dieses Datum als terminus post quem zu sehen sei. Der letzte Teil des 'Opus tripartitum' ist wieder in vier Teile gegliedert: 1. Vier Mahnungen, 2. sechs Fragen , 3. Gebete zu Gott, zur seligsten Jungfrau Maria, zu den Engeln und zu den Patronen, 4. verschiedene Ratschläge, was der Priester beim Kranken zur Zeit seines Todeskampfes beobachten soll. Siehe dazu RUDOLF 1956, S. 82. SAXL 1942, S. 124 bzw. 115-117. Saxl stellte in seinem Aufsatz über zwei enzyklopädische Bilderhandschriften das Manuskript im Wellcome Museum in London vor, das eine Apokalypse mit dem Leben des Antichrist und des hl. Johannes, die Ars moriendi, die Prophezeiung der Hildegard und das Dictum Sibillae über die römischen Kaiser beinhaltet. Er setzte es im Vergleich zu einem verwandten Manuskript der Biblioteca Casanatense in Rom, welches er ein 22 In Italien soll dieses Thema allerdings selten dargestellt gewesen sein88, sowie nie ein Sujet der Monumentalmalerei.89 Interessant für die vorliegende Untersuchung ist eine Gegenüberstellung von Darstellungen aus der Ars moriendi mit dem Fassadenfresko von St. Vigil auf dem Virgl,90 hier die Versuchung des Sterbenden durch den Hochmut aus dem WellcomeCodex91 (Abb. 9). Diagonal liegt dort der Sterbende in einem Bett, über ihm in einem Wolkenkranz die Trinität und Maria. Am Fuße des Bettes steht der hl. Antonius von Padua mit Kreuzesstab und Glocke. Um das Bett stehen drei Engel, von denen einer auf ein Höllenmaul am Boden zeigt, in dem sich bereits Verdammte quälen, ein anderer ein Schriftstück in die Höhe hält und der Dritte auf die Erscheinung am Himmel weist. Dargestellt ist nicht die Versuchung selbst, sondern deren Überwindung durch den Beistand der Trinität sowie der Jungfrau Maria und des hl. Antonius von Padua. Die Fassade von St. Vigil auf dem Virgl zeigt ein sehr ähnliches Sujet. Lediglich ist anstatt der Trinität Gott Vater allein in der Mandorla gezeigt und es fehlen die Engel als Vermittler. Doch wie die Schriftbänder andeuten, haben diese Funktion die Heiligen selbst übernommen.92 Nur die Anna-Selbdritt-Gruppe steht repräsentativ zum Betrachter gewendet und beteiligt sich nicht an dem Wortwechsel. In Anbetracht der Datierung des Fassade auf 1421 ist in dem Giebelfresko eine der ersten bildlichen Darstellungen des Ars-moriendi-Themas zu sehen, zudem in Monumentalmalerei. Diese Tatsache kommt den Forderungen des Johann Gerson im Vorwort seines 'Opus tripartitum' nach, wonach alle Vorgesetzten, welchen Unterweisung obliegt, „... schaffen mögen, dass die Lehr dieses Büchleins 88 89 90 91 92 bis zwei Dekaden jünger einschätzte. Er macht seine Datierung an Kostümen und Waffen und am älter scheinenden Stil der Illustrationen fest. Beide Handschriften, deren Entstehung er nach Deutschland lokalisiert, stellten seiner Meinung nach mögliche Vorlagen für die im 15. Jh. oft kopierten und illustrierten Bücher der Ars moriendi dar. Vgl. jedoch KAT. AUSST. MÜNCHEN/BERLIN 1987, S. 74-76, wo das Wellcome-Manuscript 1420-30 datiert wird. LCI 1990, Bd. I, Sp. 188. Als Beispiel wird in LMA 1980, Bd. I, Sp. 1043 Solna in Schweden genannt. Auch FALK 1969, S. 7, Anm. 1 macht extra darauf aufmerksam, dass „... auf Kirchen-, Kreuzgang- u.s.w. Wänden die Darstellung der Ars moriendi nicht vorkommen; die Bilder kamen auf, als der Holzschnitt in vollem Gange war.“ Die in KAT. AUSST. MÜNCHEN/BERLIN 1987 abgebildeten Beispiele der Versuchung im Glauben zeigen das gleiche Schema des im Bett liegenden Sterbenden, der von Teufeln bedrängt wird. Während die im Berliner Ausstellungskatalog gezeigten Bilder die Versuchungen zeigen, führt Saxl in den Handschriften die Überwindung der Versuchung durch den Beistand von Heiligen vor. Wellc. MS., fol. 30 r. Solche Schriftbänder finden sich vor allem in niederländischen Blockbüchern der Ars moriendi. Abb. in RDK 1937, Bd. I, Sp. 1125-1126. 23 geschrieben werd auf Tafeln und angeheftet ganz oder mit teilen (theilweise) an offenbarlichen stetten, als (nämlich) in pfarkirchen, in schulen, in spitale, in geistlichen stetten“. 93 3.1.2 Die Ausmalung des Triumphbogens und der Apsis Den Auftakt zur Apsis bildet der Triumphbogen, der in seiner südlichen Laibung eine Anna-Selbdritt-Gruppe (Abb. 11), in seiner nördlichen den hl. Vigilius (Abb. 12) zeigt. Beide Darstellungen sind im oberen Drittel zerstört. Die Heiligen sitzen auf perspektivisch gestalteten Holzthronen. Die Figur Vigilius', auf der Südseite, zeichnet sich durch das Bischofsgewand aus, das in Teilen noch erkennbar ist. Die Oberkörper und Köpfe der Heiligen sind verloren. Weiter oben, entlang der Wölbung sind 13 Tondi mit Achtpässen, in denen Brustbilder Kains und Abels, jeweils unten, sowie der Klugen und Törichten Jungfrauen dargestellt sind (Abb. 13). Von den opferbringenden Brüdern ist nur noch Kain an der südlichen Seite erhalten. Im Profil gezeigt hält er mit ausgestreckten Armen ein Ährenbündel vor sich. Details sind wegen des schlechten Erhaltungszustandes nicht mehr zu erkennen. Zum Scheitel hin folgen im Süden die fünf Törichten, im Norden die fünf Klugen Jungfrauen. Von den Klugen sind jedoch nur noch zwei einigermaßen erhalten. Alle Jungfrauen sind in modische, enganliegende Gewänder mit rechteckigen Ausschnitten gekleidet. Während die Klugen Jungfrauen Mäntel übergeworfen haben, sind die Törichten ohne Mäntel, aber zusätzlich mit weiteren modischen Accessoires wie Ärmelschleppen, Haube oder Diadem ausgestattet. Mit Gesten des Erschreckens (Hand ans Kinn gelegt) oder der Verzweiflung (Hand an der Stirn des geneigten Kopfes) halten diese ihre verglühten Lichter nach unten. Die Klugen Jungfrauen halten mit erhobenem Haupt ihre Flamme vor sich. Im Scheitel schließlich ist das Fragment eines segnenden Christus zu sehen. Von der Verkündigung in den Zwickeln des Triumphbogens ist nur noch die Maria in der südlichen Ecke erhalten. 93 Zitiert nach FALKE 1969, S. 16. In St. Jakob in der Au bei Bozen ist in den Fragmenten des Hermogenes-Zyklus (um 1400) ein Kampf der guten Geister des Jakobus gegen die bösen Geister des Hermogenes dargestellt. Im Votivbild des Conrad Erlin von 1424 im Dom zu Bozen kniet vor einer thronenden Maria, von der nur noch ihr Gewandsaum zu sehen ist, neben anderen Personen auch der Stifter. Daneben erkennt man aber auch eine kleine Teufelsfigur. Ein kniender Gläubiger, der Stifter und der Teufel halten Schriftbänder in Händen. Von rechts sieht man das Fragment eines weiteren Schriftbandes. Auch hier ist der Kampf zwischen Gut und Böse thematisiert. 24 Im unteren Teil der Apsis thronen über der Sockelzone die Zwölf Apostel (Abb. 14). Auf den Armlehnen ihrer architektonisch gestalteten Steinsitze mit Holzverblendungen stehen Säulchen, welche Baldachine in der Form untereinander verbundener Kreuzgratgewölbe tragen. Im Sockel dieser Thronarchitekturen waren die einzelnen Apostelfiguren mit Namen benannnt (Abb. 15). Nach oben wird die Rundbogenstellung durch ein umlaufendes, gemaltes Gesims abgeschlossen, welches auf schmalen Konsolen aufzuliegen scheint. Die Malereien der Apsiskalotte sind fast völlig zerstört. Ganz rechts erkennt man den unteren Teil eines leicht schräg stehenden Thrones, auf dem eine Figur mit langem weißen Gewand sitzt, welche noch bis in Kniehöhe zu erkennen ist. Links daneben zeigt sich das weiße Kleid einer weiteren, stehenden oder halb knienden Gestalt, diese jedoch kleiner wiedergegeben. Links davon ist zu drei Vierteln eine Kreuzigungsgruppe zu sehen, noch stärker verkleinert als die zweite Figur. Johannes und Maria zuseiten des Kreuzes sind fast vollständig erhalten, der Gekreuzigte nur bis zu den Oberschenkeln (Abb. 16). Nach links schließt sich wieder ein Thron an, auf dem eine Figur in grünem Gewand sitzt (Abb. 17). Auch hier läßt sich nur mehr der Gewandsaum erkennen. Hinter dem Gewandstück spitzt noch eine ockerfarbene Adlerklaue vor. Neben dieser befindet sich, ebenfalls in verkleinertem Maßstab, eine Maiestas Domini in einer Mandorla. Zur Mitte hin folgt erneut das Fragment einer weiß gekleideten Figur. An ihrer Rückenlinie sieht man noch zwei schmale grüne Spitzen eines Engelsflügels. Bei genauerer Betrachtung läßt sich davor noch ein zweites, braunes Gewand ausmachen, das wohl zu einer kleineren Figur gehörte, welche vor dem Engel kniete. Außerdem erkennt man noch das Fragment eines Schriftbandes, dessen Inschrift bis zur Unleserlichkeit verblaßt ist. Daran schließt sich in der Mitte der Kalotte der Rest eines breiten Sockels an. An dessen rechter Kante sind ein weiteres, kleineres Sockelfragment und zwei Füße eines Stuhls oder Schemels zu erkennen (Abb. 18). Anhand der Fragmente der Apsis rekonstruierte Nicolo Rasmo 1942 für deren Ausstattung die Vier Evangelisten mit heiligen Szenen.94 Auffallend ist die paarweise Anordnung der thronenden Figuren neben der Apsismitte. Für die linke Seite, wo nur noch sehr geringe Reste existieren, muß man wohl zwei ebensolche Figuren 94 RASMO 1942, Abside di S. Vigilio, S. 64. 25 ergänzen. Die Thronenden sind durch ihre Größe hervorgehoben, ihre Vierzahl läßt tatsächlich an Evangelisten denken. Rasmos Rekonstruktion läßt sich in motivischer Hinsicht durch einen Vergleich mit der Deckengestaltung von St. Helena in Deutschenofen unterstützen (Abb. 19): In vier großen, rechteckig eingefaßten Bildfeldern sitzt dort in der rechten Hälfte je ein Evangelist an einem reich verzierten Schreibpult. Über ihm schwebt in einem Wolkenkranz das entsprechende Wesen, welches ein Schriftband hält. In der linken Bildhälfte sind in eigener, aufwendiger Rahmung christologische Szenen dargestellt: neben Lukas mit dem Stier die Geburt Christi, neben Matthäus mit dem Engel die Kreuzigung, neben Markus mit dem Löwen die Auferstehung und neben Johannes mit dem Adler eine Maiestas Domini. Jedoch muß Rasmos Vorschlag modifiziert werden: Vergleicht man die Evangelistendarstellungen in der Umgebung Bozens, so werden diese immer mit nackten Füßen gezeigt. Bei dem rechten Fragment in St. Vigil auf dem Virgl hingegen sieht man unter dem langen weißen Gewand braune Schuhspitzen. Dies scheint mir ein Indiz, dass hier die Vier Kirchenväter gemeint waren, da diese in der Regel beschuht dargestellt wurden. Der halb knieende Engel mit der Kreuzigung, zum anderen die Greifvogelklaue und Christus in der Mandorla sind meiner Ansicht als Fragmente der Darstellung der vier apokalyptischen Wesen als Symbole der Evangelisten kombiniert mit je einer Szene aus dem entsprechenden Evangelium zu deuten.95 Zwar scheint der angeführte Vergleich mit St. Helena meiner vorgeschlagenen Hypothese einer Kombination von Kirchenvätern mit Evangelistensymbolen zu widersprechen, doch zeigt sich in Deutschnofen nur eine Möglichkeit der Zusammenstellung solcher Motive: In der Pfarrkirche in Terlan sind dagegen im Chor des nördlichen Seitenschiffes in den Gewölbezwickeln die Vier Evangelisten gemeinsam mit den Vier Kirchenvätern gezeigt. Leider sind von diesen Paaren nur noch zwei genau zu identifizieren: Markus ist Hieronymus und Matthäus Papst Gregor beigestellt. Auch am Tonnengewölbe von St. Magdalena sind den Kirchenvätern die Evangelisten zugeordnet. In der Spitalkirche zu Sterzing schließlich ist im Gewölbe des östlichen Joches eine Kombination ähnlich der in St. Vigil auf dem Virgl erhalten (Abb. 20). Dort sind in den Gewölbezwickeln je ein Kirchenvater und eines der Wesen zusammengestellt. Beide halten Schriftbänder. Darüber, nahe dem Kreuzungspunkt der Rippen, sind vier Christusdarstellungen zu sehen: eine Maiestas Domini, die Auferstehung, die Kreuzigung und die Geburt 95 Markus, 16,1-8 (Auferstehung); Johannes, Offenbarung (Maiestas Domini); Lukas, 2,1-7 (Geburt); Matthäus, 27,31-44 (Kreuzigung). 26 Christi.96 Die Sterzinger Fresken malte wahrscheinlich Hans von Bruneck im Jahr 1441.97 Obwohl später als die Fresken von St. Vigil auf dem Virgl entstanden, läßt die Vielzahl ähnlicher Beispiele auf eine lange Tradition solcher Darstellungen schließen. Allerdings waren sie meistens im Gewölbe angebracht und nicht, wie hier, in der Apsis.98 Der breite Sockel im Zentrum der Kalotte der Vigilskapelle, auf dem wohl einst ein Stuhl oder Fußschemel stand, mit dem Fragment eines Engels und einer knieenden Figur rechts daneben, läßt sich mit Blick auf erhaltene Apsisausmalungen vielleicht als eine von zwei Engeln flankierte Marienkrönung mit Stiftern rekonstruieren. Vergleichbar wäre die Marienkrönung des Giusto de' Menabuoi in der Cappella del Beato Luca in Sant'Antonio in Padua (1382).99 In Bozen ist die abgenommene jüngere Malschicht von St. Magdalena im Stadtmuseum zu nennen (Abb. 21): Auch sie zeigt eine von knieenden, musizierenden Engeln flankierte Marienkrönung, die sich ehemals im Segmentbogen der Rechteckapsis befand.100 Ein weiteres Beispiel einer solchen Apsisgestaltung ist in St. Nikolaus in Prösels zu finden (Abb. 22). Dort ist unter einer aufwendigen Baldachinarchitektur die Marienkrönung mit Christus und Gott Vater gezeigt. Zu ihren Füßen kniet rechts und links je eine Gruppe kleiner Engel, vier weitere halten ein Ehrentuch, welches die Krönungsszene hinterfängt. Neben dieser Marienkrönung sitzen die vier Kirchenväter auf Baldachinthronen, jeweils vor einem Schreibpult. Zu ihren Füßen finden sich wieder die Evangelistensymbole. Diese Ausmalung ist wohl ebenfalls später als die in St. Vigil auf dem Virgl, doch reflektiert sie vielleicht Elemente der dort fragmentierten Ausstattung. 96 97 98 99 100 Die Geburt Christi ist nur noch schwach zu erkennen. Im Führer zur Heilig-Geist-Kirche vermutet man an dieser Stelle einen Ölberg. Vgl. THEIL 1971. Der Vergleich mit den anderen genannten Beispielen zeigt aber einen gewissen Kanon, so dass auch in diesem Falle meines Erachtens nur eine Geburt Christi in Frage kommt. THEIL 1971, S. 17. Das lag wohl daran, dass die Kapelle immer eine Flachdecke besaß und kein Gewölbe. Abb. bei SEMENZATO 1988, S. 150 f. Zu nennen ist als Vergleich vor allem auch die 136567 von Guariento in der Sala del Maggior Consiglio im Palazzo Ducale zu Venedig gemalte Marienkrönung mit Evangelisten, Heiligen und Engelschören, von der heute nur noch Fragmente erhalten sind; siehe WHITE 19872, S. 572 f., Abb. 350 u. LUCCO 1992, Bd. I, S. 54 f., Abb. 51-53. In St. Magdalena wurde 1958/59 die bemalte Verputzschicht der Apsis abgenommen, da sie sich bereits an einigen Stellen gelöst hatte. Bei diesem Eingriff kam eine darunterliegende ältere Malschicht (um 1300) zum Vorschein. Diese ist heute in der Kirche zu sehen, während die jüngere Schicht (Ende 14. Jh.) vollständig ins Stadtmuseum Bozen übertragen wurde und dort ausgestellt ist. Vgl. STAMPFER 1988. 27 Zusammenfassend kann man die Apsisausmalung von St. Vigil auf dem Virgl folgendermaßen rekonstruieren: Die Mitte der Apsis von St. Vigil auf dem Virgl nahm eine Marienkrönung ein, welche von zwei oder mehr Engeln flankiert wurde. Diesem zentralen Motiv wurden beiderseits die Kirchenväter beigegeben, welche neben sich je eines der vier apokalyptischen Wesen und eine Szene aus dem entsprechenden Evangelium hatten. Darunter thronten unter Arkaden die Zwölf Apostel. 3.1.3 Die Vigilslegende an der Nordwand An der Nordwand der Kapelle ist die Legende des hl. Vigilius in zwölf zum Teil nur fragmentarisch erhaltenen Bildern gezeigt. Der Bistumspatron von Trient, Vigilius, wurde 361 in Rom geboren und entstammte einer adeligen Familie. Der Name seines Vaters ist nicht bekannt, seine Mutter war Maxentia, später auch als Heilige verehrt. Vigilius hatte zwei Brüder, Claudian und Magorian. In Athen erhielt er eine wissenschaftliche Ausbildung. Seine Mutter und seine beiden Brüder begleiteten ihn später nach Trient. 385 wurde er zwanzigjährig zum dritten Bischof von Trient gewählt. Da er als Patron gesehen wird, wird er immer auch als Begründer der Diözese bezeichnet, was jedoch historisch nicht richtig ist. In der Diözese Trient wird er als Bistums- und Bergwerkspatron sowie als Wetterherr angerufen. Nach seinem Martyrium wurde er in der von ihm errichteten Kathedrale bestattet. Seine Legende ist in verschiedenen Abschriften überliefert.101 Die einzelnen Bilder werden durch Mosaikstreifen imitierende Rahmenbordüren, eingefaßt, welche in der Mitte sowie an den Kreuzpunkten durch Kreise bzw. Quadrate akzentuiert sind. Jedes Bild besitzt zudem an den Seiten und oben eine innere Rahmung aus einer breiten Kontur in braunem Ocker sowie einem dunkelbraunen 101 Ausführlich stellt diese verschiedenen Akten mit ihren Beschreibungen und Veröffentlichungen SFORZA 1905 vor. Die Kultgeschichte des hl. Vigilius faßt Gelmi in seiner Kirchengeschichte Tirols treffend zusammen. GELMI 1986, S. 43, „Der hl. Vigilius wurde in der Diözese Trient schon seit altersher als Diözesanpatron verehrt. Sein Kult breitete sich bald auch nach Norditalien, Österreich und Bayern aus. Im Bereich der Diözese Trient gab es nicht weniger als 40 dem hl. Vigilius geweihte Kirchen und Kapellen. Im heutigen Nordtirol gibt es allerdings nur eine Vigiliuskirche und zwar jene von Obsaurs. Die Vigiliuskirche in Thaur war, wie es scheint, ursprünglich dem hl. Virgilius geweiht. Eine Statue des hl. Vigilius steht auch auf der Annasäule und eine auf dem Altar der Landhauskapelle in Innsbruck. Die Reliquien des hl. Vigilius befinden sich heute in einem gotischen Schrein unter dem Hochaltar des Trienter Domes. In der neuerrichteten Diözese Bozen-Brixen werden der hl. Kassian und der hl. Vigilius als Diözesanpatrone am Samstag der zweiten Osterwoche gefeiert“. 28 Streifen mit angedeuteten Licht und Schatten.102. Durch die farbliche Abstufung wirken diese Bänder wie eine profilierte Laibung, welche Tiefenräumlichkeit suggeriert. An Ost- und Westseite sind die Rahmen ums Eck gezogen, d.h. auf die Westwand bzw. den Triumphbogen gemalt.103 3.1.3.1 Die Einzelbilder: Beschreibung, Ikonographie und Textquellen Vigilius wird zum Bischof geweiht (Abb. 23): Im ersten Bildfeld ist das rechte obere Viertel verlorengegangen. Vigilius, Sohn reicher Eltern, wurde zur Ausbildung nach Athen geschickt. Als er nach Rom zurückkehrte, hatten sich seine Mutter Maxentia und seine Brüder Claudian und Magorian bereits in Trient niedergelassen. Er folgte ihnen und alsbald fand er die Anerkennung der Bürger von Trient. Als für den damaligen Bischof von Trient, Abundantius, ein Nachfolger bestimmt werden sollte, fiel die Wahl auf den noch jungen Vigilius. Vor den Toren der Stadt wurde er von Valerian, dem Bischof von Aquileia, konsekriert.104 Die Erzählung beginnt im Westen, im oberen Register, mit der Darstellung der Bischofsweihe im Jahr 385 vor den Toren Trients. Vigilius kniet links der Bildmitte, in Dreiviertelrückenansicht, vor einer Altarmensa. Von rechts beugt sich Bischof Valerian von Aquileia zu ihm und steckt ihm den Pontifikalring an die rechte Hand. Hinter Vigilius steht ein zweiter Bischof, der von einem Diakon begleitet wird. Ein Diakon hinter dem agierenden Bischof sowie die knieende Figur eines Betenden mit hermelingefüttertem Rock sind nur noch fragmentarisch erhalten. Auf der mit einer Altardecke versehenen Mensa, steht ein Triptychon. Am linken Bildrand sind einige Zuschauer erhalten. In erster Reihe kniet betend ein vornehm gekleidetes Paar: Die Frau im weißen Kleid mit Gebende und kurzem Schleier; der Mann neben ihr trägt eine geschwänzte Gugel. Hinter diesen herrschaftlich wirkenden Figuren sieht man noch eine alte Frau und einen einfach gekleideten, barhäuptigen jungen Mann. 102 103 104 In den unteren Rahmenteilen der ersten beiden Bildfelder sind bei den 1997 fertiggeste llten Restaurierungsmaßnahmen Reste deutscher Inschriften zu Tage getreten, vgl. Stampfer1999, S.571 Wichtig zu erwähnen sind auch die Untersuchungen Evely Wetters zu den Stickereien des Konsekrationsornats Bischof Georgs von Liechtenstein in ihrer Berliner Dissertation von 1999. Darin beschreibt sie ausführlich die dort gezeigte Vigilslegende. Vgl. WETTER 2001. „Posthea invitatus Episcopus Aquilejensis Ecclesiae, Beatum Vigilium, extra muros civitatis Tridentinae, ad eamdem Sedem gubernandam, consecravit Episcopum.“ ASS V 1747, S. 165. Stampfer 1999 meint auch, dass der Maler auf eine deutsche Version der Legenda Aurea zurückgreift, vgl. Stampfer 1999, S. 571. 29 Die Weihe wird von zwei Bischöfen vollzogen.105 Einem Antwortbrief Ambrosius von Mailand zufolge, erbat sich Vigilius von diesem, seinem Freund, die bischöflichen Insignien.106 Doch war es wohl nicht nötig, dass dieser die Insignien persönlich dem neuen Bischof überreichte. Zudem ist der zweite anwesende Bischof hinter Vigilius sehr jung dargestellt, so dass wohl nicht der väterliche Freund des Vigilius, Ambrosius, gemeint ist, sondern ein anderer Nachbarbischof. Die ganze Szene wird von einer kulissenartigen Architektur hinterfangen. Seitlich einer breiten Mittelapsis schließen sich zwei schmale Seitenapsiden an. Das nicht sehr tiefe Vorchorjoch trägt eine Holzkassettendecke. An einem dreieckigen Mauerstück, das sich bildparallel vor der linken Seitenapside befindet, hängt ein kastenähnliches Bauteil mit Rundbogenöffnungen, getragen von kleinen Konsolen. Auf der rechten Seite hat man sich ein entsprechendes Gegenstück zu denken. Predigt des hl. Vigilius vor den Bürgern von Trient (Abb. 24): Im zweiten Bildfeld setzt sich links oben die Fehlstelle des ersten Bildes fort, wodurch die Bischofsfigur fast gänzlich verloren ist. Der Legende nach hielt Vigilius nach seiner Weihe zum Bischof vor den Toren der Stadt Trient eine Predigt und bekehrte die noch heidnisch gebliebenen Bürger der Stadt.107 Daraufhin ließ er sofort eine Kirche in der Stadt errichten. Vigilius steht am linken Bildrand auf einem Holzgestell mit vergittertem Seitenteil vor den Bürgern von Trient. Vor ihm hocken und stehen die Zuhörer, die mit geteiltem Interesse seiner Predigt lauschen. Im Hintergrund türmen sich hohe Felsen auf. Im rechten oberen Eck erkennt man einen Burgkomplex, etwas links darunter einen einzelnen von einer Mauer umgebenen Turm,108 in einem tiefen Taleinschnitt etwa in der Bildmitte einige Bäume. 105 106 107 108 Die Mitwirkung der Nachbarbischöfe ist im dritten Jahrhundert durch Zyprian bezeugt, das Bestätigungsrecht des Metropoliten seit dem Konzil von Nicäa (325). Das römische Konzil von 386 bestätigte noch einmal die Vorschrift, dass ein Bischof nicht allein ohne Mitbischöfe einen neuen Bischof ordinieren dürfe. Genau ausgeführt bei EICHMANN 1928, S. 14-17. Nach KROESS-WEINGARTNER 1910, S. 10, Anm. 5. „Ingressus vero urbem ipsam, legem Domini Praedicando, populi conversi quotidie augebatur numerus credentium. At ubi totam civitatem catholice convertit, ecclesiam infra muros civitatis Domino collocavit ...“; ASS V 1747, S. 165. In der älteren Literatur wurde immer versucht, in dieser Abbreviatur die Burg Weinegg mit ihrem außerhalb liegenden Wehrturm mit Kapelle zu sehen. Man hat jedoch keinerlei Anhaltspunkte, wie die Burganlage ausgesehen hat. 30 Vigilius heilt eine Besessene (Abb. 25): Hier sind keine Fehlstellen zu verzeichnen, lediglich zwei große Risse quer über die Bildfläche. Nach der Überlieferung heilte Vigilius im Beisein seiner Begleiter109, der Heiligen Sisinnius, Alexander und Martyrus, eine Besessene.110 Die Architektur, in der die Szene spielt, teilt den Bildvordergrund durch schlanke Säulen im Verhältnis 1:2:1. Im linken Viertel stehen der heilige Bischof und seine Begleiter. Hinter ihm stehen dicht gedrängt die drei jungen Heiligen Zwei von ihnen halten sich vor Schreck die Hände vor den Mund. In der Bildmitte kauern, schmerzverzerrt, die Kranken am Boden. Im Zentrum der Gruppe krümmt sich eine Besessene mit krampfartig zur Seite gebreiteten Armen. Von hinten wird sie von einem Mann gestützt, dessen angespannte Gesichtszüge eine enorme Kraftanstrengung verraten. Aus dem leicht geöffneten Mund entschwindet eine kleine Teufelsfigur nach oben.Am rechten Bildrand weichen weitere, durch eine halb geöffnete Tür im Hintergrund drängelnden Zuschauer, vor Erschrecken zurück. Drei verlorengegangene Szenen der Vigiliuslegende (Abb. 26, Abb. 27): Die letzten drei Bildfelder des oberen Registers sind bis auf zwei Marginalszenen und ein Gewandfragment zerstört. Nur anhand des Kontexts der Legende lassen sich die fehlenden Themen hypothetisch erschließen. Vigilius schickte seine drei Gehilfen, Sisinnius, Alexander und Martyrus, aus, um im noch heidnischen Nonstal die Bevölkerung zu missionieren. In der linken unteren Ecke des vierten Bildfeldes111 ist noch ein kleines Gewandfragment erhalten, das wohl zu einer Alba und einer Dalmatika gehörte. Nach der Legende werden die Heiligen von der dortigen Bevölkerung gefoltert und verbrannt, da sie sich nicht dem Saturnritus anschließen wollten. Im fünften Bildfeld (Abb. 26) sind am rechten Bildrand, etwa bis zur Bildmitte, noch eine bergige Landschaft mit einem Haus und einer Burg erhalten. Einige Figuren und Teile einer Landschaft im Hintergrund sind auch im letzten Bildfeld (Abb. 27) des oberen Registers noch zu sehen. Vor einem hohen 109 110 111 Die drei Männer aus Kappadokien wurden von Ambrosius in Mailand aufgenommen. Als Vigilius nach einer Missionsreise Ambrosius besuchte, gab dieser ihm die drei jungen Männer zur Unterstützung seiner Missionstätigkeit mit. Die Brüder des Vigilius, die auch als Heilige verehrt wurden, können wohl nicht gemeint sein, da er nur zwei Brüder hatte und im Bild drei Diakone mit Heiligenscheinen gezeigt sind. Nachdem er als Bischof in die Stadt Trient eingezogen war, errichtete er auch ein Asyl in der Stadt, in dem er betete und Kranke heilte: „... ibique Christi perfecit asilum, in quo orationem continuans, languores aegrotantium curans, oppressos a daemonibus Christi impressione vexilli curabat ...“ ASS V 1747, S. 165. Dieses Detail ist hier nicht abgebildet, da das Fragment doch zu gering ist. 31 Felsen mit einer Burg sind einige aufgebrachte Männer auszumachen: ein Bauer mit einer Sense, ein Ritter mit einem großen Setzschild sowie ein gebückter Mann im Vordergrund. Somit lassen sich die drei nicht erhaltenen Szenen meiner Ansicht nach wie folgt benennen: Der hl. Vigilius gibt Sissinius, Alexander und Martyrus den Auftrag auszuziehen und zu missionieren; die drei Heiligen auf ihrem Weg zu den Heiden oder deren Weigerung am Opfer teilzunehmen; schließlich ihre Ermordung durch die aufgebrachte Bevölkerung. Der Legende nach hatte Vigilius während eines Gebetes im Trienter Dom eine Vision, in der er das Martyrium der drei Gefährten sah.112 Auf den um 1390-1400 entstandenen Dalmatikaparuren des Georg von Liechtenstein, heute im Diözesanmuseum Trient aufbewahrt, ist das Martyrium der Nonsberger Missionare in zwei Szenen dargestellt.113 Vigilius sammelt die Überreste der Nonsberger Missionare ein (Abb. 28): Links und in der Mitte oben sind zwei Fehlstellen, das untere Viertel des Bildes ist stark abgerieben und verblaßt. Nachdem Vigilius von dem Schicksal der Diakone erfuhr, eilte er sofort ins Nontal, um die Überreste der Drei zu bergen. Bei der Auffindung der Leichen war er in Begleitung eines Diakons. In der linken Bildhälfte sieht man den Bischof, im Amts-Ornat, Schädel und Knochen haltend. Der Diakon in weißer Tunika und togaartigem Mantel, der direkt hinter ihm steht, hält Leinentücher bereit, in die die Gebeine der Toten gesammelt werden sollen.114 Vor Vigilius liegen die Skelette der drei Märtyrer. Im Hintergrund erheben sich links und rechts am Bildrand steile Berglandschaften mit Burgen. Der Himmel ist hier völlig verdunkelt, wodurch die Szene eine Dramatisierung erfährt. 112 113 114 „Beatus vero Vigilius intentus piis operibus, Deo invigilans, vidit in spiritus pretiosas animas eorum ab Angelis in caelum deferri.“ ASS V 1747, S. 165. Die Stickereien stammen nach DIGILIO 1991, S. 92 aus einer böhmischen Manufaktur. Die Darstellungen auf den vier Stoffeldern sind bislang die einzigen Vergleichsbeispiele aus der gleichen Zeit und der gleichen Region. Auf der linken Seite stehen die drei Missionare. Der vorderste von ihnen deutet auf die Opferszene daneben, wo fünf Männer vor einer Götzensäule knien und beten. Zwei von ihnen wenden sich zu den Ankömmlingen. Auf der rechten Seite der Stickerei liegen die drei Missionare auf Hölzern und werden von einem Heiden in Flammen gesteckt. Über der Szene tragen zwei Engel die Seelen der Märtyrer in den Himmel. Siehe dazu auch WETTER 2001, S. 166, Abb. 2. „Cum autem pervenisset ad locum, ubi incensa fuerant pretiosa corpora sanctorum Martyrium, collegit busta eorum in Sindonibus mundis;“ ASS V 1747, S. 165. 32 Etwa in der Bildmitte sieht man halbkreisförmig angeordnet kleine weiße Flecken.115 Am rechten Bildrand sind unter diesen Flecken noch die Stämme zu erkennen, so dass man sich im Bildmittelgrund einen Wald ergänzen muß. Vigilius teilt die Kommunion aus (Abb. 29): Dieses Bildfeld ist in der unteren Hälfte fast völlig zerstört, auch links und rechts oben sind größere Fehlstellen. Der größte Teil des Landes war nun bekehrt. Nur ein Ort, der weit in den Bergen, im Rendena Tal, lag, war noch heidnisch. Zusammen mit seinen beiden Brüdern Claudian und Magorian sowie dem Presbyter Julian machte er sich auf, diese letzten Heiden zu bekehren. Auf ihrem Weg kamen ihnen immer wieder Menschen entgegen, die bereits konvertiert waren und den Bischof um die Kommunion baten.116 Vigilius steht etwas rechts der Bildmitte nach links gewendet und teilt die Hostie an die vor ihm knieenden Gläubigen aus. Im Hintergrund assistiert ein Diakon, der den Gläubigen den Kelch reicht, während ein anderer dahinter den Bischofsstab hält. Kelch und Hostie sind genau in die Bildmitte plaziert. Die Austeilung der Hostie ist im Bildvordergrund gezeigt, die Austeilung des Weines etwas im Hintergrund, aber über das andere Geschehen herausgehoben. Während der Kelch durch den dunklen Hintergrund und das grüne Gewand des Diakons betont wird, verliert sich die Hostie, obwohl im Zentrum der Bildfläche, fast in den Kleinteilen von Händen und Bordüren. Die Kommunion ist in den Stickereien des Georg von Liechtenstein (um 13901400)117 ebenfalls gezeigt, nicht aber die Kelchspende (Abb. 35a). Die Darstellung einer Communio sub utraque specie ist ein ebenso ungewöhnliches wie kirchengeschichtlich bedeutendes Motiv, das einer näheren Erläuterung bedarf.118 115 116 117 118 Nach Auskunft des Restaurators Martin Pittertschatscher waren dies neben einer genaueren Farbabstufung des Himmels die einzigen Stellen, an denen der Maler al secco malte, weshalb diese Lasuren heute verloren gegangen sind. "Cui cum omnis populus Christianorum, ejus doctrina conversus, occurrisset, petens ut ex ejus sacris manibus corporis & sanguinis Christi sui consecrationem sumeret;" ASS V 1747, S. 165. WETTER 2001, S. 167, Abb.3. Siehe dazu den Exkurs Kapitel 3.1.3.3. 33 Vigilius stürzt das Saturn-Idol (Abb. 30): Dieses Bildfeld ist durch den Einbau eines Fensters fast völlig zerstört worden. Das linke Bilddrittel und ein schmaler Streifen am oberen Bildrand sind noch erhalten, leider aber zum Teil von der Bemalung aus dem 17. Jahrhundert überdeckt. Als Vigilius in dem noch heidnischen Dorf im Rendena-Tal eintraf, war die Bevölkerung dabei, das Saturnopfer zu begehen. Er sprach zu den Menschen dort, die ihn aber nicht hörten. So stürzte er im Eifer seiner Mission die Saturnstatue von ihrem Sockel und warf sie in den Fluß Sarca.119 Danach stellte er sich selbst auf die Basis, um zu predigen. Am linken Bildrand des Feldes ist noch ein Stadttor zu sehen, durch das ein von links kommender Mann in einem zweifarbigen engen Rock in die Stadt geht. Rechts diese Tores, also innerhalb der Stadt, erblickt man das Fragment des Bischofs Vigilius, der zur Bildmitte agiert. Hinter ihm ist der Kopf eines seiner Begleiter zu sehen, der den Bischofsstab hält. Einzelne Bauwerke sind noch im Hintergrund zu erkennen. Das Thema des Götzensturzes hat in der Kunst, speziell in der Vita von Märyrern, eine lange Tradition, so dass man hypothetisch die verlorengegangene Darstellung ergänzen kann. Auch in den Stickereien des Georg von Liechtenstein (um 13901400) ist diese Szene gezeigt, wie der Heilige mit seinem Bischofsstab einen Dämon von einem Felssockel stößt.120 Als weiteres Beispiel gleichen Themas ist die Stephanus-Tafel von Martino di Bartolommeo (Ende 14. Jahrhundert) im Städelmuseum von Frankfurt zu nennen. Das Bild zeigt den hl. Stephanus, der durch das Kreuzzeichen heidnische Statuen, die in einem Stadttor stehen, zum Stürzen bringt. Auch in einem Fresko Altichiero´s im Oratorio di S. Giorgio in Padua (um 1380) werden Götzenstatuen durch ein Gebet des Heiligen von einem Sockel gestürzt: Der hl. Georg betet kniend vor einem Tempel, an dem mehrere heidnischen Statuen angebracht sind.121 Als ein geographisch näherstehendes Beispiel kann die um 1420 entstandene Katharinenlegende an der kleinen Kirche in St. Katharina in Völser Aicha herangezogen werden. Im Bild des Götzensturzes steht die Heilige am 119 120 121 „Haec omnes sui circumstantes audiebant eum clara voce dicentem: sed nihil prorsus videntes, tantummodo cum lacrymis eum audiebant talia prosequentem. Celebratis itaque mysteriis, communicataque fidelium turba sanctis Sacrificiis, in idolo memorato irruens, minutatim illuc confregit, in fluviumque nomine Aroam projecit: ac residens super basim simulacri minutati, circumstantibus fidenter loquebatur verbum Dei. ASS V 1747, S. 166. Mit dem Aroam bezeichneten Fluß kann nur die Sarca gemeint sein. WETTER 2001, S. 167, Abb 3 Abb. in LUCCO 1992, S. 193. 34 linken Bildrand und macht mit der rechten Hand das Kreuzeszeichen. Das heidnische Idol, das auf einer kleinen Säule auf einem Altar steht, zerbricht und fällt zu Boden. Nach diesem doch immer ähnlich aufgebauten Schema läßt sich für das Bild in St. Vigil ebenfalls ein Götzendenkmal rekonstruieren, dem auf der rechten Bildhälfte die heidnische Bevölkerung huldigt. Tatsächlich ist im folgenden Bild des Zyklus ein Sockel zu sehen. Vigilius wird von den Bewohnern des Sarcatals erschlagen (Abb. 31): Auch dieses Bildfeld ist in der oberen Hälfte völlig zerstört. Auf der rechten Seite ist die Darstellung stark abgerieben und verblaßt. Der Legende nach begann unter der Bevölkerung ein Aufruhr und sie schlug mit Steinen und Knüppeln auf Vigilius ein, bis er tot war.122 Das Bild zeigt den erschlagenen Bischof in der heidnischen Stadt rücklings auf einer Pfeilerbasis liegen. Immer noch holen die mit Steinen bewaffneten umstehenden Bewohner aus, um diese auf den Bischof zu werfen. Die Örtlichkeit ist durch eine Abbreviatur definiert: An der linken Bildkante kann man noch ein Tor erkennen, durch das ein gelb gekleideter Mann geht. An die Architektur schließt sich entlang des unteren Bildrandes eine im Maßstab viel kleinere, zinnenbekrönte Mauer an, hinter der am rechten Bildrand ebenso kleine Häuser auszumachen sind. In einem Zwickel zwischen Tor und Stadtmauer ist ein dunkles geschwungenes Band zu sehen, welches den Fluß Sarca meint.123 Der Vigilius Leichnam wird nach Trient gebracht (Abb. 32): Das obere Bilddrittel des vorletzten Bildfeldes ist verlorengegangen. In der unteren Hälfte sind enorme Abreibungen zu verzeichnen. Von Diakonen getragen wird der auf einer Bahre liegende Bischof zurück nach Trient gebracht.124 Bereits am Stadttor, das am rechten Bildrand zu sehen ist, wird der Zug von der trauernden Bevölkerung empfangen. Vor den anderen stehen zwei Chorherren, bekleidet mit Chormantel und Birett. Der eine von ihnen trägt ein Kästchen, der andere eine Monstranz. 122 123 124 „Illi autem tumore diabolico inflati, magno imbre lapidum Sanctum Dei percellunt, sancti capitis effracta compage, cerebroque disperso. Beatissimus vero Martyr, madefacto sanguine vultu, respiciens in caelum, Deo gratis agens, suisque valedicens, emisit spiritum.“ ASS V 1747, S. 166. Bis heute gibt es im Rendenatal keine nur annähernd so große und befestigte Siedlung, so dass wir es hier mit einer reinen Phantasiedarstellung zu tun haben. „... corpus sanctissimum deducentes, antequam pervenissent ad urbem, jam daemones confitebantur Sancti adventum ...“; ASS V 1747, S. 166. 35 Der Legende nach setzten die Geistlichen, welche Vigilius auf seiner letzten Missionsreise begleiteten, den Leichnam des Heiligen auf sein Pferd, um ihn zurück nach Trient zu bringen. So ist es auch auf einer der Trienter Dalmatikaparuren des Georg von Liechtenstein (um 1390-1400) gezeigt.125 Dort ist daneben auch dargestellt, wie Gläubige dem Trauerzug entgegenkommen und um den Leichnam des Heiligen bitten. Die Bitte wird diesen jedoch abgeschlagen und sie bekommen statt dessen ein Kultgefäß des heiligen Bischofs. Bestattung des hl. Vigilius (Abb. 33): Das letzte Bildfeld ist zu großen Teilen zerstört. Nicht einmal ein Drittel der originalen Substanz ist noch sichtbar. Vigilius wird in der von ihm gegründeten Kirche beigesetzt.126 Quer über das Bildfeld erahnt man noch den roten Steinsarkophag, dessen Schmalseite am rechten Bildrand noch nachzuzeichnen ist. Zwei Diakone legen den Leichnam des Heiligen in den Sarg, einer steht am Kopf, der andere an den Füßen. Am linken Bildrand erkennt man im Hintergrund über der rechten Schulter des Diakons ein Maßwerkfenster. Ähnlich war die Bestattungsszene auch in den Trienter Stickereien gezeigt gewesen.127 3.1.3.2 Erzählstruktur und Bildprogramm des Vigilszyklus Die Legende des hl. Vigilius ist, wie oben schon erwähnt, in den Acta Sanctorum niedergeschrieben.128 Von der an sich reichhaltigen Erzählung des Lebens und Wirkens des Heiligen sind jedoch für die Vorführung im Zyklus nur bestimmte Szenen ausgewählt. In den Paramentenstickereien (um 1390-1400) des Georg von Liechtenstein ist neben dem Schicksal der drei Nonsberger Märtyrer die Austeilung der Kommunion durch Vigilius ohne die Kelchspende, der Götzensturz des Heiligen sowie die Überführung seines Leichnams nach Trient gezeigt. Beendet wird dieser Zyklus mit dem 125 126 127 128 WETTER 2001, S. 168, Abb.4. „... tertio die suae passionis, cum magna gloria & aromatibus condiderunt in Basilica, quam ipse ad portam Veronensem vivens construxerat“; ASS V 1747, S. 166. Diese Szene, die zusammen mit der Kanonisierung des hl. Vigilius und der Übergabe der Akten an den Kaiser dargestellt war, ist heute verloren. CAMPI 1905, S. 388, Abb. 7; KAT: MUS. TRIENT 1913, Abb. 14; KAFTAL 1978, Sp. 1063. WETTER 2001, S. 175, Abb. 15. Neben dem Codice Veronese (I) (= BONELLI 1762) sind weitere schriftliche Quellen bei SFORZA 1905 aufgeführt. 36 posthumen Ereignis des Urkundenwunders.129 Während dort genau erzählt wird, wie der Leichnam auf das Pferd gesetzt wird und wie auf dem Rückweg nach Trient sich die Bürger in den Weg stellen, um den Leichnam für sich zu erbitten, fehlen diese Begebenheiten in St. Vigil. Dafür ist die Episode der Austeilung der Hl. Kommunion sub utraque species wortwörtlich ins Bild umgesetzt. Vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Diskussion um den Laienkelch hat diese textgetreue Darstellung – "petens ut ex ejus sacris manibus corporis & sanguinis Christi sui consecrationem sumeret"130 –wahrscheinlich einen programmatischen Charakter.131 Die Erzählung der Heiligenlegende von St. Vigil geht gleich im ersten Bild in medias res. Bischöfe und Gläubige sind links und rechts symmetrisch plaziert und ihre Aufmerksamkeit ist auf das Geschehen in der Bildmitte konzentriert. Lediglich die leichte Rechtswendung des Vigilius und die aktive Geste des Valerian verleihen der Darstellung Dynamik. Die Szene ist ganz auf den Vorgang der Konsekration verdichtet. Die nächsten zwei Bildfelder, die einzig noch einigermaßen erhaltenen Gemälde des oberen Zyklus, zeigen ähnliche gestaffelte Figurengruppen, die durch geringe Änderung der Figuren bzw. unterschiedliche ortsdefinierende Versatzstücke unterschieden werden. Obwohl eine deutliche Ausrichtung von links nach rechts in beiden Bildern durch den predigenden bzw. heilenden Bischof gegeben ist, lassen die jeweils auf den Heiligen gerichteten Zuhörer und Zuschauer keinen fließenden Übergang von einem zum anderen Bild zu. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Bischof und dem, was er tut. Im Bild Vigilius heilt eine Besessene ist diese Aktion noch durch die Teilung der Bildfläche mittels architektonischer Elemente betont. Diese beiden gleichförmigen, fast parallel gestalteten Szenen stellen eine Aufzählung der Taten Vigilius nach seiner Weihe zum Bischof dar, vergleichbar mit dem Satzbauschema Subjekt (Bischof) - Prädikat (Handlung) - Objekt (Zuhörer, Kranke etc.). Gezeigt ist, 'was' geschehen ist, aber nicht ganz ohne das 'wie', wie es Gombrich132 für die reinen piktographischen Darstellungen konstatiert. Die anwesen129 130 131 132 Dieses Urkundenwunder besagt, dass Augenzeugen den Martertod des hl. Vigilius beschrieben und diese Akten dem Papst Innozenz I. übermittelt haben. Dieser schätze sie wie ein Heiligtum. Da Kaiser Honorius zu dieser Zeit gegen feindliche Truppen ziehen wollte, übergab der Papst ihm diese Akten, damit sich ihretwegen die Kraft Gottes kundtue. Das Wunder war nun, dass die Feinde bei dessen Anblick sofort die Flucht ergriffen. Vgl. ASS V 1747, S. 166-167, KROESS-WEINGARTNER 1910, S. 3. ASS V 1747, S. 165. Durch diese unterschiedliche Szenenauswahl wird jeweils ein anderer Schwerpunkt in der Aussage bzw. in dem zu übermittelnden Inhalt gesetzt. GOMBRICH 19844, S. 89. 37 den Zuschauer erläutern das Geschehen durch ihre Reaktion auf die Heilung. Einer hält sich die Nase zu, ein anderer hält vor Erschrecken die linke Hand abwehrend hoch und rafft sein Gewand. Auch die Diakone hinter dem Heiligen greifen sich voll Erstaunen ans Kinn. Ebenso zeigen die Zuhörer der Predigt Vigilius' Reaktionen auf seine Worte; ob sie nun nachdenklich das Gehörte überdenken, aus Zustimmung die Hände erheben oder mit einer Geste die Rede des Bischofs interpretieren. Gombrich vergleicht solche Zuschauer mit der Funktion des Chores einer griechischen Tragödie, welche die Handlung erläutern und somit bestimmte Reaktionen hervorrufen.133 Die letzten drei Bilder des oberen Registers sind, bis auf wenige Fragmente, verloren gegangen, doch läßt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass dieses Schema beibehalten wurde, wie man an den sich auftürmenden Felsen bzw. den gegenläufig agierenden Soldaten in den letzten beiden Bildfeldern erkennen kann. Dem Heiligen stellen sich in seinen Handlungen echte Barrieren in den Weg. Den Bildern liegt auch nicht mehr die symmetrische Komposition des ersten Bildes zugrunde, sondern eine gleichförmige, rhythmische Erzählweise. Im ersten Bild des unteren Registers ist diese strenge Komposition etwas aufgelockert, dem Heiligen und seinen Begleitern stehen keine großen Massen gegenüber. Ein formales Hindernis bilden hier die sich bis zum oberen Bildrand auftürmenden Gebirgslandschaften. Eine Zentrierung mit festen, architektonischen Schranken ist schließlich im Bild Vigilius teilt die Kommunion aus wieder erreicht. Jedoch ist hier auch die Aktionsrichtung des Bischofs gemäß dem realen Kirchenraum der Vigilskapelle umgedreht. Vigilius handelt hier von rechts nach links, also von Osten nach Westen. Es entsteht eine Parallelität zu der tatsächlich in der Kapelle zelebrierten Kommunion. Umgekehrt handelt Vigilius wieder im folgenden Bild, von dem leider nur mehr ein Fragment der Bischofsfigur erhalten ist. Deshalb ist nicht mehr auszumachen, welche Szene gemeint war. In den letzten, den Zyklus abschließenden Bildern des unteren Registers ist der Bischof nicht mehr als Handelnder gezeigt, sondern es wird geschildert, was mit seinem Leichnam geschah. Im vierten Bild liegt der leblose Körper als zentrale Figur in der Bildmitte auf einer Basis, die im Vergleich zur Stadtdarstellung und der Stadtmauer übergroß zu sein scheint. Auch die anderen gezeigten Personen sind in größerem Maßstab gegeben als die Stadtabbreviatur. Schön gezeigt ist die Welle links 133 GOMBRICH 19844, S. 90. 38 unten im Bild, die den Fluß Sarca bezeichnet, in den Vigilius das Götzenbild geworfen hat. Im folgenden, vorletzten Bild ist das Schema des oberen Registers wieder gewahrt, eine Bewegungsrichtung von links nach rechts, die am rechten Bildrand von einer Menschenmenge aufgehalten wird. Die letzte Szene, die Bestattung des hl. Vigilius, setzt schließlich den Schlußpunkt. Durch das Motiv des Liegenden und die nahezu identische Position des toten Bischofs in diesen letzten Bildern, wird die Leblosigkeit des Körpers des Heiligen hervorgehoben und dem Betrachter bewußter gemacht. Im gesamten Zyklus vermißt man eindeutige, räumliche Definitionen. Dennoch versuchte der Maler, den in der Legende angedeuteten Örtlichkeiten gerecht zu werden. Dabei hatte er freie Hand, da diese nicht genau beschrieben sind und es wohl nur wenige Vorgaben oder Vorbilder gab.134 Vigilius Predigt unter freiem Himmel in der gebirgigen Landschaft erinnert sofort an seine Missionstätigkeit in den damals größtenteils noch heidnischen Gebieten. Dadurch wird die Bedeutung des Bischofs für diese Region augenfällig. Durch sein Wirken sind die Menschen Südtirols auf den rechten Weg gelenkt worden, er war der Begründer der Diözese und verkörperte ihren Zusammenhalt. Die Austeilung der Kommunion, eines Sakraments, völlig unter freiem Himmel zu zeigen, war für den Maler wohl nicht denkbar. Obwohl die Bürger den Vigilius um die Kommunion baten, als er auf dem Weg ins Rendenatal war, ging der Maler hier in der bildlichen Ausführung einen Kompromiß ein. Die Austeilung von Hostie und Wein findet nur scheinbar unter freiem Himmel statt. Die Handlung ist zwischen zwei Architekturfragmente gespannt, die den ganzen Vorgang in einem aufgeschnittenen Kirchenraum geschehen lassen: links der Eingang, rechts der Chor. Die Ausrichtung entspricht dem realen Kirchenraum. Somit ist hier auch eine Identifikation des Betrachters mit den Menschen, die die Kommunion erhalten, möglich. In den folgenden Bildern sind erzählende oder beschreibende Elemente nur mehr schwer auszumachen. 134 Ich gehe bei meinen Untersuchungen von der Prämisse aus, dass es keinerlei vergleichbare Zyklen außer den Paramentenstickereien des Georg von Liechtenstein gibt. Wieviel vielleicht von ehemals vorhandenem verloren gegangen ist, läßt sich heute nicht mehr eruieren. Auf die Landschaftsgestaltung des Zyklus komme ich weiter unten zu sprechen. 39 3.1.3.3 Exkurs: Überlegungen zur Darstellung der Kelchspende135 Die Darstellung einer Eucharistiefeier mit Kelchkommunion darf als ein besonderes Phänomen bezeichnet werden. Im 14. Jahrhundert ist in der Diözese Trient die Kommunion allein mit dem Brot praktiziert worden.136 Es sind keine Zeugnisse bekannt, dass in dieser Region die Kelchspende noch lebendig gewesen ist. Für die Darstellung im Vigiliszyklus ergeben sich daraus zwei Fragen: Hat sich der Künstler sklavisch an eine schriftliche Vorlage gehalten, die explizit dieses utraquistische Abendmahl beschreibt, oder wußte sein Auftraggeber um die Diskussion dieser Kommunionspraxis und wollte mit dieser programmatischen Ikonographie Stellung beziehen? In frühchristlicher Zeit wurde in Bildwerken durch Anspielungen wie der Darstellung von Brot, Fischen, das Mahl der Fünftausend und ähnlichem auf die Eucharistie hingewiesen. Symbolische Bilder wie die Mystische Kelter, die Wundersame Brotvermehrung oder die Hochzeit zu Kanaa beinhalteten im Spätmittelalter den Eucharistiegedanken. Üblich waren Schilderungen des Messopfers mit der Rückenfigur eines zelebrierenden Priesters vor dem Altar im Moment der Elevatio der konsekrierten Substanzen (Brot und Wein).137 Auffälligerweise ist in solchen Bildern eine Gemeinde nur sehr selten mit gezeigt.138 Für den Betrachter hat dieses Sujet wohl eher Andachtscharakter. Dieses Schauen der Hostie war für die Laien gleichsam ein Ersatz für die sakramentale Kommunion, die ihm nur selten gestattet war.139 Die Austeilung von Brot und Wein wird jedoch in Bildern der Apostelkommunion gezeigt. Dieses Thema, das stark von der Liturgie beeinflußt ist, entstand in der ostchristlichen Kirche und unterscheidet sich von dem historischen Abendmahl, in dem der Verrat des Judas thematisiert ist, dadurch, dass anstelle eines Tisches ein Altar gezeigt wird. Auf einer Silberpatene, aufbewahrt in Dumbarton Oaks140, aus dem 6. Jahrhundert, die mit der Darstellung einer Apostelkommunion geschmückt ist, wird Christus zweimal gezeigt, wie er den Aposteln zum einen das Brot, zum anderen den Wein reicht. Die Verdoppelung der Figur Christi wird auf die 135 136 137 138 139 140 Informationen zu Literatur und andere Anregungen zum Thema des Laienkelches verdanke ich freundlichen Hinweisen von Prof. Dr. Franz Machilek, Bamberg. Für diesen Hinweis danke ich dem Leiter des Diözesanmuseums Trient, Monsignore Iginio Rogger, mit dem ich die Problematik um die Darstellung der Kelchspende besprechen konnte. LCI 1990, Bd. III, Sp. 250-253. Vgl. Die Kommunion, Rautenrelief von Alberto Arnoldi (1351-1377/79), Domfassade, Florenz. Ausführlich berichtet JUNGMANN 1949, S. 152 ff. über die Bedeutung des Altarsakraments. Silberpatene, Dumb. Oaks, 565/578, LCI 1990, Bd. I, Sp. 175. 40 Liturgiepraxis des 6. Jahrhunderts zurückgeführt, in der den Gläubigen die Kommunion in beiderlei Gestalt durch zwei Priester oder Diakone gereicht wurde. Nie aber ist die gläubige Gemeinde bzw. eine Abendmahlsausteilung an Laien im Bild festgehalten worden. Zum Ende des 12. Jahrhunderts begann die Kommunion allein mit dem Brot vorzuherrschen und die Kelchspende immer mehr zu verdrängen. Dafür gab es sowohl praktische als auch theologische Gründe.141 Diese Veränderung des Kommunionsritus resultierte aus der Uneinigkeit und den Diskussionen der Theologen, wie nun die Kommunion an den Gläubigen ausgeteilt werden sollte.142 Dem Streit lag die Aussage zu Grunde, dass doch unter jeder der Gestalten (Brot und Wein) Christus empfangen werde, nicht mehr unter beiden, nicht weniger unter einer.143 Nur noch wenige Kirchenschriftsteller sprachen sich für die Kelchkommunion aus. Zuletzt war es Albertus Magnus, der 1249 den Laienkelch ausdrücklich voraussetzte.144 Zu dieser Zeit war er aber schon fast nicht mehr üblich gewesen. Es war also in keiner Weise von offizieller Seite her festgesetzt, in welcher Form den Laien das Abendmahl ausgeteilt werden sollte. Im Vierten Buch seines Sentenzenkommentars unterscheidet Bonaventura 1252 beim Sakrament Wirkung (efficacia) und Zeichencharakter (significatio). Die gesamte Wirkung werde unter einer Gestalt ebensogut wie unter beiderlei Gestalten vermittelt. Für die Vollständigkeit des Zeichens gehörten jedoch Brot und Wein zusammen. „Für den Laien allerdings genügt es, wenn die Kirche in ihrer Gegenwart das Sakrament ungeschmälert vollzieht.“145 Auch wenn, wie Wilhelm von Militona um 1260 meint, bei der Kommunion nur mit dem Brot eine geringere Wirksamkeit des Abendmahls angenommen werden könnte, sei dies jedoch für den Laien ausreichend. In einer Zeit, in der noch beide Kommunionsriten nebeneinander möglich gewesen waren, war es also ungeschriebenes Gesetz, dass dem gläubigen Laien der Kelch vorenthalten wurde. Dennoch hielt sich hier und da die Praxis der Communio sub utraque species bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts.146 141 142 143 144 145 146 MARSILI / NOCENT 1983, S. 179. Ein Kausalzusammenhang ist dabei nicht gegeben. Da die Diskussion um den Laienkelch sehr komplex und vielschichtig ist und hier doch nur im Grundtenor wichtig ist, führe ich nur einige wenige, prägnante Thesen an. Siehe dazu: GIRGENSOHN 1964, S. 110 u. MARSILI / NOCENT 1983, S. 179. GIRGENSOHN 1964, S. 110 GIRGENSOHN 1964, S. 113. MARSILI / NOCENT 1983, S. 179. 41 In England stellte sich der Oxforder Universitätsprofessor John Wyclif († 1384) gegen das Papsttum und die klerikale Kirche. Nur die Bibel sei für die christliche Lehre und den Kult maßgebend. Neben der Hierarchie, dem Zölibat und den Ablässen verwarf er die Abendmahlslehre der Kirche. Wyclifs Schriften erschienen 1382 – dem Jahr in dem Richard von England und Anna von Böhmen heirateten – auch in Böhmen, wo es bereits eine beachtliche, reformatorische Bewegung gab.147 Bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts begann sich dort ein von den Ideen der Valdenser genährter Kult der Armut und der Abneigung gegen die reiche Kirche zu manifestieren, der eine große Unruhe im Volk hervorrief.148 Diese vor-hussitischen Strömungen waren tief in der Kultur des böhmischen Volkes verwurzelt und bildeten die Grundlagen auch für Johannes Hus, der nun bei Wyclif die Thesen seiner reformatorischen Ideen fand. Am 4. November 1414 eröffnete Papst Johannes XXIII. auf dem Konstanzer Konzil den Prozeß gegen Johannes Hus. Einen Streitpunkt unter den Historikern bildet das Datum der tatsächlichen Wiedereinführung der Kelchspende, welche oft sehr nah mit dem Datum 1414 verbunden wird. Meiner Ansicht nach ist es nicht möglich, dass der Streit um die Methode der Kelchspende erst während des Konzils existenziell diskutiert und damit ein Startschuß für ihre Anwendung gegeben war. Vielmehr ist wohl der latent immer existente und weitertradierte Ritus wieder stärker an die Öffentlichkeit getreten. Im Bild Vigilius teilt der Bevölkerung die Hl. Kommunion aus ist nun dezidiert und an zentraler Stelle, nämlich in der Bildmitte, gezeigt, wie ein Diakon den Gläubigen den Kelch reicht (Abb. 34). Der Kelch ist also nicht in den Hintergrund verbannt, wie in anderen Bildern der Eucharistiefeier. Es ist auch die liturgisch richtige Form angewendet, nämlich dass der Bischof die Hostie und ein Diakon den Wein austeilt.149 In den Acta Sanctorum heißt es zu der betreffenden Stelle der Legende: „... petens ut ex ejus sacris manibus corporis & sanguinis Christi sui consecrationem sumeret“.150 Es ist eine explizite Forderung der Gläubigen nach Brot und Wein. Dieses Zitat zeigt, dass im Bild Vigilius teilt die Kommunion aus eine wortwörtliche Illustration des in den Acta Sanctorum wiedergegebenen Textes zu sehen ist. Dieser im 18. Jahrhundert entstandenen Schrift lag die Vigilslegende des Trierer Codex Ms. lat. 9741 aus dem 12. Jahrhundert zugrunde, der heute allerdings nicht mehr exi- 147 148 149 150 VANDENBROUCKE 1991, S. 482. VANDENBROUCKE 1991, S. 483. Für diesen Hinweis danke ich Monsignore Rogger, Leiter des Diözesanmuseums Trient. ASS V, 1747, S. 166. 42 stiert.151 Geht man davon aus, dass erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts die Kommunion allein mit dem Brot die vorrangige gewesen ist, so läßt sich vermuten, dass dem Autor des Trierer Codex die Praxis sub utraque species noch geläufig gewesen ist. Die Stickereien des Georg von Liechtenstein zeigen die Kelchspende nicht. Im Bildfeld der Kommunion (Abb. 35a) stehen links der Größe nach gestaffelt vier Gläubige, die von dem Heiligen, der von einem Diakon begleitet wird, die Hostie erhalten. Auf der Altarmensa dahinter befindet sich ein Retabel mit der Darstellung der Muttergottes mit Kind und der hl. Barbara. Durch das Fehlen des Kelches bekommt die Darstellung einen anderen Schwerpunkt. Ob hier eine andere Textquelle zugrunde lag oder ob die Bitte um die Kommunion anders interpretiert wurde, ist nicht zu klären.152 Festzuhalten ist jedoch, dass für die Gestaltung des Bozner Zyklus die Trienter Bilder keine Rolle spielten. Die einzige weitere mir bekannte Darstellung einer Communio sub utraque species findet man im Dom von Orvieto. In der Cappella del Corporale malte Ugolino di Prete Ilario um 1357 an der linken Wand die Legende vom Hebräischen Kind, eine Episode der Wunder des Sakraments (Abb. 35b).153 Interessant ist, dass hier ebenso die Austeilung des Abendmahls in zwei Gestalten erfolgt. Ein großer Priester reicht den Knaben von einer Patene die Hostie, während ein kleiner Diakon gerade dabei ist, dem hebräischen Knaben den Wein in einem Kelch zu reichen. In der linken Hand hält der Diakon den Krug, der sichtbar mit rotem Wein gefüllt ist. 151 152 153 Siehe dazu: SETTE 1905, S. 24; SFORZA 1905, S. 6. Diese Handschrift wurde auch in Verbindung mit einem Kölner Kodex gesehen, der jedoch ebenfalls nicht mehr auffindbar ist. Für die Anmerkungen in der Vigilislegende haben die Bollandisten auch eine Version des Fra Bartolommeo di Trento ausgewertet, welche ebenso verlorengegangen ist. Das heißt, das Vorbild für die in den ASS vorliegende Version ist nicht mehr auszumachen. Eine sorgfältige Transkription vorausgesetzt, kann man aber davon ausgehen, dass der Vorlagetext die genaue Beschreibung des Abendmahlsritus beinhaltete. Überhaupt verfolgt die Ikonographie der Vigilslegende der Trienter Dalmatikapraetexten andere Aussagen, was auch durch die andere Szenenauswahl zum Ausdruck kommt. Die besonderen Inhalte der Stickereien schlüsselt WETTER 2001, S. 27 ff. detailiert auf. Diese Malereien wurden im 19. Jahrhundert von Overbeck übermalt. In drei Szenen wird die Geschichte eines kleinen Jungen erzählt, der zusammen mit zwei anderen Knaben das Heilige Abendmahl empfängt. In derselben Szene sieht man noch, wie das blonde Kind von seinem Vater in grauem Gewand aus der Kirche gezerrt wird. Im zweiten Bild sieht man im Inneren eines Hauses, wie der Vater den Knaben in einen Ofen stürzt. Am linken Bildrand stehen vor verschlossener Türe zwei Männer. Über der Tür beugt sich eine Frau zu den beiden herab. Im dritten Bild sieht man im gleichen Ambiente im Vordergrund die Frau, einen der Männer vor der Tür und den geretteten Knaben. Dahinter, der Raum ist voller Menschen, erkennt man, wie man versucht, den Kidnapper selbst in den Ofen zu stoßen. Jedes dieser Bilder hat eine Bildunterschrift, wobei die letzten beiden vollständig erneuert sind. 43 Während in der Zeit um 1400 eine rege Diskussion um die Praxis der Kelchspende unter den Klerikern herrschte, war sie in der Trienter Diözese nicht üblich. Außerdem sind Darstellungen nicht zu finden. War es einfacher, das bekannte Schema der Elevatio vorzuziehen, oder spielte vielleicht doch Furcht vor Kritik seitens der Kirche eine Rolle? In Anbetracht der Überlegungen zum ebenfalls aktuellen Thema der 'Ars moriendi' an der Fassade von St. Vigil läßt sich für die Darstellung der Kelchspende in St. Vigil doch eine bewußte Motivwahl annehmen. Auf Grund der Differenz in der Gestaltung dieses zentralen Themas zwischen dem Bozner Fresko und der Trienter Stickerei liegt die Vermutung nahe, dass der Auftraggeber des Vigilszyklus vom Virgl eine andere Intention verfolgte und die Legende des Bistumspatrons anders interpretieren ließ als der amtierende Bischof Georg von Liechtenstein. Allerdings läßt sich dieses Phänomen ohne Nachforschungen zu politischen und kirchlichen Tätigkeiten der Weinecker nicht näher klären. 3.1.3.4 Beobachtungen zur Technik des Malers der Vigilslegende Im Sommer/Herbst 1994 wurden die Wandmalereien der Nordwand der Vigilskapelle mit dem Vigilszyklus restauriert. Dabei hatte ich die Gelegenheit, die Fresken vom Gerüst aus zu betrachten und mir so ein genaueres Bild von der Malweise des Künstlers der Vigilslegende zu machen.154 Die Malereien sind allesamt in der traditionellen Freskotechnik ausgeführt.155 Teilweise Abplatzungen des Intonaco (Ober- oder Feinputz) legen im Bild der Ermordung des Heiligen den Arriccio (Unter- oder Rauhputz) frei. Dort sieht man, wie der Maler den Bildrahmen mit der Schlagschnur156 angelegt hat (Abb. 36). Eine in Farbe getränkte Schnur wurde entlang der beabsichtigten Linie gehalten. Dann ist sie etwas von der Wand weggezogen und losgelassen worden, so dass sie zurückschnellte und eine farbige Spur auf der Wand hinterließ. Durch das Anschlagen der Schnur an die Mauer entstanden neben der Linie feine Farbspritzer, die heute noch zu sehen sind. Auch die Begrenzungen der Marmorimitationen der Sockelzone sind 154 155 156 Dem ausführenden Restaurator Martin Pittertschatscher bin ich für zahlreiche Hinweise zur Malereitechnik sehr dankbar. Genauestens erläutert ist die Freskotechnik in KNOEPFLI 1990. KNOEPFLI 1990, S. 76. 44 durch rötliche Linien markiert (Abb. 37). Vorzeichnungen auf dem Arriccio, also Sinopien, sind für den Vigilszyklus nicht festzustellen. Die Nimben der Heiligen konstruierte der Maler mit dem Zirkel und legte ihr endgültiges Erscheinungsbild durch einen reliefierten, etwas dickeren Putzauftrag an. Gut zu sehen ist dies am Kopf des Bischofs im Bild Vigilius heilt eine Besessene, wo man neben dem Einstichloch des Zirkels auch die ursprüngliche Zirkellinie erkennen kann, die der Maler in der Ausführung jedoch nicht völlig ausfüllte (Abb. 38). Ansonsten verwendete er Ritzungen nur, um grob die Senkrechten der Architekturen anzulegen. Da Freskomalerei auf frischem Putz gearbeitet wird, kann in der Folge nur soviel Intonaco aufgetragen werden, wie der Maler bearbeiten kann. Dadurch ergibt sich an der Oberfläche eine puzzleartige Aneinanderreihung von Tagwerken, den Giornaten, deren Stöße zum Schluß al secco, d.h. auf dem bereits trockenen Putz mit nasser Farbe kaschiert werden. Ein solcher Stoß ist im Bild der Heilung einer Besessenen über dem Kopf des Heiligen noch zu erkennen.157 Doch zuerst wird auf den Feinputz eine zweite, etwas mehr ins Detail gehende Vorzeichnung angelegt. Im fertigen Werk kann diese völlig verschwunden, sie kann aber „... auch schon Bestandteil der optischen Erscheinung ...“158 sein. Roter Ocker war die am häufigsten verwendete Farbe für die Vorzeichnung auf dem Arriccio und dem Intonaco.159 Eine solche sieht man in St. Vigil in der Predigt des hl. Vigilius unter dem grünen Gewand der Frau im Vordergrund durchscheinen. Rote Linien deuten die Rundung der Faust und die Gestalt des Gewandes an. Auch die betenden Hände der Figur daneben zeigen die rote Vorzeichnung. Braun, d.h. ungebrannte Umbra,160 verwendete der Maler vor allem bei der Vorzeichnung hell gekleideter Figuren, zum Beispiel im Bild der Predigt für den Mann mit dem Turban, der sein Gesicht auf seine Hände stützt, im Bild der Heilung für den Schleier der Figur im Hintergrund, auch für die Gestalt des Diakons im Bild der Aufsammlung der Nontaler Leichen, um nur einige zu nennen. Auch beim Fragment der Anna-Selbdritt des Triumphbogens kann man noch gut die Anlage des Gewandes mit Hilfe der Vorzeichnung erkennen. Bei diesen „hell“ gestalteten Figuren trifft die oben gemachte Bemerkung zu, dass die Vorzeichnung Bestandteil der optischen Erscheinung ist, denn als Lokalfarbe für 157 158 159 160 In St. Vigil sind die Tagwerke verhältnismäßig groß angelegt, was für eine schnelle Arbeitsweise und große Routine des Künstlers spricht. KNOEPFLI 1990, S. 81. KNOEPFLI 1990, S. 83. KNOEPFLI 1990, S. 83. 45 diese Figuren bzw. Flächen nutzte der Maler von St. Vigil das Weiß des Intonaco. Die Vorzeichnung wurde lediglich mit einer dunkleren Farbe übergangen bzw. durch Lasuren, welche die Feinheiten und Details bildeten, komplettiert. Doch nicht nur für derartig helle Gewänder wendete der Maler diese Technik an. Über die blasse Vorzeichnungslinie des Setzschildes im letzten Bild des oberen Registers zog der Maler eine zweite etwas dunklere Linie. Die seitliche Rahmung des heraldisch gemeinten Balkens, d.h. die Vorzeichnungslinie, beließ der Maler und nutzte sie als Begrenzungslinie für die blaue Farbe. Der Maler verzichtete auf Untermalungen, d.h. er brachte die Farben mehr oder weniger verdünnt direkt auf die Wand. Licht und Schatten erzeugte er dadurch, dass er zum einen die beleuchteten Flächen aussparte und zum anderen für die verschatteten Flächen die Farbe durch Übereinanderlegen mehrerer Schichten intensivierte. In parallelen Linien setzte er die Pinselstriche über- und nebeneinander. Je wäßriger er die Farbe verwendete, umso blasser und heller erscheint sie. So gestaltete er auch die Übergänge. Der hellste Punkt ist schließlich der bloße Intonaco, der dann gewissermaßen das Glanzlicht bildet, das nicht mehr nachgearbeitet wurde. Zu beobachten ist dieses Phänomen am rosa Gewand des Alten in der Predigt des hl. Vigilius161, an den grünen Gewändern ebendort sowie bei Glanzlichtern in Gesichtern. Aufgesetztes Weiß als Glanzlicht ist meinen Beobachtungen nach nur an den Augen, an Augapfel und Pupille, auszumachen. Lasuren, d.h. optisches Vermischen von übereinandergelegten, durchscheinenden Farben, wobei die einzelnen Farbschichten substanziell unvermischt bleiben,162 verwendete der Maler in den grünen Gewändern der Diakone und des Heiligen. Auf einen gelblichen Ton setzte er einen grünen auf, um damit Gewand und Faltenformen anzulegen. Im Gewand des assistierenden Bischofs im Bild Vigilius wird zum Bischof geweiht brachte er auf die blau angelegte Kasel Rot auf, so dass der Stoff zu changieren scheint. Auch substanzielle Farbmischungen sind zu beobachten, z.B. im letzten Bild des oberen Registers das Violett hinter dem Setzschild. Die verwendete Farbpalette des Malers von St. Vigil stellt sich folgendermaßen dar: Die Lokalfarben Rot - Blau - Gelb - Grün sind die Hauptelemente. Nach den Angaben des Restaurators Herrn Pittertschatscher war die Grundsubstanz für die 161 162 Vgl. dazu KNOEPFLI 1990, S. 98: „Direkt dem Verputz, d.h. dem kalkweißen Intonaco aufgetragene Lasuren lassen dünnflüssig gestrichenes Rot zu Rosa ... werden.“ Für genaue Beschreibungen der verschiedenen Techniken des Farbmischens siehe KNOEPFLI 1990, S. 97. 46 hellblaue Farbe zermahlenes Kobaltglas.163 Diese Farbe weist keinerlei farbverändernde Reaktion mit dem Putz auf, so dass das heute sichtbare Hellblau noch den ursprünglichen Farbeindruck vermittelt. Blau verwendete der Maler sehr sparsam, so dass es nur in kleinen Flächen auftaucht, beispielsweise in Gewandteilen und in der Decke über den Zuschauern im Bild der Heilung einer Besessenen. Eine größere Blaufläche bildet der diagonale Streifen im Setzschild. Dort ist allerdings unterhalb des ersten gelben Wappenhutes eine Farbveränderung ins Grünliche hin zu bemerken (Abb. 39).164 Terra verde benutzte der Künstler für die grünen Gewänder, wobei er die Farbe durch Gelblasuren differenzierte. Schwarz setzte der Maler durchweg für den Hintergrund ein. An dem noch erhaltenen Bestand kann man ablesen, dass die Vigilslegende in klaren, kräftigen Farben gestaltet war. Die stein- bis erdfarbene Umgebung der einzelnen Szenen ließ die Farben der Gewänder noch leuchtender erscheinen. Die vielen weißen bzw. hell gehaltenen Gewänder als Kontrast verhinderten dabei das Schwammigwerden und „Absaufen“ der Farben. 3.1.4 Die Marienlegende an der Südwand Das Marienleben ist kein biblisches Thema. Erst die Verkündigung an Maria (Lk 1,26-38) bzw. die Geburt Christi und Huldigung der Magier (Mt 2,1-12) leiten in der Bibel die Lebensgeschichte Jesu ein. Noch im 14. Jahrhundert wurde die Geburts- und Kindheitsgeschichte der Maria „... unreflektiert als dazugehörende Vorgeschichte ...“ angesehen.165 Als literarische Quellen für die Jugend Mariens und ihre Abkunft zählen die apokryphen Schriften. Zu nennen ist hier vor allen das „Protoevangelium des hl. Jakobus“166, außerdem sind anzuführen das „Pseudo163 164 165 166 Dabei handelt es sich um pulverisiertes Glas, das Kobalt als färbenden Bestandteil enthält und auch als Smalte bezeichnet wird. Smalte gilt als besonders licht-, laugen- und säurebeständig, so dass es eben lange Zeit ohne Veränderungen überdauern kann. Nach KNOEPFLI 1990, S. 37, wurde Kobalt erstmals im 15. Jh. in Venedig zum Färben von Glas verwendet (KÜHN 1988, S. 37), kommt aber bereits um 1350 in S. Abbondio in Como vor (KNOEPFLI 1990, S. 47). Im 16. Jh. erfuhr dieses Pigment seine weitere Verbreitung und ersetzte zunehmend das Azurit. Diese Vergrünung, in Abb. 27 zu erkennen, würde eine typische Reaktion des Azurit bedeuten. Azurit wäre auch freskotauglich, wenn nicht die für den Freskoauftrag günstigste und farbintensivste Korngröße zur Vergrauung neigte. In der Praxis wurde für Azurit oft eine Vergrünung beobachtet, für die Chloride verantwortlich sind, die eine chemische Umwandlung bewirken. Siehe dazu KNOEPFLI 1990, S. 46. SCHILLER 1980, S. 47. Das „Protoevangelium“ ist eine Erzählung der wunderbaren Geburt Mariens, die in die Geburt Christi mündet. Die Schwerpunkte sind die Geburt der Maria als Tochter des reichen Joachim und der Anna, ihr Aufwachsen im Tempel, ihre Jungfrauenschaft, die weder durch Josef, ihren 47 Matthäus-Evangelium“, das wiederum als Grundlage für das Epos des Priesters Wernher167, um 1162, fungierte, das „Liber de ortu beatae Mariae virginis et infantia Salvatoris“ sowie das „Evangelium de nativitate Mariae“. Letzteres erfuhr im Mittelalter große Verbreitung durch Vincent von Beauvais und durch die „Legenda Aurea“ des Jakobus de Voragine. Diese gegen 1300 verfaßte Legendensammlung gibt das Kapitel 81 des „Evangelium de nativitate Mariae“ fast wortwörtlich wieder. 3.1.4.1 Die Einzelbilder: Beschreibung, Ikonographie und Textquellen Vertreibung Joachims aus dem Tempel (Abb. 40): Auf der rechten Bildseite ist nahezu ein Viertel der Darstellung zerstört. Über die gesamte Bildfläche sind weitere kleine Abplatzungen verteilt, in der linken Bildhälfte außerdem einige Putzrisse. Die Szene der Vertreibung Joachims aus dem Tempel ist in traditioneller Weise wiedergegeben. Der Vater Mariens ist allein im Tempel gezeigt, ohne Anna oder Begleitfiguren.168 Die Quelle für diese Szene ist das „Protoevangelium des hl. Jakobus“ (1,2).169 Zwei dicht beieinanderstehende Einleitungsfiguren am linken Bildrand führen in das Geschehen ein. Rechts ist eine Treppe zu erkennen, welche über drei Stufen zu dem schräg gestellten, in den Bildraum fluchtenden Tempel führt. Im vorderen Bereich gleicht er einem Altarziborium, welches von einer niedrigen Chorschranke umfaßt ist. Nach hinten schließt sich eine von außen gesehene dreijochige gotische Choranlage mit schmalen Lanzettfenstern an. Auf der von rechts zum Tempel führenden Treppe sieht man auf der zweiten Stufe noch ein Bein Joachims. Unter dem Baldachin steht der Priester, welcher Joachim verstößt. Ein zweiter Priester steht etwas dahinter neben einem Porphyraltar mit gefranster Altardecke. 167 168 169 durch Los anvertrauten Mann, noch durch die Geburt Jesu verletzt wurde. Siehe HENNECKE / SCHNEEMELCHER 1959, S. 277 ff. Nach SCHILLER 1980, S. 40 stellt das Epos des Wernher „... in seiner poetischen Ausschmückung des Textes in der Form der ritterlichen Dichtung der Kreuzzugszeit ein lebendiges Zeitdokument dar.“ Auch bei Giotto in der Arenakapelle (1304/05), bei Taddeo Gaddi in der Baroncelli-Kapelle (1328) in S. Croce, Florenz, oder auf dem Polyptychon von Pietro Nelli (1375) in der Collegiata di S. Maria in Impruneta ist Joachim allein im Tempel. Lediglich im Bild der Vertreibung Joachims des Giovanni da Milano in der Rinuccini-Kapelle (1365) in S. Croce ist im Tempel viel Volk gezeigt. Im gleichnamigen Bild der Chorfresken von Orvieto von Ugolino di Prete Ilario (1370) wird Joachim explizit vor dem Tempel gezeigt, von dem nur die Fassade zu sehen ist und nicht ein Einblick, wie es in den anderen Beispielen der Fall ist. HENNECKE / SCHNEEMELCHER 1959, S. 280. 48 Verkündigung an Anna (Abb. 41): Eine große Fehlstelle in diesem Bildfeld links oben bildet die Fortsetzung der Lücke des ersten Bildes. Wie man an dem Querschnitt bei Walchegger (Abb. 4)170 ablesen kann, befand sich dort ein Fenster, welches während der Umbaumaßnahmen im 17. Jahrhundert eingebrochen worden war. Im Zuge der Freilegung des oberen Registers (1943) hat man diese Fensteröffnung geschlossen und den Rahmen zwischen den Bildfeldern ergänzt. Die Verkündigung an Anna ist in den apokryphen Schriften unterschiedlich erzählt171 und hat in den darstellenden Zyklen keinen festen Platz. So kann sie, wenn überhaupt172, vor oder nach der Verkündigung an Joachim gezeigt werden. Als Vorbild für den Maler der Vigilskapelle ist hier das entsprechende Bild Giottos aus der Arenakapelle zu nennen. Der Raum, in dem sich Anna befindet, ist als ihr Schlafgemach erkennbar. Betend kniet sie auf einem Holzschemel. Ihr gegenüberbeugt sich durch ein kleines, rechteckiges Fenster ein Engel zu ihr herab. Im hinteren Raumkompartiment ist Annas Bett mit Kopfkissen und verschiedene Decken sichtbar. Dieser Teil des Gemachs beansprucht circa zwei Drittel der Bildbreite. Im linken Drittel war ein zusätzlicher, schmaler Raum gezeigt, von dem heute nur noch das unterste Viertel zu erkennen ist. Dort saß auf einem niedrigen Schemel eine Figur in grünem Gewand mit überkreuzten Beinen. Das Ambiente dieses Bildes kann man sich durch die Parallelen im Bild Geburt Mariens im selben Zyklus ergänzen. In einem schmalen, etwas niedrigeren Anbau hantiert dort eine Magd vor einer Feuerstelle. Ansonsten ist die Ausstattung die gleiche.173 Verkündigung an Joachim (Abb. 42): Auch in diesem dritten Bild zeigt sich eine große Fehlstelle in der rechten Bildhälfte. 170 171 172 173 WALCHEGGER 1893, S. 39. In der Erzählung der „Legenda Aurea“ erscheint Anna der Engel erst, nachdem dem Joachim die Geburt einer Tochter verkündet worden war. Vgl. hierzu BENZ 1979, S. 681. Im „Protoevangelium des hl. Jakobus“ kommt der Engel zu Anna, verkündet ihr die Geburt eines Kindes und weist sie auf die Rückkunft Joachims hin, dem auf dem Feld ein Engel erschienen sei und ihm ebenfalls die frohe Botschaft brachte. Vgl. dazu HENNECKE / SCHNEEMELCHER 1959, S. 281. In den mir bekannten Malereizyklen zum Leben Mariens ist die Verkündigung an Anna nur bei Giotto in der Arenakapelle und bei Ugolino di Prete Ilario im Orvietaner Dom gezeigt. Bei den anderen Beispielen fehlt diese Episode. Im Bild der Geburt Mariens von Hans Stocinger in der Pfarrkirche von Terlan ist im linken Nebenraum, der jedoch gleich hoch mit dem Hauptraum ist, eine ähnliche Kochstelle zu sehen. 49 Wie in der „Legenda Aurea“ berichtet wird, floh Joachim beschämt durch die Verweigerung seines Opfers zu den Hirten aufs Feld. Dort erschien ihm während des Gebets ein Engel.174 Am linken Bildrand führt ein Hirtenjunge in die Darstellung ein. Während er sich mit der rechten Hand vor Erstaunen über das Geschehen ans Kinn greift, stützt er sich mit der anderen auf einen Stab. Der Knabe blickt nach rechts oben zu Joachim, welcher etwa in der Bildmitte mit erhobenen Händen auf freiem Feld kniet. Mit seinem Oberkörper überschneidet er den Horizont. Von links oben schwebt der Engel herab, der ihm die Geburt einer Tochter kundtut. Auf dem sandigen Boden weidet im Vordergrund eine Schafherde. Im Hintergrund sind noch einige Bäume und Pflanzen zu erkennen. Da die rechte Bildhälfte zerstört ist, kann man nicht mehr sagen, ob Joachim während seines Opfers gezeigt wurde, wie es auch bei Giotto in der Arenakapelle zu sehen ist.175 Oder ob der Maler vom Virgl zwei Vorlagen Giottos, Opfer und Verkündigung, bei der der giotteske Joachim hockt, miteinander verknüpfte.176 Bei Giotto ist neben der ausführlichen Schilderung des Kummers von Joachim, als er bedrückt zu seinen Hirten kommt, das Opfer und die Verkündigung gezeigt. Der Bedeutung Joachims und der Schilderung seines Seelenzustands, das heißt seiner Betroffenheit über die Geschehnisse, ist in der Geschichte bei Giotto größere Aufmerksamkeit gewidmet als in St. Vigil. Begegnung an der Goldenen Pforte (Abb. 43): Am linken Bildrand befindet sich eine circa 30 cm breite Fehlstelle, die mit der des vorhergehenden Bildes zusammenhängt. Vergleicht man die Situation wieder mit dem Querschnitt von Walchegger (Abb. 4), erkennt man dort die in die Wand stoßenden Balken der Zwischendecke. 174 175 176 BENZ 1979, S. 680. In anderen Beispielen der Verkündigung hockt Joachim am Boden, wie in der RinucciniKapelle in S. Croce in Florenz von Giovanni da Milano (1365) oder auf dem Tafelbild der Collegiata di S. Maria von Pietro Nelli (1375) genauso wie auf dem Londoner Triptychon des Giusto de' Menabuoi (1367). Stehend empfängt er die frohe Botschaft bei Ugolino di Prete Ilario im Dom von Orvieto. Der Engel fordert Joachim zuerst auf, zu seiner Frau zurückzukehren, beim zweiten Mal verkündet er ihm die Geburt, beim dritten Mal hält er Joachim davon ab, ihm ein Opfer darzubringen, was doch nur Gott allein zustehe. Siehe TISCHENDORF 1876, S. 50 ff.; vgl. dazu Schiller 1980, S. 41. Möglich wäre es, dass Im „Pseudo-Matthäus-Text“, Kap. 3, ist dieses Geschehen auf drei Szenen ausgeweitet. 50 Das Zusammentreffen des nach Hause zurückkehrenden Joachim mit der wartenden Anna an der Goldenen Pforte von Jerusalem entspricht dem „Evangelium de Nativitate Mariae“, (Kap. 3-5), und dem „Pseudo-Matthäus-Text“, (Kap. 3).177 Von links treibt ein Hirte seine Schafherde entlang einer rustizierten Stadtmauer mit Zinnen auf das Stadttor zu, welches von einem einfachen Rundbogen gebildet wird.178 Joachim, der vorausgeeilt ist, umarmt und küßt Anna, die gerade aus dem Tor kommt. Hinter Anna drängen drei weitere Frauen nach vorne. Von einem niedrigen Aufbeu auf dem Tor sehen zwei Kinder dem Ereignis zu. Zwei Pfauen siötzen auf einer Art Loggia, welche hinter der Mauer aufragt.179 Neben verschiedenen Bezügen zu anderen Malereien des italienischen Trecento gibt es vor allem erstaunliche Relationen zu Bildern von Sano di Pietro, worauf ich noch näher eingehen werde. Die Geburt Mariens (Abb. 44): Abgesehen von einigen Abschürfungen und Abplatzungen ist dieses Bild ohne Fehlstellen erhalten. Die Geburt der Gottesmutter, in der „Legenda Aurea“180 erzählt, wird im gleichen Ambiente wie die Verkündigung an Anna dargestellt. Anna sitzt aufrecht im Bett, bis zum Bauch mit einer grünen Decke zugedeckt, über der eine halbrunde Hermelindecke drapiert ist.181 Eine Magd hinter dem Bett gießt Wasser aus einer Kanne über Annas Hände, die sie sich über einer Schüssel auf ihrem Schoß wäscht. Die Rückwand ist mit einer blauen Wandbespannung dekoriert, welche oben mit einer weißen Borte abschließt.182 Im Vordergrund sitzen sich zwei Mägde an einem Waschtrog gegenüber. Die linke, im grünen Kleid, hat das Neugeborene in den Armen und löst ihm die Windeln, um es für das Bad zurecht zu machen. Die rechte, ältere Magd in blauem Kleid und mit Kopftuch hat über ihren Schoß ein weißes Laken gebreitet und streckt die Arme nach vorne, um das Kind entgegenzunehmen. Das Fenster in der rechten 177 178 179 180 181 182 KÜNSTLE 1928, S. 323. Vgl. „Protoevangelium des hl. Jakobus“ 4,4 bei HENNECKE / SCHNEEMELCHER 1959, S. 281. Im Bild der Goldenen Pforte von Taddeo Gaddi aus der Baroncelli-Kapelle von S. Croce in Florenz trägt der Hirte stellvertretend ein an einen Stecken gebundenes Lamm über der Schulter. Der Pfau hat die Bedeutung des Paradiesvogels, symbolisiert hier also die Unsterblichkeit; nach SCHMIDT 1981. BENZ 1979, S. 681. Eine solche halbrunde Bettdecke mit Hermelinmuster ist auch in St. Johann im Dorf gezeigt (auf die Ähnlichkeiten mit diesem Bild gehe ich unten näher ein) und in St. Magdalena, in dem Bild Die Heilige erscheint dem Herrscherpaar von Marseille. Hierzu vergleiche man das Bild der Verkündigung an Anna. 51 Seitenwand ist im Gegensatz zum Bild der Verkündigung an Anna durch ein Gitter verschlossen. In dem auch hier das linke Drittel einnehmenden kleineren Raum sehen wir eine Küche. Im Inneren ist hinten ein runder Rauchfang gezeigt, von dem an einer Kette ein schwarzer Kessel über dem Feuer hängt. Durch eine halb geöffnete Tür in der rechten Wand tritt, aus Annas Gemach kommend, eine Magd mit einer flachen Schüssel zur Kochstelle. Ihr rotes Kleid hat sie bis zu den Hüften hochgerafft, so dass ihr plissiertes Unterkleid zum Vorschein kommt.183 Die Grundidee der identischen Wiederholung von Annas Gemach ist wieder bei Giotto vorgeprägt. Jedoch verzichtete der Maler in St. Vigil auf die zweimalige Darstellung der Neugeborenen.184 Anstatt der im Bett sitzenden Anna das Kind zu reichen, bringt ihr in St. Vigil eine Magd einen Krug Wasser, damit sie sich die Hände waschen kann,185 wie es auch bei Giusto de' Menabuoi im Londoner Triptychon (1367) zu sehen ist (Abb. 54). Mariens Tempelgang (Abb. 45): Das letzte Bild des oberen Registers ist wiederum ohne Fehlstellen erhalten. Wie in der „Legenda Aurea“186 berichtet, bringen Joachim und Anna ihre Tochter zur Erziehung in den Tempel. Damit erfüllen sie ihr Gelübde, ihr erstes Kind dem Herrn zu weihen. Auch hier ist das Ambiente bereits aus einer früheren Darstellung, nämlich der Vertreibung Joachims aus dem Tempel, bekannt: Es ist derselbe Tempel gezeigt. Selbst die beiden Männer am linken Bildrand sind wenig verändert übernommen.187 Abermals steht ein rot gewandeter Priester im Chorraum vor dem Altar, doch richtet er seinen Blick konzentriert auf die Mensa. Der zweite Geistliche nimmt die gleiche 183 184 185 186 187 Eine ähnliche Figur hantiert im Bild Geburt Christi eines Niederrheinischen Meisters von 1400, heute in Berlin-Dahlem, Staatliche Museen, Gemäldegalerie. Siehe KAT. MUS. BERLIN 1975, S. 298; gute Abb. bei CASTELNUOVO 1966, Abb. 15. Eine spiegelverkehrte, aber ähnliche Situation zeigt das Bild der Geburt Johannes des Täufers in St. Johann im Dorf in Bozen. Dort wird der im Bett sitzenden Elisabeth das neugeborene Kind gebracht. Die beiden Ammen, die es wickelten, sitzen noch im Vordergrund vor dem ovalen Waschzuber. Auch bei Giovanni da Milano in der Rinuccini-Kapelle in S. Croce, Florenz, gießt eine Magd Wasser über Annas Hände, die im Bett sitzt und vor sich auf dem Schoß eine Schüssel hat. In den übrigen Details ist die Szene jedoch anders aufgefaßt. SCHILLER 1980, S. 64 beschreibt die Geste, der Anna Wasser zum Händewaschen zu reichen, als ein aus der sienesischen Tradition kommendes Motiv. BENZ 1979, S. 681. Auch in Giottos Bild Tempelgang Mariens der Arenakapelle sind zwei die Szene beobachtende und kommentierende Erzähler beigefügt. Dort bilden sie, als Rückenfiguren gegeben, ein Repoussoirelement, welches den Blick des Betrachters ins Bild zurückführt. 52 Position wie im Bild der Vertreibung Joachims ein, hier allerdings der jungen Maria zugewandt, die bereits bis zur letzten Stufe des Tempels hinaufgestiegen ist. Direkt hinter ihr sieht man Anna im Profil. Mit beiden Händen scheint sie ihre Tochter dem Priester entgegenzuschieben. Dicht hinter ihr steht Joachim, der hinter Anna vorbei aus dem Bild herausblickt. Bemerkenswerterweise ist auf die Selbständigkeit Mariens kein Wert gelegt, wie es in den apokryphen Schriften und der „Legenda Aurea“ erzählt wird und in vielen anderen Beispielen dargestellt ist.188 Lediglich bei Giotto in der Arenakapelle und bei Ugolino di Prete Ilario im Dom von Orvieto hilft Anna ihrer Tochter, die Stufen zum Priester emporzusteigen.189 Maria als Tempeldienerin am Webstuhl (Abb. 46): Mit diesem Thema wird die Erzählung im unteren Register weitergeführt. Im oberen Bilddrittel erstreckt sich eine Fehlstelle über die gesamte Bildbreite und darüber hinaus wie ein Band über das ganze Register. Eine Erklärung findet sich wiederum im Querschnitt von Walchegger (Abb. 4). Im oberen Drittel des unteren Registers waren die Balken für die Zwischendecke eingelassen. Nach deren Entfernung hat man die Löcher wieder gefüllt, aber nicht retuschiert. Maria sitzt ungefähr in der Bildmitte vor einem Webstuhl. Rechts davon steht ein Priester unter einem Bogen, der zu einem Kapellenraum führt. Darin erkennt man eine Altarmensa mit Altardecke, in der Rückwand zwei spitzbogige Fenster. In Spuren kann man hinter Maria noch eine zweite weibliche Figur ausmachen, die an einem Webstuhl arbeitet. Der gesamte Tempelraum ist durch einen Sockel erhöht. Eine vierstufige Treppe führt zu ihm hinauf. Vor der Architektur kommen von links Kinder auf die Treppe zu. Dieses Sujet ist sehr selten dargestellt. Bei den zum Vergleich herangezogenen Marienlebenzyklen ist Mariens Aufenthalt im Tempel nur in der Ausmalung des Domchors von Orvieto durch Ugolino di Prete Ilario gezeigt, wo sie in einem kleinen Anraum des Tempels zusammen mit anderen Frauen von einem Priester unterwiesen 188 189 Als Beispiele seien hier die entsprechenden Bilder von Taddeo Gaddi und Giovanni da Milano aus S. Croce in Florenz genannt, wo Maria ohne jegliche Unterstützung die riesige Treppenanlage emporsteigt, ähnlich bei Giusto de' Menabuoi in den Fresken des Baptisteriums zu Padua. Wie bei Giotto griff der Maler in der Vigilskapelle auf das gleiche Ambiente wie beim Bild der Vertreibung Joachims aus dem Tempel zurück, hier jedoch gleich positioniert und nicht von einem anderen Blickwinkel aus gesehen. Während wieder durch die Kombination aus Ziborium mit anschließender Choranlage eine überschaubare Örtlichkeit entsteht, sind die Tempelbauten zum Beispiel bei Taddeo Gaddi und Giovanni da Milano komplexere Architekturen, denen große Treppenanlagen vorgelagert sind. 53 wird. Jedoch handelt es sich dort um eine Nebenszene, während hier in St. Vigil diesem Thema ein eigenes Bildfeld gewidmet ist. Von Maria als Tempeljungfrau schildert die „Legenda Aurea“ nur, dass sie täglich „... an aller Heiligkeit zunahm, und ward täglich von dem Engel besucht, und wurden ihr täglich göttliche Gesichte.“190 Dass Maria wie eine Taube gehegt worden sei und Nahrung aus der Hand eines Engels empfangen habe,191 berichtet das „Protoevangelium des hl. Jakobus“ von Mariens Zeit im Tempel. In den apokryphen Evangelien dagegen heißt es, Maria beschäftigte sich mit Purpurspinnen, Nähen und Gebet.192 In den abendländischen Schriften und der Wernherschen Dichtung, die das gemeinschaftliche Leben eines Klosters vor Augen hatten, wird von den Arbeiten Mariens und ihren Gefährtinnen berichtet, wie sie „... den fraulichen Beruf und das Wirken von Seidenstoff und Linnen ausübt.“193 Das Stabwunder (Abb. 47): Das Bildfeld ist, bis auf die erwähnte Zerstörung des oberen Bilddrittels, sehr gut erhalten. Als Kulisse für dieses Ereignis ist eine Chorarchitektur mit drei Apsiden gewählt, die zum Betrachter hin von Pfeilern getragen wird. In der mittleren Apsis steht hinter einem Altar der Priester, rechts davon Josef. Davor knieen die unverheirateten Männer im Kreis, die um Maria freien. Auf der Mensa liegen fächerförmig elf Stäbe angeordnet. Mit der erhobenen Rechten empfängt der Priester von Josef den zwölften.194 Die übrigen Bewerber blicken allesamt erstaunt auf und erheben die Hände. Das Mirakel bei der Wahl des Ehemanns für Maria wird weniger erzählt als vorgeführt. Repräsentativ ist der entscheidende Moment, das Wunder an Joachims Stab, dargestellt.195 190 191 192 193 194 195 BENZ 1979, S. 681. Ausführlich geschildert sind die verschiedenen Berichte über Marias Leben im Tempel bei SCHILLER 1980, S. 72. KÜNSTLE 1928, S. 323. Vgl. HENNECKE / SCHNEEMELCHER 1959, S. 284. Gemäß der „Legenda Aurea“ gab Josef als letzter seinen Stab ab, da er sich schämte als alter Mann um die Jungfrau zu werben. Doch da die anderen Stäbe alle keine Blüten oder Knospen zeigten, war gewiß, dass der Auserwählte noch nicht unter den Bewerbern war. Daraufhin trat Josef vor, gab seinen Stab ab, der sogleich zu blühen begann, und vom Himmel herab kam eine Taube und setzte sich auf die Spitze des Stabes. Vgl. BENZ 1979, S. 682. Ob auch hier eine Taube gezeigt war, ist nicht mehr zu eruieren, allerdings ist die Fehlstelle so groß, dass man sie sich gut vorstellen kann. Das „Protoevangelium“ spricht davon, dass eine Taube aus dem Stabe flog und sich auf Josefs Haupt setzte. Siehe HENNECKE / SCHNEEMELCHER 1959, S. 283. Im „Evangelium de 54 Vermählung Mariens mit Josef (Abb. 48): Neben der bekannten Fehlstelle im oberen Drittel findet sich hier eine große Lücke am unteren Bildrand. Bemerkenswert ist die „Flickstelle“ in der Bildmitte: Köpfe und Oberkörper Josefs, des Priesters und Mariens werden von einem Putzstreifen umrahmt. Walchegger zeichnete in seinem Querschnitt an dieser Stelle noch eine Fehlstelle ein (Abb. 4). Auch in dem Aufsatz von Nicolo Rasmo von 1942196 ist das Bildfeld mit Lücke reproduziert. Das fehlende Stück befand sich damals noch im Museo dell'Alto Adige in Bozen und wurde erst bei der Freilegung und Restaurierung unter Rasmo wieder an seinen Ort gebracht. Auch hier sind zudem die typischen Abschürfungen zu beobachten. Die Vermählung, in der „Legenda Aurea“197 nur kurz erwähnt, hat in der monumentalen Malerei seit 1300 eine lange Tradition.198 Das zentrale Moment ist das Zusammenlegen der Hände Mariens und Josefs in Gegenwart eines Priesters. Als Architekturkulisse ist hier eine loggienartige Konstruktion mit Kreuzgratgewölbe gezeigt. Die Gestalt Mariens wird von einem schräggestellten Bogen überfangen und betont. Ihr Pendant ist die voluminöse Figur Josefs. Hinter den Brautleuten steht, fast frontal zum Betrachter, der Priester. Während Josef und der Priester eng zueinandergerückt sind, ist die Figur der Jungfrau von diesen abgesetzt und diese Zäsur durch einen Pfeiler akzentuiert. So wird Maria als Hauptfigur ausgezeichnet. Verbindung schafft die Verlobungshandlung, die eben vollzogen wird: Josef steckt einen Ring an Mariens rechte Hand. Der Priester übergibt mit seiner verhüllten Linken die Braut an Josef, die Rechte hat er auf Josefs Linke gelegt, die den blühenden Stab hält. Hier ist auch die Taube über dem Stab zu sehen, das Zeichen seiner Bestimmung. Während Maria von der hinter ihr stehenden Anna Unterstützung erhält, wehrt der breite Rücken Josefs die sich dahinter drängenden frustrierten Bewerber ab. In diesem Tumult erkennt man Joachim, durch einen Nimbus gekennzeichnet, der bemüht ist, die wütenden Männer vom Bräutigam fernzuhalten. Anna führt an ihrer linken Hand zwei kleine Kinder, die durch Nimben ausgezeichnet sind: die beiden anderen Töchter Annas, Maria Kleophas und Maria Salomas. Damit ist bereits ein Verweis auf das letzte Bildfeld, welches das 196 197 198 Nativitate Mariae“, Kap. 7, wird der blühende Stab erwähnt, auf den sich die Taube setzte siehe dazu KÜNSTLE 1928, S. 323. RASMO 1942, Storie di S. Vigilio, S. 52. BENZ 1979, S. 682. Vgl. SEELIGER 1978, S. 75-90. Seeliger äußerte sich auch zu der meist falschen Benennung dieser Szene als Vermählung, denn eigentlich wurden Josef und Maria nur verlobt. 55 Trinubium der hl. Anna zum Thema hat, gegeben.199 Im Hintergrund sind weitere Personen auszumachen. Figurenfragment (Abb. 49): Das folgende Bildfeld ist vollständig durch den Fenstereinbruch im 17. Jahrhundert zerstört worden.200 Von der älteren Malschicht ist heute nur noch ein kleines Fragment am linken Bildrand zu sehen: Die Rückenlinie einer stehenden Figur in gerafftem, rotem Mantel. An einigen Stellen ist er umgeschlagen, so dass man das grüne Futter sieht. Den rechten Arm, von dem noch der Oberarm auszumachen ist, hielt die Figur angewinkelt. Das Figurenfragment kann weder Anna oder Joachim noch Maria oder Josef zugeordnet werden, da diese vier Hauptfiguren des Zyklus durchweg mittels ihrer Gewänder identifizierbar und wiedererkennbar dargestellt wurden. Vielmehr gehörte der Arm zu einer Assistenzfigur. Der Erzählung entsprechend würde die Heimführung Marias oder Verkündigung der Geburt Christi folgen. Eine Verkündigung schließe ich jedoch aus, denn der Verkündigungsengel wäre in dieser Gestaltung doch ungewöhnlich an den Rand gedrängt. Viel eher ist eine Heimführung gezeigt, wie sie bei Giotto oder auch Sano di Pietro nach der Episode der Vermählung zu sehen ist.201 Auch die Darstellung einer Heimsuchung, bei der die schwangere Maria die ebenfalls ein Kind erwartende Elisabeth besucht, wäre nach dem Vorbild Taddeo Gaddis in der Baroncelli-Kapelle von S. Croce, Florenz, denkbar. Wenn auch die Szene der Heimsuchung meist im Zusammenhang mit einer Verkündigung gezeigt wird und diese im Zyklus nicht vorhanden ist, könnte sie sich hier vielleicht auf die Verkündigung in den Triumphbogenzwickeln beziehen. Durch die Darstellung einer Heimsuchung kommt Maria und somit dem ganzen Zyklus eine besondere inhaltliche Bedeutung zu, die auch in den noch folgenden beiden Bildern zum Tragen kommt, nämlich der Hinweis auf die Immaculata Conceptio.202 199 200 201 202 Mir ist kein weiteres Beispiel bekannt, in dem die anderen beiden Töchter Annas bei der Vermählung Mariens auf so eindeutige Weise gezeigt wurden. Nach dem Mauerdurchbruch und der Umgestaltung zu einer Wohnung um die Mitte des 15. Jh. wurde die Wand offensichtlich neu bemalt. Von dieser Ausschmückung sind heute um die Maueröffnung gemalte Pflanzenranken erhalten. In der Laibung sieht man übereinander rote Wappenschilde mit einem sechszackigen goldenen Stern, das Bozener Stadtwappen, welches die Habsburger der Stadt 1381 verliehen; vgl. HUTER 1966, S. 495. Die Identifizierung der entsprechenden Szene von Sano di Pietro ist nicht eindeutig, siehe Kap. 3.1.4.3. Siehe dazu, Kap. 3.1.4.3. 56 Kaiser Augustus und die Tiburtinische Sibylle (Abb. 50): Das oberste Drittel des Bildfeldes ist wiederum durch den Einbau der Zwischendecke in Mitleidenschaft gezogen. Im unteren Bildviertel sind verschiedene größere Abplatzungen zu bemerken. In der linken Bildhälfte kniet der Kaiser vor einem Architekturelement mit einer offenstehenden, spitzbogigen Holztüre. Sein Gewand ist die dem Kaiser zustehende geistliche Tracht, deren Entwicklung eng mit dem Pristerornat verbunden gewesen ist. 203 Hinter dem Kaiser steht die Sibylle, die an diesem vorbei auf die Erscheinung am Himmel rechts oben deutet: Maria, vor zwei sich überschneidenden Gloriolen sitzend, mit dem Jesusknaben auf dem Schoß. Das Kind blickt zu seiner Mutter auf, während diese wohlwollend zum Kaiser herabschaut. Bekleidet ist sie mit einem blauen Mantel mit weißem Futter, darunter sieht man ein rotes Gewand mit weißer Kragenborte. Das lange, offene Haar fällt über den Rücken. Auf dem Kopf, der von einem Nimbus hinterfangen ist, trägt sie einen schmalen Kronreif. Die Füße der Madonna stehen auf einem Halbmond, der von dem Saum ihres Mantels gebildet wird. Das Thema dieser Darstellung geht auf die Ara-Coeli-Legende zurück, welche in der „Legenda Aurea“ zur Geburt des Herren beschrieben ist.204 Dieser zufolge wollten die römischen Senatoren Kaiser Augustus als Gott verehren. Der befragte daraufhin die Sibylle aus Tibur, wie er sich verhalten solle. Die Seherin prophezeite ihm die Geburt eines Königs, welcher größer sei als er. In diesem Moment erschien am Himmel vor einer Sonnengloriole das Bild der Mutter Gottes mit dem Jesusknaben auf dem Arm und eine Stimme sprach: „Haec ara filii Dei est“. Der Kaiser fiel vor dieser Erscheinung betend auf die Knie, opferte Weihrauch und weihte einen Altar. Die Ara-Coeli-Legende ist im „Speculum humanae salvationis“205 dem Kapitel der Geburt Christi zugeordnet. Es ist somit ein direkter Hinweis auf dieses Ereignis und steht auch hier stellvertretend dafür. Die Erscheinung Mariens spielt auf den Typ 203 204 205 Vgl. THIEL 1987, S. 127. Bekleidet ist der Kaiser mit einem grünen, ins rot changierenden Pluviale, unter dem er eine durch das Zingulum gegürtete Albe trägt. Darüber hat er die Stola, welche durch die Gürtung gezogen ist. Als Untergewand erkennt man eine Tunika. Die Säume der Albe und des Pluviales sind mit reichen goldfarbenen Borten versehen. Mit beiden Händen schwenkt Augustus ein Weihrauchfaß. Auf dem Kopf trägt er eine Bügelkrone, deren Bügel die Form einer Tiara nachformen. Unter der Krone trägt er eine Haube. Dieses Gewand läßt sich aus dem Königpriestertum herleiten und lehnt sich an oströmische Gebräuche und Denkweisen an. Vgl. EICHMANN 1942, S. 129-146. BENZ 1979, S. 52. Der „Speculum humanae salvationis“ entstand wohl kurz vor 1300 in Italien und gelangte von dort nach Deutschland, s. dazu SCHMIDT 1974, S. 153. 57 der Madonna auf der Mondsichel an, der sich aus dem Bildtypus des Apokalyptischen Weibes herausbildete.206 Diese von der Sonnengloriole hinterfangene Mariendarstellung steht symbolisch für die Immaculata Conceptio, die unbefleckte Empfängnis.207 Es wird also nicht nur von der Geburt Jesu berichtet, sondern auch besonders die Jungfräulichkeit der Gottesmutter veranschaulicht. Es stellt sich die Frage nach der Bildtradition der Tiburtinischen Sibylle in Südtirol: Zwei weitere Darstellungen desselben Themas, allerdings jüngeren Datums, befinden sich im Brixener Domkreuzgang.208 Diese sind aber ganz anders gestaltet. Der Kaiser und die Seherin sitzen sich jeweils gegenüber, während über ihnen Maria mit dem Kind erscheint. Außerdem sind sie nicht in den größeren Zusammenhang eines Zyklus eingebunden.209 Ein um 1400 entstandenes Bild mit der Weissagung der Sibylle an Kaiser Augustus ist die als Triumph der Christenheit bezeichnete Tafel eines venezianischen Meisters, heute in der Staatsgalerie Stuttgart. Das Urbild für diese Darstellungen war wohl die nicht mehr erhaltene Apsisausstattung von S. Maria Aracoeli in Rom, die um 1300 von Cavallini gestaltet worden war. Das Thema der Tiburtinischen Sibylle, die auf Befragen dem Kaiser Augustus die Geburt Christi weissagte, gehört nicht in den Zusammenhang der Marienlegende. Es stellt ein eigenständiges Sujet dar und ist auch in der „Legenda Aurea“ eine selbständige Erzählung zur Ankündigung der Geburt Christi. Die Heilige Sippe (Abb. 51): Auch das letzte Bild des Zyklus weist im oberen Viertel eine große Fehlstelle auf. Ansonsten sind über die Fläche verteilt kleinere Abplatzungen zu bemerken. Mit dem Bild der Heiligen Sippe wird der Zyklus abgeschlossen. Auch dieses Sujet gehört eigentlich nicht in den erzählerischen Zusammenhang.210 206 207 208 209 210 Vgl Offb 12,1 f.: „Eine Frau mit der Sonne umkleidet, der Mond unter ihren Füßen ...“ Dadurch, dass keine richtige Mondsichel dargestellt ist, sondern nur die Gewandform eine solche assoziiert, soll wohl eine zu enge Verbindung mit dem apokalyptischen Weib vermieden werden. Vgl. GULDAN 1966, S. 102 ff. Eine befindet sich in der 11. Arkade des Kreuzganges, rechts des romanischen Domportales. In dieser ist der Kaiser ebenfalls mit einer Tiara bekrönt gezeigt. Die zweite ist in der 15. Arkade gezeigt. Diese ist nur halb so groß, dafür mit einer Inschrifttafel verbunden, welche von der Ara-Coeli-Legende berichtet. Ein weiteres Beispiel von ca. 1370 stellt die Ara-Coeli-Darstellung im Kreuzgang des Emmausklosters in Prag dar. In der Literatur wird als ältestes Beispiel einer Darstellung der Hl. Sippe immer die in der Beschreibung bereits zitierte „La genealogie de N.D. en roumans“, Bibl. Ars. Ms 3517, fol. 7 (um 1300), genannt. Die Darstellungen beschränkten sich vor allem auf das 14. bis 17. Jh. Vergleichsbeispiele aus dem 14. Jh. werden jedoch nicht genannt. 58 Die Komposition ist annähernd symmetrisch: Die Familie ist vor einer dreiflügeligen Architekturkulisse mit Rundbögen versammelt. Unter dem mittleren Bogen, von diesem in Kopfhöhe schier eingezwängt, stehen Anna und zu ihrer Linken Joachim. Anna breitet ihre Arme aus, um ihre drei Töchter zu umfassen und vorzuzeigen. Direkt vor Anna und Joachim stehen sich Maria und Josef gegenüber, zwischen ihnen der kleine Jesusknabe. Links hinter Joachim ist Kleophas, der zweite Mann Annas, gezeigt. Vor diesem steht die gemeinsame Tochter Maria Kleophas mit ihrem Mann Alphäus, dessen Kopf zerstört ist. Maria Kleophas breitet schützend ihren Mantel über ihre vier Kinder: Jakobus den Jüngeren, Simon Zelotes, Judas Taddäus und Barnabas. Rechts neben Anna befindet sich Salomas, ihr dritter Gatte. Links davor steht die gemeinsame Tochter Maria Salomas mit ihrem Mann Zebedäus. Auch Maria Salomas hält über ihre beiden Kinder, Jakobus den Älteren, den späteren Apostel, und Johannes, den späteren Evangelisten, beschützend ihren Mantel. Die Kinder halten in den Händen kleine Täfelchen. Alle Personen, mit Ausnahme von Kleophas, Salomas, Alphäus und Zebedäus, sind mit Nimben versehen. Das Thema der Heiligen Sippe, also der Familie Jesu, gründet auf der literarischen Vorlage der Trinubiumslegende, deren Alter unklar ist. Angeblich ist sie erstmals in den Visionen der sel. Coleta Boilet aus dem Jahre 1406 verzeichnet. Doch reicht die literarische Tradition weit ins 12. Jahrhundert zurück, wie Max Förster211 zeigte. Kleinschmidt212 folgerte daraus, dass es bereits vor 1406 Darstellungen der Heiligen Sippe gegeben hat. Zur Trinubiumslegende gibt es unzählige Versionen, welche oft auch zu Merkversen zusammengefaßt wurden.213 Folgender stammt von Vincent von Beauvais aus dem 12. Jahrhundert: „Anna viros habuit Joachim, Cleophae, Salomeque; Tres parit: has ducunt Joseph, Alphaeus, Zebedaeus; Christum prima; Joseph, Jacobum cum Simone Judam Altera; quae restat Jacobum parit atque Joannem.“214 211 212 213 214 Nach FÖRSTER 1925, S. 121 entstand die Trinubiumslegende im 11. Jh. in England oder der Normandie. KLEINSCHMIDT 1930, S. 263. Die Veranlassung für diese Legende liegt in der Hl. Schrift begründet, wo von Brüdern Jesu' (Mt 12,46; 13,55; Mk 3,31 f.; 6,3; Lk 8,19 f.; Joh 2,12; 7,3; Apg 1,14; 1. Kor 9,5; Gal 1,19) und Schwestern seiner Mutter Maria (Joh 19,25 f.) die Rede ist. Diese Verhältnisse sollten mit der dreimaligen Heirat geklärt werden, ohne dass die unbefleckte Empfängnis Mariens und die jungfräuliche Geburt Mariens in Frage gestellt würden. Vgl. dazu auch MITGAU 1962/63, S. 547. Zitiert in MÂLE 1925, S. 239, Anm. 1. 59 In Bozen und Umgebung sind mir nur zwei weitere Sippendarstellungen bekannt. Im Vergleich mit St. Vigil zeigen sich Unterschiede, die für die Deutung des Bildes am Virgl von Wichtigkeit sein können, wie noch gezeigt wird. 3.1.4.2 Erzählstruktur und Bildprogramm des Marienzyklus Der Annen-Marien-Zyklus wird in enger Anlehnung an die schriftliche Fixierung in der „Legenda Aurea“ und im „Protoevangelium des hl. Jakobus“ vorgeführt. Die flüssige verbale Erzählung wird jedoch in ihrer bildlichen Wiedergabe akzentuiert und schrittweise zu einem Höhepunkt gesteigert. Die ersten fünf Bildfelder sind als Vorgeschichte oder Einleitung der gesamten Erzählung zu werten. Eingeführt wird der Betrachter durch zwei Erzähler, die exponiert am linken Bildrand der Vertreibung Joachims aus dem Tempel stehen. Diese Begleitfiguren haben in der monumentalen Malerei eine lange Tradition. Ähnliche Figuren werden auch als Repoussoirelement verwendet, so bei Giotto im Bild Tempelgang Mariens im Zyklus der Arenakapelle von Padua (um 1305).215 Durch leicht lesbare Bildmittel, wie Bewegungs- und Aktionsrichtung der Protagonisten, wird der Betrachter dann weiter durch die Geschichte geführt. Unterstützt wird dieser Verlauf noch durch entsprechend eingesetzte Architekturglieder, wie zum Beispiel die Ausrichtung der Treppe im Bild der Vertreibung Joachims, die in einer absteigenden Diagonalen gegeben ist. Der Eintritt in die folgende Szene erfolgt durch einen Torbogen bzw. die Weiterleitung durch den durchs offene Fenster blickenden Engel, sodann durch die Rhythmisierung der Bogenstellung bei der Goldenen Pforte und in der Geburt Mariens. Im Bild der Verkündigung an Joachim ist diese Gleichförmigkeit allerdings unterbrochen. Joachim, der sich zum Engel zurückwendet, leitet selbst nicht weiter, sondern der Engel mit der Zeigegeste sowie der erstaunt aufblickende Hirte. Die Schafherde, hier noch nach links laufend, verbindet dieses Bild mit dem folgenden. Dort nämlich erscheint diese wieder, diesmal jedoch in gleicher Richtung laufend wie Joa215 In gleicher Funktion verwendete sie Guariento in der Eremitani-Kirche in Padua in der Szene Der hl. Philipp wird gezwungen, dem Idol zu opfern. Zweimal erscheint das Figurenpaar als Rahmung und Steigerung des Themas in der von Giotto gemalten Szene Der hl. Franziskus vor Papst Honorius III. in der Bardi-Kapelle in S. Croce in Florenz. In der Vertreibung Joachims (um 1335) von Taddeo Gaddi in der Cappella Baroncelli in S. Croce, Florenz, übernimmt eine ähnlich postierte Dreiergruppe die Einführung in die gesamte Darstellung. Ganz ohne Assistenzfiguren kommt Giusto de' Menabuoi in dem Londoner Triptychon mit Episoden aus dem Leben der Jungfrau Maria aus. Das Triptychon ist 1367 entstanden und befindet sich heute in der National Gallery in London. Drei Figuren, Joachim und zwei Priester, bestimmen die Szene. 60 chim und der Hirte, nämlich in Leserichtung. Es scheint hier eine Zäsur gemeint zu sein, die den Betrachter bei den Ereignissen der Verkündigung zurückhält, bevor er ins kommende Geschehen weiterführt wird. Im Bild der Geburt Mariens ist indessen ein richtiger Bruch in der zügigen Bilderzählung zu bemerken: Das Fenster in der Wand hinter Anna ist mit einem Gitter verschlossen, Anna und die Magd am rechten Bildrand, halten als Repoussoirfiguren den Betrachter in dieser Szene zurück. Trotz aller blickführenden Hilfsmittel und offensichtlicher wie indirekter Richtungsweisungen ist doch jedes Bildfeld des oberen Registers auch ein in sich geschlossenes Gefüge. Die handelnden Personen erfahren jeweils eine Antwort in einem nicht besonders akzentuierten, aber wirksamen Gegenüber: so die betende Anna im verkündenden Engel, Joachim im Engel und im sich wundernden Hirten, Joachim der Goldenen Pforte in Anna und ihrem Gefolge und schließlich die Heilige Familie des Tempelgangs Mariens im Priester. Dieses letzte Bild des oberen Registers nimmt ohnehin eine gesonderte Stellung in der Erzählung ein. Nachdem im Bild der Geburt Mariens ein Schlußpunkt gesetzt wurde, beginnt hier ein neuer Abschnitt. Mit dem gleichen Auftaktmotiv wie im ersten Bild des Zyklus, mit den beiden auf das Geschehen weisenden Erzählern wird hier ins Bild eingeleitet. Beinahe wird der Eindruck erweckt, die Geschichte beginne ein zweites Mal, denn auch Architektur und Figuren scheinen dieselben zu sein. Diese Szene ist Auftakt des selbständigen Lebens Mariens, aber zugleich Schlußpunkt ihres weltlichen Lebens. Genau wie die Erzähler treten auch die Priester fast unverändert in Aktion. Der wichtigste Unterschied liegt indes in der Aussage des Bildes, die sich in der Bewegung und Aktionsrichtung niederschlägt. Wird im ersten Bild Joachim von links nach rechts aus dem Tempel gejagt, kehrt im letzten Bild die Heilige Familie von rechts nach links wieder in den Tempel zurück. So wie die Wandfläche hier an die Westwand stößt, endet an dieser Stelle der Zyklus scheinbar abrupt. Joachim, der hinter Maria und Anna steht, blickt versonnen, seinen Blick leicht nach links unten gerichtet, aus dem Bild heraus. Somit ist der Betrachter aufgefordert, seinem Blick zu folgen und links im unteren Register weiterzulesen. Die erste und die letzte Szene wirken auf Grund ihrer Aktionsrichtung wie auch der gleichen, parallelen Gestaltung wie eine Klammer um die Geschehnisse der Eltern Mariens. Aber auch das zweite und fünfte Bildfeld, in denen jeweils dieselbe Örtlichkeit dargestellt ist, scheinen axial gespiegelt. Die Achse bildet der senkrechte Rah- 61 men zwischen dem dritten und vierten Bild, welche, obwohl sie keinerlei parallele Gestaltungsmerkmale aufweisen, mittels des Motivs der auseinanderlaufenden Schafherde verbunden sind. Dieses Mittel der Links-rechts-Wendung bzw. imaginärer Vor- und Rückblicke zur Inszenierung kurz hintereinander folgender Ereignisse findet man schon in der Wiener Genesis in der Darstellung des Kampfes Jakobs mit dem Gottesmann.216 Als ein roter – bzw. weißer – Faden ziehen sich die Hauptfiguren des Zyklus durch die Geschichte. Joachim und Anna sind in jeder Szene sofort wiederzuerkennen, denn beide sind mit Nimben versehen und weiß gekleidet. Vornehmlich im oberen Register ist ihre Präsenz derart gekennzeichnet, während sie im unteren Register zugunsten Josefs und Mariens zurückgenommen sind. Eine weitere Konstante stellt die grün gekleidete Magd der Anna dar, von der man im zweiten Bild leider nur die Füße, sie sonst aber ganz sieht. Im Geburtsbild tauchen allerdings zwei Mägde in grünen Kleidern auf. Ein Vergleich mit der Goldenen Pforte zeigt wohl die Frau ohne Kopfbedeckung als Annas Zofe, d.h. diese ist in beiden Bildern auszumachen und wohl ständige Begleiterin der Anna. Auch die Gestaltung des Tempels und des Gemachs der Anna sind Konstanten im Sinne der Wiedererkennbarkeit des Ortes, die dem Betrachter die Erzählung leichter lesbar und glaubhafter erscheinen lassen. Das untere Register der Annen-Marien-Legende ist im Vergleich dazu ganz anders aufgefaßt. Eine ähnliche Architekturkonstruktion wie im ersten Bild des oberen Zyklus steht auch hier am Anfang des Registers, so dass eine zum ersten Teil der Erzählung parallele Eingangssituation vorliegt. Strenggenommen beginnt aber die Erzählung der Kindheit Mariens mit dem letzten Bild des oberen Zyklus. Die Architektur des ersten Bildes im unteren Register zeigt einen Innenraum und die Treppe verläuft hier in einer ansteigenden Diagonalen von links nach rechts.217 Damit wird der Blick des Betrachters in den Tempel geführt, wo er vom beaufsichtigenden Priester ins Bild zurück auf die junge Maria geleitet wird, die am Webstuhl arbeitet. Der Inhalt des Bildes beschreibt das Leben Mariens nachdem sie in die klösterliche Gemeinschaft aufgenommen wurde. Maria ist in der Bildmitte als formales Zentrum positioniert. Ihre Aktionsrichtung ist zwar nach rechts, doch wird diese durch den nach links wirkenden, groß vor ihr aufgerichteten Priester aufgehoben. 216 217 Vgl. dazu CLAUSBERG 1984, S. 19-20. Andere Beispiele finden sich noch in den Bildern von Duccios Maestá von 1308-11, wie z.B.: Flucht nach Ägypten (Predellenvorderseite), Blindenheilung (Predellenrückseite) sowie im Ölberg (Haupttafel, Rückseite). Die Treppe ist das Motiv, welches dem Betrachter die Richtung weist: In den Zyklus einzusteigen, vom oberen zum unteren Register abzusteigen, um dort wieder in die Erzählung einzutreten. 62 Auch die beiden nächsten Darstellungen sind auf ihr Zentrum, die Bildmitte hin orientiert, in der das Hauptthema gezeigt ist. Der Priester und Josef im Bild des Stabwunders werden vom Kreis der anderen Freier nach allen Richtungen hin abgeschottet. Die schmale Raumbühne, auf der sich die Figuren befinden, wird nach hinten von einer architektonischen Kulisse abgeschlossen. Im Bild der Vermählung finden wir eine ähnliche Situation: Der Priester, Josef und Maria nehmen die Bildmitte ein. Von links und rechts drängen die Freier sowie das Gefolge der Maria zur Mitte. Die Hauptfiguren bilden das Zentrum einer symmetrisch angeordneten Komposition. Zum Betrachter hin ist der Blick frei. Die Struktur des folgenden Bildes ist nicht mehr zu rekonstruieren. Die beiden letzten Bilder des unteren Zyklus bilden je eine selbständige Einheit: zum einen wegen ihrer Themen, denn beide gehören nicht direkt zur Annen-MarienLegende, zum anderen wegen ihrer Gestaltung. Auch sie sind in sich geschlossene Kompositionen, wobei das Bild Kaiser Augustus und die Tiburtinische Sibylle nicht auf die Bildmitte hin konzentriert ist, wenn sich auch die Blicke von Kaiser und Maria etwa in der Bildmitte treffen. Die sibyllinische Weissagung an Kaiser Augustus als Hinweis auf die Geburt Christi in einem einzigen Bildfeld ersetzt die Darstellung der Geburt Christi, die im „Evangelium de nativitate Mariae“ aus dem 6. Jahrhundert218 den Abschluß der Schilderung der Jugend Mariens bildet. Aus dem narrativen Kontext fällt diese Szene heraus. Die Erzählung ist also nicht als eine durchgehende geplant gewesen, die auf das Leben und Leiden Christi hinzielt. Vielmehr interessierte hier das Leben seiner direkten Vorfahren, das mit der Ankündigung der Geburt Christi und einem „Familienportrait“ endet. Der Darstellung der Heiligen Familie, die völlig selbständig und scheinbar ohne jede Verbindung zum Zyklus gezeigt ist, liegt keine Erzählung sondern vielmehr eine Aufzählung zugrunde. Der kleine Jesusknabe zwischen Josef und Maria steht im Mittelpunkt seiner Verwandtschaft, aber nur wenig hervorgehoben gegenüber seinen Cousins. Er blickt zu seiner Mutter auf. Über allen erheben sich, ganz in weiß gekleidet, Anna und Joachim, denen somit eine besondere Bedeutung zukommt. Josef und Maria tragen die gleichen Gewänder wie in der vorangegangenen Erzählung, womit doch wieder ein Zusammenhang hergestellt ist. Auch fällt die identische Kleidung der Maria der Heiligen Sippe und der Maria der Tiburtinischen Sibylle auf. Als imposante Figur, in ihrer Ausstattung konstant und somit in den Bildern leicht aus der Menge zu erkennen, ist im unteren Zyklus Josef mit seinem kräftig gelben 218 KLEINSCHMIDT 1930, S. 9. 63 Mantel zu nennen. Eine Wandlung ist im Verlauf der Geschichte an der Figur Mariens zu beobachten. Ist sie im ersten Bild noch als kleines Mädchen gegeben,219 wird sie im Bild der Vermählung als junge Frau gezeigt, was sich auch in einer anderen Gewandung niederschlägt. Im Bild der Tiburtinischen Sibylle ist die Gottesmutter königinnengleich dargestellt. Die elf Freier im Bild des Stabwunders sind zumindest der Zahl nach wieder im Bild der Vermählung Mariens zu finden, einige von ihnen sind sogar als identische Personen auszumachen: so der im grünen Mantel mit rötlich blondem Haar und einer von denen mit rotem Mantel und roter Mütze mit Pelzverbrämung. Auf der Seite Mariens im Bild der Vermählung sind als Begleiter außer Anna nur noch zwei Frauen, zwei Musikanten und zwei Kinder zugegen. Auf überflüssiges Personal wurde im gesamten Zyklus verzichtet. Besonders in den beiden Bildern Vertreibung Joachims aus dem Tempel und Mariens Tempelgang sind lediglich die Hauptfiguren dargestellt, ohne Publikum oder begleitende Sippenangehörige, wie es etwa in Giottos Tempelgang Mariens in der Arenakapelle zu sehen ist. Es fehlt allerdings demgegenüber auch ein Hinweis auf das Opfer, das Anna und Josef beim Eintritt Mariens in dem Tempel darbrachten. So flüssig die Erzählung im oberen Register gestaltet ist, so statisch ist sie im unteren ins Bild umgesetzt. Durch diese Eigenheiten der Komposition scheint auch eine gewisse Dramaturgie beabsichtigt zu sein. Die Legende zerfällt in zwei Erzählungen, die jedoch inhaltlich zusammengehören. Die erste ist die Geschichte der Eltern Mariens, wobei besonderer Schwerpunkt auf die Immaculata Conceptio, die durch göttliches Wirken herbeigeführte Empfängnis Annas gelegt ist. Die zweite zeigt die Kindheit Mariens unter dem Vorzeichen ihrer von Gott bewirkten Empfängnis und ihrer daraus resultierenden Bestimmung zur Gottesmutterschaft. Die beiden Hauptaussagen der Teilzyklen werden am Ende des unteren Registers in zwei separaten Bildern noch einmal gesondert vorgeführt. Der Immaculata-Hinweis des Bildes der Tiburtinischen Sibylle und die im Bild der Heiligen Sippe manifestierte Trinubiumslegende der hl. Anna, also deren Auserwähltheit, stellen die Kurzformen der inhaltlichen Aussage der Annen-MarienLegende dar. Dieses und ihre gut einsehbare Position an der Wand lassen auf eine besondere Bedeutung, vielleicht auch auf eine bestimmte Funktion der beiden Bilder schließen. 219 In den Apokryphen steht, dass Maria als dreijähriges bzw. siebenjähriges Mädchen in den Tempel kam. 64 3.1.4.3 Ara Coeli und Heilige Sippe als franziskanische Bildthemen und der ekklesiologische Zug der Gesamtausstattung der Kapelle Da das Marienleben zwischen den Geschehnissen der Annenlegende und der Jugendgeschichte Jesu liegt, lassen sich keine genauen Grenzen ziehen. Im Gegensatz zum Zyklus der Arenakapelle, der auch Leben und Passion Christi beinhaltet, endet die Geschichte in St. Vigil unbestimmt, da die vielleicht letzte Episode der Geschichte nicht mehr erhalten ist. In den darauf folgenden beiden letzten Bildfeldern, in denen zwei selbständige Themen vorgeführt werden, erhält die Erzählung dennoch ein übergeordnetes Ziel und Ende, allerdings in verschlüsselter Form. Interessant ist der völlige Verzicht auf die Illustration der Geburt Christi, die im „Evangelium de nativitate Mariae“ aus dem 6. Jahrhundert220 den Abschluß der Schilderung der Jugend Mariens bildet. Durch die Darstellung der Tiburtinischen Sibylle wird zwar auf dieses Ereignis hingewiesen, das Bild fällt aber aus dem narrativen Kontext heraus. Dies bot Gelegenheit, die Muttergottes in der Gestalt des Apokalyptischen Weibes und unter besonderer Betonung des Themas der Immaculata Conceptio herauszuheben. Das „Familienportrait“ im Bild der Heiligen Sippe von St. Vigil bildet hinsichtlich der traditionellen Darstellungsform, wie sie an anderen Bozner Beispielen zu beobachten ist, eine Ausnahme. Bei der Heiligen Sippe in St. Johann im Dorf, entstanden etwa 1360/70221, stehen Maria mit dem Jesuskind und dahinter ihre Mutter Anna im Mittelpunkt (Abb. 52). Sie bilden im Kreise der umstehenden Figuren eine selbständige Anna-SelbdrittGruppe.222 Zugleich umschließt Anna ihre beiden anderen Töchter, um sie vorzustellen. Diese nehmen wiederum Maria in die Mitte. Maria Kleophas und Maria Salomas breiten wie ihre Mutter die Arme um die vor ihnen stehenden Kinder. Neben Anna sind ihre drei Ehemänner gezeigt, welche Schriftbänder in den Händen halten: Gleich links befindet sich Joachim, besonders hervorgehoben dadurch, dass er seinen rechten Arm um Annas Schulter legt und mit dem linken nach vorn zu Maria greift. Damit soll gezeigt werden, dass er der Ziehvater Mariens ist. Links und rechts am Bildrand, jeweils hinter der zweiten und dritten Maria, stehen Salomas und 220 221 222 KLEINSCHMIDT 1930, S. 9. Datierung nach STAMPFER 1988, S. 34. Die sitzende Maria hält auf ihrem rechten Bein den stehenden Jesusknaben. Dahinter steht Anna und breitet die Arme über beide aus. 65 Kleophas. Im Vordergrund kauern die Ehemänner der drei Marien, Zebedäus, Josef und Alphäus, am Boden. Das zweite Beispiel, in der Pfarrkirche von Terlan, ist gegen 1400 entstanden. Eindeutig dominiert hier das Anna-Selbdritt-Motiv (Abb. 53). Die sitzende Anna hält auf ihrem linken Bein Maria, auf dem rechten den kleinen Jesusknaben. Hinter dieser Gruppe steht etwas erhöht Joachim. Ihm zur Seite, aber tiefer, stehen Salomas und Kleophas. Jeweils an den Seiten sitzen ihre beiden Ehefrauen mit ihren Kindern. Josef, Zebedäus und Alphäus fehlen hier.223 Eine Architekturkulisse überhöht die Anna-Selbdritt-Gruppe mit ihren Männern durch einen großen Bogen, während die beiden Marien am Rand jeweils durch einen kleineren Bogen ausgezeichnet sind. Die zentrale Stellung eines Selbdritt-Motivs, wie sie die beiden genannten Beispiele aufweisen, wird meist als entstehungsgeschichtlicher Kern der Darstellungen der Heiligen Sippe bezeichnet.224 In St. Vigil ist dies anders: Anna als Matrone bildet zusammen mit Joachim den Mittelpunkt. Vor ihnen stehen Josef, Maria und der Jesusknabe. Sie bilden, gerahmt durch die sie umgebenden weißgekleideten Figuren ein separates Motiv, die Heilige Familie. Außerdem stehen hier sämtliche Figuren, im Gegensatz zu St. Johann und Terlan,225 wo die Frauen sitzen. Die konventionelle Komposition des Familienbildes der Heiligen Sippe mit dem Anna-Selbdritt-Motiv im Kern ist im Zusammenhang mit der vor allem in Norditalien im 14. Jahrhundert zur Blüte gekommenen Annenverehrung zu sehen:226 In Tirol kommt Anna eine außerordentliche Bedeutung als Patronin der Bergknappen und Handelsleute zu.227 Allerdings ist gerade in der Vigilskapelle das Thema anders interpretiert: Hier ist keine Anna-Selbdritt-Darstellung verarbeitet worden, die als Andachtsbild der Unbefleckten Empfängnis aufzufassen wäre228 und die es schon im 223 224 225 226 227 228 Die sel. Coleta Boilet beschrieb 1406 nur Anna mit ihren Töchtern und deren Männern. Das früheste mir bekannte Beispiel einer sog. Großen Sippe (mit 17 Personen) enthält „La légende des trois Maries“ aus der Handschrift „La Généalogie de Nostre Dame en romans“ von Gautier de Coincy, 13. Jh. (Bibl. ars. Ms 3517, fol. 7). Abb. bei MITGAU 1962/63, S. 548. Dort sitzen Anna, die drei Marien und deren Kinder in einzelnen Tondi, die Ehemänner stehen daneben. In der Tat werden die Frauen in Bildern der Heiligen Sippe meistens sitzend wiedergegeben. Als Beispiele seien noch die Heiligen Sippe in der Karmelitenkirche von Hirschhorn (um 1406) oder auch vom Ortenberger Retabel im Museum zu Darmstadt (um 1410-40) zu nennen. Vgl. FÖRSTER 1925, S. 121-130 sowie KLEINSCHMIDT 1930, S. 263. Dass die genannten Bilder der Heiligen Sippe nicht auf die Vision der sel. Coleta Boilet von 1406 zurückgehen, beweist die Tatsache, dass die Männer Annas und ihrer Töchter wiedergegeben sind. Coletas Vision erzählt dagegen nur von den weiblichen Verwandten Jesu. KLEINSCHMIDT 1930, S. 73. Hier sind für das 15. Jh. vor allem in der Diözese Brixen, in Niederdorf und in St. Ulrich, Stiftungen nachgewiesen. Vgl. AURENHAMMER 1959-67, S. 141. Siehe auch TREMMEL 1948, S. 145-147. Vgl. MITGAU 1962/63, S. 549. Bislang wurde die Familie Jesu immer nur in Verbindung mit der Darstellung des Lebens Annas und Joachims gezeigt. 66 frühen 14. Jahrhundert gibt. Bewußt ist hier der Schwerpunkt auf die Familie Christi gelegt. Josef und Maria erhalten eine gleichbedeutende Stellung. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang noch die Tatsache, dass der Jesusknabe gegenüber den anderen Kindern in keiner Weise besonders ausgezeichnet ist. Anna fungiert als eine Art „Übermutter“. Sie und Maria werden dadurch einander in ihrem Rang angenähert. Die Darstellung der Verwandten Annas ist also vielmehr als „Familienbild“ zu deuten, dessen Intention die komplette Berücksichtigung aller Angehöriger ist. Da die sog. Große Sippe als Bild nach dem Stand der Forschung jedoch erst um 1400 aufkommt,229 ist dasjenige von St. Vigil eines der frühesten Beispiele dieses Themas. Der Gedanke der Unbefleckten Empfängnis ist dagegen selbständig in der AnnaSelbdritt-Gruppe an der linken Chorbogenwand verbildlicht sowie auch in der Madonnendarstellung der Tiburtinischen Sibylle umgesetzt. Die Ausstattung der Vigilskapelle weist generell eine besondere Betonung der hl. Mutter Anna sowie der Heiligen Sippe auf. Die inhaltliche Bedeutung der beiden Bilder der Anna mit Nachkommen wurde aber genau differenziert. Die besondere Bedeutung, die den Themen „Anna“ und „Immaculata Conceptio“ im Bildprogramm beigemessen wurde, basiert auf franziskanischem Gedankengut. Als kirchliche Feste wurden sie 1263 von Bonaventura zusammen mit dem Fest der Heimsuchung Mariens für den Franziskanerorden eingeführt, 1389 für die gesamte römisch-katholische Kirche.230 Vor dem Hintergrund der beiden autonomen Darstellungen am Ende des Marienzyklus spricht dieses Faktum meines Erachtens für eine Darstellung der Heimsuchung im heute verlorenen Bildfeld. Damit sollten die letzten drei Bilder Marienfeste illustrieren. Häufig waren solche einzelnen Bilder auch mit Altären verbunden, was sich auch mit Beispielen in der Umgebung belegen läßt, wo Nebenaltäre am Triumphbogen eingerichtet waren.231 In St. Vigil wäre eine solche Aufstellung auf Grund des Bauschemas mit nur wenig eingezogener Apsis nicht möglich gewesen. Offensichtlich hat man deshalb eine andere Lösung gesucht und die Bilder, die Andachtsbildcharakter hatten, im Langhaus an das Ende des Zyklus gesetzt. 229 230 231 Siehe FÖRSTER 1925, S. 106. Siehe dazu LCI 1970, Bd. II, Sp. 230 und SCHILLER 1966, S. 65. In St. Johann ist heute an der nördlichen Triumphbogenwand eine Heilige Sippe zu sehen, darunter das Fragment einer älteren Bemalung, an der südlichen das Bild Johannes des Täufers, darüber die Fragmente einer jüngeren Malschicht mit den Brustbildern der hll. Bartholomäus und Oswald. Vor der südlichen Wand steht noch heute ein Altar, genauso hat man sich die Situation an der nördlichen Wand vorzustellen. Für diese Stelle ist laut ATZ / SCHATZ 1903, S. 83-84 ein der hl. Anna geweihter Seitenaltar belegt. 67 In einem Visitationsprotokoll aus dem Jahr 1674 ist neben dem der hl. Barbara geweihten Altar auf der Evangelienseite von zwei weiteren Altären die Rede, deren Weihetitel jedoch nicht genannt werden: „A latere epistole quod presefectus solita consecrationis signa, et est monitum necesariis requisitis. Haec tamen duo ultima altaria cooperienda sunt umbrella ne pulvis ex tobaleis incidat et super altare ... est sacrificum dum immolatur.“232 Es ist also von zwei Altären an der Epistelseite, der Südwand die Rede, die mit Baldachinen vor herabstürzendem Staub geschützt werden sollten. Könnte sich dieses Zitat auf zwei Altäre vor den Bildern der Tiburtinischen Sibylle und der Heiligen Sippe beziehen? Gerade die Weihetitel der Altäre weisen auf einen Zusammenhang des Programms in St. Vigil mit franziskanischen Ideen hin: Einiges deutet darauf hin, dass die Patrozinien der Vigilskapelle auf die am 2. Oktober 1685 geweihte Kalvarienbergkirche übertragen wurden.233 Dabei wurde der Hochaltar Vigilius, der Altar auf der Evangelienseite Jesus, Maria und Josef, Joachim und Anna, der gegenüber Franziskus und Klara geweiht.234 Befremdlich wirken die Patrozinien des hl. Franziskus und der hl. Klara auf dem Seitenaltar der Kalvarienbergkirche, denn in den Visitationsprotokollen werden bezüglich der Ausstattung der Vigilskapelle keinerlei Hinweise auf diese Heiligen gegeben. Für das 14. Jahrhundert lassen sich jedoch Beziehungen der Weinecker zu den Franziskanern feststellen: 1357 ist eine Klara [sic!] von Weineck als Äbtissin (Priorin?) im Kloster S. Chiara235 in Meran bezeugt.236 Außerdem befand sich die Grablege der Familie Weineck in der 1372 erbauten Johanneskapelle des Bozner Franziskanerklosters, welche ab 1501 in Annakapelle umbenannt wurde.237 232 233 234 235 236 237 Atti visitali, 18: Bozen 1674, Canon Sigismundus Alphonsus Episcopus Prinz Tridenti ac Brixina comes a Thun, p. 33-36: Chiesa di S. Vigilio „in monte Calvario“, Zitat p. 33. „Die zu erbauende Kirche zu Ehren des Leidens und Sterbens Christi und des Heiligen Vigilius [= Kalvarienbergkirche] sollte, wie beschlossen wurde, die Erbin des Besitzes und der Rechte der alten aufzulassenden Vigilskapelle sein und der Pfarrkirche derart einverleibt werden, dass diese in jeder Beziehung hierfür zu sorgen habe.“ ATZ / SCHATZ 1903, S. 101, ohne Quellenangabe. Vgl. ATZ / SCHATZ 1903, S. 103, Anm. 3. Das 1310 von Herzog Otto und seiner Gemahlin gegründete Klarissenkloster wurde noch im 14. Jh. auf die andere Straßenseite verlegt und dazu eine größere Marienkirche errichtet. 1782 wurde das Kloster aufgehoben, die Kirche zu einem Wohnhaus umgebaut. INNEREBNER 1955, S. 108. Am Boden ist noch eine Grabplatte mit dem Familienwappen der Weineck erhalten. Vgl. WEINGARTNER 1991, S. 38. Nach DÖRRER 1957 soll die Annakapelle in der Franziskanerkirche eng mit der Gründung einer Annabruderschaft zusammenhängen. Diese Bruderschaft wurde nach LADURNER / KLAMMER 1982, S. 426, Anm. 198 allerdings erst 1501 gegründet. WEINGARTNER meinte auch, die Kapelle sei von den Herrn Vintler erbaut worden, doch wieder nach LADURNER / KLAMMER 1982, S. 284 erbauten die Vintler die Allerheiligenkapelle des Franziskanerklosters, wo sie auch bestattet wurden. Wie die Weineck 68 Vermutlich wurde diese Kapelle sogar von den Weineckern gestiftet.238 All diese Aspekte sind meines Erachtens einleuchtende historische Hintergründe für einen Einfluß franziskanischen Gedankengutes auf die Ausstattung von St. Vigil. Darüber hinaus gibt es weitere Anhaltspunkte dafür. Die Legende der Maria selbst ist ein beliebtes franziskanisches Thema. Thode schrieb 1934 zum Thema Marienkult: „Es war nur eine natürliche Folge des Aufschwunges, welchen der Marienkultus nahm, dass neben den Madonnenbildern auch der Legende der Jungfrau von der Kunst eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, und die Franziskaner scheinen auch hierfür die Anregung gegeben zu haben.“239 Ebenso stellen die „Heilige Sippe“ und die „Verheißung an Kaiser Augustus durch die Tiburtinische Sibylle“ von den Franziskanern besonders geförderte Themen dar: Die Kirche S. Maria in Ara Coeli in Rom240 war seit 1250 die römische Franziskanerkirche. Nach einem Bericht von Vasari hatte Pietro Cavallini um 1300 in der Apsis die Legende der Tiburtinischen Sibylle und des Kaisers Augustus dargestellt.241 Ein venezianisches Tafelbild aus der Zeit um 1400 mit der Darstellung des Triumphs der Christenheit (Abb. 55) bezieht sich laut Vayer auf deren ehemalige Apsisausstattung,242 die durch eine besondere Komposition charakterisiert gewesen sei: „Augusto e la Sibilla stanno l'uno accanto all'altra, voltati in una direzione, verso la Madonna che appare in alto al lato destro o sinistro.“243 Diese Figurenanordnung ist ebenso in St. Vigil festzustellen. Vayer bezeichnete die heute in Stuttgart aufbewahrte venezianische Tafel als das erste Bild der Tiburtinischen Sibylle nach Cavallinis Fresko. Aber es gab sicherlich noch mehr Darstellungen, auch aus dem 14. Jahrhundert. Offenbar waren dem Autor einem anderen Typus folgende Beispiele aus Norditalien bzw. dem nordalpinen 238 239 240 241 242 243 in den Besitz der Annakapelle kamen, ob sie diese erbauen ließen oder ob sie durch Stiftungen in ihren Besitz überging, ist nicht klar. ATZ / SCHATZ 1903, S. 55. THODE 1934, S. 496. Dazu noch weitere Beispiele, wie z.B. Cimabue in San Francesco in Assisi, Giotto in der Arenakapelle in Padua, Taddeo Gaddi in Florenz, S. Croce u.a. Zum Zusammenhang zwischen Kirche und der Ara-Coeli-Legende: BUCHOWIECKI 1970, MARCHETTI 1939. Vgl. VAYER 1963, S. 40. Das Fresko wurde 1564 zerstört. VAYER 1963, S. 41, Fig. 1 sowie S. 63 ff. zu den Gründen für die Nachbildung der römischen Apsidenkonstruktion in dem venezianischen Tafelbild. VAYER 1963, S. 66. Dieses Zitat beschreibt nur ein Detail des Bildes. Einen zweiten Typus benennt der Autor folgendermaßen: Die Erscheinung in der Mitte, Augustus und Sibylle links und rechts daneben. Derart sind die beiden Darstellungen der Tiburtinischen Sibylle in Brixen gestaltet. 69 Bereich unbekannt, wie etwa das Fresko im Prager Emmauskloster vom Ende des 14. Jahrhunderts.244 Die im Zyklus der Südwand von St. Vigil anklingende Klimax der Verehrung der hl. Jungfrau Maria fand schließlich ihren Höhepunkt in der Apsisausstattung, für die ich, wie oben dargelegt, eine Marienkrönung rekonstruiere. Dieses Thema ist ein zentrales Element der Verherrlichung der Muttergottes und durch die Gleichsetzung von Maria und Ecclesia ein prägnanter Hinweis auf die Römische Kirche, zumal in der Ergänzung durch die Kirchenväter und die Evangelistensymbole samt heilsgeschichtliche Tatsachen. Ein ekklesiologischer Zug läßt sich für die gesamte Ausstattung der Vigilskapelle feststellen. Neben der Marienthematik sind auch im Vigilszyklus Anklänge einer Parteinahme für die römische Kirche zu bemerken, und zwar in der Auswahl der Szenen aus der Legende des Bistumspatrons. Die Gegenüberstellung mit der Vigilslegende in den wenig früher angefertigten Stickereien für den Trienter Bischof ist hier aufschlußreich.245 Georg von Liechtenstein, von 1390 bis 1419 auf dem Trienter Bischofstuhl, betonte seine Machtposition gegenüber den weltlichen Parteien, indem er in den von ihm in Auftrag gegebenen Dalmatikapraetexten neben anderen Szenen der Legende das Urkundenwunder darstellen ließ. Der Hinweis auf dieses Ereignis sollte zeigen, dass die Niederschrift der Geschichte des hl. Vigilius dem Kaiser Honorius im Kampf gegen die feindlichen Truppen geholfen hatte. Papst Innozenz I., der diese Akten verwahrte, stellte sie dem Kaiser zur Verfügung. Dieser ließ sie in sein Banner einnähen und bei seinem Feldzug gegen die germanischen Barbaren vor sich hertragen, woraufhin diese die Flucht ergriffen haben.246 Die von der höchsten kirchlichen Instanz verliehene Lebensbeschreibung des christlichen Märtyrers Vigilius, Bistumspatron von Trient, hatte damit dem weltlichen Herrscher zum Sieg verholfen. Dieses posthume Wunderwirken seines Vorgängers auf dem Bischofsthron konnte Georg von Liechtenstein Rechtfertigung für seine eigenen machtpolitischen Ambitionen sein. Demgegenüber erfuhr das Wirken des hl. Vigilius in den Fresken von St. Vigil eine ganz andere Akzentsetzung. Der Bistumspatron wird hier vor allem als Missionar und Seelsorger ganz im karitativen Sinne vorgeführt: Die in den Stickereien enthaltene Aktenübergabe an den Papst und der Feldzug des Kaisers 244 245 246 NEUWIRTH 1898, Taf. V. Dem Austausch mit Evelin Wetter, Berlin, verdanke ich meine Kenntnisse zum Programm der Trienter Stickereien, die sie in ihrer Magisterarbeit WETTER 1995, S. 61-64 und Dissertation WETTER 2001 untersucht hat. ASS VII 1760, S. 246-258. 70 gegen die Barbaren sind im Zyklus der Vigilskapelle nicht dargestellt. Die Vorstellungen der Auftraggeber bzw. der Entwerfer des Bozner Programms unterschieden sich demzufolge von den Intentionen Georgs von Liechtenstein. Man könnte sogar soweit gehen und feststellen, dass die Weinecker eine konträre Auffassung zu ihrem Lehensherrn, dem Bischof von Trient hatten. Die Interpretation der Vigilslegende im Sinne der römischen Kirche standen hier im Vordergrund. Dies deckt sich mit den oben gemachten Beobachtungen zum ekklesiologischen Zug der Gesamtausstattung von St. Vigil. 3.1.4.4 Beobachtungen zur Technik des Malers der Marienlegende Die Marienlegende von St. Vigil wurde im Anschluß an die Arbeiten der Nordwand im Sommer 1995 restauriert. Auch diese Malereien sind in Freskotechnik ausgeführt, weshalb sich beide Zyklen im großen und ganzen in der Maltechnik kaum unterscheiden. Dennoch möchte ich kurz einige Aspekte anführen, die eine unterschiedliche Vorgehensweise des/der Künstler belegen. Im Gegensatz zum Vigilszyklus, wo noch sehr viele Elemente der Vorzeichnung auf dem Intonaco zu sehen sind, da sie bereits zur Gestaltung gehörte, kann man Unterzeichnungs- bzw. Konstruktionslinien auf dem Intonaco im Marienzyklus kaum mehr finden. Jedoch sieht man an der Architektur in der Geburt Mariens, am rechten Zwickel der Architekturfront (Abb. 56), Vorzeichnungslinien, die über die beabsichtigte Form hinausgehen: Dort sind noch die senkrechten Orientierungslinien für die Gestaltung des Mauerwerks zu sehen. Auch beim Profilkopf des Hirten im Bild der Goldenen Pforte kann man unter der dunklen, später nachgezogenen Gesichtslinie eine ockerfarbene Linie erkennen, die wohl zur ersten Anlage der Figur gehörte. Neben der rötlichen Vorzeichnung bediente sich der Maler der Marienlegende zusätzlich der Ritzungen, mit denen er sich die Form und Unterteilung der die Bilder trennenden Bordüren vorgab (Abb. 57). Ebenso ist die Gestaltung der Nimben anders als im Vigilszyklus. Zwar legte er ihre Form ebenso mit dem Zirkel an, ritzte deren Umfang aber auch tief in den Feinputz ein, während der Maler des Vigilszyklus den Umfang des Nimbus mit einer Linie dunklen Ockers vorgab. Die Strahlen der Nimben drückte der Maler der Nordwand mit Hilfe eines Stäbchens in den weichen Putz, wobei breite, nicht ganz so tiefe Furchen entstanden, während der Meister der Marienlegende die Strahlen mit einem spitzen Gegenstand formte, was tiefe, nach zwei Seiten sich verjüngende Rillen im Putz erzeugte(Abb. 58). Pastos aufgetragene weiße Farbpunkte bilden die Perlen von Mariens Kronreif (Abb. 59). 71 Die auf dem Intonaco angelegte Vorzeichnung der hellen Gewänder war für den Maler der Vigilslegende bereits Ausdrucksmittel, da er sie für die Detailgestaltung der weißen Kleider benutzte, ein Grund, warum man bei genauem Hinsehen dort auch noch die Gewandgestaltung der entsprechenden Figuren nachempfinden kann. Im Gegensatz dazu unterlegte der Maler des Marienlebens helle Gewänder und Gesichter mit einer feinen Lasurschicht. Die weißen Gewänder von Anna und Joachim etc. zeigen noch schwach diese blaßrosa bis weiße Farbschicht, auf der nur noch ganz spärlich an wenigen Stellen Faltenstrukturen zu erahnen sind. Dort ist wohl die ursprüngliche al secco aufgetragene Detailgestaltung verlorengegangen. Selbst bei genauem Hinsehen fällt es schwer, Falten- bzw. Gewandkonstruktionen auszumachen. Auch das Inkarnat der Gesichter legte der Maler mit einer rötlichen Lasurschicht als Untermalung an. Als Höhungen setzt er Weiß teilweise in dünner Lasur oder als pastosen Auftrag darauf. Für Verschattungen legte er einen dunkleren Ton entweder als Lasur oder mittels Schraffurlinien darüber. Im Vigilszyklus ist der Grundton des Inkarnats das Weiß des Intonaco, das der Maler an verschatteten Stellen mit einem Rot- oder Braunton modellierend gestaltete. An Stirn und Nasenrücken bildet schließlich der Intonaco ein Glanzlicht. Farblasuren, bei denen sich die Farben substantiell nicht vermischen, setzte der Maler bei Gewändern ein. So legte er über das blasse Blau des älteren Erzählers im Bild Mariens Tempelgang einige rote Lasuren. Im Bild der Vertreibung Joachims aus dem Tempel verwendete er diese Lasur-Farbkombination in anderer Reihenfolge. Dort überging er den grünen Mantel seines jüngeren Begleiters zusätzlich mit einer gelben Lasurschicht. Auffallend ist auch die rote Lasurschicht an Mariens Kleid im Bild der Vermählung. Der Himmel, der an einigen Bildern nur in sehr schmalen Streifen zu sehen ist, ist in einem Blaugrau gehalten, während die Fenster in reinem Schwarz hinterlegt sind. Die Farbpalette des Malers der Südwand wird bestimmt durch die kräftigen Grundfarben Gelb, Rot und Blau. Letzteres, welches er sehr häufig, aber nur in kleinen Flächen verwendete, basiert wohl wieder auf den Pigmenten des zermahlenen Kobaltglases. Weil der Maler des Marienlebens seine Farbflächen offensichtlich mit einer Lasurschicht untermalte und nicht wie im Vigilszyklus die Lokalfarbe direkt auf den nassen Putz aufbrachte, wirken seine Farben und Kontraste heute noch leuchtender und stärker als die des an der Nordwand tätigen Künstlers. Diese sichtbaren Unterschiede in der praktischen Ausführung der Malereien sprachen bislang immer dafür zwei Meister oder Meister und Geselle für die Ausstattung der 72 Vigilskapelle anzunehemen. Doch erscheint mir ein derartiger personeller Aufwand für eine doch relativ kleine Kirche zu groß angelegt. Vielmehr ist durch die unteschiedliche Behandlung der Malereien eine Wertigkeit der Zyklen vorgenommen worden. Die aufwendigere Gestaltung des Marienzyklus weist diesem auch die größere Bedeutung bzw. Wichtigkeit zu. Der Vigilszyklus, ist durch seine Ausführung im Schnellverfahren an zweite Stelle gerückt. Solche Differenzierungen sind wohl auf ausdrückliche Angaben der Auftraggeber vorgenommen worden und sind somit auch ein Beleg für deren politisch-kirchliche Parteinahme oder Position 3.2 Die Freskenausstattung der Kapelle St. Zyprian in Sarnthein Das Gericht Sarnthein erstreckte sich über weitverzweigte Seitentäler des Etschtales bis hinauf nach Pens. Beide Orte bildeten im Rahmen ihrer Pfarreien ein einheitliches Gericht, das dem Grafen von Tirol als Landesherren unterstand. Die Grenzen waren in etwa entlang der wasserscheidenden Bergkämme zu ziehen. Bis ins 13. Jahrhundert bildete das Sarntal einen Teil des Eppanischen Grafenbesitzes der Grafschaft Bozen.247 Bevor Vogt Adalbert von Matsch seine Ansprüche geltend machen konnte – er war mit der Tochter des Hugo von Velturns und der Elisabeth „comitissa de Eppan et de Sarentino“ verheiratet248 –, bemächtigte sich Graf Meinhard II. von Tirol des „comitats“ (nach 1263). 1273 erhielt Meinhard vom Bischof von Brixen die Belehnung mit den Gütern zu Pens und dem Schloß Sarnthein.249 Dieses „castrum Sarentine“, wie es 1273 genannt wurde, wurde den landesfürstlichen Richtern zur Burghut übergeben. Etwa ab 1320 kam dafür der Name Reineck auf. Die Feste Reineck mit Amt und Gericht Sarnthein bekam 1363 Petermann von Schenna, Burggraf von Tirol, von der Landesfürstin Margaretha als Pfand. Herzog Rudolf von Österreich bestätigte dies 1364 als neuer Landesfürst. „Sowohl die Tiroler wie nachher die Habsburger ließen ihr Gericht im Sarntal durch einen von ihnen bestellten Pfleger verwalten – sofern sie nicht die Einkünfte dieses Gerichtes an adelige Familien zu Pfand vergeben mußten ...“250 Sarnthein war 247 248 249 250 Als die Grafschaft Bozen den Eppanern entwedet worden war, blieb das Sarntal als selbständiges Gerichtsgebiet in den Händen der Grafen von Eppan. Genauer dargelegt bei STOLZ 1971, S. 294 -299. Hugo von Velturns war vom Hochstift Brixen mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit in der Pfarre Pens beauftragt worden. Deswegen sind bei der Heirat die beiden Grafschaften Pens und Sarnthein zu einem Gericht zusammengeschlossen worden. Das Hochstift hatte sich wohl infolge der Ministerialenstellung des Hugo von Velturns Rechte darauf erworben; siehe STOLZ 1971, S. 295. MAHLKNECHT 1980, S. 48. 73 zu dieser Zeit nicht mehr als irgend ein anderes Gericht oder Landgericht der Grafschaft Tirol, keine eigene Grafschaft mehr. Von 1371 bis 1387 wird Reinhard Wehinger als Besitzer des Gerichtes genannt, 1400 und 1401 Wilhelm von Northeim, 1404 Franz Vintler, 1405 Heinrich von Annenberg, 1417-1421 Hans von Gerloch.251 Da das Gericht Sarnthein ursprünglich aus zwei Grafschaften hervorging, bildete es kirchlich keine Einheit. Die Alte Pfarre Sarnthein gehörte von alters her zur Diözese Trient und wurde direkt von dort aus verwaltet. Die Alte Pfarre Pens gehörte zur Diözese Brixen, wo auch die Gerichtsgewalt für Pens lag. Sarnthein war also nie ein einheitlicher Dingsprengel, sondern in diese zwei Bezirke aufgeteilt. Die Dingstätte in Sarnthein wird in Urkunden oft genannt, jedoch nicht lokalisiert. Die 1328 erstmals erwähnte Kapelle St. Zyprian liegt am südlichen Ortseingang von Sarnthein.252 Ihr Grundstück wird im Norden von einem Bach, dem Zypriansbach, begrenzt, der zum Gut Kränzelstein gehört, dessen Wohnturm noch heute etwa 200 m nördlich steht.253 Von wem die Kirche gestiftet bzw. errichtet wurde, ist unbekannt. Vom ursprünglichen Bau steht auch nur mehr die Nordwand, der Rest wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts neu aufgebaut. Heute wird sie im allgemeinen als Zunftkirche bezeichnet, da im Inneren Stiftungen verschiedener Bruderschaften zu finden sind. Auf das Patrozinium der Kapelle selbst gehe ich weiter unten noch ausführlicher ein. Das steile Satteldach der nach Osten ausgerichteten Kapelle wird auf der Südseite, vor dem Chor von einem Glockenturm mit Spitzgiebel überragt. Nach Osten schließt die Kapelle mit einem polygonalen Chor ab. In Südwand und Chor sind Spitzbogenfenster eingelassen. Vor der Westfassade ist heute ein weit auskragendes Vordach angebracht, welches auf zwei Steinpfeilern aufliegt.254 An der Fassade sind in einem waagerechten, von einer Lorbeerranke gerahmten Bildfeld, das in der Mitte von dem Portal durchschnitten wird, der hl. Zyprian und 251 252 253 254 Ich nenne hier nur einige der bekannten Richter bzw. Hauptmänner von Sarnthein, und auch nur die, die in etwa in der Zeit der Enstehung der behandelten Fresken tätig waren. RAMPOLD 19854, S. 296 Eine Urkunde aus dem Jahr 1372 beschreibt die Situation:"... daz er ain guet chauft hate, daz wer genant Chranczzenstain, vnd zue dem guete gehoert ain pach, der wer genant sand Cyprians, vnd den selben pach hate daz vorgenante guet gehabt in nuecz vnd gewer zehen jar vnd tage vnd mer." STOLZ 1932, S. 125, Nr. 14. - 1372, Mai 18: Der Hauptmann von Sarntein beurkundet ein an der Dingstatt zu Sarntein gefälltes Urteil wegen Wasserrechte des Hofes Kranzenstein dortselbst. Bis in unser Jahrhundert wurde der zweite Hauptgottesdienst, die sog. Antlaß, in der St. Zyprianskapelle gefeiert. Als die Zahl der Gottesdienstbesucher so groß geworden war, dass sie nicht alle in der Kapelle Platz fanden und vor der Kapelle stehend der Messe beiwohnten, wurde zu deren Schutz das Vordach errichtet. 74 der hl. Sebastian dargestellt. In dem 1687 datierten Gemälde stehen die beiden Heiligen vor einer weiten Landschaft, an deren Horizont sich ein Gebirge erstreckt. Links steht Zyprian, erkennbar am Bischofsgewand und Krummstab. In der linken hält er einen Stein, das Attribut seines Martyriums. Der hl. Sebastian steht rechts, rücklings an einen Baum gefesselt. Zu seinen Füßen liegen ein Bogen sowie ein Köcher mit Pfeilen. Man betritt die Kapelle im Westen durch ein profiliertes Spitzbogenportal, das seitlich von großen, quadratischen Fenstern flankiert wird. Im Inneren zeigt sich ein einschiffiger Raum mit Netzwerkgewölbe, dessen den Wänden vorgelegte Dienste den Raum in vier Joche unterteilen. Im Gewölbe ist in 10 Gewölbezwickeln die Sebastianslegende, eine Stiftung der Schneiderzunft, gemalt. Neben dem Zunftwappen ist die Jahreszahl 1492 zu lesen. Unterschriften in deutscher Sprache erklären die Bilder.255 An der südlichen Langhauswand befinden sich zwei Szenen, das Verstecken des Leichnams des hl. Sebastian und die Verkündigung an Maria, und eine Darstellung des hl. Wolfgang. Zudem ist im ersten Joch eine Gregorsmesse mit dem Stifterwappen des Hans Abensdorfer gestaltet. Am Chorbogen sind das Opfer Kains und Abels, der hl. Zyprian sowie die beiden Pestheiligen Sebastian und Rochus dargestellt. Tod und Himmelfahrt Mariens werden im Chor gezeigt. Eine Darstellung des Jüngsten Gerichtes in vier übereinanderliegenden Szenen von 1492 schmückt die innere Westwand. Ein Schriftband über der Eingangstüre weist das Fresko als Stiftung der Bruderschaft der Gerber aus. Links und rechts der Tür ist je ein Wappen angebracht mit einem Mohrenkopf bzw. einem flachen Hut. Die Fresken von Chor, Decke, Süd- und Westwand werden Konrad Waider zugeschrieben.256 An der nicht durchfensterten Nordwand befinden sich in zwei Registern noch Fresken aus der Zeit um 1400, die jedoch durch den Einbau des Gewölbes und der dafür notwendigen Dienste empfindlich gestört sind.257 Im oberen Register ist in sieben Szenen eine Passion Christi, im unteren in fünf Szenen die Legende der hll. Zyprian und Justina erhalten. Bei der Neugestaltung und den Umbaumaßnahmen der Kirche gegen Ende des 15. Jahrhunderts sind diese Malereien der Nordwand zwar 255 256 257 WEINGARTNER 19917, S. 163. Gegen Ende des 19. Jh. wurden die Malereien stark übermalt. 1969/70 sind sie durch das Kunstamt in Trient wieder freigelegt worden. TROGER 1892, S.74, nennt Nikolaus Vintler als den Auftraggeber dieser Ausstattung, der 1407 in den Besitz des Pflegamtes von Sarnthein gelangte. Diese Annahme unterstützt auch die Tatsache, dass im selben Jahr Herzog Friedrich dem "... Vintler von Runggelstein die Zinsen zu Dürnholz im Sarnthal für die 1600 Dukaten, die letzterer ihm in großer Noth geliehen, ... gebracht." LADURNER / KLAMMER 1982, S. 278. – Vielleicht finanzierte Nikolaus Vintler mit diesem Geld die Ausstattung der Kirche von St. Zyprian. 75 belassen, aber, nach Rasmo, übertüncht worden.258 Der gesamte Freskenbestand der Nordwand weist allerdings eine so große Anzahl an Hacklöchern auf, dass man vermuten muß, die gesamte Wand sei damals neu verputzt worden. Es ist nicht anzunehmen, dass die Wand erst aufgepickt worden ist, als die Fresken 1888 wieder freigelegt und in der Folge renoviert wurden. Jedoch wurde, laut Rasmo, bei dieser Maßnahme der ursprüngliche Charakter der Bilder zerstört. Schließlich sind die Malereien 1970 einer fachgerechten Reinigung und Instandsetzung unterzogen worden.259 Trotz der großen Fehlstellen in der unteren Hälfte des unteren Registers hat man auf den ersten Blick den Eindruck, dass ein noch relativ großer Teil des Originalbestandes erhalten ist. Bei näherer Betrachtung erkennt man jedoch die große Anzahl von Ausbesserungen, Flickstellen und Ergänzungen. Dieser Sachverhalt erschwert besonders die Untersuchungen der Malereien in stilistischer Hinsicht. Die einzelnen Bildfelder der beiden Register werden durch Schmuckrahmen mit einem Rosettenmuster eingefaßt und so voneinander getrennt. In den senkrechten Streifen wird das Musterband jeweils von zwei Schmuckscheiben unterbrochen. Alle drei horizontalen Bänder weisen an ihren Kreuzungspunkten mit den Senkrechten und in der Mitte über und unter jedem Bildfeld gemalte Konsolen in perspektivischer Schrägansicht von links unten auf, die ein durchgehendes, ebenfalls gemaltes Gesims tragen.260 Das oberste Gesims zeigt an seiner Unterseite noch eine Kassettierung. In der Sockelzone sind unter jeder Bildachse zwei Felder abgegrenzt. Diese wurden bei der letzten Restaurierung lediglich in einem hellen Ton belassen. Wahrscheinlich hat man sich an dieser Stelle gemalte Marmorinkrustationen zu denken. 3.2.1 Der Passionszyklus im oberen Register an der Nordwand Die Passion Christi ist eines der häufigsten biblischen Themen mittelalterlicher Wandmalereizyklen und basiert auf einer langen Tradition. Seit dem frühen Mittelalter hat sich in der westlichen Kunst ein fester Ablauf des Passionszyklus herausgebildet, der in der Regel mit dem Einzug in Jerusalem und dem Letzten Abendmahl beginnt und mit der Auferstehung oder der Himmelfahrt endet. Unterschiede in der Szenenauswahl sind wohl in der Funktion bzw. in bestimmten Wünschen von Auftraggebern begründet. Auch im Bozner Raum gibt es mehrere 258 259 260 RASMO 1973, Wandmalereien, ohne Paginierung. RASMO 1973, Wandmalereien, ohne Paginierung. Im Vergleich mit Fotos aus älteren Veröffentlichungen wird ersichtlich, dass diese Konsolen eine spätere Zutat sind. 76 Passionszyklen. Als ein Beispiel sei hier der Zyklus in St. Martin in Kampill genannt, welcher der Tradition entsprechend mit dem Einzug in Jerusalem beginnt und mit der Himmelfahrt Christi endet. Im Passionszyklus von St. Nikolaus in Durnholz wird der Leidensgeschichte Jesu die Erweckung des Lazarus vorangestellt. Dieses letzte große Wunder Jesu ist der Anlaß zum Beschluß der Hohenpriester gewesen, ihn zu töten (Joh 11,53).261 Mit der Auferstehung Christi endet der Zyklus. In St. Zyprian wird dagegen ein ganz auf das Leiden und die erlittenen Qualen hin ausgerichteter Zyklus vorgeführt, der mit dem Gebet am Ölberg beginnt und mit der Kreuzigung endet. 3.2.1.1 Die Einzelbilder: Beschreibung, Ikonographie und Textquellen Das Gebet Christi am Ölberg (Abb. 60): Im ersten Bild des Passionszyklus ist die linke obere Ecke durch den Dienst des später eingezogenen Gewölbes überdeckt, dem sich nach rechts eine Fehlstelle anschließt. Weitere, kleinere Lücken sind im Gewand des knienden Christus zu verzeichnen. Für alle Bilder des Zyklus gilt, dass die Bildflächen mit Hackspuren übersät sind. Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass etwa ein Drittel der jeweiligen Bildfläche zerstört gewesen sein muß und die Ergänzungen demnach über reine Retuschen hinausgingen. Es wurden Vervollständigungen vorgenommen, die sich vielleicht nach vorhandenen Resten richteten, aber in manchen Teilen doch auch eine Neuschöpfung der Malereien bedeuteten. Das Gebet Christi im Garten Gethsemane ist in der einszenigen Form gestaltet, ohne die mehrmaligen Ermahnungen der Jünger. Christus trägt einen langen roten Rock mit dunklem Futter und kniet betend nach rechts gewendet im Bildmittelgrund vor einem aus einzelnen geschichteten Steinplatten gebildeten Felsen, der sich nach links aufspreizt. Über dem Felsen schwebt ein Engel auf Christus zu, die Hände mit segnender Geste. Links im Vordergrund ist die Gruppe der drei ihn begleitenden Jünger zu denken, von denen nur noch der am Boden kauernde Petrus erhalten ist. Der Garten, in dem einige kleine Bäume stehen, ist durch einen geflochtenen Weidenzaun eingefriedet und hat nur nach vorne einen kleinen Durchlaß. Das obere Bilddrittel wird von einer dunklen, fast schwarzen Hintergrundfolie abgeschlossen, welche den dunklen Nachthimmel meint. 261 Vgl. MÖBIUS 1978, S. 10. 77 Die Darstellung entspricht der Erzählung im Evangelium des Lukas 22,39-46, denn nur dort kniet Christus zum Gebet nieder: „Er entfernte sich von ihnen etwa einen Steinwurf weit, kniete nieder und betete.“ (Lk 22,41). Auch von dem Engel, der Christus erscheint, berichtet nur der Evangelist Lukas: „Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn.“(Lk 22,43). Das Schema der Darstellung ist ein verkürztes: Kniender Christus, drei Apostel, der Engel. In dieser Form ist es in der italienischen Malerei seltener zu finden, denn dort ist die Gethsemane-Episode oft erzählerischer aufgefaßt und zwei Gruppen von Aposteln werden gezeigt.262 Die Gefangennahme Christi (Abb. 61): Der zweite Dienst des Gewölbes durchschneidet genau die rechte Bildhälfte und hat sie dadurch fast völlig zerstört. Entlang des Dienstes ziehen sich links und rechts größere Fehlstellen. Vom rechten Bildrand ist somit nur noch ein Fragment des Schmuckrahmens zu sehen. Von links vorne klettert ein ganz in weiß gekleideter Scherge mit Helm und einem mit drei Judenhüten bemalten Tartschenschild auf dem Rücken über den Zaun in den Garten.263 Hinter dem Zaun steht, umringt von anderen Figuren, Petrus in gelbem Mantel. In der rechten Hand hält er noch sein Schwert gezückt, mit dem er dem Malchus das Ohr abgeschlagen hat. Der ist vor ihm in die Knie gegangen. Am Zaun zusammengesunken hält er sich mit der rechten Hand noch an diesem fest. Über seinem Kopf, der nur noch zur Hälfte sichtbar ist, erkennt man den rechten Arm Christi, wie er das Ohr des Malchus heilt. Von hinten wird Christus von einem Soldaten ergriffen, dessen Kopf zwischen ihm und Petrus zu sehen ist. Zur Rechten Petri stehen zwei Jünger, die mit unterschiedlichen Reaktionen das Geschehen in der Bildmitte beobachten. Zwischen Petrus und den beiden Jüngern 262 263 SANDBERG-VAVALÀ 1929, S. 420-423, zählt in ihrer Liste der verschiedenen Ölberg-Kompositionen lediglich sechs Beispiele mit oben genanntem Personal auf: Die Ölberg-Darstellung eines Triptychons aus den 70er Jahren des Trecento in der Pinacoteca Nazionale, Siena, N. 156; die Szene eines sienesischen Altarretabels des 14. Jh., Pinacoteca Nazionale, Siena, N. 163; eine Rimineser Tafel, 14. Jh., in der Sammlung Kaufmann in Berlin; eine Silbertafel aus dem 14. Jh. in Ascoli Piceno; ein Tafelbild des 14. Jh. aus dem Magazin der Pinacoteca Vaticana, N. 120. Ihre Aufstellung ist sehr präzise und unterscheidet in der Kombination der einzelnen möglichen Elemente, zum Beispiel zwischen dem Vorhandensein des Engels mit oder ohne Kelch. Nach Auskunft von Dr. Karl Gruber, dem Diözesandenkmalpfleger von Bozen, sind diese drei Judenhüte eine spätere Zugabe. Konrad Waider aus Straubing habe, als er in St. Zyprian tätig gewesen ist, dem Schächer das Straubinger Wappen al secco auf das Schild gemalt. Jedoch stehen meines Wissens diese drei Hüte, sofern sie als Wappen zu lesen sind, nicht etwa für Straubing sondern für Landshut. Vgl. das Wappen auf dem Epitaphrelief von 1414 aus St. Martin in Landshut, Abb. 116. 78 sieht man im Hintergrund einen nach links gewendeten Schächer, der eine Lanze mit sich trägt, deren Spitze die Figuren weit überragt. Als Kulisse türmt sich zwischen einigen Bäumen ein Fels mit einem Baum auf. Das eigentliche Thema der Darstellung, die Ergreifung Christi, die in der rechten Bildhälfte dargestellt war, existiert heute nicht mehr. Auch hier, wie bereits im ersten Bild, findet sich die gleiche schwarze Hintergrundfolie, welche die Bilder miteinander verbindet. Eindeutig ist das Ambiente als das des Gebetes am Ölberg zu erkennen. Der Maler hält sich auch bei diesem Bild an den Bericht bei Lukas, wo als einziges die Heilung an Malchus vorkommt: „Und er berührte das Ohr und heilte ihn.“(Lk 22,51) Leider lassen sich über die genaue Komposition keine Angaben mehr machen. Doch scheint es auf Grund des noch vorhandenen Bildteils eine für das 14./15. Jahrhundert typische Gefangennahme gewesen zu sein.264 Die Malchusszene ist für die Gefangennahme in größeren Zyklen beinahe obligatorisch. Unterschiede in der Darstellung bestehen lediglich darin, ob Christus auf die Verletzung des Malchus durch Petrus reagiert und durch einen Gestus das abgeschlagene Ohr wieder heilt, wie zum Beispiel in den Fresken der Collegiata von S. Gimignano gezeigt, oder ob er dies unterläßt, wie bei Giotto in der Arenakapelle. Auch der zentrale Moment des Judaskusses dürfte in der Zyprianskapelle gezeigt gewesen sein, was heute jedoch nicht mehr zu sehen ist. Über die Gestaltung dieser Hauptszene kann man zwar keine exakten Aussagen mehr machen, aber die Armhaltung Christi und der Griff des Soldaten lassen darauf schließen, dass Christus in der Bildmitte, frontal zum Betrachter gezeigt war. Bei italienischen Darstellungen ist es nicht üblich, dass das Geschehen der Gefangennahme durch einen Zaun vom Betrachter getrennt ist. In St. Zyprian ist es jedoch eines der herausragendsten erzählerischen Mittel, wie ich weiter unten noch zeigen werde. Christus vor dem Hohenpriester (Abb. 62): Dieses Bildfeld ist durch den Gewölbeeinbau nur im linken oberen Eck in Mitleidenschaft gezogen. Am Bildrand zieht sich eine längere Fehlstelle hin, die jedoch die Darstellung selbst nicht beeinträchtigt. Allerdings sind weitere kleinere Fehlstellen auch im Bild zu bemerken. Christus steht mit vor dem Körper gefesselten Händen in der Bildmitte, frontal dem Betrachter zugewandt. Von links wird er von einem barfüßigen Schergen ge264 Auch für dieses Thema hat SANDBERG-VAVALÀ 1929, S. 424-427 eine große Anzahl von Darstellungen mit unterschiedlicher Gestaltung zusammengetragen. 79 schoben. Rechts sitzt der Hohepriester auf einem Thron und unterhält sich mit einem danebenstehenden Berater.265 Am linken Bildrand stehen heftig diskutierend Petrus und die Magd unter einem Bogen, beide in Dreiviertel-Rückenansicht zum Betrachter. Weitere Schergen agieren aufgeregt im Hintergrund. Das Geschehen findet in einer phantasiereichen Architektur statt. An den Decken sind drei verschiedene Raumkompartimente auszumachen. Ganz rechts befindet sich der massive Thronbaldachin mit einem Kreuzrippengewölbe. Der um eine Stufe erhöhte Thronsitz weist an seiner zum Betrachter gewendeten Seite eine kleine Biforienöffnung auf, die den Blick in einen Kasten freigibt. Nach hinten schließt eine kleine Apsis an, deren Wand von zweibahnigen Fenstern unterbrochen ist. Nach links erstreckt sich über die restlichen zwei Drittel der Bildbreite ein asymmetrisches Raumkompartiment. Im Hintergrund sieht man einen von einer porphyrnen Mittelsäule getragenen, gewölbten Raum. Am oberen und rechten Bildrand sowie durch alle Öffnungen sieht man die gleichmäßig dunkel gestaltete Hintergrundfolie. Die Zwickel schmückten ursprünglich Cosmatenimitationen. Das Schema der Architekturen geht auf ältere Bilder des italienischen Trecento zurück. Das gleiche System, allerdings in etwas einfacheren Detailformen findet man in der Kapelle St. Vigilius im Bild Der hl. Vigilius heilt eine Besessene (Abb 25) wieder. Entgegen den vorherigen Bildern hielt sich der Künstler bei dieser Darstellung an das Evangelium des Johannes, in dem beschrieben wird, wie Christus gefesselt zu Hannas geführt wird: "Die Kohorte, der Befehlshaber und die Leute der Juden ergriffen Jesus, fesselten ihn und führten ihn zuerst zu Hannas;" (Joh 18,12-13). Die Verleumdung Petri gegenüber der Magd ist dagegen in allen Evangelien geschildert. Die Abfolge der insgesamt drei Verleumdungen ist nur sehr kompliziert nachzuvollziehen, da immer wieder verschiedene Personen und unterschiedlichste Orte genannt werden. Im Vergleich mit dem älteren Passionszyklus von Duccios Maestà, der die peinlichen Gespräche Petri mit der Magd sowie mit zwei Männern während Christi Vorführung vor Hannas und Kaiphas in drei Bildern dargestellt hat, könnte man dies auch für St. Zyprian annehmen. Bei Giotto fehlen in der entsprechenden Szene Petrus und die Magd. Die Befragung durch den Hohenpriester wird nicht immer dargestellt. Sie fehlt zum Beispiel in St. Martin in Kampill, während sie in St. Nikolaus in Durnholz wieder mit einer eigenen Szene vertreten ist. 265 Die Gruppe der im rechten Winkel zueinander positionierten Figuren des Hohenpriesters und seines Beraters findet man auch im Fragment einer Passionsdarstellung (1410-20) in der Heilig-Kreuz-Kirche in Bergham, Kreis Mühldorf am Inn. 80 Die Geißelung Christi (Abb. 63): Das dritte Dienstbündel des später eingezogenen Gewölbes durchschneidet das vierte Bildfeld in der Mitte. Die Hauptszene ist dadurch vollkommen eliminiert worden, nur die an den Rändern agierenden Assistenzfiguren sind noch sichtbar. In den erhaltenen Fragmenten finden sich ebenfalls mehrere Fehlstellen. Links sieht man einen Schergen mit Rutenbündeln durch eine hohe Türe zur Bildmitte drängen. Außerdem entdeckt man Kopf und Füße dreier weiterer Figuren. Rechts wohnen zwei in einem Türrahmen stehende diskutierende Gelehrte dem Geschehen bei. Davor sitzt auf einer Treppe ein weiterer Scherge und bindet eine Rute. Vor ihm ist der Unterschenkel eines zur Mitte eilenden vierten Mannes zu erkennen. Die noch sichtbaren Fragmente der Architektur deuten auf eine symmetrische Komposition hin: Am rechten Bildrand sieht man eine auf einem niedrigen Sockel ruhende baldachinartige Architektur mit geschlossener Rückwand sowie zwei rundbogige und eine rechteckige Öffnung, auf dem Dach eine Balustrade mit Vierpaßmaßwerk. Auch in den Ausblicken durch die Architektur und am oberen Bildrand ist die dunkle Hintergrundfolie des nächtlichen Himmels gezeigt. Allein die Rutenbündel in der Hand der Schergen und die auf die Mitte ausgerichtete Komposition lassen den Betrachter heute auf das Geschehen der Geißelung schließen, abgesehen von der durch die Erzählung der Passion geforderten Fortsetzung. Es entsteht nun die Frage, ob sich das fragmentierte Bild durch Vergleiche mit anderen Darstellungen der Geißelung in seiner Grundstruktur annähernd rekonstruieren läßt. Zumeist wird die Szene der Geißelung mit der Vorführung vor Pilatus kombiniert, der auf Drängen des Volkes den Barnabas freiläßt und Christus den Juden überläßt. Wenn auch nicht immer die Handwaschung des Pilatus mit abgebildet wird, so ist er doch oft auch bei der Geißelung mit anwesend, wie es bei Duccios Maestà in Siena, bei Pietro Lorenzetti in Assisi und in der Collegiata von S. Gimignano zu beobachten ist. Auch in St. Magdalena in Prazöll wird Pilatus am linken Bildrand stehend gezeigt, leider ist nur noch das obere Drittel des Bildfeldes erhalten (Abb. 72): Mit der linken Hand rafft er seinen Mantel, mit der rechten behandschuhten Hand, in der er auch den zweiten Handschuh hält, deutet er auf Christus, der in der Bildmitte an eine Säule gebunden ist. Links und rechts von diesem stehen zwei Schächer, die auf ihn einschlagen, am rechten Bildrand ein dritter. Einer Aufzählung gleich sind die fünf Figuren nebeneinander aufgereiht. Christus wird allein durch die Säule, an die er rücklings gebunden ist, überhöht. 81 In Durnholz umarmt Christus, der von vier Schergen umringt ist, die Säule und blickt auf den gegenüber auf einem Thron sitzenden Pilatus. Im Hintergrund sind noch einige gerüstete Soldaten auszumachen. Die Geißelsäule ist die Mittelstütze eines quadratischen Raumes, dem sich ein durch einen Baldachin überdachter Thronsitz anschließt.266 Diese Raumkomposition erinnert an die Architektur des Bildes Christus vor dem Hohenpriester in St. Zyprian. In der Kapelle St. Martin in Kampill wird auf die Darstellung der Geißelung verzichtet. Anhaltspunkte zu einem Vergleich der Fresken in Sarnthein mit anderen Geißelungsbildern geben nur die Architekturdetails sowie die noch erhaltenen Figuren. Der bärtige Alte am rechten Bildrand ist wieder das bekannte Motiv der RepoussoirFigur, wie sie bei Giotto, Guariento und anderen häufig zu finden ist. Als Einleitungsfigur fungiert der energisch vorwärts schreitende, glatzköpfige Scherge am linken Bildrand. Wie die Figuren in die von schlanken Säulen getragene Architektur gesetzt sind, erinnert an das Beispiel Pietro Lorenzettis in Assisi. Alle hier genannten Vergleichsbeispiele sind auf die Mitte hin arrangiert, wo die Geißelung vollzogen wird. Doch keines der Beispiele weist eine derartig strenge Symmetrie auf, wie sie für St. Zyprian zu rekonstruieren ist.267 Die Geißelung wird erwähnt von den Evangelisten Matthäus 27,26, Markus 15,15 und Johannes 19,1. Eine detaillierte Beschreibung gibt es aber nicht. Wie die Szene im einzelnen hier im Zyklus gestaltet gewesen ist, bleibt offen. Die Dornenkrönung Christi (Abb. 64): Rechts oben im Eck überdeckt ein Gewölbedienst einen kleinen Teil des Bildes, und in der Folge ist auch der rechte Rahmen durch den Einbau zerstört. Mehrere kleinere und größere Fehlstellen sind über die Bildfläche verteilt. In dem Bild werden die beiden Themen der Verspottung und Dornenkrönung zu einer Darstellung zusammengefaßt. Christus sitzt aufrecht und scheinbar unbeeindruckt ob der Peinigungen, die er über sich ergehen lassen muß, im Bildmittelgrund auf einer Steinbank mit grünem Kissen. Diese ist auf einen Sockel von zwei Stufen gehoben. Die rechte Hand liegt auf seinem Schoß, die linke hat er zum Segensgestus erhoben. Anders als in den übrigen Bildern des Zyklus, in denen Christus einen lila Rock und einen roten Mantel trägt, ist er hier mit einem hellen Gewand mit Borten 266 267 Vgl. dazu die Geißelung in der Collegiata von S. Gimignano. In der alten Kirche St. Martin von Garmisch ist im Bild der Dornenkrönung vielleicht eine vergleichbare Architekturkulisse vorhanden. Links und rechts sitzen Herodes und Pilatus unter Baldachinen, die in ihrem zur Bildmitte gerichteten Eck von einer schlanken Säule getragen werden. Ihre Throne stehen um drei Stufen erhöht. In der Bildmitte, von zwei schlanken, aber höheren Säulen gerahmt, welche die gerade Decke tragen, sitzt Christus. 82 an Bündchen, Schulter und Kragen sowie einem an ein Pektorale erinnernden Schild auf der Brust bekleidet. Die unbeschuhten Füße spitzen unter dem Saum vor. Den Hintergrund bildet eine aufwendige Architekturkulisse mit drei Apsiden, in die mehrere Lanzettfenster mit Vierpässen eingebrochen sind. Die Decke ist mit zwei flachen Kompartimenten einer Kassettendecke gestaltet. Symmetrisch sind zu Seiten des Thrones spottende Juden gezeigt, von denen einer Christus die Fica zeigt. 268 An der hinteren Kante der Thronbank drücken zwei weitere Schergen Christus mit Hilfe zweier langer Stangen die Dornenkrone aufs Haupt. Links und rechts an den Bildrändern verfolgen zwei alte Männer in langen Priestergewändern, mit langen grauen Haaren und Bärten die Szene. Während der linke ruhig dasteht und das Geschehen beobachtet, deutet der andere, in grünem Mantel und weißem Rock, mit ausholendem Gestus der rechten Hand, auf Christus. Bei Matthäus 26,67-68 und 27,27-30, bei Markus 14,65 und 15,16-19, bei Lukas 22,63-65 sowie bei Johannes 19,2-3 werden die Dornenkrönung und die Verhöhnung als Spottkönig mit den wichtigsten Elementen, dem Aufsetzen der Dornenkrone sowie Verspottungen und verspottenden Huldigungen, beschrieben. Von einem Prunkgewand, das Christus von Herodes verliehenen wird, ist nur bei Lukas 23,11 berichtet. Der jüdische König ist hier jedoch nicht erkennbar dargestellt. Man ist lediglich versucht, ihn in der Figur mit dem energischen Zeigegestus am rechten Bildrand zu sehen. Die Kreuztragung Christi (Abb. 65): Das linke Drittel dieses Bildfeldes ist durch den Gewölbedienst zerstört worden. Durch die Fehlstelle rechts oben ist ein Stück des Himmels verlorengegangen. Christus steht etwas rechts der Bildmitte frontal zum Betrachter gerichtet. Er trägt eine braunroten Rock. Mit beiden Händen trägt er das Kreuz auf seinem Rücken. Die Knie sind nur wenig gebeugt. Seine Fußhaltung zeigt, dass er fest steht und nicht im Laufen begriffen ist. Ein alter Mann, Simon von Kyrene, greift von hinten an Kreuzesstamm und -arm. Um die Taille hat Christus ein Seil geschlungen, an dem ihn ein junger Scherge in hellbrauner Schecke, deren unterer Saum völlig ausgefranst ist, wie ein Tier („sicut bovis...“) hinter sich herzieht. Hinter dem Kreuz sieht man zwei weitere Handlanger. Einer von ihnen trägt eine Leiter, der andere eine Lanze. Ganz links erkennt man noch einen Soldaten. Er ist nach links gewendet und 268 Die Rückenfigur rechts, die Christus die Fica zeigt, hat der Maler aus der Gefangennahme Christi von Giotto in der Arenakapelle übernommen. Dort zerrt diese Figur am Mantel des Petrus, der gerade dem Malchus das Ohr abschlägt. Dadurch, dass die Figur in St. Zyprian etwas schmaler gezeigt und das Cape-ähnliche Gewand mit Kapuze faltenreicher ist, wirkt sie insgesamt gestreckter. 83 schwingt eine Keule. Es ist daher zu vermuten, dass zum linken Bildrand hin noch weiteres Gefolge dargestellt war. Wie zu den oben beschrieben Themen hat Sandberg-Vavalà269 auch zur Kreuztragung eine ausführliche Liste von Vergleichsbeispielen zusammengestellt. Ihrer Aufstellung zufolge gibt es für St. Zyprian zwei Elemente, die für einen Vergleich mit von ihr aufgelisteten sienesischen Beispielen heranzuziehen sind: Ob und wie Christus gefesselt ist und welches Gewand er trägt. Ein dritter Aspekt wäre, wer das Kreuz trägt. Sucht man nun die Vorbilder, in denen Christus das Kreuz trägt, mit einer Tunika bekleidet ist und um die Taille mit einer Schnur gefesselt ist, bleibt ein Beispiel, nämlich ein Fresko von Niccolo di Pietro Gerini in S. Francesco in Pisa. Betrachtet man den Ausdruck der Figur Christi in Sarnthein, wie er frontal zum Betrachter steht und nur wenig leidend erscheint, so könnte man auch das Beispiel in Duccios Maestà als Vergleich mit heranziehen, obwohl dort Christus sein Kreuz nicht selbst trägt und seine Hände gefesselt sind. Übereinstimmungen mit den genannten Elementen gibt es in den anderen Südtiroler Beispielen. In St. Magdalena wird Christus ebenfalls an einer Schnur, die ihm um die Taille gebunden ist, gezogen. Er trägt sein Kreuz selbst und ist mit einer rotbraunen Tunika mit goldener Kragenborte bekleidet. Hier ist er allerdings in Laufrichtung gezeigt, und er wendet seinen Kopf, um den Betrachter anzublicken. Von hinten faßt ihn ein alter Mann an die rechte Schulter. Auch in St. Martin treffen dieselben Kriterien zu. Allerdings ist dort das Gewand durch eine immense Stoffülle des Rockteiles charakterisiert und Christus, der im Laufen gezeigt ist, blickt zurück auf die ihm folgenden Frauen. Auch hier faßt ein alter Mann an den Kreuzesstamm. Was St. Zyprian und St. Magdalena miteinander verbindet, ist, dass Christus vor den dunklen Hintergrund gesetzt ist. In allen anderen Beispielen wird die Szene von soviel Volk und Soldaten belebt, dass die Menschenmassen den Hintergrund für die Hauptszene bilden. Das Geschehen in St. Zyprian kommt im Vergleich dazu mit sehr wenig Personal aus, die nicht mehr erhaltenen Figuren am linke Bildrand mitgerechnet. Die Darstellung entspricht dem Bericht des Evangelisten Johannes: „Er trug selber sein Kreuz und ging hinaus zu dem Ort, den man Schädelstätte nennt, auf hebräisch aber Golgata.“(Jh 19,17). Es könnte allerdings auch der Moment gemeint sein, in dem Simon von Kyrene Christus das Kreuz abnimmt. Die frontale Haltung 269 SANDBERG-VAVALÀ 1929, S. 440-445. Ich habe auch für die anderen Bilder diese Liste herangezogen, doch gehe ich bei der Besprechung der Kreuztragung näher darauf ein, da die Unterschiede ihrer Gestaltung in Details liegen und interessante Aufschlüsse über eventuelle Einflußbereiche ermöglicht. 84 Christi sowie die schäbige Figur des Alten lassen aber auch an eine Kreuzaufladung denken. Die Kreuzigung Christi (Abb. 66): Am rechten Bildrand ist ein Drittel des Bildes verlorengegangen sowie eine kleine rechteckige Fläche im linken oberen Eck. Mit durchgestreckten Armen und Beinen ist Christus mit drei Nägeln ans Kreuz genagelt. Die durch die Hände geschlagenen Nägel scheint er zu umfassen. In der Hüfte leicht eingeknickt hängt der Körper etwas nach links durch. An seiner linken Seite wölben sich die Rippen vor. Das durchsichtige Lendentuch weht rechts etwas über den Kreuzesstamm. Christi Kopf ist leicht nach links unten auf die Brust gefallen, die Augen sind geschlossen. Das Kreuz, das in einer Felsspalte steckt, durchmaß die gesamte Höhe und Breite des Bildfeldes. Links unter dem Kreuz stehen Maria und Johannes sowie der gerüstete Longinus, der im Begriff ist Christus die Seitenwunde zu öffnen.270 Mit der linken Hand deutet er auf seine Augen, was auf sein wiedergewonnenes Augenlicht durch das Erkennen des Erlösers hinweist. Johannes in rotem Kleid und grünem Mantel stützt mit verhüllten Händen Maria von hinten, die sich ihm mit schmerzverzerrtem Gesicht zuwendet. Über ihnen schweben unter dem linken Kreuzesarm zwei klagende Engel. Rechts unter dem Kreuz steht Stephaton mit dem erhobenen Ysopschwamm in der einen und einem Holzeimer in der anderen Hand.271 Er ist im Verhältnis zu den anderen Figuren viel kleiner dargestellt. Rechts daneben sieht man noch das gerüstete Bein eines Ritters, wohl des Guten Hauptmannes.272 Die Kreuzigung zeigt nicht den Drei-Figuren-Typus mit Christus, Maria und Johannes, aber auch nicht die erweiterte Form, den volkreichen Kalvarienberg mit den drei Marien, die um Christi Gewand losenden Soldaten, den beiden Schächern und anderem Volk, der bei Giotto, Duccio, oder Pietro Lorenzetti in eindrucksvoller Weise geschildert wird. In St. Zyprian beschränkte sich der Maler auf aussagekräftige Figuren, die für den Betrachter den Erlösungsgedanken der Kreuzigung symbolisieren: Den wieder sehend gewordenen Longinus und den erkennenden Guten Hauptmann. Diese beiden Figuren werden durch eine auffällige, ja fast prunkvolle Gewandung ausgezeichnet. Denen gegenüber steht klein und häßlich der ungläubige Jude in der Figur des Stephaton. Dass diese drei Protagonisten 270 271 272 Nach Joh 19,34: „... einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus“. Dies ereignete sich, kurz nachdem Christus verstorben war. Nach Mt 27,48, Mk 15,36 und Joh 19,29 wird Christus ein Essigschwamm gereicht. Geht man davon aus, dass der Kreuzesstamm in der Mittelachse des Bildfeldes postiert ist, so wäre am rechten Bildrand sogar noch für eine sechste Person unter dem Kreuz Platz. 85 symbolhaften Charakter haben, wird durch die gleichzeitige Darstellung ihrer spezifischen Handlung zu einem der Geschichte nicht angemessenen Zeitpunkt, nämlich nach Christi Hinscheiden, angedeutet. In St. Martin in Kampill und in St. Nikolaus ist ebenfalls jeweils ein Volkreicher Kalvarienberg gezeigt mit den beiden Schächern. In St. Nikolaus stehen der Gute Hauptmann mit einem Schriftband und Stephaton mit erhobenem Essigschwamm zuseiten des Kreuzes. In St. Martin deutet Longinus auf seine Augen, und von der weisenden Hand des Guten Hauptmanns geht ein Schriftband aus. Die Kreuzigung Christi ist in Anlehnung an den Evangelisten Johannes gestaltet. Zu Johannes und Maria unter dem Kreuz ist dort zu lesen: „Als nun Jesus seine Mutter sah und neben ihr stehend den Jünger, den er liebte, sagte er zur Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Darauf sagte er zum Jünger: Siehe, deine Mutter!“(Joh 19,25-27) (Unter dem Kreuz stehend werden allerdings auch die Schwester seiner Mutter, Maria die Frau des Kleophas und Maria Magdalena genannt.) Ebenso wird bei Johannes von dem Lanzenstoß durch Longinus berichtet: „Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon gestorben war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus“.(Joh 19,33-35) Während in St. Magdalena in Prazöll, in St. Nikolaus in Durnholz und in St. Martin in Kampill der Passionszyklus weitergeführt wird273, endet er in St. Zyprian mit der Darstellung der Kreuzigung. 3.2.1.2 Erzählstruktur und Bildprogramm des Passionszyklus In einer ansteigenden Diagonale ist das Bild Christi Gebet im Garten Gethsemane aufgebaut und damit der Auftakt für den Zyklus gesetzt. Diese diagonale Komposition findet ihren höchsten Punkt im Gebet Christi und dem ihm erscheinen Engel. Dort bewegt sich der Blick des Betrachters allerdings im Kreis, denn die sich gegen die Blickrichtung auffächernden Felsen führen immer wieder auf den betenden Christus im Zentrum zurück. Die Konzentration auf das Thema erhält für den Betrachter außer der rein dokumentarischen Funktion, das Geschehen im Garten Gethsemane darzustellen, eine zweite, nämlich die Aufforderung zum andächtigen Verweilen. Bestärkt wird dies durch die Öffnung des Zaunes im Bildvordergrund, 273 Auf die Kreuzigung folgen in St. Magdalena Kreuzabnahme und Grablegung, in St. Nikolaus Grablegung und Auferstehung, in St. Martin Kreuzabnahme, Grablegung, Auferstehung, Noli me tangere mit dem Ungläubigen Thomas sowie die Himmelfahrt. 86 durch die der Blick direkt auf die bloßen Füße Christi gelenkt wird, womit bereits auf die bevorstehenden Leiden angespielt wird. Die Aufwärtsbewegung der einleitenden Diagonale wird von der Rundung des in den Hintergrund verlaufenden Zaunes, der an seiner höchsten Stelle den Bildrand berührt und im Nachbarbild gespiegelt ist, wieder nach unten geführt. Auf diese Weise ist das Gebet am Ölberg mit der Gefangennahme verknüpft. Obwohl beide Bilder für sich je ein geschlossenes Gefüge darstellen, ist ihre Zusammengehörigkeit auffällig. So scheinen beide Bilder durch den gleichgestalteten Felsen, den gleichen Zaun, die gleiche Landschaft und den gleichen Himmel zu verschmelzen. Ganz bewußt und mit markanten Mitteln hat der Maler die Kontinuität dieser beiden Begebenheiten darzustellen vermocht. Vielmehr noch wird dem Betrachter suggeriert, im weiteren Abschreiten der Bilder direkt am Geschehen teilzuhaben. Nicht nur die zeitliche Dimension, das Aufeinanderfolgen der Aktionen, sondern auch deren räumliche Konstanz ist eindeutig aus dem Gezeigten ablesbar. Vom ersten zum zweiten Bild verändert der Betrachter seinen Standpunkt und somit seinen Blick auf den Garten Gethsemane, als ob er außerhalb des Zaunes entlanglaufe. Die hervorgehobene Position des betenden Christus sowie die immer wieder zu ihm zurückführende Gestaltung des Felsens halten den Betrachter zuerst auf Distanz. (Die ehemals links unten kauernden drei Jünger Jesu dürften für die Entwicklung der Geschichte keine entscheidene Änderung bewirkt haben.) Erst im zweiten Bild, der Gefangennahme, wird der Zuschauer durch den über den Zaun steigenden Söldner nahezu ins Geschehen mit hineingezogen. Das weitere Geschehen in dieser Szene läßt sich nicht mehr analysieren, doch ist davon auszugehen, dass Christus in der Bildmitte sich seinem Schicksal fügte, so wie es auch in den folgenden Bildern zu sehen ist. Mit festem Blick aus dem Bild und frontal zum Betrachter gewendet läßt er alle Peinigungen und Befragungen über sich ergehen. Um ihn herum gibt es Diskussionen und andere Aktionen, die ihn scheinbar nicht betreffen. Die statische Ruhe Christi wird durch die symmetrische Gestaltung seiner Umgebung noch betont. Immer wieder gliedert Architektur die Bildfläche so, dass das Hauptgeschehen auf die Mitte konzentriert ist. Dieser fast achsensymmetrische Bildaufbau wird im gesamten Zyklus beibehalten. Die Symmetrie ist durch einige kompositorische Besonderheiten noch betont, so zum Beispiel im Bild Christus vor dem Hohenpriester: Den Mittelpunkt bezeichnet der von einem Schergen geschobene Christus, wobei die Figur des Schergen mit in die Mitte gedrängt ist. Dieses Zentrum wird flankiert von zwei ähnlich gestalteten Gruppen, die eigentlich synchrone Nebenszenen zeigen. Zum einen links Petrus, der mit der Magd diskutiert, zum anderen rechts der Hohepriester, der sich mit einem 87 Berater unterhält. Diese beiden Gruppen gehen gar nicht auf das Geschehen im Bildmittelpunkt ein, sondern vermitteln eine psychische Dimension des Ereignisses: das Alleingelassensein Christi. Hier ist außerdem vorbereitet, was in den folgenden Bildern, der Geißelung und der Dornenkrönung, noch gesteigert wurde. Vollkommen symmetrisch aufgebaut in Architektur und beteiligtem Personal werden die Leiden gezeigt, die Christus nach seiner Verhaftung erfahren hat. Trotz der statischen, ruhigen Komposition, die durch Architekturversatzstücke hinterfangen ist und so eine Entspannung verhindert, wird ganz schwach auch Dynamik und Aktion suggeriert. Der Schächer in Schrittstellung und mit den zum Schieben ausgestreckten Armen im Bild Christus vor dem Hohenpriester, dessen Druck Christus mit einer leichten Seitwärtsbewegung nachgibt, veranschaulichen doch einen Moment, in dem eine Aktion eine Reaktion hervorruft. In der Geißelung lassen sich aktive Momente nur noch am linken Bildrand an den in Schrittstellung zu sehenden Beinen ausmachen. Genauso wie der über den Zaun steigende Söldner der Gefangennahme spiegeln diese sich bewegenden Personen ein, wenn auch stark in Grenzen gezwungenes, Weiterkommen vor. Die Starrheit des Arrangements ist im Bild der Kreuztragung wieder aufgehoben, obwohl auch diese Szene immer wieder auf Christus zurückgeführt wird. Der diagonal nach oben gerichtete Kreuzesstamm, der kaum auf Christus zu lasten scheint, drängt nach rechts. Unterstützt wird dieser Antrieb durch die gebeugten Beine der beiden Christus flankierenden Schächer. Der intensiven Kraft des Kreuzes werden mehrere kleinere Gewichte entgegengesetzt: die nach links oben gerichtete Leiter, die ebenso gestellte Lanze, der Schlag des Söldners ganz links und nicht zuletzt die zurückblikkenden Schergen am rechten Bildrand. Völlig statisch dagegen zeigt sich wieder das Bild der Kreuzigung. Der ans Kreuz genagelte Christus nimmt wieder genau die Mittelachse des Bildes ein. Sein Körper neigt sich leicht zur Gruppe von Longinus, Johannes und Maria, die in ihrer kompakten Gestaltung den Lanzenstoß des Longinus und seine kleine Schrittbewegung dämpft. Ihnen gegenüber stehen Stephaton und der Gute Hauptmann. Die beiden Spieße, der des Longinus und der des Stephaton, heben ihre Dynamik gegeneinander auf. Es scheint fast, dass Longinus Stoß der Beugung des Leibes Christi entgegenwirkt. Die nach Gombrich274 piktographisch zu nennende Gestaltung nach dem Schema Subjekt (Christus) - Prädikat (betet) - Objekt (zu Gottvater) charakterisiert das Bild 274 GOMBRICH 1984, S. 89. 88 Christus am Ölberg. Im zweiten Bild, Christi Gefangennahme, erfährt dieses Schema jedoch eine Verschränkung. Obwohl Christus (Subjekt) Malchus (Objekt) heilt (Prädikat), wird er gleichzeitig zum Objekt der Ergreifung durch den Soldaten (Subjekt). Damit ist der Auftakt für die folgenden drei Szenen geschaffen, in denen Christus als Objekt im Mittelpunkt der Erzählungen steht. Auffällig am gesamten Passionszyklus ist, dass die Szenen, in denen Christus selbst agiert (Beten am Ölberg, Heilung des Malchus, Tragen des Kreuzes), durch eine dynamische Linie in der Komposition lebendig werden. Dazu darf man sicherlich auch das Bild der Gefangennahme zählen, denn der über den Zaun steigende Schächer zeigt eine Aufwärtsbewegung an, die vielleicht in der rechten Bildhälfte aufgenommen und beantwortet wurde. Schließlich ist auch die Heilung des Malchus ein aktives Moment. In den anderen Bildern, die von einer ausgewogenen, symmetrischen Komposition mit eher statischer Grundhaltung geprägt sind, läßt Christus passiv die Peinigungen über sich ergehen. Von der Gestaltung des Zyklus durch diese beiden Kompositionsformen bildet die Kreuzigung in bestimmter Hinsicht eine Ausnahme. In diesem Bild steht der äußerlichen Passivität und der ausgewogen-symmetrischen Komposition innerlich/inhaltlich die hochbedeutende heilsgeschichtliche Wirkung gegenüber: Obwohl Christus scheinbar einer Aktion unfähig am Kreuz hängt, bewirkt er doch dadurch die Vergebung der Sünden der Menschen. Diese Aussage steht als Resultat am End- und Zielpunkt des Passionszyklus. 3.2.2 Die Zyprianslegende im unteren Register an der Nordwand Die Legende erzählt von dem Magier Zyprian, der von einem Jüngling namens Aglaides gebeten wurde, ihm die christliche Jungfrau Justina gefügig zu machen. Der Magier rief deshalb nacheinander seine ihm willfährigen Dämonen zu sich und befahl ihnen, die Jungfrau zu ihm zu bringen. Doch alle Versuche und Listen der Dämonen versagten gegenüber dem Glauben der Jungfrau. Sogar in Frauengestalt versuchte der Dämon Justina zu bezirzen, doch scheiterte er auch damit. Von Zyprian, der sich inzwischen selbst in die Jungfrau verliebt hatte, gefragt, woran seine Unfähigkeit liege, erzählte der Dämon dem Magier von dem Kreuzeszeichen und seiner Wirkung. Aus Angst vor Bestrafung durch Zyprian erschien der Dämon das nächste Mal selbst in Gestalt Justinas bei dem Magier und spielte ihm Verliebtheit vor. Zyprian nannte vor Freude den Namen der Justina worauf jedoch der Dämon seine Macht verlor und sich verflüchtigte. Durch dieses Erlebnis bekehrt, 89 ließ Zyprian sich taufen und verbrannte seine Zauberbücher. Er wurde Presbyter und später zum Bischof von Antiochien geweiht. Zusammen mit Justina, die er zur Vorsteherin eines Klosters gemacht hatte, wurde er von Diokletian wegen seines Glaubens gefangen und in einen Kessel voll siedendem Pech geworfen. Da die beiden dadurch keinen Schaden erlitten, trat der Statthalter näher an den Kessel, um sich dieses Wunder anzusehen. Dabei griffen die Flammen auf ihn über, und er verbrannte. Schließlich sind Justina und Zyprian nach Nikomedien gebracht worden, wo sie 304275 den Märtyrertod durch Enthauptung starben. Die dargelegte Geschichte wurde aus drei unabhängigen Legendentexten mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammengefügt. Auch über die Authentizität der beiden Heiligen ist man sich bis heute nicht im Klaren.276 Auf Grund dieser Problematiken bespreche ich die Textquellen und die Geschichte des Kultes von Zyprian und Justina in einem gesonderten Abschnitt. 3.2.2.1 Die Einzelbilder: Beschreibung und Ikonographie Der Versuch, die hl. Jungfrau Justina zu verführen (Abb. 67): Am linken Bildrand ist durch den Gewölbeeinbau eine große Fehlstelle entstanden. Die Bildfläche ist übersät mit Hackspuren. Im ersten Bild des Zyklus standen sich an den seitlichen Rändern zwei gleichgestaltete Baldachinarchitekturen gegenüber. Die Rückwand ist mit einer Art Flechtwerk bespannt. Das linke Gehäuse ist heute zum großen Teil zerstört, auch von der Figur, die darunter stand, ist nichts mehr zu sehen. Rechts tritt eine Frau durch eine Türe unter den Baldachin, die durch eine Inschrift, „... stina“, im Bogen über ihr als Justina benannt ist. Mit der rechten erhobenen Hand macht sie das Kreuzeszeichen gegen die modisch gekleidete Frau, die links vor ihr steht und sich ihr zuwendet. Während diese versucht, Justina an der Ärmelschleppe mit sich zu ziehen, hält sie sich abwehrend die Hand gegen Justinas Kreuzeszeichen vor´s Gesicht. Wer unter dem linken Baldachin stand, ist heute nicht mehr auszumachen. Davor steht die gleiche Figur wie rechts vor Justina, hier jedoch nach links gewendet. Über ihr schwebt eine Frau mit Fledermausflügeln, die ein ähnliches Kleid wie Justina trägt. Die Arme hält sie, mit der Rechten die Fica zeigend, zur Seite gestreckt. 275 276 Datum nach KAFTAL 1978, Sp. 248. Auf die literarischen Grundlagen der Legende und ihre Rezeption gehe ich in Kap. 3.2.2.3 näher ein. 90 Die Identifikation dieser Szene, speziell über die verlorengegangene Figur unter dem linken Baldachin, ist in der Literatur nicht geklärt. Morassi277 rekonstruierte wie selbstverständlich unter dem linken Baldachin ebenfalls Justina, ohne dabei auf die Funktion der anderen Figuren einzugehen bzw. die Situationen zu benennen. Aber gerade an Hand der gezeigten Figuren läßt sich meiner Meinung nach die Szene genau definieren. Mehrmals gab Zyprian Dämonen den Auftrag, Justina zu verführen, was diesen in keinem Fall gelang.278 So ist mit den beiden gleichgestalteten Dämon-Frauen der Versuch der Verführung gezeigt, in dem der als Frau verkleidete Teufel Justina mit der Auslegung des Auftrags Gottes „seid fruchtbar und mehret Euch“ als Pflicht für einen wahren Gläubigen zu einem ausschweifenden Leben überreden will.279 Links ist demnach der von Zyprian den Auftrag entgegennehmende Teufel gemeint und rechts die Ausführung der Instruktion. Unter den linken Baldachin ist also die Figur des Magiers Zyprian zu rekonstruieren. Ursprünglich war die Figur darunter wohl auch mit einem Schriftzug über dem Bogen bezeichnet. Nach der Legende willigte Justina auch fast ein, bevor sie den Schwindel durchschaute und sich durch das Kreuzeszeichen rettete, wie unter dem rechten Baldachin gezeigt. Die in der linken Hälfte mit Fledermausflügeln davonfliegende Frau zeigt schließlich den mißlungenen Versuch des Teufels, Zyprian selbst in Gestalt der Justina zu täuschen, da er von der unbesiegbaren Macht Justinas wußte.280 Das Entschwinden des Dämons nach der Nennung des Namen Justinas war für Zyprian das Schlüsselerlebnis, in dem er erkannte, dass es eine Autorität gibt, die stärker als alle Dämonen und Zaubereien ist. An der engsten Stelle der trichterförmigen 277 278 279 280 MORASSI o.J., S. 199. Der Legende nach wandte sich der Jüngling Aglaidas an Zyprian, dass dieser ihm behilflich sei, Justina gefügig zu machen. „Also verwandelte sich der Teufel in einer Jungfrauen Bild und kam zu Justinen und sprach zu ihr Siehe, ich bin zu dir gekommen, dass ich mit dir in Keuschheit lebe. Doch sage mir, was soll unser Lohn sein für unsre Arbeit? ... Was meinte Gott, da er sprach: seid fruchtbar und mehret euch, auf dass euer viele werden auf Erden? Ich fürchte, liebe Gesellin, dass wir Gottes Wort übertreten, so wir jungfräulich bleiben und werden als Verächter des Worts und Ungehorsame in schwere Verdammnis kommen ...“; BENZ 1979, S. 734. „Als der Teufel sah, dass dies alles nicht verfing, nahm er Justinen Gestalt an, dass er doch ihren Ruf schände, und wollte also Cyprianum täuschen und sich rühmen, dass er ihm Justina hätte gebracht. Und wandelte zu Cypriano in Sanct Justinen Gestalt, und wollte ihn küssen, als brännte sie in Liebe zu ihm. Cyprianus glaubte, dass es Justina sei, und sprach mit großen Freuden, Sei willkommen, Justina, du schönste aller Frauen! Aber kaum hatte Cyprianus den Namen Justina ausgesprochen, so verschwand der Reufel als ein Rauch, denn er mochte den Namen nicht ertragen.“ BENZ 1979, S. 735. 91 Raumkulisse fliegt der Dämon davon, der seine Herrschaft in diesem Moment verloren hat bzw. durch den bekehrten Zyprian entmachtet wurde.281 Im Dom von Spoleto sind in der Ex-Cappella S. Anna noch Fragmente eines Zyprianszyklus aus dem 15. Jahrhundert erhalten. Dort ist der Magier ebenfalls unter einer Torachitektur stehend gezeigt (Abb. 74).282 Nach links gewendet hat er die rechte Hand zu einer Geste erhoben, die jedoch nicht mehr sicher zu identifizieren ist.283 Wenn es auch eine kompaktere Architektur ist, so ist doch die dem Sarntheiner Bild vergleichbare Anordnung der Figur unter einer einzelnen Bogenstellung bemerkenswert. Die Taufe Zyprians (Abb. 68): Das zweite Bildfeld ist in seiner rechten Hälfte völlig zerstört. In der linken Hälfte sieht man Justina mit zwei Gefährtinnen, wie sie der Taufe des Zyprian beiwohnen.284 Justinas Kopf ist von einem Heiligenschein hinterfangen, darüber ist die Inschrift „s iustina“ zu lesen. Zwischen Justinas Kopf und dem ihrer direkten Begleiterin ist noch schwach ein dritter auszumachen. Von Zyprian sieht man nur noch ein Fragment, wie er nackt in einem großen Bottich sitzt. Zu erkennen ist außerdem ein Teil seines Nimbus sowie die Inschrift „s ciprian“. Ein männlicher Begleiter der Justina, der hinter dem Taufbecken steht und mit einem grünen Mantel und Kapuze bekleidet ist, hält vor sich ein rotes Gewand, wohl das des Zyprian. Die Szene wird von einer einfachen Architektur mit flacher Holzkassettendecke überfangen. Am linken und oberen Bildrand und durch die zwei Biforienfenster im Hintergrund sieht man eine einheitlich dunkle Hintergrundfolie. Die Szene ist nach der im Abendland typischen Form gegeben, in der der Täufling mit nacktem Oberkörper über den Rand eines Taufbeckens ragt.285 Die Taufe des Zyprian ist auch in Spoleto dargestellt gewesen.286 Dort findet sie in einer dreischiffigen Kirchenarchitektur statt. Links kniete Zyprian mit geneigtem 281 282 283 284 285 Auf einem Reliquienkasten (um 1000) der Städtischen Kunsthandwerksammlung in Mailand, ist dieses Ereignis ebenfalls gezeigt. Dort sitzt Justina auf einem aufwendigen, thronartigen Sessel, einer Maestà gleich, und deutet mit der linken Hand auf den Teufel in Frauengestalt neben dem Thron, der sie zu verführen versuchte. Die Szene ist nicht in eine Architektur eingebunden. An den Seiten und oben wird sie lediglich durch punzierte Leisten gerahmt, über Justina ist ein Tuch um die Stange gewickelt. ZASTROW 1973, S. 51, Fig. 2. Dem Reliquienkasten widme ich einen Exkurs, siehe Kap. 3.2.2.4. Datierung nach KAFTAL 1986, Sp. 332. Es könnte sich um die Situation handeln, in der Zyprian selbst das Kreuzeszeichen gegen den Dämon anwendete, da er zum einen dessen Unzulänglichkeit und zum anderen die Macht des Kreuzes erkannt hat. BENZ 1979, S. 736. Vgl. LCI, Bd. IV, Sp. 244-247. Ein Beispiel ist die Taufe Konstantins durch Papst Silvester von Maso di Banco in der Cappella Bardi di Vernio in S. Croce, Florenz, von 1335-45. 92 Kopf vor einem Bischof, der gerade aus einem kleinen Krug Wasser über das Haupt des Heiligen schüttet. Ein Becken, in dem Zyprian sitzt, ist nicht zu erkennen. Hinter dem Bischof stehen zwei Diakone. Auch hinter Zyprian befand sich wohl eine Figur, doch ist das Fresko in diesem Bereich besonders schwer zerstört. Zyprian wird zum Bischof von Antiochia geweiht (Abb. 69): Am unteren Bildrand zieht sich quer über das ganze Bild eine große Fehlstelle, darüber sind starke Abreibungen festzustellen. Das dritte Bild des Zyklus zeigt die Bischofsweihe des Zyprian,287 der mit Heiligenschein und der Inschrift „s ciprian“ darüber vor den anderen beteiligten Geistlichen ausgezeichnet ist. In der Bildmitte kniet der Heilige, der bereits einen Bischofsstab hält, nach rechts gewendet vor einem zweiten Bischof. Dieser hat in der Rechten einen Weihwasserwedel, mit der Linken hält er seinen Bischofsstab an seine linke Schulter gelehnt. Hinter Zyprian stehend assistiert ein dritter Geistlicher.288 Am linken Bildrand knien Justina und eine Gefährtin, eine dritte Frau steht. Am rechten Bildrand sind einige Männer und Knaben (Chorknaben) um ein Lesepult versammelt, hinter dem man eine Chorschranke sieht. Auf dem hölzernen Pult liegen zum Betrachter hin eine Schrifttafel und zu den Sängern hin ein großes Buch, in dem der Mann mit fehbesetzter Kapuze auf dem Kopf blättert. Die ganze Szene wird von einer symmetrischen Architekturkulisse hinterfangen, die sich an einer Dreikonchenchoranlage orientiert. Die Konstruktion der seitlichen Wände und der Anschluß der Apsiden widersprechen allerdings den Gesetzen gebauter Architektur, sie zeigen vielmehr die Vorstellungen eines Malers. Im Zentrum, hinter Zyprian und dem Bischof, steht als Retabel ein Polyptychon. Nur noch schwach zu sehen sind ein aufgeschlagenes Buch auf der Mensa und Andeutungen von Figuren in den einzelnen Segmenten des Retabels. Über Zyprians Kopf und rechts von Justinas Kopf kann man noch Schriftzeichen erkennen, die wohl wieder deren Namenszug wiedergegeben haben. Die Szene ist im Hinblick auf die Anordnung der Figuren den Bildern der Bischofsweihe von St. Vigil und St. Johann im Dorf sehr ähnlich. In St. Vigil ist vorallem die Dreiergruppe der Bischöfe vergleichbar gestaltet, in St. Johann ist die Gruppe der Chorsänger nahezu identisch mit St. Zyprian. 286 287 288 Abb. bei KAFTAL 1986, Sp. 334. BENZ 1979, S. 736. Für die Darstellung der Bischofweihe gilt dasselbe, was ich für die Weihe des hl. Vigilius in Anm. 104 zitiert habe. 93 Zyprian bringt Justina als Äbtissin in ein Kloster (Abb. 70): Bei diesem Bildfeld ist der Gewölbedienst genau über die Mitte des Bildfeldes gelegt, so dass nur noch marginale Details der Szene zu sehen sind. Links erkennt man noch einige Frauen, die den Zug der hl. Justina ins Kloster begleiten,289 darüber die Fransen einer Fahne. Rechts sind noch der Chor und das letzte Joch eines basilikalen Kirchenbaues von außen zu erkennen. Hinter einem der zweibahnigen, spitzbogigen Fenster ist der Kopf einer Frau mit einem dunklen Schleier wahrzunehmen. Die Architektur ist sehr detailliert wiedergegeben. Darüber erhebt sich das flache Dach des Seitenschiffes, das vom Dach des höheren Mittelschiffs überragt wird. Der Chor wird von einer einfachen halben Kuppelschale überwölbt. Über den Figuren und der Architektur zeigt sich wieder der einheitlich dunkle Hintergrund. Das Martyrium der hll. Zyprian und Justina (Abb. 71): Am unteren Rand ist etwa ein Viertel des Bildes zerstört. Sonst sind große Abschürfungen zu erkennen. Die Fehlstelle am unteren Rand verläuft so, dass das Hauptgeschehen davon unbetroffen ist. Das heute letzte Bild des Zyklus zeigt das Martyrium der beiden Heiligen.290 Zyprian und Justina sitzen nackt, die Hände betend gefaltet, in einem Kessel. Unter diesem ist brennendes Feuerholz aufgeschichtet. Links und rechts wohnen unter aufwendigen, baldachinähnlichen Architekturen Zuschauer der Szene bei. Links steht unter der seitlichen spitzbogigen Öffnung der Statthalter. Abwehrend hält er sich die rechte Hand vor´s Gesicht, das er vom Geschehen abwendet. Neben ihm drängen sich noch ein feister Glatzkopf, der ebenfalls angewiedert den Kopf wegdreht, und neben diesem ein Mann, der sich den in den Mantel geschlungenen Arm schützend vor´s Gesicht hält. Unter der rechten Architektur steht ein Paar. Am Boden kauern links und rechts je ein Scherge und schüren das Feuer nach. Beide halten eine Hand schützend gegen die Hitze vor die Stirn, während sie mit der anderen Holz nachlegen. Über dem Kessel, der an einer zwischen die beiden Bauten gespannten Stange hängt, schwebt ein Engel mit segnender Geste über den beiden Märtyrern. Die Architekturen sind sehr filigran und detailreich wiedergegeben.291 289 290 291 BENZ 1979, S. 736. BENZ 1979, S. 736. Auf dem Reliquienkasten aus den Civiche Raccolte d'Arte in Milano ist die Szene des Martyriums sehr ähnlich dargestellt. Auffallend ist die absolut symmetrische Gestaltung mit den beiden torbogenartigen Architekturen links und rechts, unter denen zwei Schächer stehen, um das Feuer unter dem Kessel anzuschüren. Die beiden anderen noch erhaltenen Zyprianslegenden zeigen das Kochen im siedenden Pech entweder gar nicht (Creto, St. Justina) oder in 94 Die verlorenen Bildfelder: Von den beiden letzten Bildfeldern ist nichts mehr erhalten. Der Legende nach würden sich das Übergreifen der Flammen auf den Statthalter und die Enthauptung der Heiligen als Bildthemen anschließen.292 Letzteres ist in der Ex-Cappella di S. Anna im Dom von Spoleto gezeigt.293 Ein Scherge steckt dort gerade sein Schwert zurück in die Scheide. Links von ihm ist noch die betende Figur Justinas oder Zyprians ohne Kopf zu sehen. Die Köpfe beider Heiliger liegen am Boden. Nur der Justinas ist noch zu erkennen, von dem anderen sind lediglichÜberreste eines stukkierten Nimbus auszumachen. 3.2.2.2 Erzählstruktur des Zyprianszyklus Auch im Zyprianszyklus des unteren Registers ist der strenge, symmetrische Aufbau der Bilder wie im oberen Register anzutreffen. Bild für Bild sind hier die Szenen der einzelnen Ereignisse der Legende aneinandergereiht. Eine Simultandarstellung der Vorgeschichte der Heiligen bildet den Auftakt in die Legende. Sie dient dazu, die Protagonisten vorzustellen. Nach meiner Rekonstruktion läßt sich die Szene als ein kausal bedingtes Ereignis lesen: Der Teufel mußte vor Zyprian seine Unzulänglichkeit gestehen und sein Schwindel "flog auf", weil die christliche Jungfrau seinen Verlockungen im Zeichen des Kreuzes widerstand. Den Höhepunkt bezeichnet die inhaltliche Aussage, dass die teuflischen Trugbilder dem christlichen Glauben nicht gewachsen sind. Die beiden Protagonisten standen unter nahezu gleichgestalteten Baldachinen, die sie rahmten, aber auch auszeichneten. In den zum Betrachter gestellten Rundbögen waren die Namen der beiden Hauptfiguren eingeschrieben. Die Kennzeichnung durch den Namenszug über den Nimben ist durchgehend im gesamten Zyklus zu beobachten. Lediglich in den letzten beiden erhaltenen Bildern ist diese Praxis nicht mehr zu erkennen. Der symmetrische Aufbau der folgenden Bilder ist leider nur mehr in der Bischofsweihe und dem Martyrium der beiden Heiligen zu verifizieren. Im Bild der Taufe des Zyprian ist sie ziemlich sicher anzunehmen, da der Täufling genau in der Bildmitte plaziert gewesen ist, was die nachträglich hinzugefügten Konsolen in den 292 293 zweiteiliger Form, links der Kessel mit den beiden Heiligen, rechts der König und die Schergen (Spoleto, Duomo, Ex-cappella di S. Anna). Während die „Legenda Aurea“ nur von der Enthauptung berichtet (siehe BENZ 1979, S. 737), erzählt die Legendenversion in den Acta Sanctorum von beiden Ereignissen (siehe ASS VII 1760, S. 246). Abb. bei KAFTAL 1986, Sp. 335-336. 95 waagerechten Schmuckbändern verdeutlichen. Die Hintergrundarchitektur in den erhaltenen Bildfeldern unterstützt jeweils diesen Bildaufbau. Die Bischofsweihe erhält ihre Auszeichnung durch eine dreiachsige Architekturkulisse, die den Chor einer Kirche vorstellt. Unter dem Triumphbogen findet die Handlung statt. Einleitende Figurengruppen, zu denen Justina gehört, führen in die Szenen ein. Ihnen steht wiederum eine Gruppe von Menschen gegenüber, um den Betrachter im Bild zu halten. Der große Kessel, in dem die beiden Heiligen gemartert werden, ist zwischen zwei ähnlich gestaltete Baldachinarchitekturen eingespannt, wie sie bereits im ersten Bild zu sehen waren. Interessant ist hier, dass Zyprian und Justina, die im ersten Bild links bzw. rechts sich unter den Baldachinen gegenüberstanden, nun zusammen in der Mitte, im Kessel sitzen, während unter den begleitenden Architekturen ihre Peiniger stehen. Wie die Taufe Zyprians und das Bild Zyprian bringt Justina als Äbtissin ins Klosster im einzelnen gestaltet waren, ist nicht mehr zu erkennen. Doch läßt sich feststellen, dass hier die Symmetrie zumindest hinsichtlich der Architektur nicht in gleichem Maße gewahrt war. Was die Figuren betrifft, könnten in der rechten Bildhälfte ebenfalls Leute gezeigt gewesen sein, die dem Ereignis beiwohnten und ausgleichend auf der rechten Seite wirkten. Der Akt der Taufe würde dann die Bildmitte einnehmen. Im vierten Bild, in dem Zyprian Justina ins Kloster bringt, ist an den erhaltenen Resten ersichtlich, dass ein symmetrischer Aufbau der Szene hinsichtlich der Architektur sowie der Personen ausgeschlossen werden kann, da bereits das Fragment des Kirchenbaus nahezu die Hälfte des Bildes einnahm. Dennoch könnten Justina und Zyprian in der Bildmitte plaziert gewesen sein. Entsprechend den vorhergehenden Bildern wäre Justina von links kommend zu denken, während Zyprian sie am Kirchenportal empfinge, wobei die beiden wieder die Mitte der Szene bilden würden. Trotzdem stellt der Zug Justinas mit ihren Begleiterinnen nach rechts eine gerichtete Bewegung dar. Im ganzen Zyklus ist demnach ein rhythmischer Wechsel von symmetrischer und asymmetrischer Komposition zu verzeichnen, bei denen die beiden Heiligen jedoch immer das Zentrum bilden. 96 3.2.2.3 Die Legende der hll. Zyprian und Justina und das Zyprians-Patrozinium Die Legende der hll. Zyprian und Justina gründet auf drei verschiedenen literarischen Quellen.294 Diese drei Schriften, „Conversio“, „Confessio“ und „Martyrium“, hat Kaiserin Eudokia II., Gattin Theodosius II., in der Mitte des 5. Jahrhunderts in drei Büchern zusammengefaßt und bearbeitet. In dieser Aufteilung ist die Legende auch in den 1760 verfaßten Acta Sanctorum niedergeschrieben. Wie Reitzenstein in einer ausführlichen Untersuchung herausgearbeitet hat, ist die Legende jedoch reine Dichtung und hat mehrere Entwicklungsstufen durchlaufen.295 Die Figuren des Magiers und der Jungfrau sind rein literarische Figuren. Alle drei Schriften sind unabhängig voneinander, da keine die andere zum Verständnis voraussetzt bzw. kein enger Zusammenhang zwischen ihnen besteht.296 Verwirrungen gab es immer durch die Namensgleichheit des Magiers mit Cyprian von Karthago. Dies wurde einer Verwechslung bei Gregor von Nazianz zugeschrieben, der in einer Predigt anläßlich eines Gedächtnistages Cyprians von Karthago im September 379 Berichte über die Jugend und die letzten Jahre unter der Verfolgung Decius, die wirklich auf den Kirchenlehrer zu beziehen sind, mit einer Erzählung von der Bekehrung des Magiers durch eine fromme Jungfrau Justina verschmolzen hat.297 Bei Eudokia ist dagegen von Zyprian, einem Bischof in Antiochia die Rede. Auch in den Berichten über das Martyrium der beiden Heiligen kommt es zu Assimilierungen: Kaiser Decius ließ Zyprian und Justina, die durch das 294 295 296 297 Erstens: „Conversio S. Justina virginis & S. Cypriani episcopi“; zweitens: „Confessio seu Poenitentia S. Cypriani“; drittens: „Martyrium Sanctorum martyrum Cypriani & Justina“. REITZENSTEIN 1918, S. 38. Die umfangreiche Untersuchung an dieser Stelle zu referieren, würde von der eigentlichen Fragestellung zu weit abführen. Handschriftliche Überlieferungen der Legende entstanden in den verschiedensten Sprachen. Siehe dazu ebda., S. 40. Über die genauen stilistischen Formen der drei Legenden berichtet REITZENSTEIN 1918, S. 42 ff., sehr ausführlich. Hieraus kann er auch ableiten, dass die drei Teile von verschiedenen Autoren stammen und zu verschiedenen Zeiten entstanden sein müssen. Vgl. REITZENSTEIN 1918, S. 41. Durch Rückverfolgen der Texte meinen jedoch KRESTAN / HERMANN 1957, Sp. 472-474, festmachen zu können, dass der Magier Zyprian doch identisch mit Cyprian von Karthago ist: „Bezeichnend für die Art der Legendenbildung ist es, dass in der Predigt Gregors (v. Naz.) der Inhalt der Bekehrung und der Buße mit der Geschichte des Bischofs von Karthago verbunden wird.“ Nach REITZENSTEIN 1918, S. 41, war Gregor 379 das Martyrium noch nicht bekannt. Das läßt drei Schlüsse zu: Erstens, sie wurde erst später niedergeschrieben oder, zweitens, erst später erfunden; diese Möglichkeiten diskutierte auch REITZENSTEIN 1918, S. 43. Oder, drittens, KRESTAN / HERMANN 1957, Sp. 472, haben Recht mit der Gleichsetzung der beiden Heiligen. Die Verwechslungen der Jungfrau Justina mit der Justina von Padua sind dagegen noch nicht derartig aufgearbeitet. Die Möglichkeit ihrer identischen Person wird allerdings benannt, jedoch ist m.W. noch kein Versuch unternommen worden, dieser Frage nachzugehen. 97 siedende Pech, die Folter des Statthalters, nicht zu Tode gekommen sind, zu sich rufen und befahl schließlich, sie zu enthaupten. Zwei Geschichten über Cyprian von Karthago seien hier verschmolzen, die eine von Theodoret, die andere aus einem jakobitisch-arabischen Synaxar.298 Große Abweichungen bestehen in den Urtexten zum Beispiel bei der Nennung des Kaisers, unter dessen Regierung das Martyrium stattfand. In der Literatur bestehen weiterhin Differenzen bezüglich der Identifikation der beiden Heiligen Zyprian und Justina mit historischen Personen, wobei manche Forscher sogar deren wirkliche Existenz bezweifeln.299 Die Geschichte, wie sie in der „Legenda Aurea“ des Jakobus de Voragine zu lesen ist, kombiniert die drei einzelnen Quellentexte zu einer Erzählung. Ihr Titel lautet: „von Sanct Justina der Jungfrau“.300 Beschrieben wird die Geschichte der Jungfrau, ihr Zusammentreffen mit dem Magier und dessen Bekehrung.301 Die Tendenz der Dichtung und ihre didaktische Aussage ist klar. An Zauberei glaubte im Mittelalter der Heide wie der Christ. Doch dem Christen kann der heidnische Zauber nichts anhaben, wie die Unwirksamkeit des Liebeszaubers gegenüber Justina beweist.302 In der Legende ist jedoch nicht die Tatsache wichtig, dass dämonische Zauberkräfte eingesetzt werden, aber versagen, sondern der Aspekt, dass der Magier, der sich den Dämonen verschrieben hatte, durch eine christliche Jungfrau bekehrt wurde. Diese Thematik bildete die Grundlage für viele spätere Erzählungen. Eines der bedeutensten Werke, das diesen Stoff verarbeitet, ist Goethes Faust. Die Verehrung der Heiligen im Westen begann mit der Überführung der Leichname Zyprians, Justinas und Theoktists nach Rom. Seeleute hätten die unbestatteten Leiber der Toten mitgenommen.303 In Rom hätte schließlich eine „pia matrona chiamata Rufina, delle famiglia di Claudio“304 die sterblichen Reste der Drei gesammelt. Die 298 299 300 301 302 303 304 Im einzelnen nachzulesen sind diese Aspekte bei REITZENSTEIN 1918, S. 43. Siehe ZASTROW 1973, S. 53. Siehe BENZ 1979, S. 732. Auch im Märterbuch von Klosterneuburg ist eine Legende des hl. Zyprian verzeichnet. Doch hat ihr Text nichts mit der Legende der Acta Sanctorum oder der „Legenda Aurea“ gemein. Der Inhalt dieser Geschichte ist ein Disput Zyprians mit dem Richter Patrinus, der von ihm wissen wollte, wo sich andere Christen aufhielten. Schließlich schickte er ihn nach Curbitann und zwang ihn zu opfern, wogegen sich der Heilige widersetzte. Daraufhin ließ der Richter den heiligen Bischof enthaupten. Nach GIERACH 1928, S. XXXV, muß das Märterbuch allerdings nach dem Erscheinen der „Legenda Aurea“ verfaßt worden sein. Wie es zu der Diskrepanz der Inhalte der Erzählung kommt ,ist für mich nicht erklärbar. REITZENSTEIN 1918, S. 49; KRESTAN / HERMANN 1957, Sp. 471. CAVALLIERI 1935, S. 337. Ebda. 98 Unterlagen der Eudokia nennen als Bestattungsort der beiden Heiligen „... ναοσ εγγιζων τωι φορωι Κλαυδιου ...“ (einen Tempel nahe der Foren des Claudius)305. Das dort genannte „Κλαυδιου φοροσ“ identifizierte Cavallieri mit dem „... templum divi Claudii, erretto in cima al monte Celio“.306 In dessen Nähe steht heute die Kirche SS. Giovanni e Paolo, die von einem gewissen Pammachius über dem Haus zweier Märtyrerbrüder errichtet wurde. In diesem Haus existierte eine Confessio mit noch heute zum Teil erhaltenen Fresken, die Pammachius aus Ehrfurcht als Substruktion der neuen Basilika erhalten ließ. Cavallieri entwickelte daraus die Annahme, dass die „... tre personaggi, due uomini e una donna, [che] muovono verso destra, seguiti da due custodiae pileate ...“307, die in den Wandmalereien des 4. Jahrhunderts erhalten sind, mit Justina, Zyprian und Theoktist gleichzusetzen sind (Abb. 73).308 In diesem Falle wären dies die ältesten bildlichen Zeugnisse der hll. Zyprian und Justina.309 Bei seinen Recherchen zu einem Reliquienkasten der hll. Justina und Zyprian, auf den ich noch zu sprechen komme, richtete sich Zastrow310 nach den Aufzeichnungen in der Patrologia Graeca, in der die Schriften der Eudokia niedergelegt sind. Im Gegensatz zu Cavallieri war Zastrow der Ansicht, Rufina selbst habe die Kirche auf dem Gebiet des Forum Claudio erbauen lassen: „I Corpi vennero portati a Roma per il volere di una matrona, certa Rufina, che avrebbe fatto edificare in loro onore una basilica presso il Foro Claudio.“311 Es scheint mir jedoch nicht fruchtbar, dieser Fährte nachzugehen. In dem Kapitel „Gloria Posthuma“ der Acta Sanctorum312 ist die „translatio & depositio romae“ erzählt, wobei von einer Depositio von Reliquien in die Lateransbasi305 306 307 308 309 310 311 312 Zitiert nach CAVALLIERI 1935, S. 388. Mit Vergleichen der schriftlichen Quellen versuchte der Autor, den wahren Bestattungsort der Heiligen herauszuarbeiten. In seiner Arbeit wird deutlich, welche verbalen Unterschiede in den einzelnen Codices bestehen und so den Sinn bzw. die Zusammenhänge völlig unklar erscheinen lassen. „... Tempel des göttlichen Claudius, auf der Spitze des Berges Celio errichtet.“ CAVALLIERI 1935, S. 338. „... drei Personen, zwei Männer und eine Frau, die nach rechts laufen, begleitet von zwei bewaffneten Soldaten.“ CAVALLIERI 1935, S. 342. Gegenüber befindet sich schließlich die Darstellung einer Enthauptung dreier kniender Figuren. Konsequenterweise müsste man darin das Martyrium der drei Heiligen sehen. Welche Rolle Teoktist in der Legende spielt bzw. wer das überhaupt ist, wird nicht genauer ausgeführt. ZASTROW 1973, S. 45-73. „Die Körper wurden auf Wunsch einer Matrone, dieser Rufina, nach Rom gebracht, wo ihnen zu Ehren eine Basilika nahe dem Forum Claudio gebaut wurde.“ ZASTROW 1973, S. 54. Der Gedenktag der beiden Heiligen war zuerst der 14. September (= Todestag des afrikanischen Kirchenvaters, später auf 16. September verlegt. In der griechischen Kirche 2. bzw. 4. Oktober). In der römischen Kirche wird Justinas und Zyprians Festtag, vielleicht aus Anlaß einer Reliquiendeposition, am 26. September gefeiert. ASS VII, 1760, S. 246. 99 lika die Rede ist. Tatsächlich ist im Baptisterium eine „Cappella di S. Rufina, o dei Ss. Cipriano e Giustino [sic!]“ benannt.313 An diesem Punkt setzte wohl eine Verwechslung bzw. Konnotation verschiedener Ausgangssituationen ein, welche die hl. Rufina im Lateran mit der legendären Matrone Rufina gleichgesetzt hat. Laut Bischof Siegfried von Piacenza fand noch vor 1000 n. Chr. eine Translatio der Gebeine von Rom nach Piacenza statt, wo sich eine lokale Verehrung anknüpfte. Hierfür gibt es auch einen Beleg in einem Visitationsprotokoll aus dem Jahre 1568: „Et subinde recedens a dicta sacristia accessit in tiburiis praedictae ecclesiae et ibidem visitavit sanctissima corpora Sanctae Justinae et sanctorum Cipriani, Thimotei, Candidae et Paulinae quae conservantur in quadam capsia plombea seu enea sub altare appellatum Sanctae Justinae pariter reverentur et ea qua decuit et decet reverentia ...“314 Bischof Seufredo transferierte 885 den Sitz der außerhalb der Stadt gelegenen Kathedrale von St. Antonio, deren Stellung immer unsicherer wurde, in die Stadt Piacenza und weihte ihn der hl. Justina.315 Dies ist auch in mehreren Urkunden nachzuprüfen.316 Rossi317 wies jedoch nach, dass die Kathedrale nicht zu Ehren der Justina errichtet wurde, sondern den Titel „S. Giovanni de Domo“ erhielt. Die Reliquien der Justina wurden also nach S. Giovanni gebracht und ihr wurde dort ein Altar errichtet, der nach Rossi, zu einer liturgischen Station wurde: „Statio ad corpus beate Justine: Cod. 65 dell'Archivio Capitolare al fol. 182 v.“318 Sicher ist, dass die hl. Justina und ihr Kult in Piacenza eine große Bedeutung hatten, denn, wie Rossi bemerkt: „... il culto di S. Gustina nella Basilica di S. Giovanni aveve preso un'importanza notevole da far quasi dimenticare S. Giovanni cui la Basilica era di fatto dedicata.“319 Interessanterweise taucht bei allen Nennungen der heiligen Jungfrau nie der Name ihres Begleiters, des hl. Zyprians, auf. Ein Leinwandgemälde des 16. Jahrhunderts, das in einem Saal des Bischofspalastes aufbewahrt wird, zeigt allerdings S. Lucia mit den Heiligen Zyprian und Justina. 313 314 315 316 317 318 319 Vgl. TCI 1977, S. 381 und KRESTAN / HERMANN 1957, Sp. 474. Wann die Reliquien von Justina und Zyprian dorthin verbracht sein sollen, ist nicht zu eruieren gewesen. Die heilige Rufina wurde zusammen mit ihrer Schwester Secunda in der Mitte des 3. Jh. nach grausamem Martyrium enthauptet. Mitte des 12. Jh. wurden ihre sterblichen Überreste ins Lateransbaptisterium transloziert. Siehe LCI, Bd. VIII, Sp. 290. Das Martyrium der beiden römischen Schwestern spricht gegen eine Verbindung dieser Rufina mit den hll. Zyprian und Justina, die ja der Legende nach erst zu Beginn des 4. Jh. den Märtyrertod starben. MOLINARI 1975, S 195. SIBONI 1975, S. 14. „... nei vari diplomi imperiali o regi la Cattedrale vienne indicata con i titoli dei Santi Antonio, Vittore e Giustina.“ SIBONI 1975, S. 14. ROSSI 1975, S. 73-93. Zitiert nach ROSSI 1975, S. 81. ROSSI 1975, S. 81. 100 Über einer der nördlichen Langhausarkaden des Piacentiner Domes ist ein Keilstein-Relief zu sehen, das eine weibliche Heilige und neben ihr eine kleinere Teufelsfigur zeigt.320 Die Heilige hat die linke Hand in Abwehrhaltung vor der Brust, die rechte im Zeigegestus erhoben. Es ist hier offensichtlich die hl. Justina von Nikomedien gemeint, und es liegt keine Verwechslung mit der hl. Justina von Padua vor. In der Monumentalmalerei ist diese Legende nur selten zu finden. Es sind zum einen der zur Diskussion stehende Zyprianszyklus in Sarnthein, eine Justina-Legende in S. Giustina in Creto321 aus der Mitte des 15. Jahrhundert sowie Fragmente eines Zyprianszyklus im Dom zu Spoleto, in der Ex-cappella di S. Anna, aus dem frühen 15. Jahrhundert.322 Desweiteren gibt es in Mailand noch einen ottonischen Reliquienkasten mit Reliefdarstellungen, dem ich folgenden Exkurs widme. In Deutschland sind mir Zyklen mit der Legende nicht bekannt, jedoch Einzeldarstellungen der Heiligen. So ist Justina im dem Kölner Triptychon des Meisters des Kirchsahrer Retabels von 1400/20 auf dem rechten Innenflügel gezeigt.323 Außerdem ist im Kapitelhaus der ehem. Benediktinerabtei Brauweiler an der Decke in Malereien aus dem dritten Viertel des 12. Jahrhunderts das Martyrium Justinas und Zyprians gezeigt.324 Beide sind hier betend in einem Holztrog dargestellt. Die Darstellung des Themas in der italienischen Malereien ist sehr uneinheitlich. Die Szenen in der Kirche S. Giustina in Creto sind nicht genau zu identifizieren. Sie 320 321 322 323 324 Abb. bei PRATESI 1975, Abb. S. 235. In Creto scheint der Zyklus etwas disparat, denn offensichtlich sind Bilder der Legende von Zyprian und Justina mit der der Justina von Padua miteinander vermengt. Es ist auch umstritten, ob es sich bei Justina von Padua um eine selbständige Heilige handelt oder ob nicht in Padua die Reliquien der Justina von Nikomedien verehrt werden. Vgl LCI, Bd. VII, Sp. 253. KAFTAL 1978, Sp. 248-249, benennt einige Szenen in Creto mit dem Hinweis "vorläufig", geht aber nicht auf den Bruch in der bildlichen Erzählung gegenüber der Legende ein. Ich werde noch darauf zu sprechen kommen. KAFTAL 1986, Sp. 332. Das Triptychon, heute im Wallraf-Richartz-Museum, Inv. Nr. 55, wird um 1425-30 datiert. Besonders hervorzuheben ist die zweimalige inschriftliche Bezeichnung der Heiligen auf der Tafel. So steht auf dem rechten Flügel innen oben: "SA Justina virgo", und in ihrem Nimbus "sancta. justina. vir." Siehe BUDDE 1990, S. 462-466. CLEMEN 1905, S. 363; DEMUS 1968, S.181-183. 1816 wurden diese Deckenmalereien von Schinkel aufgedeckt und in seinem Auftrag freigelegt. Schließlich wurden sie 1862 von Hofmaler Hohe aus Bonn restauriert. Von dem Inschriftenband, das die beiden Heiligen hielten, haben sich nur Fragmente erhalten: "... RAVS ... OSVS ... BIESVE". In Köln, St. Severin, ist in der Konche die sitzende Bischofsfigur eines hl. Zyprian gezeigt, der früher als hl. Severinus angesprochen wurde; siehe CLEMEN 1905, S. 566. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass es sich hierbei um Cyprian von Karthago handelt. 101 seien kurz benannt und in Klammern ihre Bezeichnung in der jüngsten Veröffentlichung von Anna Voltolini angefügt:325 1) Eine Frau mit Nimbus spricht mit zwei Männern, hinter der Frau eine Säule, dahinter sitzen zwei weitere Figuren. (Zyprian besucht Justina in ihrem Elternhaus. Die sitzenden Figuren im Hintergrund seien ihre Mutter und ihre Schwester.) 2) Zwei Männer knien vor einem Bischof und erhalten den Segen. (Die bekehrten Zyprian und Eusebius knien vor Bischof Anthimus.)326 3) Ein Magier, wohl Zyprian, wirft Bücher ins Feuer eines Kamines. (dito) 4) Fragment: Eine Frau steht auf einer Holzbrücke und blickt zurück zu einem bärtigen Mann mit Nimbus (Zyprian und Justina sitzen in einem Kessel mit siedendem Pech. Den fragmentierten, nimbierten Kopf weist Voltolini der Justina zu.)327 5) Die Heilige steht vor einem sitzenden Kaiser, zwischen ihnen steht ein Säulenmonument mit einem Götzenbild obenauf. (Justina wird von Diokletian gezwungen, ein heidnisches Idol anzubeten.)328 6) Ein Mann durchbohrt der knienden Heiligen die Brust. Ein Kaiser und drei Begleiter sehen zu. (Martyrium der hl. Justina.) Es zeigt sich vor allem im letzten Bild, dass hier mit der Figur der Justina nicht die Begleiterin des Magiers gemeint ist, sondern die hl. Justina von Padua, der von einem Schergen ein Schwert in die Brust gestoßen wird. Es ist hier also eine Verquickung des legendären Magiers mit der oberitalienischen Heiligen gegeben.329 Die Fresken in Spoleto wurden „Storie dei SS. Cipriano e Giustina“ betitelt. Leider ist von ihnen nur mehr wenig erhalten. Es handelt sich um folgende Szenen: 1) Der Magier steht unter einer Arkade. Die rechte Hand erhoben und den Blick nach oben gewendet. 2) Taufe des Zyprian durch Bischof Eusebius. 325 326 327 328 329 VOLTOLINI 1994, S. 23-25, dort auch Abbildungen der Szenen. Nach KAFTAL 1978, Sp. 248: "Cyprian and his friend Eusebius kneel before the bishop Anthimus, tell him of their conversion and ask his blessing". Es fragt sich jedoch, ob man einen Kessel mit siedendem Pech in einen Fluß stellt? Die Unterschrift unter dem Bildfeld entzifferte VOLTOLINI 1994, S. 25 folgendermaßen: "Como S.ta Giustina menada denanci dal re." Von dieser Episode ist in den Legenden jedoch nicht die Rede. Es gibt auch eine Reihe von Darstellungen, die Justina mit einem Einhorn zeigen, das Attribut der Justina von Antiochien. Doch auch solche Bilder meinen nicht selten die Justina von Padua. Letztere wird jedoch immer eindeutig identifizierbar mit dem Schwert in der Brust gezeigt. 102 3) Die beiden Heiligen in einem Kessel sitzend. Ihnen gegenüber ein Mann auf einem Thron sitzend sowie dessen Begleiter. Es ist davon auszugehen, dass speziell in Südtirol viele andere bildliche Zeugnisse der Legende der hll. Zyprian und Justina verloren gegangen sind. Denn der Name Sankt Zyprian taucht in Südtirol als Orts- bzw. Vorname sehr häufig auf. Auch im Bistum Freising waren die hll. Zyprian und Justina bekannt. So hat das Freisinger Missale mit Kalendarium aus dem 10. Jahrhundert (Bayerische Staatsbibliothek, München, Ms. clm 6421) unter dem 26. September folgenden Eintrag: „III VI Kl' Sti Cypriano mart. et Justinae virg. quae eum convertit“.330 Außerhalb Tirols sind Justinakirchen noch in Augsburg und Freising bekannt. 3.2.2.4 Exkurs: Das Reliquiar der hll. Zyprian und Justina in Mailand Eine reale Existenz der beiden Heiligen Zyprian und Justina war und ist zweifelhaft. Obwohl die Legende besagt, dass die Leichname der beiden nach Rom transferiert wurden und dass für ihre Grablege eine Kirche errichtet wurde, existiert in Rom keine ihnen geweihte Kirche. Die Legende berichtet weiter, dass die Reliquien der beiden Heiligen nach Piacenza transferiert wurden, wo allerdings ebenfalls keine Kirche mit ihren Patrozinien bekannt ist. In der städtischen Kunsthandwerk-Sammlung von Mailand, in der Abteilung Goldschmiedekunst, wird jedoch ein Reliquienkasten der hl. Zyprian und Justina aufbewahrt. Der ursprünglich aus der Sammlung Trivulzio stammende Schrein ist kunsthistorisch bislang kaum gewürdigt worden.331 330 331 LECHNER 1891, S. 20. Die Litanei im gleichen Missale enthält ebenfalls die beiden Heiligen; siehe ebda. S. 28 u. 30. Für diesen Hinweis danke ich dem Kreisheimatpfleger Herrn Rudolf Goerge, Freising. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Objekt lieferte als erster ZASTROW 1973; mit guten Abbildungen der einzelnen Platten. In einer genauen technischen und künstlerischen Analyse hat er das Reliquiar kunsthistorisch einzuordnen versucht. Er stützte sich dabei auf ein Gutachten Toescas, das er auf der Rückseite eines Fotos dieses Reliquiars gefunden hat. Bei dem Reliquiar handelt es sich um einen Nußbaumholzkasten mit einem satteldachähnlichen Deckel. Der Kasten mißt in der Länge 29,6 cm, in der Breite 21,5 cm und ist 13,4 cm hoch. Der Deckel ist 10,5 cm hoch (Gesamthöhe des Schreins: 23,9 cm) und wird noch von einem 1,8 cm hohen Blattfries, der einen zentralen, geschliffenen Edelstein aufweist, bekrönt. Das Reliquiar ist mit Platten aus getriebenem Goldblech geschmückt, die Kanten sind mit Messingstreifen eingefaßt. Das Innere ist mit Samt ausgeschlagen. In der Mitte der einen Breitseite ist ein Schlüsselloch durchgebrochen. Zastrows Untersuchungen ergaben, dass die ornamentalen Schmuckplatten der Deckelgiebel, die Messingstreifen an den Kanten, das Samtfutter sowie Schloß und Schlüsselloch spätere Zutaten sind. 103 Auf den Silberplatten des einfachen rechteckigen Kastens mit Satteldach sind Szenen der Legende der hll. Zyprian und Justina dargestellt, die gegen den Uhrzeigersinn zu lesen sind. Dem Entwurf des Bildprogramms lag eine andere Version der Zyprianslegende zugrunde, als sie in den Acta Sanctorum beschrieben ist. Die Geschichte ist mit folgenden Szenen wiedergegeben: 1) Die erste Szene, auf einer der Schmalseiten, zeigt, wie der Dämon der Justina in Gestalt einer Frau erscheint. Diese aber erkennt die Täuschung und macht das Kreuzeszeichen. Dabei sitzt die mit einem Nimbus ausgezeichnete Justina auf einem aufwendigen Stuhl, den Zastrow als Faldistorium beschrieb. 2) Auf einer der Dachflächen ist die Bekehrung von Zyprian, Eusebius und Aglaides gezeigt. In dieser Szene steht der Bischof von Antiochien, Antimus, in der Mitte. Rechts von ihm steht, ihm zugewandt Justina, hinter ihr Zyprian. Links von Antimus stehen Eusebius und Aglaides.332 Hier sind alle außer dem Bischof mit einem Nimbus versehen. Diese Szene steht auch stellvertretend für die Taufe. 3) Auf der darunter situierten Breitseite des Kastens ist das Martyrium von Justina und Zyprian, nach der von Zastrow herangezogenen Quelle, in Damaskus dargestellt. Die beiden Heiligen sitzen nackt in einem Kessel. Zwei männliche Figuren sind dabei mit langen Stäben das Feuer unter dem Kessel zu schüren. Zwei die Szene rahmende Architekturen stehen für die Stadt Damaskus. 4) An der zweiten Schmalseite ist die Enthauptung Zyprians vorgeführt. Der nimbierte Kopf des Heiligen liegt bereits am Boden. Rechts steht unter einer Architektur eine Frau ohne Nimbus, die mit der rechten Hand auf das Geschehen weist. Zastrow identifizierte sie mit der Matrone Rufina, welche die Leichname von Justina und Zyprian nach Rom schaffen ließ. 5) Auf der zweiten Breitseite des Kastens ist ein „trionfo finale“ dargestellt: In der Mitte thront Christus, der nach rechts an Petrus die Schlüssel, nach links an Paulus die Gesetze reicht. Neben Petrus ist Justina gezeigt, beide stehen für den eifrigen Glauben. Dem Paulus ist Zyprian zur Seite gestellt, sie stehen für das erlöste Heidentum.333 6) Darüber ist als letztes auf der Deckelfläche das Mystische Lamm in einer Aureole von zwei Engelspaaren flankiert gezeigt. In den hier vorgestellten Szenen spielen weitreichendere Wirkungen des Geschehens um Zyprian eine Rolle: so das Vorzeigen der ebenfalls vom Heidentum bekehrten 332 333 Eusebius und Aglaides sind Gefährten des Zyprian, die zusammen mit ihm getauft wurden, deren Erwähnung in den Legendenschriften jedoch kaum zu finden ist. Vgl. ZASTROW 1973, S. 58. 104 Männer Aglaides und Eusebius sowie die Matrone Rufina, die ja für die Existenz der Reliquien der beiden hll. Zyprian und Justina eine wichtige Rolle spielte. Zur Herkunft des Kastens können keine genauen Aussagen gemacht werden. Toesca, der die Szenen noch nicht identifizieren konnte, vermutete als Herkunftsort die Stadt Lucca.334 Zastrow selbst nannte die Lombardei und begründete dies mit der Existenz von mehreren Kirchen und Klöstern in dieser Region, die der Märtyrerjungfrau geweiht sind. Als Beispiel führte er die Weiheinschrift eines Oratoriums in Piona am Comer See an, das Justina geweiht sei. Es handele sich um die Vorgängerkirche des heutigen Nikolaus-Oratoriums.335 Ein mit ihrem Namen versehenes Fresko befinde sich in S. Martino di Carugo (Como). Überhaupt gäbe es in der Diözese Mailand mehrere der Justina geweihte Kirchen.336 Über die Datierung um 1000 n. Chr. sind sich Toesca und Zastrow einig, wohl, weil dieses Datum mit der Translozierung der Gebeine der beiden Heiligen nach Piacenza unter Bischof Siegfried zusammenfällt. Die Ikonographie des Reliquiars zeigte deutlich, dass hier eine andere Version der Legende zugrunde liegt. Dennoch sind einige formale Übereinstimmungen des Mailänder Reliquiars und der Fresken in St. Zyprian festzustellen. Besondere Bedeutung ist der Tatsache beizumessen, dass im Schreinrelief Justina der Dämon auch in Frauengestalt erscheint, um sie zu einem unzüchtigen Leben zu verleiten. Dagegen ist die Bekehrung Zyprians in den Fresken erzählerischer wiedergegeben, wobei die Bedeutung und Wirksamkeit des Kreuzeszeichens besonders hervorgehoben ist. Auf der Deckelplatte des Reliquienschreins ist dagegen nur die Tatsache allein dargestellt: Zyprian wurde bekehrt und mit ihm Aglaides und Eusebius. Die Vorgeschichte, warum der Magier seinen gelernten Fähigkeiten entsagte, wird nicht gezeigt. Die Martyriumsszene wiederum weist solche Übereinstimmungen auf, dass man meinen könnte, beide hätten sich an einem gemeinsamen Vorbild orientiert oder der Maler von St. Zyprian habe das Reliquiar gekannt. Eingerahmt von zwei Architekturen steht in der Mitte der Kessel, der von beiden Seiten von zwei Männern geschürt wird. Ein Unterschied besteht darin, dass in St. Zyprian unter den Architekturen Zuschauer stehen und die Schergen am Boden hocken. Im Reliquiar sind nur die beiden aufrecht agierenden Schergen gezeigt. 334 335 336 Vgl. ZASTROW 1973, S. 71, Anm. 21. Vgl. ZASTROW 1973, S. 71, Anm. 21. Ein mir bekanntes Beispiel ist die Pfarrkirche S. Giustina in Mailand, im Quartiere Affori. 105 Weitere Szenen sind in St. Zyprian leider verlorengegangen. Doch läßt sich vermuten, dass auch hier eine Enthauptung gezeigt war. Inwieweit die Figur der Matrone Rufina mit einbezogen war, kann nicht mehr festgestellt werden. Auch fehlt eine Andeutung auf die übergeordnete Bedeutung der Legende, wie im Jüngsten Gericht mit der Gegenüberstellung von Petrus und Justina als den eifrigen Gläubigen sowie Paulus und Zyprian als den bekehrten Heiden. Da sich die Verehrung der beiden Heiligen von dem Zeitpunkt der Translozierung der Reliquien nach Piacenza an nach Norden ausbreitete, ist es denkbar, dass auch Pilger aus Südtirol, speziell der Bozner und Sarntheiner Gegend, dieses Reliquiar gesehen und gekannt haben. Für die Gestaltung des Sarntheiner Freskenzyklus hat dieses Reliquiar direkt wohl keine Relevanz. Wegen der spärlichen und zum Teil fehlerhaften Zeugnisse dieser Legende stellte es aber vielleicht eine Quelle für die bildhafte Vorstellung der Legendenereignisse dar und prägte die heute leider nicht mehr zu rekonstruierende Darstellungstradition. 106 4. Kunsthistorische Analysen zur Bozner Malerei um 1400 4.1 Aspekte der Bilderzählung der Bozner Freskenzyklen Wie bereits in den Einzeluntersuchungen zur Narrativik klar geworden ist, werden die vier besprochenen Geschichten in unterschiedlicher Weise dem Betrachter vorgeführt und erzählt. Jeder Zyklus verfolgt dabei eine eigene Intention. Je nach Gestaltungsart der einzelnen Szenen wird der Betrachter dazu aufgefordert, das Gesehene nachzu(er)leben oder als bildliche Erinnerungsstütze bestimmter Ereignisse zu nutzen. Die beiden Zyklen in St. Zyprian zeichnen sich durch einen stark dokumentarischen Charakter aus. Die Passionsgeschichte, die damals jedem Gläubigen geläufig gewesen ist, stellt dem Betrachter bekannte Geschehnisse dar, an Hand derer er den Leidensweg memorieren soll. An Christi Miene ist keine Regung abzulesen, so dass der Betrachter nicht zur Compassio angeregt wird. Die einzelnen Szenen der Passion sind nicht durch erzählerische Details ausgeschmückt. Die fragil wirkenden Architekturen stehen nicht dafür, den Ort des Geschehens detailliert zu beschreiben, sondern lediglich um den Personen einen Handlungsraum zu geben. Außerdem werden durch die Architektur die Szenen und Figuren formal betont bzw. Verbindungen geschaffen. So wird Christus in der Dornenkrönung durch den breiten Bogen der mittleren Konche überhöht. Im Bild Christus vor dem Hohenpriester werden durch Bogenstellungen die Gruppen von Petrus und der Magd sowie dem Priester und seinem Berater akzentuiert. Christus steht mittig zwischen den beiden mittleren Säulen, wobei ihm jedoch der größte Platz zugewiesen ist. Die Legende der hll. Zyprian und Justina ist inhaltlich gesehen eine Bestätigung des darüber Gezeigten. Durch das Leiden und den Tod Christi, symbolisiert im Zeichen des Kreuzes, ist es den gläubigen Christen möglich, selbst Dämonen zu widerstehen und verloren geglaubte Seelen zu retten. Bild für Bild, jedes in sich geschlossen, wird dem Betrachter von den Geschehnissen um die beiden heiligen Märtyrer berichtet. Dabei ist es nicht nötig Spannung in den Darstellungen zu erzielen, denn die Tatsachen der Bilder, die Folgen der Geschehnisse stehen für sich und sollen gelesen und repetiert werden. Beide Zyklen gehören also in ihrem Aussagegehalt eng zusammen und sind Aufforderungen, fest im Glauben zu bestehen, was wohl in einem abgelegenen Tal, in dem sich magische Praktiken und Aberglauben hartnäckig hielten, sehr wichtig gewesen ist. 107 Die Botschaften der Zyklen in St. Vigil werden auf eine andere Weise vermittelt. In der Analyse der narrativen Struktur wurde deutlich, dass der Marienzyklus eine innere Dramaturgie besitzt. Flüssig und durch richtungsweisende Komposition unterstützt werden die ersten sechs Begebenheiten erzählt. Diesem rhythmischen Erzählfluß stehen wieder in sich geschlossene Schilderungen von Vorgängen gegenüber. Wird der Zuschauer in den ersten Bildern durch spezielle Einleitungsmotive noch dazu eingeladen die Geschehnisse nachzuerleben, so wird er bei den Begebenheiten, welche die Göttlichkeit Mariens beschreiben, auf Distanz gehalten, bis zu dem Punkt, der die Herrlichkeit der Himmelskönigin schildert bzw. ihre Bedeutung im Hinblick auf die Erlösungsgeschichte, den letzten beiden Bildern also. Dem gegenüber stellt der Vigilszyklus eine reine Nacherzählung einer Heiligenvita dar. In immer gleichem Rhythmus werden Leben, Wirken und Martyrium des Heiligen vorgeführt, wobei ein Schwerpunkt auf der seelsorgerischen Tätigkeit des Bischofs liegt. Soviel zu den unterschiedlichen Intentionen der vier besprochenen Zyklen. Um die Aussagewerte der Bilder und Legenden dem Betrachter nahe zu bringen, müssen die Bilder auch Informationen über Aktionen, Reaktionen und Stimmungen vermitteln. Dies geschieht über einzelne Elemente der Bildkomposition wie zum Beispiel die Anzahl und Inszenierung von Figuren. Interessant erscheinen mir dafür exemplarische Vergleiche mit anderen Zyklen des Bozner Raumes. Eine Gegenüberstellung der verschiedenen Passionszyklen eignet sich besonders wegen der Fülle des vorhandenen Materials vor Ort. Als Exemplum soll die Darstellung der Kreuzigung dienen. In St. Zyprian (Abb. 66) zeigt sich, wie bereits erläutert, eine knappe, auf wenige Figuren reduzierte Form. Maria, Johannes, Longinus, Stephaton und der gute Hauptmann sind die Begleitpersonen bei der Kreuzigung. Ob dem Hauptmann noch eine Assistenzfigur beigestellt war, kann heute nicht mehr gesagt werden. Das Kreuz flankierten wohl vier Engel. Ähnlich knapp zeigt sich die Kreuzigung des Passionszyklus von St. Magdalena in Prazöll (Abb. 75). Christus ist nicht ganz so weit über die sechs begleitenden Figuren, die drei Marien, Johannes, den guten Hauptmann und seinen Begleiter, hinausgehoben, so dass zwischen dem Kreuzesarm und den Köpfen der Figuren kein Platz für die Engel mehr war und auf sie verzichtet wurde. Auch die Auswahl der Begleitfiguren ist eine andere. Während in St. Zyprian trotz der Peinigungen, die Christus am Kreuz erfuhr, durch die erkennenden Heiden auch auf den Erlösungsgedanken hingewiesen wird und Johannes gefaßt die klagende Maria unterstützt, ist es in St. Magdalena die Aufforderung zur Compassio, die durch 108 die Schmerzen und die Trauer der Muttergottes und des Johannes impliziert wird. Beide Kreuzigungsszenen sind mit ihren spezifischen Aussagen dennoch auf den Gekreuzigten hin ausgerichtet. Ganz anders sind die Bilder der Kreuzigung in St. Martin (Abb. 76) und St. Nikolaus (Abb. 77) aufgefaßt. Beidemale sind neben Christus die gekreuzigten Schächer Gesmas und Dismas gezeigt: in St. Martin als völlig verrenkte Gestalten an den Bildrand gequetscht, in St. Nikolaus mit um die Kreuzesarme geschlungenen Armen und verbundenen Augen direkt unter die Kreuzesarme gestellt. Darunter drängeln sich in St. Nikolaus links die drei Marien und Maria Magdalena sowie Stephaton mit dem Essigschwamm, rechts Johannes, der gute Hauptmann und eine Reihe Soldaten. Schriftbänder von Stephaton, dem guten Hauptmann und den beiden Schächern erklären die Szene. Die Figuren stehen so dicht, dass sie regelrecht zwischen den seitlichen Bildrändern eingeklemmt zu sein scheinen. Es entsteht nicht der Eindruck, der Raum habe an den Seiten jenseits der Bildrahmen eine Fortführung. In St. Martin werden die Kreuzesstämme der Schächer von den darunter stehenden Figurengruppen umstanden. Links sind im Vordergrund die drei Marien gezeigt, etwas dahinter eine vierte Frau ohne Nimbus sowie Longinus. Über ihren Häuptern erkennt man die Köpfe einer Schar von Soldaten, deren Speerspitzen in den blauen Himmel ragen. Rechts stehen hinter dem trauernden Johannes der gute Hauptmann, der mit erhobener Hand, aus der ein Schriftband entspringt, auf das Kreuz zeigt, ein Priester mit einer Bischofsmütze sowie eine Menge weiterer Menschen, von denen nur die bunten Kopfbedeckungen zu sehen sind. Rechts vorne hockt ein Mann, der eine Schriftrolle auf seinem Schoß hält. In der Bildmitte knien unter dem Kreuz drei Männer und würfeln um das Gewand Christi. Während in St. Nikolaus neben dem Kreuz Christi keine Fläche leer blieb, steht es in St. Martin frei vor dem blauen Hintergrund. Letzteres Beispiel kommt den Darstellungen nahe, die man als "Volkreichen Kalvarienberg" bezeichnet, wenn auch die Figuren additiv neben- und hintereinandergestellt und nicht in Grüppchen über die Bildfläche verteilt sind, wie es z.B. in der Cappella di San Giacomo in der Basilica del Santo zu Padua von Altichiero auf eindringliche Weise gezeigt ist.337 Dabei werden neben dem Hauptthema auch Nebenszenen des Ereignisses vorgeführt. Die Kreuzigung von St. Martin zeichnet sich gegenüber den anderen Bozner Beispielen somit durch eine reichere Erzählung 337 Abb. in LUCCO 1992, S. 160. Weitere Beispiele sind die Kreuzigung des Giusto de' Menabuoi im Baptisterium von Padua, um 1370, Abb. in LUCCO 1992, S. 142 sowei die Kreuzigun in der Oberkirche des Klosters Sacro Speco in Subiaco, Abb. bei GIUMELLI 1982, S. 140. 109 und eine größere Detailfülle aus, wofür in St. Nikolaus wegen der Enge des vorhandenen Bildraumes und trotz scheinbar großer Menschenmenge kein Platz mehr war. Während in St. Nikolaus die Figuren im Vordergrund trotz ihrer stoffreichen Gewänder und reichen Faltenstruktur eine schmale Silhouette aufweisen und man die Rüstungen der Soldaten im Hintergrund nicht mehr sieht, sind die Gewänder in St. Martin durch große Stoffülle mit reichhaltigen Faltenformationen und Saumlinien ausgezeichnet, so dass die Silhouetten der Figuren raumgreifender sind. Eine andere Version mit Nebenszenen, aber etwas reduziertem Personal ist die Kreuzigung der Katharinenkapelle (um 1340) der Dominikanerkirche in Bozen. Sie zeigt den Gekreuzigten vor der dunklen Hintergrundfolie. Drei Engel, die neben dem Kreuz schweben, fangen das aus den Wunden tropfende Blut auf. Links und rechts des Kreuzes, mit etwas Abstand zu diesem, finden sich wieder große Menschenansammlungen, von denen jeweils nur die Hauptfiguren, die drei Marien, Johannes, der gute Hauptmann und Stephaton, ganz gezeigt sind, die anderen Figuren erscheinen hintereinandergestaffelt. Rechts streiten sich Soldaten um das Gewand des Gekreuzigten. Trotz dieser erzählerischen Komponente werden den Gläubigen Anregungen zur Imitatio pietatis aufgezeigt: in dem Guten Hauptmann und der zu Füßen Christi knienden Maria Magdalena. Die zuletzt genannten Beispiele lassen den Betrachter gedanklich am Geschehen teilhaben. Durch die vielen beteiligten Personen und erzählerischen Momente, wie die Würfelszene, der die Seitenwunde öffnende Longinus, der in der Schriftrolle Lesende oder der zu einem Begleiter sprechende Gute Hauptmann, ist die Distanz des Bildes zum Betrachter aufgehoben. In St. Zyprian und St. Magdalena dagegen scheinen die Personen mit ihrer spezifischen Bedeutung für das Geschehen bewußt ausgewählt sowie repräsentativer und hieratischer positioniert. Es war dort demnach nicht die Intention, den Betrachter mit einzubeziehen. Stattdessen wollte man „erbauliche Vorbilder“338 vorführen. 339 Für die Bilder der Kreuztragung treffen diese Beobachtungen nicht zu. Obwohl die Beispiele in St. Zyprian und St. Magdalena mit weitaus weniger Personal als in St. Martin auskommen, scheinen die Bilder weniger hieratisch und distanziert zu sein. Hier spielen auch mehr der Ausdruck der Figuren und ihre damit verbundene Aussage für das Bildthema eine Rolle. 338 339 Vgl. SUCKALE 1990, S. 24. In St. Nikolaus wurde auf die Kreuztragung verzichtet. 110 In St. Zyprian wird genau geschildert, wie der Scherge Christus wie ein Tier vorwärtszieht und wie ein Soldat links mit zum Schlag ausholender Keule die Nachkommenden zurückdrängen will, aber es wird nicht berichtet, wie Christus auf all das reagiert340 (Abb. 65). Scheinbar unbeeindruckt blickt er auf den Betrachter und hält in fast aufrechter Haltung das Kreuz auf dem Rücken. Etwas mehr unter der Last des Kreuzes und der Behandlung durch die Schergen leidet Christus in St. Magdalena (Abb. 78). Den Oberkörper vornübergebeugt trägt er das Kreuz auf einer Schulter. Er ist nicht frontal zum Betrachter ausgerichtet wie in St. Zyprian, sondern wendet den Kopf, während er nach rechts geht, zur Seite. Außerdem wird simultan noch von der Handwaschung des Pilatus berichtet, was den Blick auf die vorangegangenen Begebenheiten weitet. Dennoch scheint für den Betrachter kaum eine Möglichkeit zu bestehen, am Geschehen teilzuhaben. Trotz der wenigen erzählerischen Momente ist die Handlung doch wieder auf Christus und sein Schicksal beschränkt. Einbezogen wird der Betrachter dagegen in der Kreuztragung von St. Martin (Abb. 79). Christus wird dort von einer großen Menschenschar begleitet, es sind Soldaten, Bürger, Johannes und zwei Marien. Außerdem wird erzählt, wie Simon von Kyrene das Kreuz tragen hilft. Christus reagiert auch auf die ihm folgenden Personen, indem er seinen Blick zurückwendet. Die beiden Schächer, die von einem Schergen wie Vieh getrieben werden, sind genauso zu finden wie der Essigschwamm des Stephaton und die Leiter. Wieder wird das Auge durch die Details gefesselt, der Blick zum Verweilen eingeladen. Auch Anzahl und Auswahl der Szenen unterstützen den erzählenden Charakter der Passionsgeschichte. Hierbei ist die erzählerische Tendenz des Zyklus von St. Martin in Kampill bemerkenswert, denn nach der Kreuzigung, die den Endpunkt in St. Zyprian bildet, folgen hier noch Kreuzabnahme, Grablegung, Auferstehung, Christus erscheint Magdalena und dem ungläubigen Thomas sowie die Himmelfahrt. Wird in St. Zyprian die heilsgeschichtliche Komponente durch die hoheitsvolle und repräsentative Gestaltung Christi in den einzelnen Bildern der Passion verdeutlicht, so werden in St. Martin nach und nach die auf die Kreuzigung folgenden Ereignisse berichtet. Die Zyklen von St. Magdalena und St. Nikolaus werden mit Kreuzabnahme, Grablegung und Auferstehung in einer knapperen Form abgeschlossen. 340 Die Beobachtungen sind hier stark eingeschränkt, da die linke Bildhälfte verloren ist. 111 Die bislang beschriebenen Beobachtungen bezogen sich ausschließlich auf Gestaltungsmerkmale zweier aus dem Kontext herausgelöster Begebenheiten der Passion. Sie erscheinen mir deshalb interessant, da sie aufzeigen, wie dem Betrachter an sich bekannte und geläufige Vorgänge mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Intentionen vermittelt werden. Für die Lesbarkeit eines Zyklus sind aber auch Bildmittel wichtig, die dem Zuschauer das „Buchstabieren“ der einzelnen Bilder und ihrer Zusammenhänge erleichtern. Dazu gehören Bildverknüpfungen durch formale und kompositorische Mittel, wie ich sie im folgenden an einigen Beispielen aufzeigen will. Im Passionszyklus von St. Zyprian skaliert die hieratische Komposition bis zur Darstellung der Kreuzigung. Dennoch weist er auch ein besonderes erzählerisches Moment in den ersten beiden Szenen auf. Die Verknüpfung der beiden Bilder mit Hilfe des Zaunes und der identischen Ortsbeschreibung läßt den Betrachter die Ereignisse am Ölberg und die Gefangennahme Christi im Vorbeischreiten als eine zwingende und konsequente Handlungsfolge erleben. Ähnliche Verzahnungen zweier Begebenheiten sind auch im Zyklus von St. Martin zu beobachten. Zum einen in den Bildern Christus am Ölberg (Abb. 80) und Gefangennahme (Abb. 81), den letzten beiden des oberen Registers, zum anderen in den Szenen der Kreuztragung (Abb. 79) und Kreuzigung (Abb. 76). Die im Bild Christus am Ölberg von St. Martin unter der Führung des Judas von rechts herandrängende Meute der Soldaten wird scheinbar gefolgt von den beiden flüchtenden Jüngern und ihren Verfolgern aus dem Bild der Gefangennahme. Obwohl diese Bewegung gegen die Leserichtung geht, ist sie ein wichtiges Mittel, den Betrachter auf das letzte Gebet Christi am Ölberg zurückzuführen. Unterstützend wirkt dabei auch der rhythmische Einsatz der Farbe Gelb in den Gewändern eines der Flüchtenden, des Judas sowie des schlafenden Jüngers.341 Christus selbst agiert im Bild der Gefangennahme gegen die Leserichtung, was den Sprung in das untere Register hemmt und den Betrachter verweilen läßt. Noch eindringlicher, weil in Leserichtung eingesetzt, ist die Verknüpfung von Kreuztragung und Kreuzigung. Die Menschenmenge, die Christus auf dem Kreuzweg begleitet, bestimmt die von links nach rechts gerichtete Komposition der Kreuztragung. Die ersten des Zuges, die beiden Schächer, der Leiterträger und andere, überschneiden die innere rechte Bildrahmung, die unter dem Kreuz stehenden Frauen und Männer des folgenden Bildes den linken inneren Bildrahmen. Somit wirkt der die beiden Bildfelder trennende Streifen wie eine freistehende 341 Ob dieser Farbrhythmus ursprünglicher Art ist oder erst durch die Restaurierungsmaßnahmen des 19. Jh. entstand, muß dahingestellt bleiben. 112 Stütze, hinter der der Zug, angeführt von den Frauen, Longinus und Soldaten, vorbeizieht. Eine andere Art der Bildkoppelung findet man im Magdalenenzyklus in Prazöll. Die beiden Bilder Vertreibung der Heiligen und anderer Christen (Abb. 82) und Magdalenas Ankunft in Marseille (Abb. 83) werden durch das Schiff und seine konsequente Bewegung ins nächste Bild verbunden. Die Heiden in der Vertreibung schieben das in seiner ganzen Länge gezeigte Boot nach rechts, bis es mit seinem Bug Marseille erreicht. Somit wird der Eindruck erweckt, das Boot sei von einem ins andere Bild gefahren. In rhythmischer Reihung wird die Fahrt des Fürstenpaares mit dem Boot von Marseille nach Rom dargestellt. Das Boot vor der Insel, auf der der Fürst seine tote Frau und das Baby aussetzt, erscheint in dem folgenden Bild Rückfahrt aus Rom wieder. Scheinbar hat sich die Position des Bootes nicht verändert. Wieder landet der Fürst von links kommend vor der Insel, wo er seine Gattin vermeintlich unverändert vorfindet. Doch ist hier die Rückfahrt gemeint, wie an der Figur des Petrus unter dem Torbogen zu sehen ist. In diesen beiden Bildern werden also mehrere Ereignisse miteinander verbunden: das Aussetzten der Toten, die Fahrt nach Rom, die Ereignisse in Rom mit der Figur des Petrus, die Rückfahrt nach Marseille samt der Auffindung des lebenden Babys und der Fürstin sowie schließlich die glückliche Rückkunft in Marseille. Diese Ereignisse, an denen die Heilige selbst nicht aktiv beteiligt ist, sondern die eine Episode ihres wundersamen Wirkens darstellen, werden durch das Schiff miteinander verknüpft und als Einheit vorgeführt. Trotz der verkürzten Darstellung war die Geschichte für jeden zu lesen und zu verstehen. Ein weiteres wichtiges Mittel, dem Betrachter eine Geschichte glaubhaft und nacherlebbar zu gestalten, ist die Konstanz prägnanter Örtlichkeiten, wie zum Beispiel in St. Vigil der Raum der Verkündigung an Anna (Abb. 41) und der Geburt Mariens (Abb. 44), der Tempel der Vertreibung Joachims (Abb. 49) und des Tempelganges Mariens (Abb. 45), oder in St. Zyprian die Darstellung des Gartens Gethsemane in den Bildern Christus am Ölberg und Gefangennahme (Abb. 60, Abb. 61). Dieses Bildmittel garantiert Wiedererkennbarkeit und zeigt dem Betrachter direkt aufeinanderfolgende Geschehnisse an. Ähnliches findet man in St. Martin in Kampill im Bild der Grablegung Christi (Abb. 84) und der Auferstehung (Abb. 85). Der die gesamte Bildbreite einnehmende Sarg steht beide male an gleicher Stelle, nur in der Perspektive etwas verändert. In 113 beiden Bildern tauchen im Hintergrund die gleichen vier Felsformationen auf.342 Ein weiteres sehr prägnantes Beispiel, Begebenheiten am selben Ort geschehen zu lassen, ist in den Fresken von St. Katharina in Völser Aicha zu sehen. Das Gefängnis, in das Katharina geworfen wurde (Abb. 86), ein turmartiger winkliger Bau, ist im Bild der Gefangensetzung der Heiligen in seinen ganzen Ausmaßen gezeigt. Im Bild der Diskussion Katharinas mit den Philosophen (Abb. 87) ist nur das untere Stockwerk des rechten Flügels zu sehen, doch ist dieser identisch gestaltet. In der Szene Die Kaiserin besucht die Heilige im Gefängnis (Abb. 88) ist nun die linke Hälfte desselben Baues gezeigt, wiederum nur ein Teil des Ganzen, aber im Vergleich identisch gestaltet.343 Mit Hilfe dieser Motivwiederholung wird dem Betrachter deutlich vor Augen geführt, dass diese Episoden während der Gefangenschaft der Heiligen geschahen. Neben dieser Wiedererkennbarkeit des Ortes zur Verdeutlichung von Handlungsfolgen ist auch die durchgehende Identifizierbarkeit der Personen für die Kontinuität der Verständlichkeit von Wichtigkeit. Gemeinsam ist allen hier genannten Zyklen, dass die Hauptpersonen immer durch ihre spezifischen Gewänder ausgezeichnet werden. Eine Ausnahme bildet jedoch Christus im Zyklus von St. Zyprian. Er ist jeweils in einem die Szene unterstreichenden Gewand gezeigt. So trägt er zum Beispiel in der Vorführung vor Kaiphas einen roten Mantel über einem lilafarbenen Rock und in der Dornenkrönung einen weißen Rock mit Goldborten und Pektorale verziert, letzteres entspricht Lukas 23,11 wo es heißt, dass sie Christus zum Spott ein Prunkkleid anzogen.344 In St. Martin in Kampill hat er in der Regel wie beim Einzug in Jerusalem (Abb. 89) einen lila Rock und einen grün gefütterten roten Mantel an. Die einzige Variation des Gewandes Christi im Passionszyklus von St. Martin ist, dass er den Mantel nicht trägt. Auch Begleitfiguren sind durch ihre Gewänder charakterisiert. Am auffälligsten zeigt sich dieses Phänomen in den Legenden der hl. Magdalena und der hll. Zyprian und Justina. Die noch nicht bekehrte Magdalena ist im ersten Bild des Zyklus von Prazöll in äußerst modische Gewänder gehüllt.345 Besonders auffällig sind dabei die 342 343 344 345 Dass dies nicht immer so ist, zeigen die entsprechenden Bilder in St. Nikolaus, wo zwar der Sarg der gleiche zu sein scheint, der Hintergrund jedoch anders gestaltet ist, so dass man nicht mehr vom selben Ort sprechen kann. Duccio wendete dieses bildnerische Mittel im Passionszyklus seiner Sieneser Maestà von 1308-11 mehrmals an und erreichte dadurch eine fast sequenzhafte Schilderung der aufeinanderfolgenden Ereignisse. Den anderen Berichten der Bibel zufolge zogen sie ihm einen purpurnen Mantel an. Ich führe hier Magdalena auf, obwohl sie ja die Hauptfigur des Zyklus ist, da sie in diesem ersten Bild eben nicht als die Heilige typisiert ist. 114 Ärmelschleppen, der Kruseler sowie der geschlitzte Rock. Auch ihr Begleiter zeigt modische Elemente, wie zum Beispiel den engen Wams mit tiefsitzendem Dusing. Markant ist auch die Art, wie er mit gespreizten Fingern seinen Umhang am Zipfel seiner Gugel hält. Martha und Lazarus dagegen tragen über ihren Kleidern Mäntel. Das gleiche Phänomen, reiche heidnische Personen durch teuere modische Kleider auszuzeichnen, ja fast anzuprangern, ist auch im Zyprianszyklus von Sarnthein zu bemerken. Justina trägt zwar ein modisch geschlitztes Kleid mit Ärmelbündchen, doch der sie verführende Dämon hat zusätzlich einen Hermelinumhang und einen Kruseler, und damit zur Schau getragene aufwendigere Details. Ein weiteres Charakteristikum der Erzählweise von Zyklen ist das Auftaktbild der Geschichten. Es kann sich dabei um einen ersten Vorgang der Erzählung handeln, wie zum Beispiel um das Gebet Christi am Ölberg, die Zerstörung des Götzenbildes durch Katharina, oder es dient dazu, die Hauptfiguren der Geschichte vorzustellen. Im Zyklus der hll. Zyprian und Justina hat das erste Bild die Funktion, die Hauptfiguren und ihre Vorgeschichte vorzustellen. Paarweise stehen sich der gläubige und der heidnische Part gegenüber, beide in Situationen ihrer Vorgeschichte. Jedoch ist im heidnischen Teil bereits die Bekehrung mit angedeutet. Im weiteren Verlauf der Geschichte reihen sie sich schließlich in die typische Erzählform ein, bei der der Betrachter von links nach rechts die Ereignisse lesen kann. Ähnlich kann auch das Eingangsbild des Magdalenenzyklus von Prazöll gedeutet werden. Magdalena wird in einer Situation vorgestellt, die ihre Vorgeschichte beschreibt, die Läuterung ist jedoch noch nicht eingetreten. Sie wird aber ab der folgenden Szene vorausgesetzt. Bislang führte ich formale oder kompositorische Mittel vor, die dem Betrachter helfen, die Bilder und ihre Zusammengehörigkeit aufzuschlüsseln. Hilfreich für die Lesbarkeit von weniger bekannten Geschichten ist die Beschränkung auf die Hauptfiguren, welche noch durch Tituli ausgezeichnet sein können. Interessanterweise kommen die Zyklen der Bozner Gegend im allgemeinen mit wenig Personal aus, um die einzelnen Begebenheiten zu schildern. Der erzählende Charakter beschränkt sich dabei auf die Hauptszene und einige marginale Ereignisse. Lediglich in der Kreuzigung von St. Martin werden die würfelnden Schergen mit ins Bild gebracht. Um die Verständlichkeit der Bilder zu erleichtern, arbeiteten die Künstler zum Teil noch mit Beschriftungen, wie sie für die Biblia pauperum üblich gewesen waren. So werden die Figuren im Zyprianszyklus mit ihrem Namen über den Köpfen bezeichnet. Die einzelnen Bilder des Vigilszyklus sowie der beiden 115 Johanneszyklen in St. Johann im Dorf wurden durch Beschriftung am unteren Bildrand erklärt. Während großenteils die Passionszyklen durch ihre Bilder für sich sprechen und für den Betrachter zu deuten sind, untermauern Schriftbänder in St. Nikolaus die einzelnen Geschehnisse der Passion bis hin zur Kreuzigung, obwohl jeweils viele Begleitfiguren, z. B. in Gefangennahme Christi und Christus vor Kaiphas und Pilatus, die Szene näher erklären und erzählerischer gestalten. Insgesamt ist allen Zyklen wenig lebendige und durch übersteigerte Bewegungen aktive, sondern eine eher hieratische Gestaltung zu eigen. Lediglich durch die Bildauswahl – besonders im Marien- und Vigilszyklus – werden Akzente gesetzt. Eine Art sequenzbildende Kompositionen, wie die ersten beiden Bilder des Passionszyklus in St. Zyprian, sind selten. 4.2 Beobachtungen zu Kostüm und Mode In der Bozner Malerei lassen sich einige interessante Beobachtungen zu Tracht und Mode machen. Herausragende Zeugnisse zeitgenössischer Mode um 1400 in Südtirol stellen die Monatsbilder im Adlerturm zu Trient (um 1400) dar. Die Figuren der höfischen Gesellschaften, die sich in der Landschaft tummeln, tragen reiche Gewänder, die von der burgundischen Hofmode beeinflußt sind. Lange stoffreiche Mäntel und Kleider mit gezaddelten Ärmeln und Säumen oder Trompetenärmel mit trichterförmigen Bündchen sind die auffallenden Hauptformen. Goldborten, reich verzierter Kopfschmuck und Pelzfütterungen unterstreichen den herrschaftlichen Stand ihrer Träger (Abb. 90). Daneben sind aber auch das schlichte Kleid der Bediensteten oder der einfache Rock des Bauern zu finden. Auch in der Ausstattung der Burg Runkelstein bei Bozen sind die Personen in modische Gewänder gehüllt, die vor allem durch die Reichhaltigkeit der verschiedenen Stoffmuster auf den adeligen Stand und die Würde ihrer Träger hinweisen. Im Vergleich zu diesen Beispielen aus Profanbauten fällt auf, dass die Gewänder in den besprochenen Zyklen der Bozner Malerei im sakralen Bereich zurückhaltender gestaltet sind, was aber auch auf das andere Sujet ihrer Inhalte zurückzuführen ist, in denen nicht die höfische Gesellschaft, sondern die Heiligen und ihre Taten sowie biblische Ereignisse im Mittelpunkt stehen. Und dennoch verzichteten die Künstler nicht darauf, einige ihrer Figuren in Gewänder nach der zeitgenössischen Mode zu hüllen. 116 In St. Vigil treten die modischen Details nicht so hervor, wie zum Beispiel in den Malereien von St. Magdalena in Prazöll oder St. Jakob in der Au. Die Tracht der Männer in den Zyklen von St. Vigil besteht überwiegend aus der einfachen Tunika, über der eine Heuke getragen wird, ein kreisförmiger Mantel, der auf einer Seite von oben bis unten aufgeschnitten und an der Schulter durch Knöpfe zu schließen war.346 Auch im Bild der Predigt des hl. Vigilius (Abb. 24) ist diese Mantelform an dem hockenden Alten im Vordergrund zu erkennen, wobei jedoch der Verschluß an der Schulter von dem hängenden Kapuzenzipfel verdeckt wird. Gut zu sehen ist sie bei Salomas und Zebedäus im Bild der Heiligen Sippe (Abb. 51) des Marienzyklus sowie im Bild der Heilung der Besessenen des Vigilszyklus (Abb. 25). Dort ist die in einem kräftigen Gelb gehaltene Heuke durch eine immense Stoffülle charakterisiert, die der Träger so vor dem Körper rafft, dass große schwere Schüssel- und Zugfalten das Gewand formen. Deutlich zu sehen sind auch die kräftigen, überzogenen Knöpfe, die den schweren Stoff an der Schulter zusammenhalten. Ebensolche Knöpfe findet man an den Heuken des Philetus und eines Jüngers des Jakobus in den Freskenresten von St. Jakob in der Au bei Leifers (Abb. 91). Auch Pilatus in der Geißelung des Passionszyklus von St. Magdalena trägt eine typische Heuke mit den Knöpfen an der rechten Schulter und mit einer Kapuze. Unpräzise ist die Heuke des Fürsten im Bild der Ankunft der Heiligen in Marseille von St. Magdalena gezeigt (Abb. 83). Der Mantel öffnet sich seitlich, wobei er nicht durch Knöpfe, sondern durch das Kragenbündchen zusammengehalten wird. Diese Gewandform ist auch insofern an dieser Stelle unverständlich, da der Fürst im vorhergehenden Bild einen vorne durch eine Agraffe gehaltenen Tasselmantel trägt, eine Mantelform, die auch die Fürstin und die hl. Magdalena tragen und die auch in anderen Zyklen anzutreffen ist. Der Fürst in St. Magdalena trägt unter seinem Mantel einen engen Lentner mit einem Dusing. Der Lentner wird vom Kragen bis zum Saum geknöpft, eine typische Erscheinung der Mode des späten 14. Jahrhunderts. Auch der Rock des neben Christus weiteren Gastes bei Simons Gastmahl (Abb. 97) zeigt eine lange Knopfreihe über Brust und Bauch. Als zeitgenössische Kopfbedeckung der Männer sieht man in den Bildern Das Stabwunder und Heilige Sippe in St. Vigil (Abb. 47, Abb. 51) die „geschwänzte Gugel“.347 Es handelt sich dabei um eine einfache Mütze mit einem schwanzartigen 346 347 Vgl. THIEL 1987, S. 129. Für das 14. Jh. ist diese Form als modische Kopfbedeckung in Bozen nachzuweisen. In einer Bozener Chronik zum Jahr 1340 heißt es dazu: "Item das man guglen mit langen zipflen trug gemancklich unnd das etlich zipflen zwaier oder dreier klaffter lang waren, das geschach unnder der zal 1340 jar." Nach AUSSERER 1922, S. 391. 117 Zipfel348, hier zusätzlich noch mit einer Hermelinkrempe versehen. In St. Magdalena hält der Begleiter der Magdalena seinen über die Schulter gelegten Umhang an dem schnurartigen Ende seiner Kapuze (Abb. 92). Bekleidet ist er mit dem zeittypischen knapp geschnittenen Lentner mit Dusing und zweifarbigen Beinlingen. Auffällig ist auch das „capite velato“, wie es die beiden Erzähler im Marienzyklus von St. Vigil, aber auch Assistenzfiguren z. B. in der Beschneidung in Terlan tragen. Diese über den Kopf gezogenen Toga, eine aus der Antike tradierte Form, hat große Verbreitung über das ganze Trecento hinweg z.B. in den Werken des Sienesen Duccio wie des Paduaners Guariento. Sie ist also keine zeitgenössische Modeform, sondern eine bereits seit dem 3. Jahrhundert vor Christus in der Kunst nachzuweisende Kopfbedeckung, und zwar eine durch eine sakrale Handlung bedingte Verhüllung des Hauptes. In den Malereien von St. Jakob in der Au ist vergleichsweise viel Augenmerk auf die modischen Details der Männerkleidung und ihre Stoffgestaltung gerichtet worden (Abb. 91). Philetus ist mit einer eng taillierten und um die Brust stark gepolsterten Schecke mit engem Stehkragen bekleidet. Auf dem Kopf hat er ebenfalls die geschwänzte Gugel. Mühe hat der Maler auch auf das Gewand des Zaubergehilfen verwendet, das durch das raffiniertere Stoffmuster – rechts gestreift, links unifarben – hervorgehoben wird. Auch Hermogenes selbst trägt ein modisches Gewand. Sein enorm gepolstertes Wams hat an den Rückseiten der Ärmel eine Reihe spitzer Zaddeln. Auf dem Kopf trägt er einen spitzen Hut mit kurzem Nackenschurz. Ein sehr ähnliches Gewand kleidet den Berater des Hohenpriesters im Passionszyklus von St. Zyprian, jedoch nicht derart übertrieben gepolstert. Auch in St. Johann im Dorf sind die Gewänder der männlichen Heiden mit großer Sorgfalt gestaltet. Der thronende Aristodemus (Abb. 93) hat die eine Hälfte seiner hermelinbesetzten Heuke über die linke Schulter auf den Rücken geworfen, während er sich die andere wie eine Decke über die Knie gelegt hat. Seine kräftig blaue Schecke, deren Armausschnitte mit Pelz besetzt sind, weist vorne eine Reihe großer Knöpfe auf. Ihr Schnitt erinnert fern an die Surcotte aus Frankreich, deren Armausschnitte immer größer wurden, bis sie fast zur Hüfte reichten und man das Untergewand sah. Das Untergewand des Aristodemus ist aus einem Brokatstoff – für die Südtiroler Zyklen jener Zeit eine Seltenheit – und hat schmale Borten an den Bündchen. Johannes dagegen trägt einen einfachen, gerade geschnittenen Rock mit weitem Halsausschnitt und relativ weiten Ärmeln. 348 Vgl. THIEL 1987, S. 129. 118 Lazarus im Auftaktbild von St. Magdalena trägt einen langen Rock mit Pelzbesatz am Saum, der in der Taille von einem Gürtel gerafft wird, darüber eine Heuke mit Fehkragen und eine pelzverbrämte geschwänzte Gugel (Abb. 92). Seine Tracht und die des Begleiters der Magdalena zeigen genaugenommen zwei zu verschiedenen Zeiten aktuelle Modeerscheinungen. Ab 1340 gab es Tendenzen, die langen Gewänder durch immer knapper und enger werdende Schnittformen abzulösen.349 Jedoch bestand die ältere, überkommene Form, abgesehen von einigen Anpassungen, noch fort, so dass die lange Tracht gegen Ende des Jahrhunderts im allgemeinen keine unübliche Erscheinung war. Schließlich erstarrte die Entwicklung der kurzen Mode in dieser Zeit und paßte sich sogar in Detailformen, etwa im Schnitt der Ärmel, den tradierten Mustern an.350 An diesen Phänomenen zeigt sich, wie schwierig es sein kann, anhand von Kostüm Kunstwerke zu datieren. Die Frauen, vornehmlich die jüngeren, tragen die für die Zeit modischen, eng am Oberkörper anliegenden, schlichten Kleider. Das Dekolleté wird durch einen großen Ausschnitt besonders betont. Der in der Regel gezeigte eckige Kragen ist eine Modeerscheinung aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, in der Malerei erstmals im Werk des Giovanni da Milano zu finden.351 Im Zyprianszyklus ist die Frauenkleidung etwas raffinierter gestaltet. So weist Justinas Kleid, das auf den ersten Blick den Kleidern in St. Vigil ähnlich ist, im Rock einen mit einer roten Borte eingefaßten Schlitz von der Hüfte bis zum Saum auf (Abb. 67). Außerdem sind an den Oberarmen rote Armschleppen352 angebracht. Die Figur des weiblichen Dämons hat über dem engen Kleid mit weitem Rock einen Nuschenmantel mit Hermelinbesatz und Kragen, auf dem Kopf sitzt ein Kragenkruseler. Obwohl auch Justina mit einer aktuellen Gewandform bekleidet ist, 349 350 351 352 Nähere Ausführungen dazu bei GÜDESEN 1933, S. 214 ff. Vgl. GÜDESEN 1933, S. 157. Genau ausgeführt hat die Entwicklung der Mode in der Zeit um 1400 und ihre genaue Beschreibung und Differenzierung KESSEL 1984. Sie bezog in ihre Betrachtungen auch historische Ereignisse, vor allem die Pest und andere Katastrophen mit ein, die einen Beitrag zur Entwicklung und Veränderung der Mode geleistet haben. Auch die Aufgaben und Wirkungsweisen von Kleiderordnungen führte sie mit an. "Gli scolli quadrati che caratterizzano le Sante di Giovanni da Milano erano una peculiarità dell'abito femminile che andava in moda ai suoi tempi non è un volo di fantasia del pittore..."; BELLOSI 1977, S. 26. Ebensolche Armschleppen sind in St. Johann im Dorf im Bild Johannes Ev. erweckt zwei Tote zum Leben zu finden. Für RASMO 1977, S. 270 war dies ein Indiz, die Fresken um 1365-70 zu datieren. Viel offensichtlicher zeigt sich dieses Accessoire in den Fresken von St. Zyprian, die folglich in die gleiche Zeit zu datieren wären. St. Vigil dagegen setzt er in den Jahren 138090 an, da man dort die glockenförmig über das Handgelenk fallenden Ärmelbündchen findet sowie den Kruseler. Letzterer ist aber auch in St. Zyprian gezeigt. Schließlich ist an dieser Kopfbedeckung nur eine grobe zeitliche Einordnung vorzunehmen, da er bereits 1342 auftaucht und sich bis etwa 1430 hält. 119 zeigt die Figur des Dämons, dass es dazu auch noch eine Steigerung gibt, die wiederum der negativ besetzten Figur vorbehalten ist. Auch das hochmodische Kleid der Magdalena aus dem Zyklus von Prazöll (Abb. 92) ist dem der Dämonin ähnlich. Der weite Rock ist an der Seite geschlitzt, an den Ärmeln hängen lange Ärmelbündchen herab. Der Saum ihres Rockes ist mit einer breiten Pelzborte versehen. Unter dem Schlitz spitzt der Rock ihres Untergewandes vor, der ebenfalls am Saum eine breite Borte aufweist. Ihre Schwester Martha dagegen ist in einen pelzverbrämten Mantel mit Goldborten gehüllt, der vor der Brust durch eine Agraffe gehalten wird. Im Bild der Verkündigung an Anna in der Vigilskapelle zeigt sich unter dem weiten Kleid der Anna, dessen Ärmel durch die zum Gebet erhobenen Hände zurückgerutscht sind, der enge Ärmel einer Cotte, eines Untergewandes der Frau, das meist eng anliegend geschneidert war. In St. Johann im Dorf trägt eine Zuschauerin im Hintergrund des Bildes der Totenerweckung ein bis zur Hüfte eng anliegendes Kleid mit Ärmelschleppen und einem tief sitzenden Gürtel, dem Dusing, der aus der Männerkleidung übernommen ist. Eine weitere Gewandform des Passionszyklus von St. Zyprian sei noch genannt: das weiße Kleid der Magd bei Petrus, bei dem nicht nur der Rock sondern auch das Oberteil und die Ärmel plissiert sind (Abb. 62). Lediglich einzelne Streifen sind in glattem Stoff gegeben. Das gleiche Gewand hat die Besessene im Bild der Heilung des Vigilszyklus an. Die Köchin bei der Geburt Mariens trägt unter ihrem roten Rock genau den gleichen plissierten Rock mit glattem Saumstreifen, das Oberteil ist verdeckt. Weitere Beispiele dieses Gewandtypus habe ich bei den Bozner Malereien nicht gefunden. Ein Exemplar ist allerdings im Kreuzgang von Brixen zu rekonstruieren, im Bild Frauen besuchen Gefangene aus der Reihe der barmherzigen Werke der elften Arkade (um 1400). Im heutigen Zustand der Fresken zeigt sich nur noch ein gelblich-weißes Kleid (Abb. 94). In einer Abbildung zu Walcheggers Aufsatz über die Brixner Kreuzgangfresken353 sieht man die Magd mit dem Krug in der einen und der Schüssel in der anderen Hand in einem durchgehend plissierten Kleid, welches nur am Ellenbogen einen glatten Gewandstreifen aufweist. Rasmo354 weist für St. Vigil auf das Merkmal der glockig über das Handgelenk hinausreichenden Armmanschetten hin, die mit einer Borte geschmückt sind – ein Indiz für ihn, die Malereien der Marienlegende um 1380-90 anzusetzten. Das gleiche Argument könnte man auch auf den Zyprianszyklus anwenden, wo die Frauenkleider die gleichen glockenförmigen Ärmelbündchen aufweisen. Mit den oben erwähnten 353 354 WALCHEGGER 1895. RASMO 1977, S. 270 f. 120 Argumenten muß man allerdings auch hier die Datierungsversuche anhand von Kostümformen einschränken: Bestimmte Moden halten sich über einen langen Zeitraum hinweg bzw. ungleichzeitige, d.h. zu verschiedener Zeit aktuelle Modeerscheinungen können gleichzeitig dargestellt sein.355 Typische Kopfbedeckung für verheiratete Frauen war der Kruseler, eine Haube, die sich aus dem Kopftuch entwickelte. Anna trägt ihn sowohl im Bild der Verkündigung als auch der Vermählung Mariens. Auch in St. Katharina sind im Bild des Götzensturzes zwei Kruseler zu sehen. Seine Vorform, die Rise, ein am Rand zart gekrauster Schleier, zeigen Maria Kleophas und Maria Salomas in der Heiligen Sippe von St. Vigil. Im Bild der Versuchung Justinas von St. Zyprian trägt die Heilige die ihrem Stand als unverheiratete Jungfrau kennzeichnende Schapel, den kranzförmigen Kopfschmuck lediger Frauen (Abb. 67). Die Dämonin jedoch, die vortäuscht zusammen mit Justina ein Leben der Keuschheit zu verbringen, ist mit einer sehr ausgereiften Form des Kruselers ausgestattet. Eine dicke Reihe von Rüschen, die auch um den Hals gelegt ist, zeichnet diese Kopfbedeckung aus. Das gleiche gilt für die noch nicht bekehrte Magdalena im ersten Bild aus St. Magdalena in Prazöll. Dieses auffällige Kleidungsstück sowie der verschwenderisch angebrachte Hermelinbesatz sind hier wieder den negativen Personen zugeteilt. Die Fürstin in St. Magdalena trägt zwar auch einen Kruseler, doch ohne den Kragenkruseler. Offenbar wurde fein differenziert zwischen einerseits den anzuprangernden negativen Figuren und andererseits heidnischen Figuren, die bekehrt werden und ihres Standes entsprechend gekleidet sind, doch keinerlei Übertreibungen aufweisen. Vorschrift war es für die Frauen, die langen Haare zu Zöpfen zu flechten und um den Kopf oder um die Ohren zu legen. So kamen auch das Dekolleté und der Nacken mehr zur Geltung, eine Folgeerscheinung, die man durch Kleiderordnungen wiederum einzudämmen versuchte. Diese Mode ist in St. Vigil nur bei Mägden und Frauen einfachen Standes zu beobachten: so im Bild der Goldenen Pforte, in der Geburt Mariens, in der Predigt des hl. Vigilius sowie in der Kommunion des Vigilszyklus. In St. Magdalena trägt Martha einen feinen Schleier über ihrem geflochtenen Haar. Auch Rüstungen sind in verschiedenen Ausführungen dargestellt. Die des Longinus in der Kreuzigung von St. Zyprian besteht aus dem knapp über den Knien endenden Waffenrock über einem Ringpanzer, Kniekacheln, Schuhen aus Eisenplättchen und 355 Vgl. Anm. 350. 121 darunter roten Panzerstrümpfen (Abb. 66). Um die Schultern hat er seinen grünen, vorne am Hals geschlossenen Mantel nach hinten auf den Rücken gelegt. Eine etwas aufwendigere Rüstung ist für den guten Hauptmann zu rekonstruieren. Am noch erhaltenen Bein sieht man, dass es außer durch Kniebuckel und Plattenschuhe auch durch Beinschienen, sog. Diechlinge, geschützt war. Während die Schuhe des Longinus aus lauter kleinen, schuppenförmig angeordneten Plättchen zusammengesetzt sind, zeigt der erhaltene Schuh des Hauptmannes waagrecht verlaufende, sich überlappende Platten. Einen am Saum gezaddelten Lentner, Armzeug, Brustharnisch und Beckenhaube mit Klappvisier trägt der Soldat, der die hl. Katharina in Vöser Aicha vor den Kaiser führt (Abb. 95). Dazu hat er allerdings einfache Beinlinge an. Bei einem anderen spitzt unter der Beckenhaube eine Helmbrünne vor. In der Vorführung Christi vor Kaiphas von St. Nikolaus in Durnholz zeigen sich vollständig gerüstete Soldaten mit Beckenhauben, Armzeug, Beinzeug, Diechling, Kniekacheln, Beinröhren und Eisenschuhen (Abb. 96). Obwohl das Panzerkleid sehr summarisch dargestellt ist, war der Maler bestrebt, einige Details zu differenzieren, wie z.B. die sich übereinanderschiebenden Platten der Eisenschuhe oder die Kniekacheln. Durchweg wurde bei den Rüstungen kein Wert darauf gelegt, die einzelnen Harnischteile exakt wiederzugeben; einige Hauptelemente zeitgenössischer Rüstungsformen genügten, einen Mann als Soldaten zu kennzeichnen. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass in den hier besprochenen Bozner Malereien aus der Zeit um 1400 das Kostüm in der Regel auf die allgemeine Gewandform reduziert, mit wenigen Details geschildert wird, und dass kaum Elemente der zeitgenössischen Mode verwendet werden. So sind im Zyprianszyklus zwar einzelne modische Züge zu beobachten, reichhaltigere Modeformen zeigen aber allein die Malereien von St. Magdalena in Prazöll. Nicht nur Kruseler und Ärmelschleppen, die in den anderen Beispielen genauso zur Ausstattung gehören, sondern auch Gürteltaschen, Mi-parti-Stoffe, Dusinge bei Männern und Frauen sowie eine Vielzahl von Goldverzierungen lassen die Gewänder hier reicher erscheinen. Was die Stoffe anbelangt, so werden teure, gemusterte Textilien kaum dargestellt. Lediglich Vigilius´ Kasel sowie Marias Hochzeitskleid sind aus gemusterten Stoffen und unterstreichen so ihre besondere Bedeutung.356 356 THIEL 1987, S. 134. Gemusterte Stoffe waren nur für die Reichsten erschwinglich. Allerdings zeichnet gemusterter Stoff Vigilius und Maria nicht als reiche Leute, sondern als ranghohe bzw. im Sinne des Bildprogramms bedeutende Persönlichkeiten aus. 122 Mit modischen Accessoires sind die Maler zwar sehr sparsam umgegangen, haben sie aber bewußt und gezielt eingesetzt. So sind die Heiligen als positive Vorbilder für den Gläubigen immer in zurückhaltenden zeitgenössischen, modischen Formen gekleidet, während den Ungläubigen, wie um sie anzuprangern, die auffälligeren Formen zugeteilt werden. Pelze als Futter oder Besatz tragen nur Personen höheren Standes und Adelige357, wie es in den Kleiderordnungen des 14. Jahrhunderts festgelegt wurde. Dass parallel verschiedene Kleiderschnitte und Rüstungsformen zu sehen sind, ist, wie ich oben dargelegt habe, zeittypisch. Obwohl manches Gepräge der Kleidung Anstoß fand und obwohl man versuchte, durch Kleiderordnungen extreme Entwicklungen zu unterbinden, ließen sich das weite Dekolleté des Frauenkleides oder die langen Ärmelschleppen nicht ausrotten. Auch im realienkundlichen Bereich ist St. Magdalena ein herausragendes Beispiel. Sehr detailgetreu wird die gedeckte Tafel im Bild der Fußwaschung Christi vorgeführt. Teller mit Speisen, Weinkaraffen und halbgefüllte Gläser, Brote und sogar ein Messer beschreiben das Gastmahl im Haus des Simon (Abb. 97). Ein Diener im Mi-parti-Kostüm trägt auf einem Teller Essen herein. Dabei hat er über den einen Arm ein Leinentuch gelegt, das mit feinen Streifen verziert ist. Ein ähnliches, noch kunstvoller verziertes Schaltuch hält in St. Jakob in der Au der Diener des Jakobus, der Philetus von seinem Bann befreit, im gleichnamigen Bild. Ansonsten wird auf eine Ausschmückung der Bilder durch Realien, die der Szene eine reichere Erzählform und realitätsnahe Komponente verleihen würden, verzichtet. 4.3 Bemerkungen zu einigen charakteristischen Architekturmotiven Die Bozner Wandmalereizyklen um 1400 haben trotz unterschiedlicher Gestaltungsformen auch verbindende Elemente vorzuweisen, wie sich am Beispiel einiger Architekturmotive zeigen läßt. Es handelt sich dabei nicht um identisch gestaltete Formen, sondern um bestimmte Grundformen, die im engeren Bozner Bereich in mehr oder weniger modifizierter Form immer wieder auftauchen.358 357 358 Als Beispiele seien Aristodemus in St. Johann, die Fürstin in St. Magdalena, Katharina in Völser Aicha genannt. Siehe dazu auch KESSEL 1984, S. 104. In der Hauptsache handelt es sich dabei um typische Raumgestaltungen von Kastenraum und Zentralraum mit Einblick in den Innenraum, wie sie bei HORB 1938, S. 55 und S. 63 beschrieben werden. 123 Die dreikonchige Hintergrundarchitektur der Bischofsweihe von St. Vigil (Abb. 23) findet sich nahezu identisch in der Dornenkrönung von St. Zyprian (Abb. 64) wieder. Die einfachen, etwas plump wirkenden Formen der Architektur des Vigilszyklus sind im Zyprianszyklus etwas präziser gestaltet. Das Schema jedoch ist das Gleiche. Die breite Mittelapsis ist von zwei schmalen Seitenapsiden flankiert, an die sich nach vorne hin jeweils an einer Mauerzunge ein kleiner Erker anschließt. Die exaktere Gestaltung der einzelnen Architekturelemente in St. Zyprian spiegelt sich auch in ihrer Ausschmückung wieder. Cosmatenschmuck ziert die Mauerzwickel in St. Zyprian, die in St. Vigil glatt belassen oder mit einer einfachen Linie strukturiert sind. Außerdem ist im Hintergrund der Dornenkrönung noch die Durchfensterung der Wand mit zweibahnigen Maßwerkfenstern zu sehen, während in St. Vigil die Figuren so positioniert sind, dass die Wandfläche des Hintergrundes nahezu völlig verdeckt ist. Obwohl die Bischofsweihe von St. Vigil (Abb. 23) auf den ersten Blick gleichermaßen identisch mit dem gleichnamigen Bild von St. Zyprian (Abb. 69) zu sein scheint, erkennt man auf den zweiten Blick die unterschiedliche Gestaltung der Hintergrundarchitektur. Ebenso auf einer dreiachsigen Grundform mit breiterem Mittelteil basierend findet die Weihe des hl. Zyprian vor einer filigran gebildeten Choranlage statt. An den flachgedeckten Vorraum schließen sich links und rechts zwei schmale Apsiden und in der Mitte eine Art Chorjoch auf quadratischem Grundriß an. Daran folgen nach hinten erst die Apsis und seitlich zwei kleinere Öffnungen. Die einzelnen Architekturglieder sind durch profilierte Kassettierungen und gotische Fensterformen ausgezeichnet. Rosettenfenster schmücken die Wandflächen über den Seitenapsiden. Die gleiche Architekturform wie in St. Zyprian bildet den Hintergrund der Bischofsweihe in St. Johann im Dorf (Abb. 98).359 Trotz des schlechten Erhaltungszustands des Freskos ist das Architekturschema noch gut zu erkennen: Es ist eine analoge Dreiapsidenanlage mit einem kreuzgratgewölbten Vorchorjoch, davor der gerade gedeckte Raumabschnitt, der nach vorne hin durch zwei Mauerzwickel abgeschlossen wird, welche hier noch mit Cosmatenwerk versehen sind. Auch die seitlichen Stützen der Architektur weisen solche Schmuckformen auf. Nicht mehr zu sehen ist allerdings eine Durchfensterung der Mauerflächen. Ein wesentlicher 359 In St. Johann im Dorf wird an der Nordwand die Geschichte Johannes des Evangelisten, an der Südwand die Johannes des Täufers erzählt. Beidemale ist das obere Register noch völlig intakt und relativ gut erhalten, während das untere Register durch starke Abreibungen und Abplatzungen kaum mehr zu erkennen ist. Die noch am besten zu lesende Szene der unteren Register ist die Weihe des Knaben zum Bischof in der Legende des Evangelisten. 124 Unterschied zu St. Zyprian ist die größere Breitenerstreckung der Architektur in St. Johann, die dort bis zu den seitlichen Bildrändern reicht. In der Pfarrkirche zu Terlan wird die Schutzmantelmadonna im westlichen Schildbogen der nördlichen Chorwand (Abb. 99) wiederum von dem gleichen Architekturschema hinterfangen. Doch zeigen sich in der Detailgestaltung Unterschiede. Der nach vorne hin gerade Abschluß und die flache Kassettendecke360 mit dem anschließenden Kreuzrippengewölbe weisen andere Schmuckformen auf. Die gefelderten Pfeiler sowie die Zwickel im Vordergrund sind mit buntem Cosmatenwerk verziert. Die Kapitelle der die Mittelapsis flankierenden Säulen sind als filigran gestaltete Akanthusblattkapitelle zu identifizieren. In den Zwickeln der Mittelapsis erkennt man noch kleine Putti. So ausgefeilt und raffiniert diese Zierformen sind, so einfach und fast unbeholfen zeigen sich die Architekturglieder, die aus den Grundformen Kreis und Bogen gestaltet sind. Eine weitere charakteristische Bauform, die in verschiedenen Bozner Fresken auftaucht, ist die des Bildes Heilung der Besessenen von St. Vigil (Abb. 25). Die auf stelzenähnlichen Säulen stehende Halle besteht rechts aus einem schmalen baldachinartigen Anraum, dem sich nach links ein asymetrischer Raum anschließt. Die Stützen des Ganzen teilen die Bildfläche im Verhältnis 1:2:1. Das gleiche Schema in etwas gedrungener Form bildet die Kulisse zu Christi Vorführung vor Kaiphas (Abb. 62) in St. Zyprian. Dennoch ist die Ausgestaltung in den Einzelheiten feiner. Sind die Säulen im Vigilszyklus glatt, so sind sie in St. Zyprian mit einem dunklen Band umwickelt. Die Kapitelle, die im Bild der Heilung plump und etwas teigig wirken, weisen im Bild des Passionszyklus feinere Detailformen auf. Auch sind die glatten Mauerzwickel von St. Vigil in St. Zyprian mit Cosmatenwerk versehen. Außerdem schließt sich in der Vorführung Christi im Hintergrund ein Zentralraum an, auf dessen Mittelstütze sich die Gewölbegrate bündeln, während im Bild der Heilung ein gerader Kastenraum ohne großen Schmuck folgt. Als ein letztes Beispiel für verwandte Architekturmotive sei das Gemach der Anna im Marienzyklus von St. Vigil (Abb. 44) angeführt. Der große Hauptraum mit anschließendem schmalen Nebenraum ist wieder in St. Johann im Bild der Geburt des Täufers zu finden (Abb. 100). Obwohl der Raumstruktur der gleiche Gedanke zugrunde liegt, gibt es doch feine Unterschiede in der Gestaltung. Ist in St. Vigil ein 360 Die perspektivische Gestaltung der Kassettendecke ist im Terlaner Beispiel fehlgeschlagen: Die Kassetten fächern sich nach hinten auf, anstatt, wie in St. Vigil und St. Zyprian richtig beobachtet, nach vorne. 125 Flachdach zu sehen, so ist es in St. Johann ein mit Ziegeln gedecktes Walmdach. Der Raumabschluß nach vorne hin ist im Marienbild bildparallel, in St. Johann als vorkragendes Dach gestaltet. Blickt man in St. Vigil von rechts nach links in den Raum, so öffnet er sich in St. Johann von links nach rechts. Das hat zur Folge, dass auch die Innenausstattung spiegelverkehrt angeordnet ist. In St. Vigil sind die Rückwände des Bettes und des Raumes mit Vorhängen behängt. In St. Johann zeigt sich an der hölzernen Rückwand des Raumes eine rautenförmige, in ein Rechteck eingeschlossene Intarsienarbeit. Die Rückwand des Bettes ist weit über Elisabeths Kopf gezogen und endet knapp unter der Decke in einem Bogenansatz. Unter diesem befindet sich ein schmales Regalbrett. Zur Küche hin ist keine richtige Türe gezeigt, sondern eine vergitterte Fläche. Auch die Kissen, auf welche die beiden Wöchnerinnen gebettet sind, zeigen unterschiedliche Aufmachung. Begnügt sich Anna mit einem einfachen weißen Kissen, so hat Elisabeth auf dem weißen Kissen noch ein kleineres kariertes liegen. Auffällig ist die bei beiden in gleicher Weise fächerförmig aufgelegte Fehdecke. Blickt man nun auf die Malereien von St. Magdalena in Prazöll, und dort speziell zum Bild Magdalena erscheint dem Fürstenpaar im Schlaf (Abb. 101), so findet man einige Details aus St. Johann wieder: die rautenförmige Intarsie in der Rückwand, die überhöhte Bettrückwand mit dem Bogenansatz, die zweifachen Kopfkissen und die Fehdecke. Der Raum an sich scheint eine Nahsicht auf das hintere Kompartiment eines in gleicher Art additiven Raumes wie in St. Johann zu sein. Trotz der Unterschiede, die sich in der individuellen Innenausstattung dieser Raumform auftun, ist für seine Grunddisposition ein gemeinsames Vorbild nicht zu leugnen.361 Interessant ist hier, wie aus den verschiedenen Gestaltungen die Grundform doch immer wieder herauszulesen ist. Diese Analogien verschiedener Bauformen sind kein Beweis dafür, dass hier ein und derselbe Maler oder ein Meister und sein ihn nachahmender Schüler tätig gewesen sind. Doch zeigt sich deutlich die enge Verflechtung, die zwischen den verschiedenen Malern und Werkstätten der Bozner Gegend herrschte. Hier trifft es zu, von der "Bozner Malerei" mit engen Werkstattverbindungen zu sprechen. Für St. Zyprian und St. Vigil läßt sich schließlich noch folgende Erkenntnis resümieren: Die Architekturen von St. Zyprian sind sowohl im Passions- als auch im Zyprianszyklus feingliedriger gestaltet, die Details sind reicher bzw. präziser herausgearbeitet als in St. Vigil. 361 Auf das Vorbild bei Giotto gehe ich weiter unten, in Kap. 4.4.1 noch ein. 126 4.4 Bezüge zur italienischen Trecentomalerei Mit seiner Lage zwischen Italien und den nordalpinen Ländern Deutschland, Böhmen und Österreich bildet Südtirol genau den Kreuzungspunkt der regen und wichtigen Handelswege zwischen diesen Regionen. Doch kann man davon ausgehen, dass Güter und Menschen nicht nur durch Südtirol und somit durch Bozen hindurchgezogen sind, sondern dass viele dort auch ihr Ziel gefunden haben. Der Bozner Raum war genauso Umschlagplatz für Sachgüter wie für Ideengut vom Norden in den Süden und umgekehrt. Letzterem gilt zunächst meine Aufmerksamkeit. Eines der eindrücklichsten Zeugnisse künstlerischen Austauschs zwischen Italien und Südtirol ist die Ausstattung der Johanneskapelle in der Bozner Dominikanerkirche, die von einem aus Padua kommenden Giottoschüler in den 30er Jahren des 14. Jahrhunderts geschaffen wurde.362 Doch nicht nur Giottos Werk, sondern auch die Schöpfungen anderer norditalienischer Künstler fanden ihren Niederschlag in den Malereien der Bozner Region. Diese wurden zwar in der Vergangenheit von den Kunsthistorikern wahrgenommen, aber nie wirklich mit in die Diskussion eingebracht. Inwieweit sich solche Strömungen in den ausgewählten Südtiroler Malereien festmachen, ob es nun ganze Bildkompositionen oder nur einzelne Bildelemente sind, dem gehe ich im folgenden nach. 4.4.1 Vorbilder bei Giotto und der Paduaner Schule Zu Giotto als möglichem Vorbild für die Bozner Maler ist zuerst die Marienlegende von St. Vigil anzuführen, wo doch einige auffällige, auf die Arenakapelle rekurrierende Elemente zu finden sind. Schon zu Beginn des Zyklus ist die Parallelität der Szenen Vertreibung aus dem Tempel und Mariens Tempelgang bemerkenswert. Die Idee, diese beiden Begebenheiten in der gleichen Kulisse geschehen zu lassen, hat bei Giottos Ausmalung der Arenakapelle sein Vorbild, dort allerdings mit der Raffinesse, dass der Tempel im zweiten Bild von einer anderen Seite gezeigt wird.363 362 363 Dazu die unveröffentlichte Magisterarbeit von FRIEDERIKE WILLE: Die Fresken der Johannis-Kapelle am ehemaligen Dominikanerkloster in Bozen, Magisterarbeit Uni. München 1987. Auch die Katharinenkapelle des Dominikanerklosters stützt sich auf Vorlagen von Giotto. WHITE 1973, S. 442 f. Eine Besonderheit bei Giotto bildet zusätzlich die Orientierung des Malers an architektonischen Vorbildern von Chorschranken wie z.B. in S. Clemente in Rom. 127 Doch hat auch dieses Phänomen in St. Vigil im Bild Maria am Webstuhl eine Entsprechung. Der Treppenaufgang sowie der Altar-Stipes lassen die Vermutung zu, dass der Maler hier denselben Ort wie im Bild Mariens Tempelgang meint, nur von einem anderen Stand- bzw. Blickpunkt aus gesehen. Das gleiche Phänomen beobachtete John White auch bei Giottos Bildern Joachims Vertreibung aus dem Tempel und Mariens Tempelgang in der Arenakapelle in Padua.364 Fürden in St. Vigil gezeigten Tempel würde dies bedeuten, dass z.B. die Altarmensa nicht an die Wand gerückt steht, wie es im Bild der Vertreibung den Anschein hat, sondern vielmehr in der Mitte des Raumes. Durch den veränderten Standpunkt, der den Betrachter nun rechts vor der Treppe stehen läßt, verdeckt der Treppenaufgang die mit einem Dreipaß durchbrochene Mauerzunge des Tempels. Hinter der vor einem Webstuhl sitzenden Maria erahnt man auch noch die spitzbogigen Fenster des hiesigen Tempelraumes, die ähnlich auch im Tempelgang zu sehen sind. Unklarheiten bestehen jedoch in der Darstellung der Raumschale des Tempels im Bild Maria am Webstuhl. Durch die Zerstörung lassen sich hierzu keine Aussagen mehr machen. Irritierend wirkt auch der obere Abschluß des Einganges, der in einer Geraden endet. Ebenso stammt Annas Gemach, in dem sie die Verkündigung (Abb. 41) erfährt und ihre Tochter Maria zur Welt bringt (Abb. 44), in der Grundidee von Giottos Architekturdarstellung in der Arenakapelle ab: Beidemale hat der große Raum einen kleineren Vorraum, wo eine in die Szene einleitende Figur agiert.365 Im Bild der Verkündigung an Anna von St. Vigil ist diese Assistenzfigur z.T. zerstört, doch läßt das Fragment eine ähnlich Sitzende wie im entsprechenden Bild der Arenakapelle ahnen (Abb. 102). In der Geburt Mariens von St. Vigil ist in dem kleineren Anraum eine Kochstelle zu sehen. Das heißt, der Maler von St. Vigil hat hier variiert und auf ein bei Pietro Lorenzetti im Letzten Abendmahl der Unterkirche von S. Francesco in Assisi (1317-19) vorgebildetes Motiv zurückgegriffen.366 Trotzdem ist bei der Innen364 365 366 Vgl. Anm. 363. Anders als Giotto, der in der Arenakapelle eine komplette Chorschrankenanlage mit Altarziborium vorstellt, kombinierte der Maler von St. Vigil diese Ziboriumsansicht mit einer Chorarchitektur wie sie etwa bei Taddeo Gaddi oder Giovanni da Milano jeweils in Fresken in S. Croce, Florenz, vorgebildet waren. Dabei ignorierte er die unterschiedlichen Proportionen und suggerierte einen einheitlichen Tempelraum. Die Architektur vereint einen Innenraumblick , das Ziborium, mit einer Außenansicht dem Chorgebäude. Im Paduaner Beispiel handelt es sich bei dem Vorraum der Geburt Mariens um eine Art Windfang, unter dem eine Magd steht und einer zweiten, die aus dem Zimmer kommt, etwas reicht. Abb. bei POESCHKE 1985, Abb. 261. In der Rinuccini-Kapelle in S. Croce, Florenz, zeigt Giovanni da Milano im Bild Christus im Haus der Martha und Magdalena von Bethanien 128 raumausstattung die Affinität zum Vorbild Giotto gewahrt: im Fenster in der rechten Wand, darunter die Truhe sowie der Bettkasten im Hintergrund. Auch die Vorhänge sind wiederzufinden, wenn auch in anderer Anordnung. Die Geste des Küssens aus dem Bild der Goldenen Pforte von St. Vigil ist bei Giotto in der Arenakapelle sowie auf einem Tafelbild des Paolo Veneziano (Mitte 14. Jahrhundert) im Museum von Pesaro367 mit Szenen aus dem Leben der Jungfrau zu finden. Auch im Londoner Triptychon des Giusto de' Menabuoi (1367) kommen sich die Gesichter der beiden Eheleute sehr nahe (Abb. 54). In den meisten anderen Beispielen der Begegnung der Eheleute umarmen sie sich lediglich oder fassen sich nur an den Händen. Die in die 1340er Jahre datierte Ausstattung der Katharinenkapelle des Dominikanerklosters in Bozen ist nur mehr sehr fragmentarisch erhalten. Auch hier sind durch den Einbau eines Gewölbes, welches später wieder zurückgebaut wurde, die Malereien der Schiffswände empfindlich gestört worden. Dennoch lassen die noch erhaltenen Bilder eine starke Orientierung an der Malerei Giottos erkennen. Besonders im Bild der Kreuzigung ist das Vorbild aus der Arenakapelle nicht zu übersehen. Das Kreuz Christi ist zwar nicht so hoch aufragend wie bei Giotto, auch hat Christus nicht die gleiche gespannte Haltung wie dort, doch bei den Gruppen unter dem Kreuz werden die Ähnlichkeiten deutlich. Auch in der Katharinenkapelle kniet Magdalena vor dem Kreuz und faßt mit den Händen an die Füße des Gekreuzigten. Die Reaktion der Muttergottes, die zwischen Johannes und einer der Marien zusammensinkt, ist im Bozner Beispiel etwas expressiver, doch der schlaff hängende rechte Arm der Jungfrau ist in beiden Bildern vergleichbar. Auch in der Gruppe der Soldaten und Schergen gibt es Übereinstimmungen. So trägt der gute Hauptmann im Bozner Bild eine ähnliche, wenn auch etwas schmalere Flügelhaube wie bei Giotto. Die Schergen rechts vorne, die Christi Gewand, wie um es dem Betrachter vorzuzeigen, zwischen sich halten, sind in beiden Beispielen analog gestaltet. Insgesamt ist für die Katharinenkapelle zu beobachten, dass es zwar in den Kompositionen Verschiedenheiten gibt, dass sich die blockhafte Figurengestaltung sowie die voluminösen Gewänder mit ihren parallelen Faltenzügen aber doch stark an dem Paduaner Vorläufer orientieren. 367 ebenfalls eine Küche als Nebenraum. Auch die Geburt des Johannes in der Johanneskapelle der Bozner Dominikanerkirche zeigt dieses Raumschema, jedoch ohne die Kücheneinrichtung und seitenverkehrt. Vgl. dazu LUCCO 1992, Bd. I, S. 29; Abb. ebda. S. 27. Die aus fünf Bildfeldern bestehende Tafel geht in ihrer Gestaltung jedoch selbst auf die Arenakapelle zurück. 129 Der Maler von St. Zyprian, der im allgemeinen anderen Vorbildern als Giotto nacheifert – darauf gehe ich weiter unten noch ein – hat eine einzige Figur aus Giottos Repertoire in seinen Zyklus aufgenommen: Die Rückenfigur vom linken Bildrand der Gefangennahme Christi aus der Arenakapelle (Abb. 103) findet sich wieder im Bild der Dornenkrönung links von Christus. Die das Gewand greifende linke Hand des Schergen in Padua gestaltete der Sarntheiner Maler zur Fica-Geste um. Die Grundidee der identischen Wiederholung von Annas Gemach bei Verkündigung und Geburt (Abb. 41, Abb. 44) ist, wie bereits erwähnt, schon bei Giotto vorgebildet. Jedoch verzichtete der Maler in St. Vigil auf die zweimalige Darstellung des Neugeborenen im Bild der Geburt Mariens.368 Anstatt der im Bett sitzenden Anna das Kind zu reichen, bringt ihr in St. Vigil eine Magd einen Krug Wasser, damit sie sich die Hände waschen kann,369 wie es auch im Londoner Triptychon des Giusto de' Menabuoi (1367) (Abb. 54) zu sehen ist. Die Szene des Triptychons weist noch weitere Entsprechungen auf: Hier wie dort sieht man eine Magd mit Geflügel auf einem Teller. Im Triptychon hockt die rechte Magd im Vordergrund aufrecht mit ausgestreckten Armen, ein weißes Tuch auf ihrem Schoß, auf dem Boden. Ihr Kopftuch steht über der Stirn wie eine steife Haube ab. In St. Vigil ist die entsprechende Figur, die auf einem niedrigen Holzschemel sitzt, mit Rundrücken gezeigt. Auffallend ist jedoch der Versuch, das Kopftuch ebenfalls haubenartig über der Stirn abstehen zu lassen. Die Magd links, welche das Neugeborene hält, ist in St. Vigil nahezu identisch mit der Magd von Giustos Bild. Beide knien auf dem rechten Knie, während sie das linke Bein aufgestellt haben. Im linken Arm halten sie das Baby, mit der Rechten lösen sie die Windel, die in beiden Bildern in ähnlichem Schwung zu Boden fällt. Bemerkenswert ist das Motiv des Figurenpaars, das in St. Vigil im Bild Vertreibung Joachims aus dem Tempel den Marienzyklus einleitet. Es ist im Tempelgang Mariens fast unverändert wiederzufinden (Abb. 40, Abb. 45). Der Jüngere ist lediglich in 368 369 Eine spiegelverkehrte, aber ähnliche Situation zeigt das Bild der Geburt Johannes des Täufers in St. Johann im Dorf in Bozen. Dort wird der im Bett sitzenden Elisabeth das neugeborene Baby gebracht. Die beiden Ammen, die das Kind wickelten, sitzen noch im Vordergrund vor dem ovalen Waschzuber. Auch in Giovanni da Milanos Fresko in der Rinuccini-Kapelle in S. Croce, Florenz, gießt eine Magd Wasser über Annas Hände, die im Bett sitzt und vor sich auf dem Schoß eine Schüssel hat. In den übrigen Details ist die Szene jedoch anders aufgefaßt. SCHILLER 1980, S. 64, beschreibt die Geste, der Anna Wasser zum Händewaschen zu reichen, als ein aus der sienesischen Tradition kommendes Motiv. 130 seiner Kopfhaltung ein wenig verändert und die Gewänder sind etwas anders gestaltet. Auch in der Dornenkrönung von St. Zyprian (Abb. 64) ist dieser Figurentyp, dort jedoch einzeln, als Einleitungs- und Repoussoirmotiv, zu finden. Das nicht direkt beteiligte Figurenpaar ist ein auffälliges Gestaltungselement, welches in das Bild einführt und für den Betrachter auch die Funktion von Erzählern innehat. Als Motiv hat es in der monumentalen Malerei eine lange Tradition dort, wo ähnliche Figuren auch als Repoussoirelement verwendet werden, so bei Giotto im Bild vom Tempelgang Mariens in der Arenakapelle von Padua. Zweimal erscheint das Figurenpaar als Rahmung und Steigerung des Themas in der Szene Der hl. Franziskus vor Papst Honorius III. in der Bardi-Kapelle in S. Croce in Florenz (um 1325) (Abb. 104). Auch bei Taddeo Gaddi in der Baroncelli-Kapelle derselben Florentiner Kirche ist im Bild der Vertreibung Joachims aus dem Tempel (1332-38) (Abb. 105) das Motiv zu einer Dreiergruppe modifiziert zu finden. Im Tempelgang Mariens der Rinuccini-Kapelle von S. Croce (Abb. 106) von Giovanni di Milano (um 1370) bildet dieses Figurenpaar als Gegenpart zu Joachim und Anna das Repoussoir-Element der Szene, wie es auch bei Giusto de' Menabuoi im gleichnamigen Bild im Paduaner Baptisterium (um 1375) zu finden ist (Abb. 107).370 Der Figurentyp des bärtigen Mannes mit weiten Gewändern und "Capite velato" findet sich häufig auch in den Bildern Guarientos. Als Abschlußmotiv sind zwei paarweise in der Eremitani-Kirche in Padua im Bild Der hl. Philippus weigert sich, dem Idol zu opfern (1360er) (Abb. 108). Dort zeigen die beiden Männer allerdings zusätzlich eine Reaktion auf das Ereignis, sind also mit einbezogen in das Geschehen und weisen nicht nur durch Gesten darauf hin.371 Auch eine Architektur wie im Bild der Weihe der afrikanischen Bischöfe von Guariento in der Eremitani-Kirche zu Padua (1360er) (Abb. 109) ist Vorbild für die Südtiroler Maler gewesen. Die hoch aufragende, dreischiffige Chorarchitektur des Paduaner Bildes ist modifiziert in St. Johann im Dorf (Abb. 98) und St. Zyprian (Abb. 69) wiederzufinden. In den Südtiroler Beispielen ist die Mittelapsis allerdings nicht derart überhöht und der Blick auf Seitenapsiden und Seitenschiffswand ist anders aufgefaßt. Außerdem fehlen das Obergadengeschoß sowie die vorderen Stützen. Auffallend aber ist die Ähnlichkeit der Durchfensterung in Haupt- und Nebenapsiden. Genau wie im Paduaner Beispiel steht ein Altarretabel in der Mittelapsis, wobei dieses die Fenster in St. Zyprian mehr überschneidet als im Vorbild. Die 370 371 Abb. bei SPIAZZI 1989, S. 61. Dieser Figurentyp hat sich um 1400 aber auch schon in die Gebiete nördlich der Alpen verbreitet. 131 Rosetten der Seitenschiffswände im Paduaner Bild sind in St. Zyprian und St. Johann an scheinbar diagonal von der Mittelapsis zum vorderen Raumpfeiler verlaufende Wandflächen verschoben worden. Wahrscheinlich wollte der Maler die Darstellung des Seitenschiffes vereinfachen, wobei ihm dieser „Konstruktionsfehler“ unterlief. Interessant ist, dass der gleiche Fehler auch in der Architektur in St. Johann im Dorf zu beobachten ist. Dort allerdings erkennt man an den vorderen Stützen sowie an den Zwickelfeldern der Decke Cosmatenwerk, wie es auch in dem Paduaner Vorbild zu sehen ist. Die beträchtliche Disproportion von Stadtdarstellung und Figuren sowie die miniaturhafte Darstellung eines die Stadtmauer durchfließenden Flusses im Freskenfragment des Martyriums des hl. Vigilius in St. Vigil ist auch in der Szene des Streites zwischen Romulus und Remus, einer Illustration zu Petrarcas 'De viris illustribus', zu finden.372 Diese Zeichnung kopiert ein Detail der trecentesken Ausstattung der Sala virorum illustrium in der Reggia in Padua (1367-1379), die bereits im 15. Jahrhundert durch eine neue Ausgestaltung verloren ging.373 Gezeigt wurden Männer der römischen Geschichte, die Petrarcas Virtus-Begriff entsprachen. Unterhalb der einzelnen Personendarstellungen wurden erzählerisch die Taten dieser Männer illustriert.374 Vielleicht war auch dieses große Ausstattungsprogramm inspirierend für die Maler in Südtirol. Auch einzelne ikonographische Elemente wurden in mehr oder weniger ausgeprägter Form von den norditalienischen Vorbildern übernommen. So sind die charakteristischen Figuren des zum Schlag ausholenden Freiers und des stabbrechenden Freiers in der Rückenfigur in der Vermählung Mariens von St. Vigil auch bei Giovanni da Milano in der Rinuccini-Kapelle in S. Croce, Florenz,375 zu finden. Ebenso tauchen im gleichnamigen Bild des Pietro Nelli in der Collegiata di S. Maria in Impruneta (1375)376 diese beiden Figuren wieder auf. Zudem stehen im Fresko der RinucciniKapelle das Brautpaar und der Priester zum Teil von Freiern verdeckt, während bei Pietro Nelli der Betrachter ebenso ungehindert wie in St. Vigil auf die Hauptfiguren blicken kann. 372 373 374 375 376 Illustration der lateinischen Übersetzung von Petrarcas 'De viris illustribus' von Donato Albanzani, um 1400, heute in der Handschriftenabteilung der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt, Codex 101, fol. 4 v.; Abb. in NORMAN 1995, Bd. I, S. 167. Vgl. dazu auch SCHMITT 1974, S. 170 ff. SCHMITT 1974, S. 171. Abb. bei FREEMANTLE 1975, S. 197, Abb. 389. Abb. bei FREEMANTLE 1975, S. 339, Abb. 694. 132 Diese Beispiele zeigen meiner Ansicht nach in eindringlicher Weise, dass die Maler in Südtirol und insbesondere in Bozen nicht nur Giotto kannten, sondern auch dessen Zeitgenossen und direkten Nachfolger. Was nicht heißen soll, dass die hier angeführten Vergleiche als direkte Vorlagen anzusehen sind. Sicher zu sagen ist, dass sich die Werkstätten um 1400 in Südtirol und speziell in Bozen vom großen Vorbild Giotto bereits emanzipiert hatten und andere italienische Künstler bzw. eigene Ideen in ihre Werke mit einbrachten. Wie an den angeführten motivischen Entlehnungen aus der norditalienischen Malerei zu sehen ist, sind derartige Einflüsse und Vorbilder doch näher zu bestimmen, als es bislang in der Forschung üblich gewesen ist, wo man sich in der Regel mit den Attributen „italienisierend“ oder „paduanisch“ zufriedengegeben hat. 4.4.2 Sienesische Vorbilder für Bilder im Marienzyklus von St. Vigil Neben Bezügen auf die Malerei Giottos und dessen Paduaner Nachfolger sind in Bozen genauso Reflexe sienesischer Kunst zu finden. So habe ich bereits bei der Beschreibung der Geburt Mariens von St. Vigil darauf hingewiesen, dass das Motiv, der Anna im Wochenbett Wasser zum Hände waschen zu reichen, auf sienesische Vorbilder zurückzuführen ist.377 In anderen Geburtsdarstellungen der Bozner Region ist das Wasserreichen nicht zu finden. So bringt man im Bild der Geburt des Johannes von St. Johann im Dorf der Elisabeth das Neugeborene, wie auch in der entsprechenden Szene der Johanneskapelle im Dominikanerkloster. Ebenso ist die Diskussion des Petrus mit der Magd während der Verhöre Christi in den Südtiroler Passionszyklen nicht zu finden. Deshalb erinnert diese marginale Szene der Passionsgeschichte von St. Zyprian sofort an die entsprechende Kontroverse in Duccios Maestà. Diese in Sieneser Tradition stehenden Motive scheinen Einzelfälle in der Bozner Malerei zu sein, doch sind im Marienzyklus von St. Vigil weitaus engere Beziehungen zur Sieneser Kunst aufzuzeigen. Das Bild der Goldenen Pforte von St. Vigil (Abb. 43) weist in seiner Architekturkulisse Entsprechungen zu einer Darstellung der Heimführung Mariens von Sano di 377 Zu nennen seien hier die Bilder der Geburt Mariens von Bartolo di Fredi in S. Agostino, S. Gimignano, oder von Paolo di Giovanni Fei in der Pinacoteca zu Siena, Nr. 116. Dort wäscht sich Anna zwar nicht die Hände, die Magd mit dem Krug steht noch daneben, aber eine andere Magd reicht ihr ein Handtuch zum trocknen. 133 Pietro (Abb. 110) auf, welches eine der vier Predellentafeln des Retabels für die Cappella dei Signori im Palazzo Pubblico in Siena von 1449 war.378 In St. Vigil verläuft ähnlich dem Bild des Sienesen bildparallel eine zinnenbekrönte Mauer, die rechts auf einen Torbogen trifft, aus dem Menschen strömen. Hinter der Mauer schließt sich nach links an das Torgebäude eine zweijochige Loggia an, auf deren hinterem Eck ein Pfau steht. Auf der Torarchitektur sitzt ein von niedrigen Pfeilern gestütztes Mezzaningeschoß auf. Die gleichen Bauteile sind auch im Bild Sano di Pietros wiederzufinden. Allerdings ist dort die Torarchitektur weiter nach vorne gerückt. Durch das Querformat der Sieneser Tafel konnte der Maler die Architektur weitläufiger gestalten. So fehlen zum Beispiel in St. Vigil der rechtwinklig abknickende bildparallele Teil der Loggia sowie die abschließende Architektur am linken Bildrand. Genauso geht die Kuppelarchitektur im Hintergrund ab. Gezeigt waren im Bozner Bild aber auch Bäume, wie Fragmente am linken Bildrand erkennen lassen. Viel umfassendere Bezüge lassen sich für die Vermählung Mariens (Abb. 48) von St. Vigil zum gleichnamigen Predellenbild des Sano di Pietro aufzeigen (Abb. 111). Wieder gibt es Parallelen in der Gestaltung der Architekturen. So ist der gesamte Komplex aus rechtwinklig aufeinanderstoßenden Baugliedern gebildet. Am rechten Bildrand ist eine Torarchitektur vor einem rechteckigen Raum gegeben, zu dem sich eine zweiflüglige Tür öffnet. Nach links schließt sich eine zweiarkadige Loggia an, die von schlanken Säulen mit Blattkapitellen getragen wird. Auf den Kapitellen sitzen gestufte Konsolen auf, die mit einer geschwungenen Blattzunge versehen sind. Bei Sano di Pietro tragen sie flache Tonnen, in St. Vigil eine gerade Decke. Ein Vierpaßband bildet jeweils den oberen Abschluß: als Verblendung der Tonnenwölbung im Sieneser Bild, als gerade Balustrade im Bozner Beispiel. Ebenso taucht ein kleines Detail in beiden Bildern auf: Am rechten Bildrand ist in der Wand, an die die rechte Arkade der Loggia anschließt, bei Sano di Pietro ein kleines Fenster 378 EISENBERG 1982, S. 136; MAGINNIS 1988, S. 180. Diese Tafel befindet sich heute im Lindenau-Museum in Altenburg. Über die Ikonographie dieser Tafel ist man in der Literatur nicht einer Meinung. Während EISENBERG 1982, S. 136, MAGINNIS 1988, S. 183 und KAT. MUS. ALTENBURG 1961, S. 96, darin eine Darstellung der Rückkehr Mariens nach der Vermählung ins Haus ihrer Eltern sehen, erkennt CAVALLERO 1987, S. 70 einen Besuch Marias bei Elisabeth und Zacharias. Bei dieser Deutung wäre auch die nimbierte Frauengestalt am linken Bildrand zu erklären, nämlich als hl. Anna, die Mutter Mariens. Doch der Schleier, den Elisabeth tragen würde, ist in Geburt und Tempelgang Mariens der Predellentafeln der hl. Anna zugeteilt. Wäre dies allerdings das Zeichen der Wiedererkennbarkeit Annas, wo ist dann die Mutter Mariens bei der Vermählung? Sollte ihr in dieser Szene ein anderes Erscheinungsbild gegeben worden sein (nimbierte Frau links des Priesters), das dann auch in der Visitatio angewendet wurde? Hier ist offenbar ein Bruch in der Kontinuität der Personengestaltung. Ein Rückschluß über die Umsetzung in St. Vigil ist nicht möglich, da hier ja der Bildaufbau für ein anderes Thema, nämlich die Goldene Pforte verwendet wurde. 134 zu sehen, durch das ein Kopf hinter einem Vorhang vorspitzt; im Bild von St. Vigil, das an dieser Stelle leider zerstört ist, ist noch ein kleines Eck einer ähnlichen Öffnung in der Wand wahrzunehmen. Darüber hinaus sind auch bei den Figuren Parallelen in den beiden Bildern der Vermählung auszumachen: Die Rückenfigur mit den nackenlangen Haaren und dem verlorenen Profil am linken Bildrand im Bild des Sienesen findet sich in St. Vigil an gleicher Stelle vom Bildrand angeschnitten wieder, hier allerdings in gebückter Haltung den Stab brechend. Sie wirkt fast wie eine zeitliche Fortführung der Situation im Sieneser Vorbild: Dort hält die Figur ihren Stab noch in der linken Hand, während sie ihn in St. Vigil über dem Knie bricht. Joachim, der hinter dem leicht gebückten Josef vorschaut, ist in beiden Bildern nahezu identisch vertreten. Wie im Sieneser Bild versucht er in St. Vigil sich des Zugriffs eines Freiers zu erwehren, indem er mit seiner linken Hand nach dessen Hand auf seiner Schulter greift. Auch die über die Köpfe ragende, zum Schlag ausholende Hand eines anderen Bewerbers ist an nahezu gleicher Position zu finden. Ebenso sind sich Josef und der Priester in beiden Bildern ähnlich. Zum einen gleichen sich beide Figuren als Gruppe, wie sie eng zueinander gerückt etwas abseits von Maria stehen, zum anderen aber auch die Personen an sich: Analog ist der Priester, der mit seiner rechten die linke Hand Josefs, mit der dieser den blühenden Stab hält, ergreift und mit der linken Mariens rechte Hand stützt. Um die vielfachen und weitreichenden Bezüge zwischen den genannten Fresken von St. Vigil und den jüngeren Predellenbildern Sano di Pietros zu erklären, muß etwas ausgeholt werden. Zu den hier als Vergleichsbeispiele herangezogenen zwei Predellentafeln von Sano di Pietro gehören noch drei weitere Tafeln, welche die Geburt Mariens, Mariens Tempelgang und Himmelfahrt Mariens zeigen. Diese Predella und ein hölzerner Baldachin von Meister Giovanni da Magno sollten den bereits bestehenden Altar der Cappella dei Signori im Palazzo Pubblico in Siena, der sich in einem sehr schlechten Zustand befand, wieder zu einem ansehnlichen und repräsentativen Altar machen.379 Wie diese neu zu gestaltenden Teile auszusehen hatten, wurde 1449 genauestens schriftlich fixiert.380 Vor allem über das Aussehen der Predellenbilder hatte die Kommune von Siena bestimmte Vorstellungen: 379 380 Siehe EISENBERG 1981, S. 136, der die Zusammenarbeit der beiden Meister anhand von Dokumenten aufzeigt. Siehe MAGINNIS 1988, S. 180. Bereits vom Dezember 1448 existiert ein Kontrakt, der die Bezahlung des Sano di Pietro regelt; siehe EISENBERG 1981, S. 136, Anm. 14. 135 "Anco si faccia una predella sotto a la detta tavola la quale sia alta quarri tre con cornici intorno, et per li tramezi, coiè fra l'una storia e l'altra perche vi si debba fare cinque storie di nostra donna alla similitudine di quelle che sono a capo le porti dello spedale della scala, mettendo in mezzo l'assumptione et da ogni lato due storie ..."381 Sano di Pietro hatte demnach für die vorhandene Altartafel eine Predella zu liefern, die fünf Szenen aus dem Leben Mariens mit einer zentralen Himmelfahrt Mariens aufweisen sollte, ähnlich den im 18. Jahrhundert zerstörten Bildern der Fassade vom Ospedale della Scala in Siena.382 Diese die Jungfrau Maria als Sieneser Stadtpatronin verherrlichenden Fresken waren damals sehr berühmt und maßgebend dafür, dass Künstler des späten Tre- und frühen Quattrocento sie als Leitbild ihrer eigenen Werke gleichen Themas heranzogen.383 Ein Beispiel für die Wirkung der Trecento-Fresken vom Ospedale ist die Ausmalung der Sakristei des Sieneser Domes vom Anfang des 15. Jahrhunderts durch Benedetto di Bindo.384 Diese bestand aus vier Bildern zur Marienlegende: Geburt Mariens, Tempelgang, Visitation (oder: Heimkehr)385 und Vermählung Mariens, die heute leider nur mehr in einem fragmentarischen Zustand erhalten sind.386 Bei dem Bild der Visitatio des Benedetto di Bindo kann man auf Grund der erhaltenen Reste von einer analogen Gestaltung zum Bild Sano di Pietros sprechen. In der Architektur läßt sich allerdings ein kleiner Unterschied ausmachen. So fehlt bei Benedetto di Bindo, genau wie im Bozner Bild der Goldenen Pforte (Abb. 43), die bildparallele Loggia.387 381 382 383 384 385 386 387 Siena, Archivio di Stato, Concistoro, 2462, fol. 72 v. und 73 r.; zitiert nach EISENBERG 1981, S. 148, im Anhang Nr. 2. Die Dokumente zu diesem Auftrag hat bereits SOUTHARD 1978, S. 349-352 zusammengefaßt und den Hergang rekonstruiert. Bereits 1930 hat PETER die Zusammenhänge der seiner Meinung nach von den Lorenzetti geschaffenen Fresken mit den Tafeln von Sano di Pietro herausgearbeitet. Siehe dazu MARCHINI 1983. Die Fresken sind 1720 zerstört worden, und man weiß nur noch durch Vasari, Ghiberti und spätere Geschichtsschreiber von ihrer Existenz. Über die Autorschaft dieser Malereien ist man sich auf Grund unterschiedlicher Aussagen bei Urgurgieri-Azzolini, Le pompe sanesi, 1649 und Vasari, Vite 1568 nicht im Klaren. Zur Diskussion stehen die Gebrüder Lorenzetti sowie Simone Martini. Siehe dazu MAGINNIS 1988, S. 180-181. DEGENHART / SCHMITT 1968, S. 155 und MAGINNIS, 1988, S. 10, nennen als Autor der Sieneser Sakristeifresken Gualtieri di Giovanni. Ob es sich bei dieser Darstellung um eine Heimkehr nach der Vermählung oder eine Visitatio handelt, ist in der Forschung immer noch umstritten. Auch das entsprechende Bild Sano di Pietros wird in der Literatur häufig als Visitatio bezeichnet. Abb. in MAGINNIS 1988, S. 189, 199, 191 und 193. Abb. in MAGINNIS 1988, S. 193, Abb. 12. 136 Auch das Bild der Vermählung von Benedetto di Bindo aus der Sieneser Domsakristei ist mit dem entsprechenden Beispiel der Predellenfolge vergleichbar.388 Aus den noch sichtbaren Fragmenten kann man ersehen, dass es ebenfalls dem Bild von Sano di Pietro sehr nahe kommt. Allerdings ist bei Benedetto di Bindo die bildparallele Loggia mit einer Flachdecke und einem flachen Vordach gegeben, und die Kapitelle sind als zweireihige Blattkapitelle anzusprechen, genauso wie die entsprechenden Details in St. Vigil (Abb. 48) gestaltet sind. Soweit noch gut sichtbar, zeigen sich ebenfalls Übereinstimmungen in der Figurengestaltung: Maria steht etwas separiert gegenüber dem Priester und Josef, ohne eine verbindende Figur wie Anna, ganz wie im Bild Sano di Pietros. An dieser Stelle ist der Hinweis auf eine süditalienische Zeichnung aus dem 3. Viertel des 14. Jahrhundert von einem unbekannten Meister aufschlußreich,389 welche ebenfalls die Vermählung Mariens (Abb. 112) zeigt und große Kongruenz sowohl mit den Bildern Benedetto di Bindos und Sano di Pietros wie auch mit dem Fresko in St. Vigil zeigt. Die links ums Eck führende Vierpaßbalustrade sowie der Konsolfries an der hinteren Kante des Vordaches entsprechen sich im Bild von St. Vigil und der Zeichnung mehr als im Vergleich mit den Bildern Sano di Pietros oder Benedetto di Bindos. Bei letzterem stehen allerdings die Zwickelfelderungen seitlich der Blattkonsolen denen von St. Vigil näher, die dort jedoch unter die kürzer gezeigten Konsolen gerutscht sind. Im Gegensatz zu Sano di Pietro, wo nur einfache Blattkapitelle gegeben sind, gleichen sich in den anderen drei Beispielen die doppelreihigen Blattkapitelle. Während in St. Vigil die hl. Anna hinter Maria steht und sie unterstützt, ist Anna in den drei Vergleichsbeispielen links vom Priester in der Bildmitte zu sehen und eine andere Frau hält Mariens linken Arm während der Zeremonie. Der die Freier abwehrende Joachim ist in St. Vigil, bei Sano di Pietro und in der Zeichnung in gleicher Weise dargestellt.390 Wie diese Situation in der Sakristei gestaltet war, kann man heute nicht mehr erkennen. Die Bilder Sano di Pietros und Benedetto di Bindos sind im Querformat, die Zeichnung und das Fresko in St. Vigil weisen dagegen gestrecktere Proportionen auf 388 389 390 Abb. in MAGINNIS 1988, S. 191, Abb. 11. Die Zeichnung befindet sich heute im British Museum in London (1895.9.15.580), veröffentlicht bei DEGENHART / SCHMITT 1968, S. 154-157, Kat.-Nr. 80. Die Eltern Mariens sind auch im Bild der Vermählung von Giovanni da Milano in der Rinuccini-Kapelle mit anwesend. Sie fehlen allerdings in den Darstellungen Pietro Nellis in der Collegiata di S. Maria in Impruneta (1375) und Taddeo Gaddis in der Baroncelli-Kapelle in S. Croce, Florenz (1332-38). 137 und bilden ein Hochformat. Insgesamt jedoch sind alle vier Darstellungen in ihrem formalen, figürlichen und architektonischen Aufbau verwandt. Die Sieneser Predellenbilder stellen laut Auftrag der Kommune von Siena eine Kopie der Sieneser Ospedale-Fresken dar, die von den Gebrüdern Lorenzetti und von Simone Martini geschaffen wurden, und vermitteln demnach einen Eindruck von diesen verlorenen Malereien.391 Ebenso ist Benedetto di Bindos Sakristei-Ausstattung auf die verlorengegangenen Fresken zurückzuführen. Was nun die Zeichnung betrifft, so bildet sie ein Bindeglied zwischen den um 1335 gemalten OspedaleFresken und den Malereien Benedetto di Bindos, denn sie wird vor die 1408 und 1411 ausgeführten Fresken der Domsakristei datiert.392 Die Gemeinsamkeiten in der Architekturgestaltung der Vermählung, die flache Holzkassettendecke, die Vierpaßbalustrade als Bekrönung des Daches und die zweireihigen Blattkapitelle, zeigen doch eine enge Verwandtschaft dieser beiden Beispiele auf.393 Die aufgeführten Vergleiche zeigen, dass der Maler der Bozner Marienlegende von St. Vigil von den Sieneser Ospedale-Fresken wußte. Ob er sie aus eigener Anschauung kannte oder über die Vermittlung durch Zeichnungen oder Malereien, ist nicht zu klären. Eindeutig ist jedoch ein bewußter Rückgriff auf dieses berühmte Vorbild, vielleicht mit der Intention, die Marienthematik in der Vigilskapelle noch zu unterstreichen. Insgesamt hatte die Sieneser Kunst für die Bozner Malerei allerdings keine größere Bedeutung, da weitere Entsprechungen in anderen Südtiroler Zyklen fehlen. Diese Tatsache könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Bozner Maler vom Virgl die Sieneser Kunst wohl nicht aus eigener Anschauung kannte, sondern dass er die Marienbilder bzw. bestimmte Motive daraus über andere Wege vermittelt bekam. 391 392 393 Marchini 1938, S. 304; Maginnis 1988, S. 185; Eisenberg 1981, S. 136 schreibt dagegen 1721. Siehe dazu DEGENHART / SCHMITT 1968, S. 155. Im Bild der Vermählung (1360-79) des Lippo Vanni in San Leonardo al Lago sind die gleichen Motive ebenfalls zu finden: Joachim hinter Josef, der einen Freier abwehrt; ein Freier, der Josef an der Schulter packt; die Maria stützende Anna; die zum Schlag ausholende Hand über den Köpfen; sowie Maria mit einem Buchbeutel, was nur in sienesischen Beispielen vorkommt. 138 4.5 Hinweise auf einige Elemente aus der nordalpinen Kunst des 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts In der kunsthistorischen Literatur gibt es nur spärliche Aussagen zu nordalpinen Einflüssen in den Südtiroler Werken. Zum einen meinte man deutsche Mitarbeiter festmachen zu können,394 ohne deren spezifische Ausdrucksweise zu beschreiben bzw. ohne sie von anderen Malern abzugrenzen, zum anderen wurden deutsche Komponenten gesehen, die aber nicht näher definiert wurden. In Bezug auf Einflüsse aus dem bömischen Kunstkreis sind die Aussagen reichhaltiger, weil man hier durch eine bekannte Künstlerpersönlichkeit, nämlich Meister Wenzlaus, sofort einn Bezug nach Böhmen fand. Und in der Tat sind in der 1415 ausgemalten Friedhofskapelle zu Riffian eindeutige Hinweise auf bömische Vorbilder zu erkennen, besonders in der Figuren- und Kostümgestaltung.395 Allerdings ist nie der Versuch gemacht worden, direkte Vergleiche mit nordalpiner, d.h. süddeutscher und schwäbischer Kunst anzustellen. Am augenfälligsten sind wieder Affinitäten in formaler bzw. motivischer Hinsicht. Aussagekräftige Beispiele für nordalpine Elemente sind vor allem im Passionszyklus von St. Zyprian aufzuzeigen, und dort insbesondere in den Bildern Christus am Ölberg und Gefangennahme Christi, welche hier exemplarisch vorgestellt werden. In den Passionszyklen der Arenakapelle von Giotto sowie des südlichen Querhauses der Unterkirche von S. Francesco in Assisi von Pietro Lorenzetti ist jeweils auf die Darstellung des Gebetes am Ölberg ganz verzichtet worden. In den Fresken der Collegiata von S. Gimignano ist das Geschehen am Ölberg mit den drei Christus begleitenden, schlafenden Jüngern und der zurückbleibenden Jüngerschar umfangreich geschildert – dies ist die große Form, die in Italien übliche Form. Fresken des Gebets Christi am Ölberg mit dem Engel und nur drei Aposteln, wie in St. Zyprian (Abb. 60), gibt es in der Bozner Region mehrfach: so zum Beispiel im benachbarten Durnholz, in der St. Nikolaus-Kirche, sowie in der St. Magdalenakirche von Prazöll (Abb. 128) und St. Martin in Kampill (Abb. 80). Dort allerdings ist jeweils simultan das Ankommen der durch Judas geführten Schächer gezeigt. Ein beachtenswertes Motiv Südtiroler Bilder von Christus am Ölberg ist der geflochtene Weidenzaun, der die Szene umschließt. Er ist in St. Zyprian (Abb. 60), 394 395 EGG 1972, S. 36 oder SEMPER 1904, S. 234. Aber auch in der Bozner Gegend sind böhmisch beeinflußte Motive zu finden, so zum Beispiel die Figur des Kaisers im Bild der Enthauptung der hl. Katharina in St. Katharina in Völser Aicha. Noch zu erahnen sind der Zwirbelbart sowie die Sackärmel des Gewandes. 139 in St. Nikolaus in Durnholz (Abb. 165) sowie in Söll bei Tramin in der Mauritiuskirche396 und in der achten Arkade des Brixner Kreuzganges, bei einem Ölberg von 1410 (Abb. 113), zu finden. Er fehlt jedoch in St. Magdalena und St. Martin in Kampill.397 Wenn er bei den genannten Beispielen nicht so erzählerisch eingebunden ist, wie dies in St. Zyprian der Fall ist, so ist er doch ein spezifisches Merkmal, denn weder in der Südtiroler noch in der italienischen Trecento-Malerei ist mir eine derartige Einzäunung aufgefallen. Vielmehr scheint mir gerade dieses Motiv ein Element der nordalpinen Kunst zu sein, denn dort findet man es allenthalben: In einem Fresko der Alten Kirche in Garmisch ist der Garten Gethsemane (um 1370) (Abb. 114) nach vorne hin durch einen hohen geflochtenen Weidenzaun abgegrenzt.398 Auch hier klettert ein bewaffneter Soldat über den Zaun in den Garten, wie es in St. Zyprian zu sehen ist.399 Seinen Schild hält er allerdings seitlich. Die simultan gezeigte Gefangennahme Christi mit der Malchus-szene in Garmisch wird durch den an dieser Stelle nach vorne knickenden Zaun akzentuiert und von der Ölbergszene getrennt. Malchus, der als Rückenfigur vor Christus in die Knie geht, trägt auf dem Rücken seinen Schild.400 Obwohl sich die Größenverhältnisse von Zaun und Figuren von denen in St. Zyprian unterscheiden und obwohl der über den Zaun kletternde Soldat anders gestaltet ist, ist doch die in beiden Beispielen vorhandene Verbindung der einzelnen Elemente mit den Geschehnissen im Garten Gethsemane auffallend. Fast könnte man meinen, der Maler von St. Zyprian habe die charakteristische Haltung des Malchus von Garmisch mit der über den Zaun steigenden Figur verknüpft, um eine möglichst augenfällige Einleitungsfigur in die Darstellung der Gefangennahme zu gewinnen. Schließlich ist auch die Koppelung bzw. Trennung der beiden Szenen durch den Zaun ein auffallendes erzählerisches Moment.401 396 397 398 399 400 401 Abb. bei WEINGARTNER 1912, Tav. VI. Die Wandmalereien der Nordwand von St. Nikolaus mit einem Passionszyklus wurden erst in jüngster Zeit freigelegt. WOLTERS 1982, S. 15, schreibt die Garmischer Malereien einem Künstler zu, der nicht aus Italien stammt, während MÖHRING 1995, S. 146, sie einem oberitalienischen Künstler zuordnet. Begründet wird diese Meinung durch den Verkehr über die große Heerstraße nach Italien, von wo neue Ideen in den Norden kamen. Ich meine aber, eine umgekehrte Beeinflussung ist genauso denkbar, wie das Motiv des Weidenzaunes um die Ölbergszene zeigt, die sich in Süddeutschland bis weit ins 15. Jh. hinein tradiert, in Italien aber nicht zu finden ist. THANNER 1980, S. 232, nennt als eine im Ansatz ähnliche Vorform zu diesem Motiv des über den Zaun steigenden Soldaten den über einen niedrigen Zaun hinweggehenden Judas am Freiburger Passionsportal. Christus ist nur noch an seinem roten Mantel und der zu Malchus langenden Hand zu erkennen, da der Kopf dem Einbau eines Gewölbes zum Opfer gefallen ist. In der Heilig-Kreuz-Kirche in Bergham bei München zeigen die noch erhaltenen Reste der Freskoausstattung eine Darstellung des Gebets Christi am Ölberg, das von einem niedrigen 140 In St. Nikolaus (Abb. 165) verläuft der Zaun direkt entlang der unteren Bildkante. Als einleitendes Moment ist links unten ein Holztor mit einem Satteldach zu sehen. Ein ähnliches Tor öffnet sich auch zum Garten im Bild Christus am Ölberg der Alten Kirche in Garmisch (Abb. 114). Während in Garmisch Tor und Zaun annähernd gleich hoch sind, ist in St. Nikolaus der Zaun wesentlich niedriger als das Tor. Kreisrund eingezäunt ist die Ölbergszene der Fresken in der Spitalkirche Hl. Geist in Nördlingen (Abb. 117). In dem Tafelbild eines Kölner Meisters um 1400, der in 34 Szenen das Leben Jesu schildert,402 ist die Szene mit dem vor einem Felsen knienden Jesus und den drei Jüngern durch einen Zaun eingefaßt, der vorne mit einer kleinen Holztüre einen Einlaß aufweist.403 Genauso ist das im Ölberg des Meisters der Kleinen Passion von 1420 gestaltet, wo der Weidenzaun rechts vorne jedoch bereits von den Schächern niedergetrampelt ist.404 Desweiteren findet sich der Zaun als Begrenzung des Gartens Gethsemane in süddeutschen Ölbergreliefs: am Ulmer Münster, im Tympanon über dem östlichen Nordportal (1370/80)405(Abb. 115), in St. Martin zu Landshut in einem Epitaph (1414)406 (Abb. 116) sowie ebendort an der Sakristei in einem Relief, dem ein Gnadenstuhl angeschlossen ist (frühes 15. Jh.). Der Zaun verbindet auch im Ulmer Beispiel das Gebet Christi mit der Gefangennahme, welche allerdings als simultane Begebenheiten an einem Ort gezeigt sind. Unterhalb des betenden Heilands hockt der schlafende Petrus und hält sich, wie Malchus in St. Zyprian, am Zaun fest. Neben der Verratsszene sieht man, wie Petrus mit dem Schwert in der rechten Hand zum Schlag ausholt, um dem Malchus, den er mit der linken an den Haaren faßt, das Ohr abzuschlagen. Dieser Moment ist also im Relief aktiver gestaltet. Rechts vorne klettert ein Soldat über den Zaun, den rechten Arm, dem auch sein Blick folgt, dem Malchus entgegenstreckend. Auch in St. 402 403 404 405 406 Weidenzaun umschlossen wird. Dort wird er genau wie in St. Zyprian in großem Bogen nach rechts oben geführt. Abb. in KAT. MUS. BERLIN 1975, S. 217. Bemerkenswert an dem Kölner Beispiel ist, dass in den folgenden Bildern Christus spricht mit den Soldaten und Judaskuß der Zaun als identisches, konstantes Element verwendet wurde. Die in den Garten eingedrungenen Soldaten kamen aber nicht durch das kleine Tor, sondern traten den Zaun nieder. Dadurch biegen die stehengebliebenen Zaunteile nach unten um. Die Gestaltung der Landschaft ist in ihren Hauptkomponenten gleich, in der Gestaltung zeigen sich jedoch enorme Unterschiede. Die Szene gehörte zu einem Triptychon, heute im Wallraf-Richartz-Museum in Köln. Siehe BUDDE 1986, S. 217-219, Kat.-Nr. 39, Abb. S. 218. Im Beispiel des Ulmer Münsters faßt der Zaun Gebet und Gefangennahme zusammen. Unter dem Relief des Epitaphs ist eine Inschrifttafel mit drei Wappen angebracht, von denen das mittlere einen Eisenhut, das Wappen Landshuts zeigt. Die Inschrift ist zum großen Teil zerstört, nur Teile sind noch lesbar: "an... d[omi]ni mccccxiiii obiit dlis funk[lin?] in ... ep[iscop]i". 141 Zyprian klettert der Soldat auf die Malchusszene zu. Von rechts drängen noch weitere Soldaten heran, von denen einer sein Schild zum Betrachter hin wendet. Sowohl im Relief der Sakristei als auch in dem des Epitaphs von St. Martin in Landshut (Abb. 116) klettert rechts vorne ein Soldat über den niedrigen Zaun zu dem im Garten betenden Christus und den drei schlafenden Jüngern. Auch derjenige des Sakristei-Reliefs hat seinen Schild geschultert, wie an dem Fragment noch zu erkennen ist. Die Häufung dieser Motive im süddeutschen Raum ist doch augenfällig. Zieht man noch die Tatsache in Betracht, dass zu Beginn des 15. Jahrhunderts zwei namentlich bekannte Maler aus Ulm in Bozen und Umgebung tätig gewesen sind, nämlich Hans Stocinger und Konrad Erlin, dann liegt die Vermutung nahe, dass sie einen spezifischen Motivschatz aus ihrem Herkunftsland mit nach Bozen brachten, den sich Mitarbeiter oder Werkstattangehörige aneigneten. In den genannten Passionsbildern von St. Zyprian gibt es noch weitere Bezüge zur nordalpinen Kunst: Die Gestaltung der Figur Christi im Ölberg (Abb. 60) mit ihrem voluminösen roten Mantel unterscheidet sich ebenfalls von den italienischen Vergleichsbeispielen. Im Gegensatz zu der in Italien üblichen Bekleidung Christi, einem Rock und einem togaähnlichen Mantel darüber, der den einen Arm freiläßt, trägt Christus hier einen einzigen weiten, lilafarbenen Rock mit langen Ärmeln, eine Art Tunika. Diese Gewandung Christi ist wiederum mehr in den nordalpinen Regionen und in Böhmen zu finden.407 Ein derartiges Gewand trägt Christus auch im Bild der Spitalkirche in Nördlingen408 (Abb. 117), in der Alten Kirche in Garmisch (Abb. 114) sowie in den Fresken der Hl. Kreuz-Kirche in Bergham bei München. In den beiden letztgenannten Beispielen hat der Rock ebenfalls eine dunkellila Farbe wie in St. Zyprian. Ein anderes Beispiel ist das Motiv des mit einem Strick um die Taille gezogenen Christus in der Kreuztragung (Abb. 65). In Italien kommt das nicht vor, dort wird, wenn überhaupt, Christus der Strick um Hals oder Hände gelegt. Dagegen sind im süddeutschen Raum Beispiele für den Strick um den Leib zu finden: so die Bilder der 407 408 Zum Beispiel die Christusfigur der Bilder des Ölbergs vom Kirchsahrer Altar, vom Wittingauer Retabel, in St. Martin in Kampill oder St. Nikolaus in Durnholz. In der St. Magdalena-Kirche dagegen trägt Christus einen lila Rock mit Goldbordüren an Arm- und Kragensäumen und darüber einen Mantel. In Garmisch ist die Christusfigur zur Hälfte zerstört, so dass man nur die vom Kleid verhüllten Beine sieht. Auch in den Landshuter Reliefs trägt Christus den einfachen Rock, während er in Ulm noch einen Umhang über den Schultern zu tragen scheint. Auch in Nördlingen werden die vier Protagonisten der Ölberg-Szene durch einen kreisrunden Weidenzaun eingerahmt. 142 Kreuztragung in den Malereien der Martinskirche von Imming (Anfang 15. Jh.) (Abb. 118) und der Georgs-Kapelle in Roggenstein (Anfang 15. Jh.) (Abb. 119). In böhmischen Landen ist dieses Motiv beim Meister des Raigerner Retabels (nach 1415) zu finden.409 Immer wieder taucht es in späteren Jahren in Kölner Werken auf, z.B. beim Meister des Kirchsahrer Retabels (um 1430)410 oder in der Altartafel der Großen Passion vom Meister von St. Laurenz (nach 1430).411 Die Häufung dieses Motivs nördlich der Alpen zeigt seine weitere Tradierung dort an, während in Italien Christus nach wie vor der Strick um den Hals gelegt wird. Wie schwer es ist, das Einflußgebiet genau zu bestimmen, zeigt ein letztes Element: die schichtenartig aufgebauten Steinplatten der beiden Gethsemane-Darstellungen von St. Zyprian (Abb. 60, 61). In dieser schieferartigen, scharfkantigen Form ist mir eine solche Gestaltung eines Berges in Italien nicht bekannt. Ebensolche geschichteten Steinplatten werden jedoch auch im ehemaligen Hochalterretabel der Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau in Schotten (1370-1390) in der Szene Joachim auf dem Feld gezeigt.412 Diesem Retabel werden jedoch bereits Parallelen zur französischen, böhmischen und sogar zur italienischen Malerei zugesprochen. Wo dieses Motiv letztlich seinen Ursprung hat, ist nur durch eine vergleichende Studie der verschiedenen Kunstkreise zu erarbeiten. Schließlich ist es ein Charakteristikum der Kunstströmungen um 1400, des sog. Internationalen Stils, dass viele Tendenzen und Motive weit über Mitteleuropa verbreitet sind und deshalb für manche künstlerischen Elemente nur schwer der Herkunftsbereich zu bestimmen ist. Die hier exemplarisch herausgestellten Aspekte lassen auf ein weitaus größeres Repertoire nordalpinen Motiv- und Formengutes in Südtirol schließen, zudem in der vorliegenden Arbeit nur eine beschränkte Auswahl an Wandmalereien zur Untersuchung herangezogen wurde. 409 410 411 412 Abb. in SUCKALE 1983, S. 74. Abb. in KAT. MUS. KÖLN 1990, Abb. 287, 288. Abb. in KAT. MUS. KÖLN 1990, Abb. 209. Abb. in KAT. AUSST. KÖLN 1978, Bd. I, S. 260. 143 4.6 Die Malereien des Hans Stocinger aus Ulm in Terlan als Modellfall für den Austausch zwischen Italien und dem Norden Die Fresken der vorderen, südlichen Schildbogenwand der Pfarrkirche von Terlan werden dem aus Ulm stammenden Maler Hans Stocinger auf Grund einer Inschrift zugeschrieben und 1407 datiert.413 Die Schildbogenwand wird in der Mitte von einem zweibahnigen Lanzettfenster durchbrochen. Oben in den seitlichen Zwickeln sind links das Gebet Joachims auf der Weide, rechts die Verkündigung an Joachim dargestellt, in der Zone darunter links des Fensters die Goldene Pforte, rechts die Geburt Mariens. Die untersten Bilder zeigen links die Vermählung Mariens und rechts eine Szene mit Stifter, die jedoch wegen des späteren Durchbruchs einer Türe nicht mehr vollständig zu erkennen ist. Hans Stocinger, lange Zeit die einzige Künstlerpersönlichkeit der Region, die namentlich bekannt war, wurden "... der Reihe nach so ziemlich alle gleichzeitigen Werke in und um Bozen zuerkannt"414. Weingartner relativierte diese Ansicht, sprach ihm aber die Fresken von St. Martin in Kampill zu, wofür er als Indizien die angeblich ähnlich gestaltete Architektur und die Gesichtsbildung aufführt. Er erkennt auch Unterschiede, die er jedoch unterschiedlichen Restauratoren späterer Zeit anrechnet.415 Trotzdem scheint es an der Künstlerpersönlichkeit kein tiefergehendes Interesse gegeben zu haben, denn es gibt weder Untersuchungen noch Fotografien zu Stocingers Bildern. Seine in Terlan inschriftlich gesicherten Werke wurden nie im Zusammenhang betrachtet. Deswegen scheint es mir wichtig, diese Bilder hier in ihrer Gesamtheit vorzustellen. Joachim auf dem Feld wird in beiden oberen Bildteilen im Vordergrund knieend bzw. hokkend gezeigt. Der Saum seines weiten Mantels breitet sich mit wellenartiger Linie auf dem Boden aus. In der Verkündigung kommen aus der sich nach hinten entwickelnden Landschaft, deren hintereinandergestaffelte Hügel mit Büschen belebt 413 414 415 WEINGARTNER 1912, S. 14. Die Inschrift lautete: "hanch pichturam fecit hans stocinger, pichtor de bosano"; nach VOLLMER 1938, S. 69. Heute ist davon nichts mehr zu lesen. Das Datum 1407 ist in der Literatur allgemein anerkannt, doch ist nicht zu eruieren, woher es stammt, denn die Inschrift wies es offenbar nicht mit auf. Auch werden in der kunsthistorischen Literatur keine Belege über Stocingers Herkunft aus Ulm aufgeführt. WEINGARTNER 1912, S. 18. STANGE 1960, S. 136, nannte Hans Stocinger ein bescheidenes Talent. Auch die Katharinenlegende in der Schloßkapelle von Runkelstein soll nach WEINGARTNER 1912, S. 20, die Handschrift Stocingers tragen, doch läßt sich dies heute nicht mehr nachprüfen, da dort nur noch Spuren einer ehemaligen Bemalung auszumachen sind. 144 sind, zwei Hirten mit einer Herde in den Mittelgrund. Diese sich von Vorder- zu Hintergrund hin entwickelnde Landschaft entspricht weitgehend den Landschaftsdarstellungen, wie sie im italienischen Trecento von Giotto, Taddeo Gaddi oder den Gebrüdern Lorenzetti vorbildhaft geschildert wurden. Die hügelige Landschaft wird hinter der Spitze des Fensters fortgeführt, so dass beide Bildelemente von der Örtlichkeit her eine Einheit bilden. Dadurch wird die Erzählung dieser Episode unterstützt und die Kontinuität des Ortes gewahrt, zu dem Joachim geflüchtet ist und wo er die frohe Botschaft erhält. Das Aufeinandertreffen von Joachim und Anna an der Goldenen Pforte (Abb. 120) findet unter einer sich nach drei Seiten durch hohe Bögen öffnenden Architektur statt, die schräg in den Bildraum gestellt ist und von kräftigen Pfeilern getragen wird. Auf dem flachen Dach erheben sich zwei kleinere Aufbauten, vor denen drei Zuschauer über eine Brüstung nach unten blicken.416 Unter dem bildparallelen hohen Bogen, gleichsam von diesem gerahmt und überhöht, ist das Zusammentreffen der Eheleute gezeigt, die links und rechts von Zuschauern flankiert werden. Anna und Joachim tragen stoffreiche, in kräftige Falten gelegte Mäntel, die ihre Körper völlig verbergen. Körper oder Körperteile sind darunter nicht zu spüren. Ebenso wird der rechte Arm des Joachim allein durch die Falten des weiten Gewandärmels geformt. Für das Verhältnis von Körper und Gewand bedeutet dies, dass durch diese Gewandgestaltung den Figuren an sich zwar Masse und Volumen verliehen wird, eine Körperdarstellung auf der Basis anatomischer Studien hingegen nicht angestrebt wird. Die perspektivisch gestalteten Architekturen der Bilder Stocingers sind, entsprechend italienischer Vorbilder, die raumbildenden Elemente für die Aktionen der Protagonisten. Details, wie Stützen und Bögen, unterstreichen dabei die Komposition und Erzählung der einzelnen Ereignisse. Allerdings sind die Proportionen von Figuren und Architekturen nicht ausgewogen, so dass den einzelnen Personen in den Räumen kaum Bewegungsfreiheit bleibt. Besonders auffällig ist dies im Bild der Goldenen Pforte, wo sich die Figuren unter der kleinen, aber hohen Halle zusammendrängen müssen. Dieser Aspekt und die Tatsache, dass die hier beteiligten Figuren sich gegenseitig überschneiden und genauso durch Architekturdetails überschnitten werden, erwecken den Eindruck einer großen Menschenansammlung. Aufwendiger formuliert ist die Szene, in der Mariens Geburt gezeigt wird (Abb. 121). Die dreidimensional konstruierte Architektur, die einen relativ großen 416 Obwohl sie wie Zuschauer dargestellt sind, können sie das Geschehen, das ja direkt unter ihnen stattfindet, gar nicht wahrnehmen. 145 Bildraum überspannt, öffnet sich dem Betrachter in drei Teilen im Verhältnis 1:2:1. Über diese drei Öffnungen erschließt sich ein einziger großer Raum, bei dem im Hintergrund Bögen zu anschließenden Räumen führen. Auch hier erhebt sich über dem balustradenähnlichen, geraden Abschluß ein weiterer mit ghibellinischen Zinnen bekrönter Aufbau mit Rundbogenöffnungen und Balkonen. Diese Elemente sind in Norditalien weit verbreitet. Darunter sieht man durch die mittlere Öffnung gerahmt die aufrecht im Bett sitzende Anna mit dem Neugeborenen auf dem Arm. Der grünrot gestreifte Vorhang im Hintergrund schwingt auf die Mutter-Kind-Gruppe im Bett zu, wobei einer der roten Streifen genau auf das Baby zielt. Unterstützt wird diese Pointierung noch durch die sich zum Hintergrund verjüngende Kassettendecke, die in einer Spitze endet, welche wiederum auf diesen roten Streifen trifft. Die beiden Mägde, die Essen und Wasser bringen, sind in leichter Neigung zu Anna und Maria gegeben. Annas Bett steht diagonal in dem Raum mit unregelmäßigem Grundriß. Das Kopfteil reicht bis unter die rechte Öffnung, wo hinter dem Bett Joachim steht, der eine Schriftrolle in der Hand hält. Er wird von dem rechten, höheren Spitzbogen überhöht. Davor hockt eine weitere Magd am Boden und bereitet das Badewasser. Im linken Teil sieht man eine Feuerstelle mit Kamin, ähnlich der von St. Vigil, nur dass sie sich hier auf einem um zwei Stufen erhöhten Podest befindet. An dem Eimer, der über dem Feuer hängt, macht sich eine Magd zu schaffen. Ihr gelbes Kleid zeigt unterhalb ihrer linken Hüfte die gleiche Faltenform wie bei Anna im Bild der Goldenen Pforte. Eine zweite Magd hockt vor der Feuerstelle auf dem Boden und dreht ein Hähnchen am Spieß. Ihr Kleid, das sich in einer weiten Schüssel um ihren Leib legt und sich am Boden staut, bildet dort eine weitläufige, wellenartige Saumlinie, die das rote Futter zum Vorschein bringt. Diese Figur ist weitaus auffälliger und betonter gezeigt als die hockende Magd rechts, was ihre besondere Bedeutung für die Bilderzählung unterstreicht. Mit ihrer Haltung, mit zum Betrachter gerichtetem Rücken und ihrem nach rechts gewendeten Kopf fungiert sie als Einleitungsmotiv. Die an der Feuerstelle stehende Magd wird von dem Pfeiler überschnitten, so dass ihre eine Körperhälfte der Küche, die andere dem Hauptraum zuzuordnen ist. Dort überkreuzt sich diese mit dem Gewand der zweiten, zu Anna gewendeten Magd. Dieses Rücken-an-Rücken der beiden Mägde verbindet die marginale Szene mit dem Hauptgeschehen. Am rechten Rand des Raumes begrenzen Joachim als Repoussoirfigur sowie die durchgehende Linie von Pfeiler und Architektur die Komposition. Fast marginal, aber von großer inhaltlicher Bedeutung schließt sich rechts des Hauptraumes eine kleine zinnenbekrönte Mauer an. Eine verschlossene hölzerne Rundbogentüre, welche einen möglichen Durchlaß bildet, ist über zwei hohe Stufen 146 zu erreichen. Daneben ist ein Fenster gezeigt. Hinter der Mauer ragt ein kugeliger Baum über die Zinnen. Dieses Detail ist ein Hinweis auf die Porta clausa, das Verschlossene Tor, als Zeichen der Unbefleckten Empfängnis Mariens und den Hortus conclusus als Zeichen ihrer Unberührtheit. Diese Komponente ist gewissermaßen eine Interpretation der besonderen Akzentuierung und Hervorhebung Mariens im Hauptteil des Bildes. Diese Szene, die bereits durch ihre aufwendige Architekturgestaltung hervorsticht, ist demnach auch inhaltlich von großer Bedeutung und geht über eine einfache Darstellung der Geburt Mariens hinaus, indem das Hauptaugenmerk auf Maria als Baby und auf die besonderen Umstände ihrer Geburt gelegt wird. Mariens Vermählung (Abb. 122) findet vor einer Chorarchitektur statt, wie sie in ausgereifterer Form im benachbarten Bild der Schutzmantelmadonna des ersten Vorchorjoches oder auch in der Bischofsweihe von St. Zyprian zu sehen ist. Gefolgt von ihrer Mutter Anna steht Maria dem Josef gegenüber, der als alter Mann gezeigt und von Joachim begleitet wird. Josef hält in der linken Hand einen Ast mit einer geöffneten Blüte an der Spitze. Zwischen ihnen steht der Priester. Diese in der Bildachse positionierte Gruppe wird durch die mittlere Apsis des Chores sowie zusätzlich durch die mittlere Gewölbekappe der Hintergrundarchitektur betont. Von links und rechts drängen abgelehnte Bewerber und Zuschauer heran. Die Figuren sind im Vordergrund in einem leichten Bogen angeordnet. Die Chorarchitektur fungiert hier lediglich als Kulisse, wenn auch versucht wird, durch Staffelung von Figuren am linken Bildrand und durch einige Köpfe in der sich links anschließenden Apsis Räumlichkeit zu vermitteln. Merkwürdig ist hier die disparate Art eine Menschenmenge darzustellen, welche das altertümliche Mittel der Figurenstaffelung mit der entwickelteren Form der Überschneidung und Plazierung von Figuren auf Lücke vermischt. Die in die Höhe gestaffelten Architektur- und Ausstattungselemente nehmen die perspektivisch angelegten Gesimslinien zurück und klappen den Raum wieder in die Fläche. Auch hier sind die Figuren einzig durch ihre Gewänder mit kräftigen Falten- und Saumformationen gestaltet, was zwar ihre Masse vergrößert, aber nicht ihre Körperlichkeit unterstützt. Gut zu beobachten ist dies an der Figur Mariens. Sie trägt ein Kleid, das unter der Brust gegürtet ist und dadurch über Brust und Bauch zu feinen, parallelen Falten gerafft wird. Wenn dadurch auch Brustkorb und Leib charakterisiert werden, so werden sie nicht als Körperteile gezeigt. Lediglich die etwas schräg liegenden Falten über dem Bauch deuten eine Wölbung an. Darüber trägt Maria einen Mantel, der über den Schultern umgeschlagen ist und das dunklere 147 Futter zum Vorschein kommen läßt. Mit der linken Hand hält sie die beiden Mantelhälften vor der Hüfte zusammen, so dass links und rechts zwei tiefe Schüsselfalten abstehen. Die Schüsselfalte vor ihrer linken Hüfte entspricht derjenigen bei Anna im Bild der Goldenen Pforte und bei der Magd in der Geburt Mariens – ein Motiv, das oft bei sog. Schönen Madonnen zu finden ist.417 Die dunkle Saumlinie ihres Mantels läuft in drei Schwüngen von der rechten Hand quer über den Bauch zum Boden. Der sich dort stauende Saum bildet nach links und rechts zwei kleine Schleppen. Auch die Arme sind, obwohl sie vom Körper weggehalten werden, mit der voluminösen Gewandhülle verschmolzen, so dass eine relativ breite Figurensilhouette entsteht. Die letzte, nicht eindeutig zu identifizierende Szene wird durch eine zweiteilige, schräg in den Bildraum gestellte Architektur bestimmt. Drei auf quadratischem Grundriß basierende, baldachinähnliche Architekturglieder sind zu einem winkelförmigen Komplex zusammengeschlossen. Die kielförmige Dachkonstruktion auf dem linken Teil der Architektur erinnert an die Deckengestaltung von San Fermo in Verona oder an das Dach des Palazzo della Ragione in Padua, beides Bauten aus dem frühen 14. Jahrhundert. Rechts der Architektur steht ein Ritterheiliger, der den vor ihm knienden Stifter Siegmund Niederthor, der ein Schriftband in der Hand hält, empfiehlt. Über Lentner, Dusing und engen Beinlingen trägt der Heilige einen Tasselmantel und hält in der rechten Hand ein Banner mit drei nach links gerichteten Löwen. Er erinnert ein wenig an die Ritterheiligen von Altichiero in der Cappella di San Giorgio in Padua.418 Jedoch ist seine Statur schlanker und gelängter als die der Ritter von Padua. Der Terlaner Heilige trägt auch einen Tasselmantel im Gegensatz zur Heuke der Paduaner Ritter. Mit seiner statuarischen Haltung erinnert er aber auch an böhmische Heiligendarstellungen, allen voran an den hl. Wenzel aus der Wenzelskapelle des Prager Veitsdoms. Doch ist gerade das Erscheinungsbild dieses Ritters in der Zeit um 1400 in Europa allenthalben zu finden, was wieder auf den enormen künstlerischen Austausch der Zeit hinweist, und weshalb ich davon absehe, für die Terlaner Figur eine Inspirationsquelle zu benennen. Links der Architektur sieht man noch den nimbierten Kopf einer jungen Frau mit offenen Haaren. Ihre Position außerhalb der Architektur sowie die offenen Haare 417 418 Zum Beispiel die Madonna von der Tanne, Salzburg, um 1390/93; Abb. in JAENICKE / LEGNER 1972, Abb. 198; oder die Madonna aus Altenmarkt, vor 1393; Abb. in KAT. AUSST. KÖLN 1978, Bd. I, S. 408. Abb. bei LUCCO 1992, S. 170, Abb. 197. 148 ohne Schleier sprechen gegen eine Identifizierung mit der Maria einer Verkündigung, wie sie Weingartner rekonstruierte.419 Auch bleibt unklar, welche Bedeutung der Altar im Hintergrund des linken Architekturelements hat. Da bislang die Leserichtung des Zyklus von oben nach unten und von links nach rechts vorgegeben war, ist davon auszugehen, dass es sich um eine Episode nach der Vermählung Mariens handelt. Dafür spräche auch die nach links ausgerichtete Architektur, die so den Betrachter in die Szene aufnimmt. Man könnte jedoch die Abfolge der Bilder auch so rekonstruieren, dass sich die Leserichtung im darüberliegenden Bild der Geburt Mariens ändert. Das könnte über den gestelzten rechten Bogen und die nach rechts führende Treppe vor der Porta clausa im selben Bild vermittelt werden. Der Ritterheilige mit Stifter würde dann als Einleitungsmotiv in die fragliche Szene fungieren. Bett und Altar wären damit Hinweise auf den Tempel, in dem Maria bis zu ihrer Vermählung lebte, so dass also Maria im Tempel gemeint sein könnte. Die Ausrichtung der Architektur würde folglich auf die Vermählung als Schlußpunkt des Zyklus weiterverweisen, wofür deren absolut symmetrische Komposition sprechen würde. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Bilder des Hans Stocinger Italienisches in der Schilderung von Architektur und Raum aufweisen, die Figuren und ihre Plazierung im Raum jedoch durch Nordisch-Gotisches charakterisiert sind. Dies zeigt, dass sich der aus Ulm kommende Maler den italienischen Einflüssen nicht verschloß. Geprägt durch seine nordische Heimat, was an manchen Stellen noch spürbar ist, begegnete er in Oberitalien den neuen künstlerischen Tendenzen, die er begierig aufnahm. Die unterschiedlichen Strömungen assimilierte Stocinger zu seiner eigenen, neuen Bildsprache. 419 WEINGARTNER 1912, S. 17, Anm. 27. 149 4.7 Untersuchungen zur Figurenauffassung in der Bozner Malerei 4.7.1 Figur und Gewand Ein Aspekt der stilistischen Untersuchung ist der Figurenstil, die Gestaltung der Gewänder und ihr Verhältnis zum darunterliegenden Körper. Die Entstehungszeit der Fresken, grob umrissen die Zeit der Internationalen Gotik, hält für Gewandbehandlung ein ganz spezifisches Formenrepertoire bereit. Neben ihrer Aktualität zeichnen sich Gewänder auch durch weich fallende Stoffe zumeist in großer Fülle aus. Die Säume bilden kalligraphische Linien mit zum Teil endlos scheinenden Verschlingungen. In Kaskaden fallen die unter dem Arm gerafften Stoffe auf den Boden. Gleichzeitig gibt es in der Zeit um 1400 zunehmende Naturstudien, zu denen auch anatomische Studien gehören; Protagonisten sind Künstler Oberitaliens wie Giovanni de' Grassi oder auch Pisanello. Die Gewandgestaltung der hier im Zentrum stehenden Zyklen von St. Vigil und St. Zyprian ist dagegen von einfacheren Formen geprägt, die durch wenige Faltenformationen differenziert werden. Das Gewand verleiht den Figuren ihren Körper, bei dem entsprechend der Haltung bzw. Bewegung der Person im allgemeinen grobe Formen nachgezeichnet oder umspannt werden. Nur an wenigen Stellen versuchten die Künstler, Körperteile sich durch das Gewand abzeichnen zu lassen, wobei es sich aber nicht um anatomische Korrektheit im Sinne von Studien am menschlichen Körper handelte. Unumgänglich war genauere Beobachtung und Darstellung des Körpers bei Figuren in enganliegenden Kleidungsstücken, die in einer Aktion gezeigt werden, wie vor allem bei Schergen und Soldaten. Wenn auch die einzelnen Gliedmaßen und ihre Zusammenhänge nicht anatomisch korrekt wiedergegeben sind, so mußte doch die Bewegung konstruiert werden. Bei nackten Beinen, wie in der Geißelung des Sarntheiner Passionszyklus (Abb. 63), zeichnen sich sogar Knie und Kniescheibe ab und bei den Füßen sind Zehen und Ferse ausgebildet. Trägt ein Scherge enganliegende Hosen, so werden diese Details jedoch summarischer wiedergegeben, wie bei dem über den Zaun steigenden Soldaten im Bild der Gefangennahme (Abb. 61), dessen bestrumpfte Füße lediglich in einer grob umrissenen Schnabelschuhform gezeigt sind. Außerdem sind sie, wie auch die Hände und der Kopf, im Verhältnis zu dem aufgeblasenen Oberkörper viel zu klein. Das Interesse und Verständnis für die organische Körpergestaltung zeigt sich am deutlichsten bei nackten Figuren. In beiden Zyklen von St. Zyprian gibt es dafür Bei- 150 spiele, nämlich in der Kreuzigung Christi (Abb. 66) und im Martyrium der hll. Zyprian und Justina (Abb. 127). Im Hinblick auf die Anatomie wirkt der Gekreuzigte etwas "verunglückt", da dessen Oberkörper auf seiner linken Seite einen Buckel ausbildet. Die Aufhellung auf dem Bauch läßt diesen zudem schwammig erscheinen. Die Arme zeigen keine Differenzierung in Unter- und Oberarm und sind im Verhältnis zur Größe des Gekreuzigten zu dünn und zu lang. Bei den Beinen werden zwar Unter- und Oberschenkel unterschieden und auch Knie und Ferse sind kenntlich gemacht, aber die Füße hängen flossenartig schlaff nach unten. Weniger Schwierigkeiten hatte der Maler der Zyprianslegende zu überwinden, denn die Darstellung der nackten Märtyrer beschränkte sich dort jeweils auf deren Oberkörper, und durch geschickte Armhaltung der Justina blieb es ihm auch erspart, die Brüste der Frau darzustellen. Die Körperdarstellung bei weiblichen Figuren, die zeitgenössischer Mode entsprechend enganliegende Kleider tragen, ist sowohl in St. Zyprian wie in St. Vigil auf spezifische Formen reduziert, die mehr oder weniger die weiblichen Körpermerkmale nachahmen. Obwohl die Frauenfiguren in den verschiedenen Zyklen sehr ähnlich scheinen, sind sie in der Körperauffassung doch unterschiedlich. Im Bild Mariens Erziehung im Tempel in St. Vigil (Abb. 46) merkt man, wie der Maler versuchte, der hockenden Haltung der jungen Frau durch das Gewand nachzuspüren. Am Oberkörper und an den Armen liegt das Gewand wie eine zweite Haut an. Dabei ist allerdings auch das ungenügende Körperverständnis zu bemerken, denn die Arme sind im Verhältnis viel zu dünn, der Oberkörper viel zu kurz. Das Kniemotiv Mariens zeigt der Maler, indem er das Kleid sich um den rechten Oberschenkel spannen läßt, während es locker über dem linken Knie liegt und von dort in einer Röhre zu Boden fällt. Beide Beine wirken jedoch sehr dick, so dass nicht der Körper darunter gemeint sein kann sondern lediglich Formen, die sich zu diesem Hockmotiv addieren. Zwischen den Beinen staucht sich das Gewand in einer geknickten Röhre. Das wirkliche Sitzmotiv ist nicht auszumachen. Hier wendete der Künstler einen interessanten Kunstgriff an. Er zeigt, wie sich das Gewand unter dem rechten Oberschenkel Mariens zusammendrängt. Dabei gestaltete er es in drei übereinanderliegende, dreieckige Stoffbündel, die sich wie ein Keil unter Marias Gesäß schieben. Im Bild der Vermählung (Abb. 48) ist Maria stehend mit einem ähnlich geschnittenen Kleid gezeigt, welches aber ab der sehr hoch sitzenden Taille locker und dennoch in schmaler Silhouette nach unten fällt. Hier versuchte der Maler, den weiblichen Formen gerecht zu werden. Die Brüste zeichnen sich schwach durch das 151 Kleid ab, was durch leichte Lasuren entlang der Rundungen hervorgerufen wird. Auch meint man das Schlüsselbein nachspüren zu können. Die hl. Justina im Zyprianszyklus trägt ebenfalls ein solches Kleid (Abb. 67). Wie eine zweite Haut überspannt es den Oberkörper und fällt im Rockteil völlig gerade nach unten. Im Gegensatz zum Rock der Dämonin neben ihr, der ab der Hüfte viele Falten bildet, bleibt der Stoff bei Justina glatt und steif, wie frisch gebügelt, bis auf eine kleine Saumschlinge am Boden. Dies ist ein reines Schmuckelement, wie es auch im Gewand des Kaiphas im Bild Christus vor dem Hohenpriester (Abb. 62) in St. Zyprian zu sehen ist. Wenn auch das Verhältnis von Unterkörper zu Oberkörper bei Justina besser den natürlichen Proportionen zu entsprechen scheint als bei Maria in der Vermählung, wirkt ihr Körper in dem Kleid steifer, wie in ein Korsett eingezwängt. Ihr Oberkörper wird von der Taille aus nach oben breiter, die Brust wird aber nicht angedeutet. Die äußerst gerade Haltung und der "stehende" Rock betonen diesen Eindruck einer schalenhaften Ummantelung. Bei der Figur der Dämonin wird dieser Anschein durch den weiten Mantel etwas verschliffen. Der weibliche Oberkörper in dem Zyklus von St. Zyprian entspricht demnach einer strengen Formel. Je nachdem was für einen Kopf man auf den Hals aufsetzt bzw. welches Gewand man Taille abwärts überzieht, kann der Torso sowohl für die Darstellung von Männern als auch Frauen verwendet werden. Auch die Frauenfiguren des Marienzyklus entsprechen einer Formel, nämlich einem damals üblichen Schönheitsideal, welches sich durch schlanke, überlängte Glieder und extrem schmale Silhouette auszeichnet. Im Bild geht dabei jede anatomisch orientierte Körperdarstellung verloren. Die Beobachtungen zur Körperauffassung der männlichen Figuren in St. Vigil wie in St. Zyprian sind im Prinzip ähnlich, obwohl die Möglichkeiten der Gewandgestaltung durch die unterschiedlichen Kostümformen vielfältiger sind. Im Vigilszyklus liegen die Gewänder der nach rechts stehenden Bischofsfiguren (Abb. 23, 28) glatt an den gebückten Rücken und bilden dort einige Zugfalten. Nach vorne fallen sie gerade zu Boden, wobei die Kontur nur durch die vorgestreckten Arme durchbrochen wird. Soweit sichtbar, werden auch diese von einer dicken Gewandschale umhüllt, welche die Bewegung des Armes nachahmt, ohne aber auf das Verhalten des Stoffes Rücksicht zu nehmen oder die einzelnen Glieder des Armes ablesbar zu gestalten. Genauso verhält es sich bei der Figur des Beobachters rechts vorne im Bild der Heilung der Besessenen (Abb. 123), der ebenfalls von der massigen Stoffülle seines Mantels eingehüllt wird, den er vor dem Körper zusammenhält. Die auf Plastizität 152 hin angelegte reiche Drapierung von Zug- und Schüsselfalten hebt diese Gewandfigur von den übrigen ab. Auch bei den Hockenden der Predigt des hl. Vigilius (Abb. 24) sind unter den Hüllen der Figuren keine Körper wahrzunehmen. Mit Glanzlichtern auf Schultern und Knien, welche die Gelenke andeuten sollen, versuchte der Maler, die Haltung der Figuren zu beschreiben. Die genaue Lage der Körperteile unter dem Mantel ist aber kaum auszumachen. Lediglich bei der ihren Kopf auf die geballte Hand stützenden Frau ist durch eine knappe Linie sowie durch Verschattung und Aufhellung die Form der Faust unter dem Stoff gut aufgefaßt. Ansonsten lassen sich die Ansätze zur Modellierung von Körper- bzw. Gliederformen durch Höhungen allein aus einer oberflächlichen optischen Erfahrung herleiten und nicht aus einer genauen Beobachtung der Wirklichkeit. Gleiche Feststellungen lassen sich im Marienzyklus treffen. Auch hier versuchte der Maler, durch die Gestaltung der Gewänder die Figuren und deren körperliche Präsenz zu formen. Die beiden einleitenden Erzähler mit ihrer Wiederholung geben ein gutes Beispiel (Abb. 124, 125). Der jüngere, etwas schlankere Mann trägt jeweils über einer Toga einen Mantel. Im Bild der Vertreibung aus dem Tempel staucht sich der Saum seiner Toga ganz leicht am Boden, so dass sich sanft geschwungene Röhrenfalten ergeben, die aber knapp über dem Boden abknicken. Diese rhythmische Wiederholung von Röhrenfalte und Stoffknick bildet einen Sockel für die Figur. Im Bild Mariens Tempelgang ist die Toga nur knöchellang und es schauen unter dem Saum die Schuhe vor, die nun das Standmotiv bilden. Dadurch assoziiert der Betrachter einen Körper auf dem Sockel Schuh. Bei dem Älteren ist im Bild des Tempelgangs gut zu sehen, wie sich der Mantel durch die Armhaltung vorne aufspreizt, beide Gewandhälften aber unter dem rechten Arm festgesteckt sind. Der rechte Arm zeichnet sich hier sehr gut durch den gespannten Stoff ab. Kleine dunkle, parallele Schattierungen in Höhe der Armbeuge zeigen an, dass dort der Stoff leicht durchhängt und deshalb sich die Form des Armes besser abzeichnet. An dieser Figur meint man durch das Gewand zumindest den fülligen Oberkörper durchspüren zu können, doch handelt es sich dabei nicht um anatomische Beobachtungen sondern um Erfahrungswerte, die der Künstler mit Hilfe von Faltenformen umsetzt. Für ihn war es wohl einfacher, einen stattlichen Körper zu suggerieren, als einen schlanken, von Knochengerüst und Muskeln bestimmten. Leider läßt sich über die Hauptfiguren des Zyklus, Anna und Joachim, nur wenig sagen, da sich die Struktur ihrer hellen Gewänder zu sehr abgerieben hat, als dass sie klare Aussagen über die Gestaltung ihrer Kleider zulassen. Anzumerken ist jedoch, 153 dass sie durch voluminös gestaltete Roben charakterisiert sind, welche die Figuren entsprechend ihrer Haltung bzw. Bewegung umspannen, wobei sich der Stoff über die äußersten Punkte ihres Umrisses zieht. Josef im Bild des Stabwunders (Abb. 47) wie auch der Vermählung (Abb. 48) ist völlig durch sein Gewand gestaltet. Bei der Vermählung hat er den Mantel nur über die linke Schulter gelegt, um beide Teile unter dem rechten Arm zusammenzuraffen. Der Stoff spannt sich über die gekrümmte Rückenlinie und geht nach vorn hin in eine geschwungene Röhrenfalte über, hinter der sich, etwa ab Kniehöhe, eine kleine Stoffbahn auf dem Boden staucht. Diese runden Linien des Rückens und der Falte sind kompositorisch so eingesetzt, dass sie die Person von den sich hinter ihrem Rücken drängenden Freiern abschotten. Durch die Drapierung ist der Körper auch hier völlig unterdrückt. Insgesamt ist für die Malereien von St. Vigil zu konstatieren, dass die Faltenformationen, obwohl durch Hell-Dunkel-Kontraste gestaltet, sehr flach und nur wenig plastisch wirken. Für den Passionszyklus in St. Zyprian sind Beobachtungen zur Gewand- und Körpergestaltung auf Grund des schlechten Erhaltungszustandes nur unzureichend zu machen. Im einleitenden Bild Gebet Christi am Ölberg (Abb. 126) fällt die schier unkörperliche Gestalt des knienden Christus auf. Die bloßen Füße und Hände, die einzig sichtbaren Körperteile neben dem Kopf, sind sehr zierlich gegeben. Dem steht das voluminös, aufgeblasen wirkende Gewand gegenüber. Zwar werden eine leicht nach vorn gebückte Haltung und zum Gebet angewinkelte Arme vorgespiegelt, doch sind diese nur durch das Gewand gebildet, indem additiv Stoffschläuche aneinander gefügt sind. Der Saum des roten Rockes liegt nicht auf den Unterschenkeln auf, wie es die Schwerkraft vom Stoff verlangte, sondern wölbt sich frei schwebend über sie. Die Gewandärmel plustern sich auf; auch hier müßte der Stoff auf den Oberarm fallen. Nur wenige Zugfalten an den Kniekehlen und Schüsselfalten unter den Knien helfen, die Haltung eines Körpers zu imaginieren. Dennoch kann man feststellen, dass der Maler versuchte, die Zusammenhänge der einzelnen Körperteile des Knieenden zu differenzieren, denn die Unterschenkel sind als eigene Glieder gegenüber dem Rumpf auszumachen.420 Im Gegensatz dazu stehen die knienden Figuren von Anna 420 Im Passionszyklus von St. Magdalena ist an den noch sichtbaren Resten ebenfalls eine eher körperlose Gestaltung der Figuren zu bemerken. Selbst die Gewänder sind nicht durch Details differenziert. Dies mag aber auch durch den relativ schlechten Erhaltungszustand bedingt sein, denn die oberste Farbschicht ist verloren. Ebenso aufgeblasen und teigig wirken die Gewänder der drei schlafenden Apostel aus dem Ölberg der achten Arkade des Brixener Domkreuzganges. Der rechte Arm, auf den Petrus seinen Kopf legt, wirkt nicht wie ein Arm, 154 und Joachim im Marienzyklus von St. Vigil, deren Körperteile völlig unter der Folie der Gewänder verschwinden. Die Person Petri im Bild der Gefangennahme (Abb. 61) wird ebenso nur durch das Gewand getragen, welches durch aufwendige Faltenstrukturen charakterisiert ist, die jedoch den kompositorischen Zweck erfüllen, das Schwert zu unterstreichen. Bei dieser artifiziellen Gewandgestaltung tritt die Andeutung eines darunterliegenden Körpers in den Hintergrund. Die Darpierung trägt stattdessen als Kompositionselement zur Betonung der inhaltlichen Aussage bei, wie man es auch für das Gewand Josefs im Bild der Vermählung Mariens von St. Vigil konstatieren kann. Die in den Zyklen von St. Vigil und St. Zyprian gemachten Beobachtungen zur Gestaltung von Körper und Gewand werden im folgenden mit den anderen Bozner Malereien verglichen. Auf Grund des schlechten Erhaltungszustands lassen sich für den Passionszyklus von St. Magdalena kaum Aussagen treffen. Einzig gut zu analysieren ist die schlafende Figur des Petrus im Bild Christus am Ölberg; dessen Körper ist blockhaft durch sein nur mit wenigen, sehr flachen Falten differenziertes Gewand gestaltet (Abb. 128). Den nackten Körper Christi bei der Geißelung (Abb. 72) und am Kreuz (Abb. 75) versuchte der Maler jedoch differenzierter zu zeigen. Deutlich unterschied er zwischen den festen Rippen und dem weichen Leib. Durch Schattierung ließ er den Bauch fleischig, konvex erscheinen. Anatomische Studien liegen beiden Figuren nicht zugrunde. Interessant zu beobachten ist an dieser Stelle, wie der Künstler zwischen noch lebendem und totem Körper unterscheidet: Christus an der Geißelsäule zeigt an seinem Leib und im Gesicht noch eine rötliche Inkarnatfarbe, während er am Kreuz totenblaß ist. Im Magdalenenzyklus der gleichen Kapelle blieb der Maler in der Detailgestaltung der Gewänder zurückhaltend. Die modischen enganliegenden Gewänder z.B. der Magdalena und ihres Begleiters im Auftaktbild (Abb. 92) formen zwar den Körper nach, doch wirken beide so formelhaft, dass man sie austauschen könnte. An diesen beiden Figuren fällt eine eher plakative als malerische oder graphische Gestaltung des Gewandes auf, während das des Lazarus auf Grund der Aufhellung des sonst gleichbleibenden Farbwertes eine etwas plastischere Ausformung der Details zeigt. Im Bild Gastmahl bei Simon (Abb. 97) wölbt sich der Oberkörper des Gastgebers sichtbar. Glatt spannt sich sein Rock über der Brust, so sondern wie ein Kissen. Genauso ist sein linkes Knie nur durch eine geschwungene Konturlinie in der Stofffläche gekennzeichnet. 155 dass sich darunter die Stoffülle staut. Seine Arme stecken in engen Gewandärmeln, die parallele Querfalten bilden. Die Unregelmäßigkeit des Stoffes täuscht über die fehlende Modellierung des Armes hinweg und suggeriert so Körperlichkeit. Die Magdalena im Schlafgemach des Fürstenpaares (Abb. 101) ist durch eine auffällige Gewandgestaltung ausgezeichnet. Sie ist nicht wie Justina in St. Vigil in dem modischen enganliegenden Kleid gezeigt, sondern trägt züchtig einen Tasselmantel darüber, der durch eine reiche Faltengestaltung belebt ist. Durch die variationsreiche Faltenführung wird ein extremes Ausschwingen der linken Hüfte suggeriert. Folgerichtig meint man auch das rechte Bein unter den Schüsselfalten als leicht angewinkeltes Spielbein erkennen zu können. Die Biegung des Oberkörpers nach rechts wird durch die Armhaltung etwas verschliffen. Der Gewandsaum, der sich leicht am Boden staucht, spreizt sich zu den Seiten glockenförmig auf. In Haltung und Faltenformation erinnert sie an Madonnenskulpturen des Weichen Stils, was nicht heißen soll, dass hier ein direktes Vorbild zu finden ist, sondern dass die Ideen aus der Anschauung solcher Werke resultieren: Wie der Mantel schürzenförmig vor den Leib gelegt ist, wie sich die Falten von der ausschwingenden Hüfte aus nach unten ziehen oder wie sich die vor dem Bauch liegenden Schüsselfalten und die von der Hüfte fallenden Faltenbahnen an einem Punkt der Hüfte treffen. Bei den sog. Schönen Madonnen sind diese als Kaskaden gebildet und in der Einzelform plastischer gestaltet, doch die Grundidee und -form scheint in der Magdalenenfigur noch durch.421 Zu resumieren ist, dass das Körper-Gewand-Verhältnis der Malereien von St. Magdalena dem von St. Vigil und St. Zyprian nahe kommt. Eine zurückhaltende Gewandgestaltung und wenig definierte Körperlichkeit bestimmen die Figuren. Außerdem hält sich der Umriß eng an die Figur und greift nicht in den Raum aus, wird auch kaum durch extreme Gesten durchbrochen. Die Falten der Gewänder wirken zumeist wie schmale, flache Schläuche oder sind, wie im Gewand der Magdalena im Gastmahl, eher graphisch gezeigt. Punktuell sind raffinierte Faltenund Gewandmotive eingesetzt, um in bestimmten Szenen Akzente zu setzen, so z.B. bei Petrus in der Gefangennahme Christi in St. Zyprian, beim Beobachter in der Heilung einer Besessenen in St. Vigil oder etwa bei Magdalena in der Ankunft in Marseille (Abb. 83). Die Fresken von St. Johann im Dorf bestechen durch ihre satte Farbigkeit und den guten Erhaltungszustand, was sich auch auf die Ablesbarkeit der Gewandgestaltung 421 Als Beispiel möchte ich hier nur die Friesentor-Madonna im Schnütgen-Museum in Köln (um 1370-80) nennen, Inv.-Nr. A 40; Abb. in KAT. AUSST. KÖLN 1978, Bd. I, S. 169. 156 auswirkt.422 Die Gewand- und Körperformen zeigen sich hier ebenso ruhig wie in den vorherigen Beispielen, doch wirken die Stoffe fließender. Trotz des größeren Stoffreichtums der Kleider sind ihre Umrisse nicht ausgreifend um die Figur gelegt, sondern fallen in einer relativ geraden, gleichmäßigen Silhouette. Die einheitliche Umrißform wird nur wenig durch gestikulierende Hände und kaum durch abstehende Schüsselfalten durchbrochen. Am Beispiel der Figur des Johannes im Bild Johannes übergibt dem Bischof einen Jüngling (Abb. 129) ist das gesamte Faltenrepertoire an Röhren- und Schüsselfalten sowie zickzackförmigen Saumlinien zu sehen. Einen bemerkenswerten Unterschied zeigt die Johannes-Figur im Bild Johannes trinkt den Giftbecher (Abb. 130). Die Gestaltung der Falten weist ältere Stilmerkmale auf: Die ovalen Formen des Stoffes auf dem Bein erinnern doch eher an den Gewandstil des 13. Jahrhunderts. Genauso weisen die Frisur des Johannes und das cappuccio seines Begleiters auf ältere Modeerscheinungen hin.423 Eine ganz andere Gewandbehandlung ist dagegen in St. Nikolaus in Durnholz zu beobachten. Die Figuren werden von noch mehr Stoff als in den bereits genannten Beispielen eingehüllt, was eine dementsprechend reichhaltigere Binnengestaltung zur Folge hat. Zudem erscheinen die Figuren etwas gelängt. Besonders ist die Figur Christi hervorzuheben. Im Bild der Gefangennahme (Abb. 131) legt sich der Stoff seines Mantels in einem kleinen Bogen um den Ärmel. Darunter steht seitlich eine tiefe, geknickte Schüsselfalte ab, welche nach unten von mehreren kleinen Falten fortgeführt wird. Von hinten fällt eine große, keilförmige Stoffbahn nach vorne. Die Falten sind nicht modelliert, sondern graphisch gestaltet, so dass kein weicher, fließender Stoff suggeriert wird.424 Obwohl die Schüsselfalte sehr plastisch wirkt, greift sie doch nicht über die Silhouette der Figur hinaus, da das gesamte Gewand sich nach unten verbreitert und so eine kegelförmige Kontur erzeugt. Eine weitere bemerkenswerte Gestaltung zeigt das Gewand der Maria bei der Kreuzabnahme (Abb. 132). Ihren über den Kopf gelegten Mantel hat sie beiderseits unter die nach oben gehaltenen Arme geklemmt, von wo aus der Saum in Zickzacklinie nach unten fällt. Auf ihrer rechten Seite ziehen sich vom Rücken her einige 422 423 424 Inwieweit die farbige Gestaltung dem Original entspricht, möchte ich dahingestellt sein lassen. In Zusammenhang mit St. Martin wird in der Literatur des öfteren eine Übermalung aus dem 19. Jh. erwähnt. Auch eine Restaurierung um 1961 wird angeführt, siehe STANGE, Bd. X, 1960, S. 135. Der Begriff Erhaltungszustand ist also mit Vorsicht zu gebrauchen. Dies ist jedoch nicht auf eine unterschiedliche Entstehungszeit der Bilder zurückzuführen, sondern wohl eher auf eine unterschiedliche Übermalung, wie sie auch WEINGARTNER 1912, S. 28 erwähnt. Die fehlenden Feinheiten der Gewand- und Faltenformung sind hier und in anderen Beispielen wohl größtenteils auf Verluste von originaler Farbsubstanz zurückzuführen. 157 Zugfalten nach vorne auf den Boden. In dem entstandenen Zwickel staut sich der Stoff wieder in einer rhythmischen Abfolge von Schüsselfalten. Die großen Stoffmengen der Figuren von St. Nikolaus umspielen in zumeist parallelen, rhythmisch angelegten Faltenmustern den Körper. Durch Raffen und Ziehen des Stoffes werden einzelne Körperteile wie Arme und Beine angedeutet. Die Stoffe und somit auch die Falten, sind nicht weich und fließend, sondern wirken eher hart, wie aus Tonpapier gefaltet. Durch die z.T. extremen Draperien erscheinen die Figuren unruhiger.425 Erwähnenswert ist noch das Kleid, das Christus beim Einzug nach Jerusalem zu Füßen gelegt wird. Obwohl es eine leere Hülle ist wird es plastisch gezeigt. Dies ist ein Exempel für eine vorgegebene, versatzstückhafte Gewandform, der nur noch Kopf, Füße und Hände angesetzt werden müssen, um daraus eine Person zu gestalten. Auch mit dem nackten Körper hatte sich der Maler von St. Nikolaus auseinanderzusetzen: in den Bildern Geißelung, Kreuzigung und Kreuzabnahme (Abb. 133, 77, 132). Bei Christus am Kreuz unterschied er zwischen Brustkorb und Rippen. Ganz schwach wölbt sich der Bauch und auch die Hüfte scheint von einem Knochen gestützt zu werden. Beine und Arme sind allerdings als undifferenzierte Extremitäten an den Rumpf angehängt. Jedoch versuchte der Künstler, ein Relief des Körpers, seiner Knochen und Muskeln durch weiße Höhungen herauszuarbeiten. Bei den beiden Schächern am Kreuz, deren Arme wie biegsame Bänder um die Kreuzesarme geschlungen sind, bezeichnete er Brustkorb und Leistengegend durch einfache schwarze Linien. Den Brustkorb hat er jedoch wieder modelliert. Große Stoffmengen mit großzügigen Faltenformationen findet man in den Malereien von St. Martin in Kampill. Die gelängten Figuren mit relativ kleinen Köpfen werden durch weiche, fließende Konturen umspielt. In nahezu übertriebener Manier schlängeln sich hier die welligen Saumlinien, wie zum Beispiel bei der Figur des Johannes in der Kreuzigung (Abb. 76). Die Stoffülle des Mantels ist bei Johannes so groß, dass sie auf dem Boden zu allen Seiten hin kleine Schleppen ausbildet. Schüssel und Zugfalten in rhythmischer Reihung legen sich über die Leiber der Protagonisten wie bei Johannes und Maria unter dem Kreuz oder akzentuieren Gewänder wie bei Johannes und einer der Marien in der Beweinung Christi. Die Muttergottes derselben Szene zeigt sowohl in ihrer Haltung als auch in der Gestaltung ihres Gewandes eher manieristische als gotische Züge. Die Saumlinie ihres Mantels schlängelt sich in 425 Eine sehr ähnliche Gewand- und Körperauffassung ist in der Kapelle St. Margaretha in Pians, Tirol, in der Ausmalung des Chores (1400/1410) wiederzufinden. Abb. in MADERSBACHER 1994, S. 70. 158 aufgeregter Form über den Boden, so dass sie als Unterlage für Christi Füße dient. Die Formen des menschlichen Körpers sind unter den Gewändern nicht wahrzunehmen, wieder ist es nur eine Aneinanderreihung von Formeln zur Charakterisierung einer Figur in einer bestimmten Haltung oder Bewegung. Insgesamt sind die Figuren hier nicht so streng auf ihre Silhouette beschränkt. So hat etwa die Christusfigur der Auferstehung (Abb. 85) die rechte Hälfte seines weiten Mantels über den linken Arm gelegt, so dass von dort ein Bündel von Tütenfalten mit kaskadenartig fallender Saumlinie herabhängt. Im Zyklus von St. Martin sind wieder die zwei Röcke bemerkenswert, die Christus beim Einzug in Jerusalem (Abb. 89) zu Füßen gelegt werden: Obwohl sie als leere Stoffhüllen auf den Boden gelegt werden, wirken sie plastisch. Wieder fehlen nur Kopf und Hände, um sie zu einer Figur zu vervollständigen.426 Die langen Röhrenfalten der Gewänder oder die Vielzahl kürzerer Röhrenfalten mit ihrem weichen fließenden Erscheinungsbild unterstreichen die Länge und die Zartheit der Figuren. Durch Höhungen und Abschattungen wurde den Falten das graphische Erscheinungsbild genommen. Sie wirken malerisch gestaltet, was auch auf den großen Reichtum von Farben und Farbkontrasten zurückzuführen ist.427 In den Gewölbefresken von St. Helena in Deutschnofen und in den Malereien von St. Katharina in Völser Aicha ist eine ähnliche Gewandgestaltung zu beobachten. In St. Katharina zeichnen sich die Figuren allerdings durch eine starke Längung der Körper und sehr kleine Köpfe und Hände aus. Sie sind zudem in üppige Gewänder gehüllt, die neben welligen Saumlinien (Abb. 95, 134) auch lange parallele Röhrenfalten aufweisen. Die zum Teil auffallenden symmetrischen Faltenformationen sind nicht malerisch aufgefaßt, sondern strukturieren die Stoffflächen mit graphischen Mitteln wie dunklen Konturen, welche die Saumlinien noch mehr hervorheben. Der gleiche Gewandstil ist auch in den Fresken von Urschalling in Oberbayern zu beobachten.428 426 427 428 In extremer Form zeigt sich dieses Motiv in St. Katharina. Im Bild der Geißelung der Heiligen steht Katharinas Gewand aufrecht am Rand. Nur ein breiter Saum liegt am Boden auf, als ob das Gewand sitzen würde. Das gleiche Motiv ist auch im Bild Die hl. Elisabeth kleidet Arme eines Kölner Triptychons vom Ende des 14. Jh. gezeigt. Abb. in KAT. MUS. KÖLN, 1990, Abb. 89. In etwas einfacherer Form, aber in ebenfalls weichfallende und faltenreiche Stoffe sind die Figuren in St. Mauritius in Söll bei Tramin gehüllt. Die Gewänder weisen überwiegend Röhrenfalten auf, entbehren jedoch raffinierterer Strukturen. CIOLINA 1980, S. 121, sieht einen engen Zusammenhang der Malereien von Urschalling, von St. Katharina in Tiers und von St. Martin in Kampill. Allerdings stehen dieser Gruppierung die verschiedene Art und Weise der Körperauffassung entgegen. Zwar sind die Figuren in allen drei Beispielen ähnlich überlängt gezeigt, doch stellt man bei genauer Betrachtung doch 159 In St. Helena zeigen sich die Gewänder ähnlich stoff- und faltenreich. Die Figuren des Gewölbes sind ebenso gelängt wie in St. Katharina und durch großzügige Gewänder mit reichen, freischwebenden Saumlinien charakterisiert (Abb.135). In den Zyklen haben die Figuren gedrungenere Proportionen (Abb. 136). Die ebenfalls stoffreichen Gewänder sind dort in ihrer Binnengestaltung jedoch zurückhaltender.429 Schließlich finden sich durch weichfließende Stoffe und Falten gestaltete Gewänder in St. Vigil in Chor und an der Fassade wieder (Abb. 137, 7). Weingartner brachte die Fassadenfresken mit dem Maler von St. Katharina in Zusammenhang, doch steht dem die unterschiedliche Körpergestaltung entgegen. Selbst die Gewänder zeigen differierende Gestaltungsmerkmale. Der heutige Zustand der Fassadenfresken läßt zwar keine genaueren Analysen zu. Doch unter Heranziehung einer Abbildung der Oswaldslegende bei Weingartner aus dem Jahr 1912, die einen leidlich besseren Erhaltungszustand zeigt,430 lassen sich für dieses Bild genauere Beobachtungen machen. So kann man am Tasselmantel der Gattin Oswalds, dessen beide Teile sie mit der rechten Hand vor dem Bauch zusammen- und etwas hochhält, noch eine zickzackförmige Saumlinie erkennen. Dadurch schwingt sich auch eine gerade Saumlinie vom Hals ausgehend hakenförmig um ihren rechten Ellenbogen. Das Unterkleid ist nicht das enganliegende Gewand mit weitem Dekolleté, welches im Inneren der Kapelle zu sehen ist, sondern wird knapp unter der Brust gegürtet. Die Silhouette der Figur bleibt dabei relativ schmal und ist nicht ausladend bzw. kegelförmig, wie dies in den Fresken von St. Katharina zu beobachten ist. Auch die Apostelfiguren im Chor zeichnen sich durch weichfallende Kleider aus. Leider ist die malerische Gestaltung der Mäntel nur mehr an wenigen Fragmenten zu erkennen, vor allem im Südteil der Apsis, wo noch gut zwei Mantelfragmente sichtbar sind (Abb. 15). Schüsselfalten graben sich tief in den Stoff ein und Höhungen und Abschattungen verleihen ihnen eine Plastizität, die sonst in der Kapelle nicht zu beobachten ist. Die Malereien des westlichen Schildbogens der Nordwand der Terlaner Pfarrkirche weisen gegenüber den zuletzt beschriebenen Beispielen eine andere, schlichtere und 429 430 Unterschiede in der Auffassung fest. So sind die Figuren in St. Katharina in einen spitzen Kegel einzuschreiben und durch großzügige Formen charakterisiert, während sich die in St. Martin in Kampill durch aufwendigere Faltenformationen und unruhigere Umrißstrukturen auszeichnen. Anhand einer genaueren stilistischen Analyse lassen sich hier sicher eindeutig zwei tätige Maler unterscheiden. WEINGARTNER 1948, Abb. 50. 160 auf den Körper bezogene Gewandbehandlung auf. Die völlig in Stoff gehüllten Rückenfiguren im Bild der Beschneidung Christi zum Beispiel (Abb. 138) sind ins Auge fallende Motive, besonders diejenige Figur im Vordergrund: Durch eine tiefe Schüsselfalte über dem Gesäß und Zugfalten, die sich schräg über den Rücken ziehen und in Höhe der Taille unter dem Ellenbogen des plastisch geformten rechten Armes zusammenlaufen, wird dem Betrachter eine geschwungene Körperhaltung der Figur suggeriert, durch das Motiv der Mantelschleppe ein eben zum Stillstand gekommenes Schreiten. Auch die Gewänder im Bild des Kindermords (Abb. 138) sind schlicht gehalten, abgesehen von den außerordentlich präzise wiedergegebenen Rüstungsdetails. Die klagende, sich die Haare raufende Mutter am rechten Bildrand trägt ein einfaches dunkles Gewand, das am Oberkörper eng anliegt. Im Gegensatz zu den modischen Gewändern, wie sie in St. Vigil und St. Zyprian zu sehen sind, zeichnet sich hier die weibliche Brust und nicht nur ein formaler Torso ab. Von der hohen Taille fällt der Rock über den gerundeten Leib gerade zu Boden und schlägt nur dort eine Falte, wo das linke, etwas vorgestellte Bein anzunehmen ist. Insgesamt lassen die weiblichen Figuren des Terlaner Kindermordbildes üppigere Körperformen und eher naturnahe Körperauffassung erkennen als in den übrigen Malereien.431 Zu resümieren sind also für die Bozner Wandmalerei um 1400 zwei verschiedene Richtungen der Gewandbehandlung. Zu der einen Gruppe zählen die massigen, in artifiziellen Linien und Formen drapierten Gewänder von St. Martin, St. Nikolaus, St. Katharina und St. Helena, welche kalligraphische Saumlinien mit weitschwingenden Falten verbinden. Die Konturen sind raumgreifend und überschneiden sich zum Teil gegenseitig.432 Die Stoffe wirken weich fließend und manchmal auch schwer. 431 432 So ist auf keinen Fall ein Zusammenhang mit den Bildern von St. Katharina herzustellen, wie es Weingartner zu sehen glaubt, indem er die These von BRAUNE 1906, S. 93, der ein Meister-Schüler-Verhältnis zwischen diesen beiden Werken erkennt, noch enger zieht und in beiden den gleichen Meister sieht. WEINGARTNER 1912, S. 21, bestärkt seine Ansicht noch, indem er als weiteren Beweis das in beiden Beispielen vorkommende Motiv des durch die Tür tretenden Soldaten anführt. Eine ausgereiftere Form dieser voluminösen Stoff- und Gewanddrapierung ist in den Fresken der Friedhofskapelle von Riffian (1415) von Meister Wenzlaus festzustellen. Dort allerdings gelingt es dem Maler noch mehr, die Körperteile sich durch das Gewand abzeichnen zu lassen. Wenn auch dabei die anatomische Korrektheit fehlt, so überzeugen die Figuren durch bessere Proportionen und deutlichere Körpergestaltung. Anführen möchte ich hier nur die hokkenden Schriftgelehrten aus dem Bildfragment des Zwölfjährigen Christus bei den Schriftgelehrten oder die Figur des Josef im Fragment der Geburt Christi. Massige Stoffmengen fallen über die angewinkelten Knie, die zum Teil durch eine einfache Kreisform gebildet werden, wie wir es schon in St. Martin beobachteten. In weichen Falten fallen die Stoffe zu Boden, um sich dort 161 Diese durch großzügige, aber flach anmutende Faltenlandschaften gestalteten Gewänder lassen fast die Körper ihrer Träger vergessen und verselbständigen sich in ihrem zu Stilisierung neigenden Formenreichtum. Hierzu paßt eine Definition Bialostockis, der die Eigenheiten der künstlerischen Produktion um 1400 folgendermaßen beschreibt: "... eine eigentümlich kalligraphische Art der Linienführung, die Neigung, allen Formen und Konturen eine weiche Biegsamkeit zu verleihen, verbunden mit der Vorliebe für schlanke Proportionen."433 Der zweiten Gruppe ist die etwas zurückhaltendere Gewandgestaltung von St. Vigil und St. Zyprian zuzuordnen, wozu ich noch St. Magdalena und St. Johann zählen möchte. Die Kleider kommen ohne große Schnörkel und extravagante Saumoder Faltenlinien aus. Die Konturen der Körper bleiben dabei ruhig und wenig ausgreifend. Trotzdem sind die Malereien der beiden Gruppen in der Körper-Gewand-Auffassung untereinander nicht homogen, sondern reich an Variationen. Wie gesehen, zeigen sich vereinzelt in der zweiten Gruppe ebenfalls Ansätze zu einer schwungvolleren Linienführung der Gewandsäume. Zwischen den beiden Komplexen sind schließlich die Malereien Stocingers in Terlan anzusiedeln, die sich, wie oben dargelegt, durch kräftige Falten und dennoch zurückhaltendere Gewandgestaltung auszeichnen. Gemeinsam jedoch ist allen in Betracht gezogenen Bozner Malereien, dass die Körper der Protagonisten überwiegend durch ihre Gewänder bestimmt werden, und dass nur an wenigen Stellen versucht wird, Körperformen unter den Stoffen durchscheinen zu lassen. Allenthalben findet man Falten- und Gewandmotive der Internationalen Gotik, wie sie bei den sog. Schönen Madonnen oder den höfischen Bildern der Zeit zu finden sind. Eine reine Ausprägung dieses Stils, bezogen auf die Gewandgestaltung, ist jedoch im Bozner Raum nicht festzustellen. Das allgemein fehlende Eingehen auf den darunterliegenden Körper ist kein Hinweis auf mangelnde Fähigkeiten, sondern entspricht den damals üblichen, gotischen Gestaltungsnormen. Selbst Kopf und Hände sind nicht "nach der Natur, sondern idealtypisch"434 gestaltet. Die Bozner Wandmalereien zeigen demnach in der Gewandgestaltung typische Stilmerkmale der Internationalen Gotik, denn ähnliche Formen zeigen sich zur gleichen Zeit auch in anderen Kunstlandschaften. Im allgemeinen ist in den 433 434 sanft und ohne Brüche auf dem Boden zu winden. Ich gehe weiter nicht auf diese exzellenten Fresken ein, da sie dem Meraner Kunstkreis zuzusprechen sind. Auch hier lohnte sich aber eine eingehendere Beschäftigung. Die Kostüme betreffend zeigen sich in Riffian klare Einflüsse aus Böhmen und Burgund. BIALOSTOCKI 1984, S. 28. SUCKALE 1993, S. 52. 162 besprochenen Beispielen vor allem durch die weichen, fließenden Gewänder eine Vergleichbarkeit zu nordalpinen Kunstwerken gegeben: so etwa zum Flügelalter der Murtaler Schule (um 1400)435, zum Pähler Retabel (1403)436 oder zur seeschwäbischen Kunst um 1400437. Dabei gibt es in der Bozner Region ein breites Spektrum von Ausformungen: reichhaltigere wie in St. Martin oder St. Katharina, zurückhaltendere wie in St. Vigil und St. Zyprian. In anderen wiederum, wie in St. Johann im Dorf, findet man diese Merkmale gar nicht: Die dortigen schweren, durch viele Parallelfalten bestimmten Gewänder lassen dagegen mehr an ältere, trecenteske Formen wie etwa im Bild die Bekleidung des hl. Ludwig von Anjou aus San Fermo in Verona (Maestro dell'Annunciazione; 1. Hälfte 14. Jh.)438 denken. 4.7.2 Gesichter und Inkarnate Die Ausformung von Gesichtern und ihren Einzelheiten ist eine weitere Quelle, um die persönliche Gestaltungsweise eines Künstlers herauszufiltern. Anhand einer Vergleichsreihe lassen sich Unterschiede zwischen den stilistischen Eigenheiten des Malers der Vigilslegende einerseits und des Malers der Marienlegende andererseits herausarbeiten, aber auch wiederum deren Gemeinsamkeiten gegenüber anderen Beispielen der Bozner Wandmalerei feststellen.439 Zunächst soll die Formgebung der Augen exemplarisch untersucht werden.440 Der Maler der Vigilslegende versteht es, Augen durch wenige, sicher gesetzte Striche zu formen (Abb. 140). Das obere Augenlid ist durch eine dunkelbraune mit Schwarz überfaßte, leicht geschwungene Linie charakterisiert. Ein dunkelbrauner Klecks und ein weiterer kleiner halbrunder Strich daneben bilden die Pupille. Ein kleiner weißer Punkt zeigt die Ecke des Augapfels an. Braune Schraffuren, welche die Rundung des 435 436 437 438 439 440 Das Retabel befindet sich heute in der Österreichischen Galerie in Wien, Inv.-Nr. 4892. Abb. in KAT. AUSST. WIEN 1962, Kat.-Nr. 73, Tav. 11. Das Retabel befindet sich heute im Bayerischen Nationalmuseum in München, MA 2377. Abb. in KAT. AUSST. WIEN 1962, Kat.-Nr. 89, Tav. 12. Es wird dort 1400-1410 datiert, und aus Süddeutschland stammend angegeben. Suckale begründet dagegen die Zuschreibung an einen böhmischen Wandmaler und eine Datierung um 1403. SUCKALE 1986---------Abb. bei STANGE 1923, Abb. 30, 31. Abb. bei LUCCO 1992, Bd. II, S. 328, Abb. 421. Die stilistischen Eigenarten der einzelnen Künstler gehen Hand in Hand mit technischen Eigenheiten. Die handwerkliche Ausführung bei der Gestaltung bestimmter Details zeigt spezifische Elemente der Handschrift des Künstlers, läßt also dessen stilistische Prägung erkennen. Leider hatte ich nur in St. Vigil die Möglichkeit, Aufnahmen von geringer Entfernung und vom Gerüst aus zu machen. 163 Augapfels auf dem Oberlid nachzeichnen, deuten Lid und Augenhöhle an. Bei Frauen führen diese Schraffuren ein Stück entlang der Nasenwurzel, um unter dem Augapfel umzubiegen und diesen so einzukreisen. Bei Männern beschränkt sich die Schraffur auf das Oberlid. Die Augenbrauen sind bei den Männern durch schwungvoll gesetzte Häkchenschraffuren bezeichnet, bei Frauen durch eine dünne, fahrige Linie, die manchmal ein- bis zweimal wiederholt wird. Auf der verschatteten Seite des Gesichtes geht diese Linie auch in die Kontur des Nasenrückens über. Bei jüngeren Männern, wie zum Beispiel dem Diakon in der Heilung der Besessenen (Abb. 141), verzichtet der Maler auf die Darstellung der Augenbrauen. Durch halbrunde, konvexe Schraffuren, die er locker übereinandersetzt, zeigt er Augenhöhle und Lid an und suggeriert durch die spontane Malweise auch die Braue. Die Augen der Figuren des Marienzyklus sind im Grunde ähnlich aufgebaut (Abb. 142): Das Oberlid wird durch eine braune, schwarz überfaßte Linie gebildet. Daran hängt als ein dunkler Punkt die Iris, die durch einen den Punkt umrundenden Begleitstrich zur Pupille vervollständigt wird. Ein weißer Farbklecks markiert das Weiß des Augapfels. Die Augenbrauen können bei Männern als waagerechte Linien (junger Erzähler), mit und ohne nervöse Schraffuren darüber (älterer Erzähler) oder mit weißen, eiszapfenartig wirkender senkrechter Schraffur (Joachim, Abb. 143) gestaltet sein. Bei den Frauen verlaufen sie zumeist als weiter Bogen über dem Auge, der in Nasenwurzel und -rücken mündet (Abb. 142). Aber auch als gerade Linie ist die Augenbraue bei Frauen zu finden (Anna in der Heiligen Sippe). Durch wenige rasch gesetzte, leicht gebogene Linien wird schließlich die Tiefe der Nasenwurzel charakterisiert. Dennoch gibt es einen wesentlichen Unterschied im Erscheinungsbild der Augen zwischen dem Vigils- und dem Marienzyklus. Die mit überwiegend dunklen (braunen und schwarzen) Strichen geformten Augen des Vigilszyklus wirken auf den wegen fehlender Untermalung bläßlichen Gesichtern sehr graphisch, zeichnerisch. Auf die durch eine Untermalung bereits wärmer wirkenden Gesichter des Marienzyklus sind die Augen mit warmen Braun- und Rottönen aufgesetzt, was einen malerischen und von der Ferne gesehen plastischeren Eindruck vermittelt. Der Maler der Zyprianslegende zeigt, soweit ich es beurteilen kann, eine ähnliche Auffassung wie der Maler im Marienzyklus von St. Vigil. Bei ihm ist allerdings eine Variation in der Linienführung der Lidstriche zu bemerken, welche den Augen einen besonderen Ausdruck gibt. So ist das Lid des Glatzkopfes im Martyriumsbild (Abb. 144) von der Nasenwurzel ausgehend in einem schwachen S-Schwung geführt, was dem Auge eine grame, traurige Miene verleiht. Doch Oberlid und Pupille aus 164 Punkt und Begleitstrich sind die wesentlichen Teile des Auges. Zuweilen setzt der Maler unter dem Auge einen parallelen, begleitenden Strich, der den Tränensack bildet, bzw. einen über dem Auge, der die Lidfläche begrenzt. Die Augenbrauen formt er aus waagerechten braunen Linien, über die er zum Teil schräge Schraffurstriche legt. Auf der verschatteten Gesichtsseite geht die Braue in den Nasenrücken über. Der entstandene Zwickel zum Auge hin ist mit dunklen Schraffurlinien verschattet, eben als Augenhöhle gestaltet. Bei den Frauen ist die Augenbrauenlinie wieder in großem Schwung über das Auge gelegt und mündet in den Nasenrücken. Neben dem analogen Aufbau des Auges zeichnet sich der Maler der Zyprianslegende jedoch durch eine größere Reichhaltigkeit der Augenmimik aus. Auch im Passionszyklus gestaltet der Maler die Augen mit großer Detailgenauigkeit. Die Tiefen der Augenhöhlen bzw. die Struktur der Augenbrauen sind ebenfalls mit locker gesetzten Schraffuren herausgearbeitet. Auffallend an beiden Zyklen von St. Zyprian sind die enorm großen Augen. Die in beiden Registern gleichen Gestaltungsmerkmale deuten daraufhin, dass beide vom selben Maler bzw. derselben Werkstatt geschaffen wurden. Ganz anders legt der Maler von St. Magdalena die Augen seiner Figuren an (Abb. 145). Das Oberlid ist durch eine leicht geschwungene, sich nach außen hin verjüngende Linie geformt. Darunter ist in entgegengesetztem Schwung und nicht so weit ausgreifend das Unterlid ausgeführt. Ein schwarzer Punkt mit begleitenden Strichen bezeichnet die Pupille, ein weißer Fleck den Augapfel. Darüber kennzeichnet eine dünnere braune Linie die Rundung des Lides. Eine ebenso feine, geschwungene Linie bildet die Braue, die auf der verschatteten Gesichtsseite in den Nasenrücken übergeht. Mit einer hellbraunen Lasur ist das ganze Auge mit ovalen Linien umfangen, so dass der Eindruck einer Augenhöhle entsteht. Wieder anders sind die Augen in St. Nikolaus in Durnholz aufgebaut (Abb. 146). Dort setzt der Maler zwei das Ober- bzw. Unterlid auszeichnende Linien – die untere mit einem leichten Schwung – gegenüber, die sich jedoch an den Enden nicht berühren. Dazwischen fügt er die Pupille ein, die er aus einem schwarzen Punkt mit einem helleren, von einer schwarzen Linie eingefaßten Kreis darum gestaltet. Die Restfläche zwischen den Lidern, den Augapfel, füllt er mit Weiß. Eine konkav gebogene Linie unter dem Auge sowie parallele Striche über dem Auge zeigen Tränensäcke und Lidfläche an. Die Brauen – sich nach außen verjüngende Linien – wölben sich in großem Schwung über die Augen. Manchmal sind zusätzlich senkrechte Schraffuren aufgesetzt. 165 Im Vergleich mit den letztgenannten Beispielen zeigt sich, wie eng verwandt die Stilmerkmale der Maler des Vigils- und des Marienzyklus sind. Ein Vergleich der gesamten Gesichtsgestaltung soll dies noch untermauern. Dabei möchte ich die Gesichter des Kleophas aus dem Bild der Heiligen Sippe (Abb. 147) der Marienlegende und des die Besessene Haltenden (Abb. 148) aus der Vigilslegende gegenüberstellen. Das Gesicht des Kleophas (Abb. 147) wird völlig von Haaren eingerahmt, die durch spontane, teils wirr scheinende Pinselhiebe auf der formgebenden Frisurfläche gestaltet werden. Das Haupthaar bildet vorne in der Mitte einen Wirbel. Rechts und links davon schwingen die Haare in leichtem Bogen etwas zurück. Die Gesichtslinie der verschatteten Seite hat der Maler durch eine dicke, rotbraune Linie nachgezogen. Sie zeigt die gerade nach unten verlaufende Stirn, das Einbiegen der Augenhöhle sowie das Vorstehen des Wangenknochens an. Über der Wange läuft sie schließlich aus. Eine an die Augenbraue anschließende dicke rotbraune Linie beschreibt die Nase, zwei knappe konkave Striche charakterisieren die Nasenwurzel. Der Mund weist eine volle Unterlippe und eine etwas schmälere Oberlippe auf, die nicht durch Lippenrot modelliert, sondern von einer rotbraunen Linie konturiert werden, welche in der Mitte der Unterlippe einen senkrechten Strich aufweist. Die Oberlippe fällt zu den Mundwinkeln hin steil nach unten. Das Gesicht im Vigilszyklus (Abb. 148) ist in der gleichen Haltung, aber mit geschlossenen Augen dargestellt. Die kappenhaft auf dem Schädel liegende Frisur weist an der gleichen Stelle einen Wirbel auf und bildet über dem Kopf allerdings nur einen Scheitel. Auch hier wird die Frisur durch spontane Schraffuren oder parallele Linien modelliert. Allerdings zeigt sich die Stirn gerundet, der Schwung zur Augenhöhle und zurück zum Wangenknochen fließender und nicht geknickt. Die Nase ist ähnlich wie in den Gesichtern des Marienzyklus. Die Nasenwurzel kennzeichnet der Künstler des Vigilszyklus durch mehrere fahrige, dünne Striche, den Mund mit ebenfalls fülliger Unterlippe und schmälerer Oberlippe hat er aber nicht durch umrahmende Linien bezeichnet, sondern durch Rottöne geformt. Auffallend an dieser Gegenüberstellung ist, dass die Form der Gesichter sehr ähnlich gehalten ist, die Ausführung jedoch leicht variiert. Auch in der Modellierung der Gesichtszüge zeigen sich Unterschiede, die jedoch bereits in der Verschiedenheit der Inkarnatgestaltung begründet liegen. So modelliert der Maler der Marienlegende seine Gesichter auf einem bereits rötlichen Untergrund, im Gegensatz zum Vigilszyklus, wo sie einer Zeichnung gleich auf dem Intonaco herausgearbeitet sind.441 Mit 441 Vgl. dazu auch meine Ausführungen in Kap. 3.1.3.4 und 3.1.4.4, den Exkursen zur Maltechnik in den Zyklen von St. Vigil. 166 etwas kräftigeren Schraffuren aber auch Lasuren legt er verschattete Stellen an. Die Schraffuren formen die jeweilige Gesichtsform nach (Anna in der Verkündigung). Manchmal fügt er unterstützend noch hellen Ocker zur Modellierung besonders der querliegenden Stirnfalten bei. Höhungen zeigt er durch weiß an. Im Vigilszyklus werden Wangen durch senkrechte rötliche bis rotbraune Schraffuren gekennzeichnet. Tränensäcke deutet der Maler durch querliegende helle Linien unter dem Unterlid an. Zwischen den beiden Schraffuren bleibt schließlich ein bißchen des hellen Untergrundes stehen, welche die Höhung zum Beispiel der Wangenknochen kennzeichnet (Abb. 149). Das nach oben gereckte Kinn der Besessenen charakterisiert der Maler ebenfalls durch parallele Schraffuren (Abb. 148). Mit einer dünnen, etwas helleren Linie zieht er den Kieferknochen nach. Durch die starken Kontraste der Farben wie auch die harte Form der Linie wirkt das Kinn sehr scharfkantig. Im Gegensatz dazu steht das Kinn des Augustus im Bild der Tiburtinischen Sibylle (Abb. 150): Ausgehend von der farbigen Grundierung des Kopfes und Halses führt der Maler dort die Modellierung des Kinn-Halsbereiches durch die Rundung des Halses nachformende Pinselstriche aus. Die Pinselstriche sind zwar noch zu erkennen, aber weitaus lasierender gegeben als im Beispiel des Vigilszyklus. Die Kinn- und Halsfalten hebt er durch eine kräftigere Linie heraus. Auf diese Art und Weise bekommt die Kinn-Halspartie nicht nur einen malerischen sondern auch einen fleischlicheren Charakter. Als weiteres Vergleichsbeispiel seien die Malereien von St. Magdalena herangezogen. Die Gesichter dort weisen wieder einen anderen Stil auf. Gesicht und Hals bilden scheinbar eine einheitliche Fläche, die zum Beispiel bei der Figur des hl. Oswald in der nördlichen Fensternische nur durch die Andeutung des Bartes unterschieden wird (Abb. 145). Eine Modellierung ist über die gesamte Fläche hinweg in senkrechter, feiner Schraffur gegeben, die an verschatteten Stellen wie Wangen, Kinn, Stirn und Nacken etwas dichter aufgetragen ist. Die Höhungen scheinen auch hier durch die Grundfarbe des Intonaco vorgegeben zu sein. Augen, Nase und Mund sind in einfach gesetzten Linien gegeben, wobei der Mund durch drei charakteristisch geformte Linien gestaltet ist. Die Augenhöhlen versucht der Maler durch ockerfarbene, oval angelegte Linien herauszuarbeiten. Die Schraffur der Gesichtsmodellierung geht in die Schraffur des Bartes über, der ohne eigene Form wie Fransen an den Wangen hängt und am Kinn zwei Spitzen bildet. Genauso wie der Bart ist auch das Haupthaar zottelig und ohne gestaltete Form. Durch feine Schraffuren ist es etwas modelliert, doch ähnelt es mehr den Borsten eines Besens als Kopfhaaren. 167 Wieder anders aufgebaut sind die Gesichtszüge der Figuren in St. Nikolaus in Durnholz. Durch kräftige Konturlinien arbeitet der Maler besonders die Physiognomie der Schergen und der Juden heraus. Vielfältige mimische Details verleihen den Gesichtern drastische Individualität. Nennen möchte ich hier nur die schweinsnasige Fratze des Schergen im Bild Christus vor Pilatus (Abb. 151) oder die langen, knorpeligen Nasen der Soldaten im Bild Christus vor Kaiphas (Abb. 96). Eine eigenständige Art der Gesichtsgestaltung zeigt der Maler von St. Valentin am Gentersberg, nahe Durnholz (Abb. 152). Zum einen ist seine Frisur nicht durch formgebende Zeichnung auf einer farbigen Schablone der Haare angelegt, sondern in malerischer Manier durch den Pinselduktus aufgebaut. Die Modellierung des blaß wirkenden Gesichts fertigt er mit blaugrauer und rötlicher Lasur, wobei er Augen und Nase in hellem Ocker anlegt. Er deutet bei den Augen ebenfalls deutlich Oberund Unterlid an, weniger mandelförmig, sondern eher rundlich, formt den Augapfel mit einer hellbraunen Lasur und setzt die Pupillen aus einem dunklen Punkt mit begleitenden rotbraunen Halbkreisen ein. Die Augenbrauen aus parallelen braunen bis rotbraunen Linien gehen in Nasenrücken bzw. Nasenwurzel über. Der Mund ist ohne Linien durch formgebendes Rot mit einer dunkleren Mittellinie gestaltet. Der braune, etwas krause Kinnbart wechselt an den Wangen zu rötlichem Haarwuchs. Stirn, Wangen und Nasenrücken zeigen die weißliche Grundierung, deren Rundungen mit einer Rotlasur herausgebildet sind. Die Kombination zwischen Weiß, Rot und Blaugrau verleiht dem Gesicht einen kargen, asketischen Ausdruck. An dieser Vergleichsreihe zeigt sich, wie vielfältig die Stileigentümlichkeiten der Bozner Malereien sind, wie eng aber auch diverse Charakteristika miteinander in Beziehung stehen. So haben meine Beobachtungen zur Arbeitsweise der Fresken in der Vigilskapelle doch sehr ähnliche Züge im Aufbau der Gesichter in Marien- und Vigilszyklus ergeben, was für einen an beiden Zyklen tätigen Maler spricht. Unterschiede in der Ausführung, wie fehlende Untermalungen und das Ausnutzen der Farbe des Intonacos sowie der damit zusammenhängende Eindruck einer schnellen, spontanen, aber sicheren Arbeitsweise im Vigilszyklus gegenüber der sorgfältigeren und systematisch schichtenweise aufgebauten Malerei des Marienzyklus, müßten dann auf unterschiedliche Voraussetzungen (Zeit, Anspruch, Bezahlung) für die Entstehung der Fresken hinweisen. Dennoch möchte ich es nicht wagen, die Malereien der beiden Zyklen von St. Vigil ohne die genauen Berichte und Technikbeschreibungen der vergangenen Restaurierungen einem oder zwei verschiedenen Künstlern zuzuweisen. 168 4.7.3 Bewegungsmotive und Ausdrucksgebärden Figuren sind in ihrer spezifischen Gestaltung von Bewegung und Gebärden auch Träger von Aussagen bzw. vermitteln individuelle Befindlichkeiten und Anteilnahme. Je größer die Bewegtheit und der Gestenreichtum einer Figur umsomehr sagt sie über die Situation bzw. ihre Reaktion auf eine Begebenheit aus und unterstützt damit auch den Erzählvorgang. In der Bozner Malerei um 1400 und speziell in St. Vigil und St. Zyprian ist eine solche, nach außen gerichtete Beteiligung der Figuren nur sehr zurückhaltend gestaltet. Die Figuren der Marienlegende von St. Vigil sind in sehr ruhiger Haltung mit nur verhaltenen Bewegungen gezeigt, die über ein Bücken oder sich Zuwenden nicht hinausgehen. Selbst das Zueinander-Hinwenden einzelner Figuren, wie z.B. das sich küssende Paar unter der Goldenen Pforte (Abb. 43) oder Anna im Wochenbett mit ihrer Magd, wirkt ohne innere Anteilnahme an ihrem jeweiligen Tun, als ob beliebige Figuren die Szenen der Heiligen Schrift für ein Publikum nachstellten. Im Vigilszyklus zeigen jedoch einzelne Personen mehr Bewegung und kompliziertere Körperhaltungen, wenn auch die meisten in ruhiger Haltung verharren. Aber die drei sich am Boden krümmenden Kranken im Bild der Heilung einer Besessenen (Abb. 25) demonstrieren eindeutige, ihrer Verfassung und ihren körperlichen Gebrechen entsprechende Reflexe: das extreme Hohlkreuz des an der Säule Lehnenden, die Bewegung mit der lahmen Hand des auf den Knien Sich Hinschleppenden oder die krampfartig gespreizten Finger der Besessenen. Der zum Schlag ausholende Heide im Martyrium des hl. Vigilius sprüht vor Aggressivität (Abb. 31): Er ist im Ausfallschritt und mit über dem Kopf gehaltenen Händen gegeben. Auch kleine sprechende Gesten und Gebärden sind im Marienzyklus sparsamer verwendet als im gegenüberliegenden Vigilszyklus. Sie beschränken sich zumeist auf zum Beten erhobene Hände (Abb. 41, 42), Zeigegesten (Abb. 124, 50) und Erstaunensgesten wie bei den Freiern im Bild des Stabwunders und des Hirten im Bild der Verkündigung (Abb. 47, 42). Sie stellen keine spontanen Reaktionen dar. Am auffälligsten ist noch die zum Schlag ausholende Hand im Bild der Vermählung Mariens (Abb. 48). Doch auch sie wirkt trotz ihrer aggressiven Bedeutung eher gestellt als im Affekt ausgeführt, vergleicht man sie mit der entsprechenden Gebärde im Martyrium des Vigilszyklus (Abb. 31). Vielleicht ist dies ein Resultat der großen Verbreitung des für Vermählungsszenen obligatorischen Motivs durch Musterbücher. Allgemein sind im Vigilszyklus die kleinen Gesten weitaus 169 vielfältiger als im Marienzyklus. Die abwehrende Hand, die zeigende Hand, die verhüllte, vor Mund und Nase gehaltene Hand sowie die ans Kinn gelegten Hände der Diakone im Bild der Heilung von St. Vigil (Abb. 25) zeigen eine große Variationsbreite von Gebärden als analoge Reaktionen auf das gleiche Geschehen. Dazu kommen noch die verschiedenen Verhaltensweisen in der Predigt des hl. Vigilius (Abb. 24). Die auf die Brust gelegte Hand des einen Zuhörers ist Ausdruck des Betroffenseins, daneben die vorgehaltenen Hände als Zeichen der Offenheit und Empfänglichkeit für das Gesagte. Überdies zeugen die übereinandergelegten Hände eines Schlafenden von Desinteresse oder der auf die Hand gestützte Kopf von hoher Konzentration und Nachdenklichkeit. Diese gesten- und gebärdenreiche Gestaltung unterstützt in gewissem Maße die gleichlaufende Erzählweise des Vigilszyklus, während das Fehlen solcher Aktionen und Reaktionen im Marienzyklus dessen zeichen- und symbolhaften Gehalt betont. Erwähnenswert ist noch das Figurenpaar, das in den Bildern Vertreibung Joachims und Tempelgang Mariens als Erzähler wirkt (Abb. 124, 125). Ihr dichtgedrängtes Nebeneinander läßt beide sehr blockhaft erscheinen, zumal im Bild des Tempelgangs die Säume ihrer Gewänder wie zu einer Einheit verschmolzen scheinen. Zudem fällt die in beiden Bildern fast identische Körperhaltung der beiden Männer und ihre ebenso deckungsgleiche Position vor der Architektur ins Auge. Vermutlich verwendete der Maler hier die Schablone einer Zweifigurengruppe, die er in einigen wenigen Details modifizierte. Dass dieses versatzstückhafte Figurenmotiv in unterschiedlichen Zusammenhängen eingesetzt wurde, habe ich oben bereits dargelegt. In ähnlicher Weise nutzte der Maler des Vigilszyklus eine Figurenschablone, nämlich jeweils in der Figur des Bischofs in den Bildern der Bischofsweihe (Abb. 23), der Heilung (Abb. 25) und der Auffindung der Nonsberger Leichen (Abb.28), die immer die gleiche leicht vornübergebückte Haltung aufweist, bei der lediglich Arm- und Kopfhaltung etwas variiert sind. Die aufgeführten Ausdrucksmittel ergänzen und unterstützen die Aussage der agierenden Hauptfiguren. Andererseits ist im Marienzyklus letztendlich eine derartige Bereicherung durch Gesten und Gebärden der Protagonisten gar nicht nötig, da der Sinngehalt der einzelnen Bilder auf einer anderen, eher theologischintellektuellen Ebene zu finden ist. Ebenso sprechen die beiden Zyklen der Zyprianskapelle mehr durch die Sprache der Hände ihrer Protagonisten als durch Bewegung der Körper. Gerade die Frauenfiguren in ihren engen, den Körper nachzeichnenden Gewändern müßten eine Bewe- 170 gung ablesen lassen, wirken aber steif wie Gliederpuppen. Die einzigen Bewegungen sind leichtes Neigen und Drehen des Kopfes, ein leichtes Vorbeugen der zwei Priester in der Bischofsweihe (Abb. 69) und der Dämonin im Auftaktbild (Abb. 67) sowie die Drehung des Oberkörpers des Statthalters im Martyrium (Abb. 71). Ansonsten sind die Figuren alle in aufrechter, beinahe leblos wirkender Haltung gegeben. Im Passionszyklus wird dagegen mit einigen wenigen Personen versucht, durch Bewegungsmotive Dynamik in die Bilder zu bringen: so jeweils der heftige Ausfallschritt des über den Zaun steigenden Soldaten bei der Gefangennahme (Abb. 61) und des einen Zuschauers am linken Bildrand der Geißelung (Abb. 63). Auch verraten in der Dornenkrönung (Abb. 64) die halb kniende Figur des die Dornenkrone aufdrükkenden Schergens und die vornübergebeugte Haltung des verspottenden Schergen eine gewisse Anspannung des Körpers. Der Christus vorwärtsschiebende Scherge im Bild Christus vor Kaiphas (Abb. 62) sollte wohl in gleicher Weise ein energisches Bewegungsmoment darstellen. Doch trotz seines Ausfallschrittes wirkt seine Aktion müde, unmotiviert und kraftlos. Sprechender wirken dagegen die Gesten im Passionszyklus. Der verhüllte, vor das Gesicht gehaltene Unterarm und das gleichzeitige Raffen des Gewandes des einen Jüngers im Bild der Gefangennahme (Abb. 61) zeigt deutlich dessen Verängstigung an. Wie gelassen wirkt dabei doch sein Begleiter, der keinerlei Reaktion auf das Geschehen zeigt. Im Bild Christus vor Kaiphas (Abb. 62) sprechen die Redegesten von Petrus und der Magd sowie von Kaiphas und seinem Begleiter für die gesamte Szene: die abwehrende Geste Petri gegenüber dem auf ihn gerichteten Finger der Magd sowie das Aufzählen von Argumenten des Kaiphas, was wiederum durch den Zeigegestus seines Begleiters betont wird. Formelhaft und abzählbar wirken allerdings die Spottgesten in der Dornenkrönung (Abb. 64). Sie entstammen einem geläufigen Motivschatz für diese Szene und werden durch die sie ausführenden Figuren nicht besonders akzentuiert. Lediglich die Fica, die der von Giotto übernommenen Rückenfigur zuzuordnen ist, springt ins Auge, da sie sich zum einen auf gleicher Höhe wie die segnende Hand Christi befindet und zum anderen durch ihre Position in dem Zwickel von Oberkörper und Hüfte des vor ihm stehenden Schergen betont wird. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die besprochenen vier Zyklen durch die vorwiegend statisch-ruhige Haltung ihrer Figuren charakterisiert sind. Nur an entscheidenden Stellen beleben zurückhaltende Gesten und Gebärden die Aussage der Szene und unterstützen deren Sinngehalt. 171 Wie oben gezeigt, überwiegen auch in den anderen Bozner Zyklen der Zeit um 1400 Figuren, deren Konturen durch füllige Gewänder bestimmt sind. Aus diesem Grund ist eine wenig ausgeprägte Gebärdensprache zu beobachten. Bis auf wenige Fälle ist die Aktivität der Figuren in gleicher Weise wie in den Zyklen von St. Vigil und St. Zyprian zurückhaltend gestaltet. Die Ausnahmen verleihen den ansonst sehr ruhig gestalteten Kompositionen und Szenen größere erzählerische Qualitäten. In St. Katharina in Völs fallen vor allem die in der Bewegung verdrehten Körper der Schächer in den Bildern der Geißelung der Heiligen und der Enthauptung auf (Abb. 153, 154). Während sie zum Schlag über dem Kopf oder die Seite ausholen, wird der Oberkörper verdreht. Auch einer der Schergen im Fragment der Geißelung Christi von St. Magdalena zeigt durch die seitlich des Kopfes zum Schlag erhobenen Arme eine Torsion des Oberkörpers. Dieses Motiv findet sich bei allen anderen schlagenden Männern, einschließlich seines Gegenübers, nicht. Die entsprechenden Figuren im Passionszyklus von St. Martin (Abb. 81, 79) und St. Nikolaus (Abb. 133) halten in ähnlich steifer, gezwungen erscheinender Pose die mit Schlagwerkzeugen bewaffneten Arme über den Kopf. Im Kreuzabnahmebild von St. Nikolaus (Abb. 132) erkennt man die Schwierigkeiten, die der Maler mit der Darstellung ungewöhnlicher Bewegungsabläufe hatte. Der Körper des Simon von Kyrene, der sich über einen Kreuzesbalken beugt, um Christi Leib abzunehmen, wirkt wie eine elastische, gliederlose Masse – abgesehen davon, dass er in dieser Haltung den schlaffen, schweren Körper des Gekreuzigten kaum halten könnte. Das ist ein Beweis, dass es bei der Darstellung der Szene nicht auf das Nachempfinden der Aktion ankam, sondern um die Tatsache der Kreuzabnahme und die Bedeutung der beteiligten Personen.442 Gesten und Gebärden werden in den betreffenden Malereien ebenfalls sehr zurückhaltend dargestellt. Die beiden Schergen, die den fliehenden Jünger Jesu im Bild der Gefangennahme von St. Martin festhalten, scheinen sich nicht einig zu sein, wer von ihnen nun den Flüchtenden zurückhält (Abb. 81). So zumindest sind ihre Mienen zu interpretieren. Die Reaktion des Jüngers, der sich des Zugriffs erwehren will, erinnert mehr an ein zartes Handauflegen als an eine Geste der Abwehr. 442 Die beiden Fragmente der Siebenschläferlegende (Anfang 15. Jh.) im Bozner Dom von Meister Conrad Erlin aus Ulm zeigen ebenfalls kaum Bewegungsmomente und Gesten. Dies liegt jedoch in der Art der Darstellung begründet, die eine Illustration des unter den Bildern und auf den Schriftbändern geschriebenen Textes ist. 172 In der Beweinung Christi (Abb. 155) und der Grablegung (Abb.84) von St. Martin wirken die beteiligten Figuren eher gefaßt, denn klagend und von Schmerz gepeinigt. Das Gebet der Marien wirkt zur Pose erstarrt. Anders dagegen reagiert eine der Marien bei der Grablegung in St. Magdalena (Abb. 157). Wie man am noch sichtbaren Fragment erkennt, wirft sie vor Schmerz und zur Klage die Arme gestreckt in die Höhe – eine Pathosformel, wie sie in Italien bereits im 13. Jahrhundert zu finden ist.443 Allgemein ist für St. Martin zu bemerken, dass statt Gebärden die aufwendige Gewandgestaltung mit ihren sehr bewegten Falten- und Saumformationen einen Teil des inneren Ausdrucks der Figuren vermittelt. Das Motiv der vor der Brust verschränkten Arme, das Giotto im Bild Tanz der Salome in der Peruzzi-Kapelle von Santa Croce, Florenz, einer Dienerin zugeordnet hat, findet man in St. Magdalena im Bild des Gastmahls bei Simon in ähnlicher Verwendung wieder (Abb. 97). Wie bei Giotto wird es als ein Zeichen von Scheu und Ehrfurcht interpretiert.444 Diesen Beispielen ist der 1402 datierte Bethlehemitische Kindermord in der Pfarrkirche von Terlan gegenüberzustellen (Abb. 138). Die Arme des ein Kind erstechenden Gerüsteten in der rechten Bildhälfte sind energisch vom Körper abgespreizt, um den tödlichen Dolchstoß auszuführen. Auch bei dem Schergen in der Bildmitte, der mit seinem beidhändig geführten Säbel hinter seinem Kopf zum Schlag ausholt, liegt eine eindringliche Formulierung vor.445 Ebenso wie die Bewaffneten ihrer Aggression freien Lauf lassen, geben sich die Mütter ihrem Schmerz hin. Deren extreme Gesten und Gebärden unterstützen die Schilderung des brutalen Geschehens. So sind der zurückgeworfene Kopf und die hochgehaltenen, gefalteten Hände der Frau im linken Bildfeld bemerkenswerte Ausdrucksmotive. Die nach oben geworfenen Arme der knienden Frau rechts vorne sowie der Frau im linken Bilddrittel und die sich aus Verzweiflung die Haare raufende Frau am rechten Bildrand zeigen typische Klagegesten, die in der bildenden Kunst des italienischen Tre- und Quattrocento einen festen Platz haben und sich wohl aus antikem Motivschatz herleiten lassen.446 443 444 445 446 Beispiele sind die Bilder der Beweinung Christi eines umbrischen Malers, Perugia (13. Jh.), in San Martino, Pisa (spätes 13. Jh.) und von einem Nachfolger Bonaventura Berlinghieris, heute in Yale. Diese und weitere Beispiele und Abbildungen bei BARASCH 1976, S. 57-63. BARASCH 1987, S. 55. Ähnliche charakteristische Bewegungsmotive findet man in der Geißelung und der Enthauptung der hl. Katharina in St. Katharina in Völser Aicha. In der Tafel der Beweinung Christi von Simone Martini in Berlin und in dem Fresko Bethlehemitischer Kindermord der Giottoschule im nördlichen Querhausarm der Unterkirche von S. Francesco in Assisi ist diese sprechende Gebärde zu sehen. Die klagend über den Kopf 173 Der Terlaner Kindermord übertrifft demnach die anderen Bozner Malereien, auch die benachbarten Bilder Stocingers, durch seinen Bewegungs- und Gestenreichtum und damit durch seine Ausdruckskraft, wobei die extremen Bewegungsmotive ihre Wurzel in der italienischen Malerei haben.447 4.7.4 Figurengruppen sowie Figur und Raum Ein weiteres Merkmal für die Gestaltungsweise eines Künstlers ist seine Art und Weise, wie er die Figuren in den Raum stellt, wie er Figurengruppen aufbaut und wie er die Figuren auf die sie umgebende Architektur bezieht. Bei der Darstellung großer Menschenmengen sind in den Beispielen der Bozner Malerei nur wenige Übereinanderstaffelungen der Figuren auszumachen. Zumeist wird das Hintereinander der einzelnen Menschen durch Überschneidungen gezeigt, wobei von den hinteren Reihen nur die Köpfe zu sehen sind. Bei hockenden Personen, wie im Bild der Predigt des hl. Vigilius des Vigilszyklus (Abb. 24) oder in St. Magdalena im Bild der Ankunft der hl. Magdalena in Marseille (Abb. 83), sind die Figuren gestaffelt, um ihre Vielzahl auszudrücken. Staffelungen von Figuren kommen auch im Katharinenzyklus von St. Katharina vor. Die Gruppe der Philosophen sowohl im Bild der Diskussion mit der Heiligen (Abb. 87) als auch der Verbrennung der Philosophen zeigt die einzelnen Köpfe der Figuren übereinandergesetzt. Im Gefolge der Kaiserin, welche die Heilige besucht (Abb. 88), ist dieses Übereinandersetzen der Köpfe etwas zurückgenommen, so dass die hintersten Personen nur noch durch überschnittene Köpfe zu erkennen sind. Im Passionszyklus von St. Magdalena wird in den Bildern auf die Darstellung von Menschenmassen verzichtet. Die einzelnen Personen scheinen nebeneinander aufgereiht zu stehen.448 Auch in den beiden Zyklen von St. Zyprian und im Marienzyklus von St. Vigil wird auf die Darstellung von größeren Menschengruppen verzichtet. Dort, wo Figuren hintereinander stehen, wird dies durch die Positionierung auf Lücke erreicht. Meist geht diese Art der Anordnung über zwei Reihen nicht hinaus. 447 448 erhobenen Hände sieht man in Simone Martinis Tafel der Kreuztragung, heute im Louvre in Paris, in Duccios Beweinung Christi seiner Sieneser Maestà sowie an einer Mutter im oben genannten Kindermordbild von Assisi. Siehe dazu BARASCH 1976, 57 ff. Diese Gebärden haben eine sehr lange Tradition. Anregungen könnten z.B. aus dem Fresko Bethlehemitischer Kindermord (2. Viertel 14. Jh.) eines Nachfolgers von Pietro Lorenzetti in der Kirche S. Clemente ai Servi in Siena stammen. Abb. in FRUGONI 1988, S. 34, Abb. 42. Über die genaue Positionierung der Figuren zueinander bzw. zu Architekturteilen lassen sich heute leider keine Aussagen mehr machen, da die Bilder des Zyklus, bis auf das Bild Christus am Ölberg, in der unteren Hälfte völlig eliminiert sind. 174 Allen Zyklen, in denen Figurengruppen gezeigt werden, ist gleich, dass sie eigentlich nicht in die sie rahmende Architektur passen bzw. diese in Wirklichkeit sprengen müßten. So drängeln sich die Zuschauer bei der Heilung durch den hl. Vigilius (Abb. 25) unter einer sehr schmalen Jocharchitektur, und die Menge der Ausgewiesenen um die hl. Magdalena müßte das kleine Boot eigentlich zum Kentern bringen (Abb. 82). In St. Martin in Kampill stehen die Schergen im Bild der Dornenkrönung (Abb. 156) so eng, dass es den beiden wirklich nur über den Köpfen der anderen möglich ist zum Schlag auszuholen. Der Zug, der aus dem Stadttor von Jerusalem zum Berg Golgatha strömt (Abb. 79), hätte das schmale Tor sprengen müssen. Es war also für die Bildgestaltung nicht wichtig, die Figuren in einer an der Wirklichkeit orientierten räumlichen Situation zu zeigen, sondern Hauptanliegen war es, die Geschehnisse zu dramatisieren, indem Maßstäbe und Größenverhältnisse außer Acht gelassen wurden. In den Passionszyklen verstärken die Menschenmassen den seelischen Druck und das Alleingelassensein Christi. Im Bild der Ausweisung der Christen in St. Magdalena wird das Leiden vieler gegenüber nur wenigen Juden gezeigt, was sich jedoch in den folgenden Bildern zu einer positiven Situation wandelt. Immer wieder steht die Macht und Stärke des Christentums und die Unanfechtbarkeit der Gläubigen im Vordergrund. Eine Verkleinerung von Figuren, die etwas mehr im Hintergrund gezeigt sind, ist nicht angestrebt. Im Gegenteil erscheinen Figuren, die nicht direkt auf der vordersten Bildkante stehen, mitunter größer als solche ganz vorn. Zum Beispiel ist der Soldat, der in St. Zyprian im Bild der Gefangennahme Christi über den Zaun klettert, kleiner als die Figuren hinter dem Zaun im Mittelgrund (Abb. 61). Auch im Bild der Verkündigung an Joachim in St. Vigil ist dieses Phänomen zu beobachten (Abb. 42). Der Hirte, der im Bildvordergrund steht, ist wesentlich kleiner als Joachim. Selbst wenn man in Betracht zieht, dass der Hirte noch ein Knabe ist, würde Joachim stehend ihm gegenüber wie ein Riese wirken. Im Bild der Geburt Mariens dagegen zeigen Figuren des Vorder- und Hintergrunds keinerlei Unterschiede in ihrer Größe. Die beiden Mägde, die das Neugeborene waschen, wie auch die Szene der Anna mit der Magd sind gleichberechtigt gemeint, während die oben beschriebenen Figuren, der Hirte von St. Vigil und der Soldat von St. Zyprian, rein kompositorische Elemente sind. Ansonsten stellt sich die Frage nach einer perspektivischen Verkleinerung von Personen in den besprochenen Südtiroler Zyklen nicht, da sich die Akteure zumeist 175 alle im Bildvordergrund befinden.449 Ein Ausgreifen der Figuren auf die Raumtiefe ist durchweg so gering, dass die Figuren nur unwesentlich kleiner wirken würden. Bei den architektonischen Elementen zeigt sich dabei eher das Gegenteil. Die Gebäudekulissen verjüngen sich nach hinten hin stärker als es ihre Erstreckung in die Tiefe erfordert, wodurch ihre kulissenhafte Wirkung betont wird. Dies ist auch für die Fresken Stocingers zu konstatieren, wo z.B. die Figuren im Vorder- und Mittelgrund gleich groß dargestellt werden, während die Architekturen Tendenzen einer Verjüngung aufweisen. Mit einigen Ausnahmen gilt für alle Zyklen, dass die Figuren den sie umgebenden, durch Architektur definierten Raum kaum bewußt zu nutzen scheinen. Nur an wenigen Stellen nehmen die Protagonisten Bezug auf die Architektur. So im Bild der Heilung der Besessenen des Vigilszyklus (Abb. 25), wo sich ein Zuschauer an einer Säule festhält bzw. ein am Boden sitzender Kranker sich daran anlehnt. Auch im Bild der Geburt Mariens des Marienzyklus (Abb. 44) sind die Figuren an für sie spezifische Plätze gebunden: Anna im Bett im Hintergrund, die beiden Ammen im Vordergrund sowie eine Magd in der Küche. Auch die Priester in den Bildern Vertreibung Joachims und Tempelgang Mariens stehen an speziellen, in der Architektur für sie bestimmten Plätzen. Noch eindeutiger sind Handlung und Ortsbeschreibung im Magdalenenzyklus aufeinander bezogen. Im Bild des Gastmahls bei Simon (Abb. 97) und im Bild Magdalena erscheint dem Fürstenpaar im Traum (Abb. 101) beschreibt die Architektur nicht nur den Ort des Geschehens, sondern es findet tatsächlich in diesem statt. Im Marienzyklus ist die Architektur in den meisten Bildern auf die Szenen und ihre Protagonisten abgestimmt. Selbst im Bild der Vermählung, wo die Architektur den Figuren übergestülpt zu sein scheint, ist ein logisches vor und hinter den Säulen auszumachen. Lediglich in den letzten beiden Bildern ist die Architektur staffageartig aufgefaßt. Vor allem im Bild der Heiligen Sippe (Abb. 51) ist wieder eine Ungereimtheit im Bezug der Figuren auf die Architektur zu sehen: Obwohl alle Personen vor den Bogenöffnungen stehen, werden die Heiligenscheine der Eltern Mariens durch die Nasen des Bogens überschnitten. Ein Beispiel, wo die Figuren nicht mit den sie umgebenden architektonischen Elementen in Einklang gebracht sind, stellen die Fresken von St. Nikolaus in Durnholz dar. In den Bildern Christus vor Kaiphas (Abb. 96) und Geißelung Christi (Abb. 449 Im Gegensatz dazu ist im Bild Tempelgang Mariens von Taddeo Gaddi in der BaroncelliKapelle von S. Croce, Florenz, ein Vorn und Hinten durch die Verkleinerung der Figuren ausgezeichnet dargestellt. 176 133) stehen die Soldaten, die Schergen, aber auch Christus scheinbar in der Luft. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass deren Zehen nach unten hängen. Die schlafenden Soldaten im Bild der Auferstehung Christi haben zwar die Füße auf den Sockel des Sarkophages gestellt, doch der Körper schwebt frei. Eklatant zeigt sich dies in einem Bild des Nikolauszyklus ebendort. Im Bildfeld Nikolaus rettet die drei zu unrecht verurteilten Ritter (Abb. 158) führt der Heilige die drei Verurteilten an ihnen um den Hals gelegten Stricken fort. Während Nikolaus am vordersten Bildrand fest auf dem Boden steht, schweben zwei der Ritter in Schrittstellung neben ihm her. In den Bildern von St. Johann im Dorf repräsentieren die Architekturen Räume, d.h. die perspektivisch und raumbildend strukturierten Bauten stehen als Platzhalter für den spezifischen Handlungsort. Die im Maßstab zu großen Figuren können sich darin nicht bewegen. Johannes im Bild der Übergabe des Jünglings an den Bischof (Abb. 129) könnte unter dem flankierenden, turmähnlichen Bau nicht gerade stehen. Seine zwei in der Architektur stehenden Begleiter sind deswegen auch kleiner dargestellt. Auch der dem Bischof folgende Diakon muß den Kopf einziehen, um durch die Öffnung zu treten. Desweiteren gibt es keine die Versatzstücke des Bildes einbindenden Glieder: Der Thron des Aristodemus steht scheinbar im Freien, und die anderen Bauten haben keinerlei Verbindung zu einem über- oder beigeordneten Gebäude. 4.8 Untersuchungen zur Raumauffassung 4.8.1 Verhältnis von realem (Betrachter-)Raum zum Bildraum Ein wichtiger Aspekt der Raumauffassung ist, wie der Künstler Betrachterraum und Bildraum in Beziehung zueinander setzt. Zeigt er den Bildraum als einen Blick durch ein Fenster in einen real scheinenden Raum oder beläßt er den Eindruck des auf eine Fläche gemalten räumlichen Bildes? Das Interesse für die Darstellung eines Raumes nimmt Ende des Duecento seinen Anfang. Giotto und seine Werkstatt haben an der Wende des 13. Jahrhunderts in den Bildern der Franzlegende (um 1290-1292) in der Oberkirche von San Francesco, Assisi, sowohl mit der Gestaltung des Bildraumes als auch der illusionistisch räumlichen Gliederung des Zyklus Neuerungen in der Kunst 177 vorgeführt, die jedoch nicht Allgemeingut wurden.450 Denn für die Zeit der zweiten Hälfte des Trecento und des beginnenden Quattrocento stellte Bellosi451 ein deutliches Nachlassen im Interesse der Raumdarstellung fest. Zur Differenzierung des Raumeindruckes dient in erster Linie die Bildrahmung. Sie separiert das eigentliche Bildfeld von einem architektonisch wirkenden Rahmenwerk oder von teilenden Schmuckbändern.452 In der Oberkirche von S. Francesco in Assisi werden die einzelnen Bildfelder der Franzlegende, die durch eine illusionistische architektonische Einfassung, gemalte Säulen und einen ebenso gemalten, kassettierten Vorsprung voneinander getrennt werden, eigens noch durch zwei farbige Bänder umgrenzt. Dies verdeutlicht dem Betrachter, dass es sich bei den Bildern nicht um einen Blick nach draußen durch eine Säulenstellung handelt, sondern dass die Szenen als Bilder auf die flache Wand gemalt sind. Auch in der Arenakapelle in Padua sind die Bildfelder der unteren beiden Register durch ebensolche farbige Streifen bewußt als Gemälde auf der flachen Wand gestaltet, wenn auch ihre Trennung voneinander durch aufwendige Schmuckbänder und -felder erreicht wird. Diese bleiben für den Betrachter als Mauerwerk bestehen. Fehlt die innere Rahmung der Bildfelder, wie zum Beispiel in den Bildern der SylvesterLegende (1336) von Maso di Banco in S. Croce, Florenz, so wird der Eindruck erweckt, der Betrachter blicke durch ein Fenster auf die Szene, die sich dahinter abspielt.453 Auch die Bildfelder der Fresken Giusto de' Menabuois im Baptisterium in Padua werden ohne begrenzende Bänder vorgeführt. Die vier Bilder der IsaakGeschichte zeigen im Grunde weder eine eindeutige Bildfeldtrennung noch eine innere Rahmung. Das in freier Landschaft vollzogene Opfer des Isaak wird von einer schmalen hellen Linie umfaßt. Die drei folgenden Szenen, die sich ausschließlich im Schlafgemach des Isaak abspielen, zeigen in den oberen Ecken kleine Maßwerkzwickel, so dass der Eindruck entsteht, nach vorne offene Kästen seien über- bzw. nebeneinandergestellt.454 450 451 452 453 454 BELLOSI 1987, S. 202, weist darauf hin, dass selbst in Duccios Sieneser Maestà (1308-11) Aneignungen dieser neuen Ideen zu finden seien, die jedoch zuvor bereits in Assisi und der Arenakapelle von Padua eine vollkommen entwickelte Formulierung erfahren haben. BELLOSI 1987, S. 199. Ausführlich behandelt dieses bildnerische Mittel WHITE 19873, Birth and Rebirth, S. 104. WHITE 19873, Birth and Rebirth, S. 107. Bei Maso di Banco kommt noch hinzu, dass er nur einen kleinen Schritt weit von einer mathematisch exakten perspektivischen Konstruktion entfernt ist, wodurch dieser Eindruck des Blickes in andere Räumlichkeiten verstärkt wird. Dass diese Kastenräume ihrerseits wieder in der Landschaft des daneben gezeigten Traums des Isaak gestellt zu sein scheinen, möchte ich für meine Zwecke hier unbeachtet lassen. Überhaupt ist die Raumgestaltung der Malereien des Paduaner Baptisteriums teilweise so raffiniert und ausgefeilt, dass dies einer eigenen Untersuchung wert wäre. 178 In den Wandmalereien aus der Zeit um 1400 der Bozner Gegend haben die einzelnen Bilder der Zyklen ebenfalls eine zusätzliche innere Rahmung. Diese unerscheidet sich aber von den vorhergenannten Beispielen in der Weise, dass sie nur an drei Seiten, nämlich seitlich und oben, sichtbar bzw. ausgeführt ist. In den beiden Zyklen von St. Vigil wird die Wand durch Schmuckbänder in die einzelnen Bildfelder unterteilt.455 Keine illusionistischen Details wie eine schmale Decke tragende Säulen oder Konsolen vermitteln einen plastischen Eindruck, lediglich ein friesartiges Band trennt Sockel- und Registerzone. Auch hier erfahren die Bildfelder eine zusätzliche Rahmung durch zwei schmale, einfarbige Streifen, dies jedoch nur an den Seiten und der oberen Bildkante (Abb. 25, 28, 44). Es zeigt einen Ansatz zur Steigerung des räumlichen Eindrucks der Bilder. Anders dagegen ist in der Apsis verfahren. Entlang der Kämpferzone läuft um die Apsis herum eine Reihe kleiner Konsolen, die eine schmale, glatte Deckplatte tragen (Abb. 17). Dieser Fries ist gleichzeitig das Kranzgesims der Arkadenstellung, unter der die Apostel thronen. Deren Namenszüge sind auf einem glatten Streifen über dem illusionistischen Gesimsband zwischen Sockel- und Bildzone der Apsis geschrieben gewesen. Dieser Streifen bildet den Sockel für die Thronwangen, auf denen kurze Säulchen mit Blattkapitellen stehen. Den Interkolumnien der vorderen Ebene schließen sich nach hinten kreuzrippengewölbte Joche an, welche die Gehäuse ausbilden, in denen die Apostel sitzen. Unterstrichen wird die Illusion eines realen Raumes durch die im Hintergrund perspektivisch verjüngt gezeigten und leicht versetzten hinteren Stützen, die ebenfalls mit Blattkapitellen geschmückt sind. Über der Apostelreihe erhebt sich schließlich der himmlische Bereich, der nicht durch architektonische Mittel als illusionistischer Raum gestaltet wird. Allein der Sockel des Thrones in der Mitte und die Sitze der Kirchenväter sind dreidimensional gegeben, um deren reale Existenz zu verdeutlichen. Der Horizont ist so tief angelegt, dass in der Tat als Hintergrund nur Himmel zu sehen ist. Für St. Vigil läßt sich demnach eine Klimax der Illusion konstatieren. Bewußt sieht der Betrachter die Darstellungen der Längswände einem Wandteppich gleich als Bilder auf der Fläche. Zum Chor hin, wohl durch Vermittlung des Triumphbogens, steigerte sich der Eindruck eines realen Raumes und somit der wirklichen Präsenz der dargestellten Figuren bis hin zur Imagination der himmlischen Gesellschaft, welche den Höhepunkt und das inhaltliche Ziel der Ausstattung darstellt. 455 Siehe Kap. 3.1.3. 179 In St. Zyprian ist für die Gestaltung der beiden Zyklen im Grunde dieselbe Beobachtung zu machen, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied. Von den waagerechten, die Register bezeichnenden Schmuckbändern kragen illusionistisch gezeigte, kräftige Konsolen vor, die jeweils über die gesamte Breite hinweg schmale Deckplatten tragen (Abb. 63).456 Auch hier fehlen jeweils am unteren Bildrand die zweifarbigen begleitenden Bänder. In diesem Fall läßt sich dies erklären: Für den Betrachter wirken die Konsolen und Deckplatten in ihrer plastischen Erscheinung real. Folgerichtig verdecken diese für den von unten nach oben Blickenden die unteren Streifen. Für das obere Register ist dies eindeutig, doch das untere Register ist nicht so hoch, als dass der Betrachter nicht über eine Deckplatte hätte hinwegsehen können. Diese Unstimmigkeit läßt vermuten, dass der Künstler dieses Gliederungssystem aus einem anderen Bildzusammenhang übernommen, aber nicht für seine Raumvorgabe überdacht hat. Trotzdem war es dem Betrachter bewußt, dass die Szenerien auf einer Fläche gezeigt werden und keine Räumlichkeit vorspiegeln. Dieselben Beobachtungen sind auch im Magdalenenzyklus von St. Magdalena in Prazöll zu machen. In St. Nikolaus in Durnholz werden die einzelnen Bildfelder wieder dreiseitig durch eine profiliert wirkende Leiste umschlossen. Zusätzlich findet sich aber noch in unregelmäßiger Verteilung und ohne Konzept eine begleitende ockerfarbene Linie, welche die ersten beiden Bilder am oberen Rand zusammenfaßt und welche auch am linken Bildrand der Auferweckung des Lazarus (Abb. 159) zu sehen ist. Sie bricht aber dann im Einzug in Jerusalem ab, um im Bild Christus am Ölberg (Abb. 165) wieder aufzutauchen. Die Gefangennahme (Abb. 131) wiederum weist diese Linie links und oben auf; ansonsten fehlt sie. In der Kreuzabnahme (Abb. 132) sieht man schließlich am oberen Bildrand einen dicken grünen Streifen, der an den Seiten nach unten läuft, aber hinter den dort stehenden Figuren verschwindet. Interessanterweise ist im Bild der Geißelung Christi (Abb. 133), welches sich auf der Westwand befindet, auf die Darstellung der rechten profilierten Leiste verzichtet worden, als ob sie von dem rechten Schmuckband verdeckt werden würde. Ob diese Uneinheitlichkeit der Bildrahmung auf Unklarheiten bei der Freilegung 456 Ob die Konsolen der untersten und obersten Reihe auf originale Befunde zurückgehen, ist nicht klar. Bei WEINGARTNER 1912, S. 34 u. 35, sind wohl über der Dornenkrönung, nicht aber über dem Verhör vor Kaiphas die Konsolen gezeigt. Völlig fehlen sie am untersten Band. Auch auf einer Postkarte, die eine Aufnahme von 1941 zeigt, sind die Konsolen nicht in der gleichen Regelmäßigkeit zu sehen, wie es heute der Fall ist. 180 zurückzuführen ist oder ob sich hier die unsichere Hand eines Malergesellen zeigt, muß offen bleiben. Auffällig ist noch die Gestaltung der Bildrahmung von St. Martin in Kampill. Ein Gitternetz aus weißen Streifen unterteilt die Wandfläche in einzelne Bildfelder. Die Bildrahmung übernimmt an den Seiten und oben eine einfach profilierte graue Leiste.457 Unten fehlt diese wieder. Begleitet wird die Profilleiste am oberen Bildrand durch ein schmales ockerfarbenes und ein breites grünes Band. Beide werden an den Seiten weitergeführt, jedoch nur soweit, bis Architekturteile, Felsformationen oder Figuren sie überschneiden. Lediglich im Bild der Kreuztragung (Abb. 79) taucht sie vor den beiden Schächern wieder auf. Ansonsten scheint sie hinter den Elementen des Bildraumes bzw. den Figuren zu verschwinden. Gleiches ist auch für die Anbetung der Könige, die Mantelteilung des hl. Martin sowie die anderen Bildfelder der Kapelle zu beobachten. Es scheint, als würde jede Szene von einer Folie hinterfangen oder anders ausgedrückt: als würden die einzelnen Szenen Bild für Bild vor ein und demselben Hintergrund aufgebaut – wie der Szenenwechsel auf einer Theaterbühne mit gleichbleibendem Prospekt.458 Denkt man sich die einzelnen Bildfelder weg, so bleibt eigentlich keine Wandfläche übrig, welche die Decke tragen könnte. Die Wand bleibt also völlig den Bildern vorbehalten. Die Decke wird durch breite Schmuckfelder mit Vierpaßmedaillons, in denen Halbfiguren zu sehen sind, in vier Bildfelder mit den vier Kirchenvätern an Schreibpulten und je einem musizierenden Engel. Auch hier gliedert ein breites Band die Bildfläche, die jedoch durch die Throne der Kirchenväter überschnitten wird, so dass der Eindruck entsteht, sie stünden auf den als Mauerfläche zu interpretierenden breiten Schmuckbändern. Die knienden Engelsfiguren scheinen dagegen in dem durch Sterne geschmückten Raum zu schweben. In der Mitte befindet sich die Mandorla mit der Maiestas Domini. Im Gegensatz zu dem fragilen Gitter, das die Wände unterteilt, hat die Decke in den breiten Schmuckfeldern einen festen Halt. Wand- und Deckengestaltung stehen sich mit einer deutlichen Diskrepanz gegenüber. Allgemein bleibt für die Bozner Wandmalereien um 1400 im Hinblick auf die Frage nach der Beziehung von realem Raum zum Bildraum zu resümieren, dass die 457 458 Auch die Marmorfelder der Sockelzone werden durch diese graue Profilleiste gerahmt und nur durch die schmale weiße Leiste voneinander getrennt. Dabei kommt einem der Gedanke an Passionsspiele, deren gespielte Szenen auf einer Bühne hier im Bild festgehalten sein könnten. 181 Bilderfolgen bewußt und sichtbar auf die Fläche gemalt wurden und keine Illusion eines Einblickes in einen hinter der Wand existierenden realen Raum mit wirklich existenten Figuren beabsichtigt war. Ausgenommen davon ist die für St. Vigil festgestellte Steigerung des Illusionismus in der Ausmalung der verschiedenen Kompartimente der Kapelle, was wohl auf ein übergeordnetes ikonographisches Konzept zurückzuführen ist. 4.8.2 Architektur und Landschaft Als weiterer Aspekt der Raumauffassung ist die Darstellung von Architektur in der Landschaft bzw. ihre Beziehung zueinander in den einzelnen Bildern zu untersuchen. Ein für das Trecento sehr weit entwickeltes Beispiel der Verknüpfung von Architektur und Landschaft mit den darin agierenden Figuren zeigen die Folgen des guten Regiments im städtischen und ländlichen Leben (1338-1340) von Ambrogio Lorenzetti im Palazzo Pubblico in Siena.459 Völlig organisch schließt sich der Stadt eine weite, reich gegliederte Landschaft an. In der Stadt herrscht ein reges Treiben, wobei sich die Figuren in die komplexen Gebilde der Gebäude sowie deren dichte Anordnung gut einfügen. Die Räumlichkeit der Darstellung wird noch durch die Verjüngung der gezeigten Figuren und Bauten zum Hintergrund hin unterstrichen. Allerdings ist diese Gestaltung auch zu den Seiten hin zu beobachten, denn die durch das Tor von der Stadt weg in die Landschaft reitenden Figuren werden in zunehmend kleinerem Maßstab wiedergegeben. In den Monatsbildern des Adlerturms in Trient (um 1400) wurde auch versucht Architektur in die Landschaft mit einzubinden, doch wirkt es hier unbeholfener als in Siena. Die Architekturen sind modellhaft in der Landschaft plaziert und stehen in keinem Größenverhältnis zu den sie umgebenden landschaftlichen Details wie Bäumen, Feldern, Tieren oder den Menschen (Abb. 160). Die Figuren im Hintergrund sind nur wenig verkleinert, und außerdem sind Bauern durchwegs kleiner gezeigt als die Mitglieder der höfischen Gesellschaft, was programmatisch für die ganze Ausstattung ist. Das Interessante an diesen Bildern ist die räumliche Fortführung über die einzelnen Themengrenzen hinweg, die durch schlanke, mit einem Band umwickelte Säulen abgesteckt werden. Kontinuierlich scheint sich die als Wiesen und Berge gegebene Landschaft von einem zum nächsten Bildfeld fortzusetzen. Selbst das Gewand einer Dame im Monat April ragt in den Monat Mai. 459 Abb. in CARLI 1981, S. 198 f. 182 Zudem hält sie sich mit ihrer linken Hand auch noch an der die Bildfelder unterteilenden Säule fest. Eine Verbindung von Architektur und Landschaft in den Bildern der Bozner Wandmalereizyklen kommt allerdings fast gar nicht vor. Entweder spielen die Szenen in bzw. vor Architekturen, wobei die Figuren auf schmalen Raumbühnen agieren, oder sie werden ganz in die Landschaft verlegt, die jedoch auf unterschiedlichste Art gestaltet sein kann. So stehen sandfarbene, schmale Standflächen vor dunklem Hintergrund genauso für Landschaft wie gestaltete Berglandschaften mit integrierten Gebäuden. Darauf werde ich noch eingehen. Werden in einer Szene Landschafts- und Architekturelemente miteinander kombiniert, weil es die Szene so erfordert, so entsteht aus dieser Verbindung jedoch keine homogene Gestaltung. Beide Elemente sind nur versatzstückhaft nebeneinander gestellt, so z.B. beim Einzug in Jerusalem in St. Martin (Abb. 89), wo Christus über eine sandige, nach links leicht ansteigende Bodenfläche auf eine an den rechten Bildrand gequetschte, verkürzt dargestellte Torarchitektur zureitet. Ein Baum im Hintergrund, auf den ein Zuschauer geklettert ist, steht für Vegetation, als pars pro toto. Umgekehrt verhält es sich im Bild der Kreuztragung (Abb. 79) desselben Zyklus. Das Tor am linken Bildrand ist etwas ausführlicher geschildert, mit einer anschließenden Mauer und Gebäuden dahinter. Aber außer dem schmalen, sandfarbenen, leicht wellig gegebenen Boden gibt es keinerlei Hinweise auf Landschaft vor der Stadt. Nicht eindeutig zu interpretieren ist die in der Überschauperspektive gegebene Stadtdarstellung im Martyrium des Heiligen von St. Vigil (Abb. 31). Durch ein offensichtlich mannshohes Tor am linken Bildrand geht eine Figur nach rechts in die Stadt,460 die im Vergleich dazu mit einer miniaturhaften Mauer umgeben ist. Innerhalb dieser Mauer erkennt man aber noch entsprechend kleine Häuser verteilt. In keinem Verhältnis dazu stehen wiederum die Ausmaße der Basis, auf der der erschlagene Heilige liegt, wie auch die Größe der Figuren überhaupt. Am rechten Bildrand sieht man noch ganz schwach, wie sich eine dem Größenverhältnis der Stadt angepaßte Berglandschaft in die Höhe zieht. Trotzdem ist dies wohl nicht als Versuch des Künstlers zu werten, die Szene in einer Überblickslandschaft, wie z.B. bei Ambrogio Lorenzetti oder Taddeo Gaddi, zu zeigen. Vielmehr spielte hier die Bedeutungsperspektive die entscheidende Rolle. 460 Im Fragment des vorhergehenden Bildes ist dieses Tor in seinen oberen Teilen noch erhalten. An dem dahinter sichtbaren Fragment der Bischofsfigur sieht man, dass bereits hier die Diskrepanz der Proportionen von Figuren und Architekturen besteht. 183 Im Bild Martha bekehrt Magdalena in St. Magdalena ist eine ganz merkwürdige Verbindung von Natur und Architektur zu bemerken (Abb. 92). Die Figuren stehen nebeneinander an der vordersten Bildkante. Lazarus und Martha werden je von einer hochragenden, turmartigen Architektur hinterfangen. Hinter Magdalena und ihrem Begleiter ist ein ähnlich turmartiges Gebilde auszumachen. Hier handelt es sich jedoch um einen Berg, auf dem eine ummauerte Stadt mit hohen Türmen zu sehen ist. Obwohl ein Ausblick auf eine im Hintergrund liegende Landschaft gemeint ist, ist die Illusion der Tiefenerstreckung nicht erreicht, sondern der von der Stadt bekrönte Berg liegt in derselben Ebene des Mittelgrundes wie die beiden Turmarchitekturen. Im Bild der Rückfahrt des Fürsten aus Rom werden Architektur, Wasser und Landschaft nebeneinander aber ohne jede Verbindung miteinander gezeigt (Abb. 161). Alle drei Elemente stehen für einen Teil dieser Episode, die so die separaten Elemente in Zusammenhang bringt. 4.9 Untersuchungen zur Naturdarstellung und die Frage nach einem Naturstudium Die Entwicklung der Naturdarstellung geht mit der Entdeckung des Raumes im zweidimensionalen Bild Hand in Hand,461 ist aber nicht immer auf dem gleichen Niveau angesiedelt. Diese Diskrepanz zeigt sich vor allem in den Bozner Zyklen, deren Maler zwar ohne Frage in der Lage waren, raumschaffende Architekturen zu zeigen; in diesen ist allerdings kein Interesse für die Darstellung von Natur und Landschaft zu verzeichnen. Dies mag mit der Schwierigkeit und der noch fehlenden Fähigkeit zusammenhängen, die sich im Raum ergebenden Verkürzungen darzustellen. Trotzdem wird Natur nicht immer auf die gleiche Weise geschildert. Im Passionszyklus von St. Zyprian ist Naturdarstellung nur in den Bilder Christus am Ölberg, Kreuztragung und Kreuzigung zu finden (Abb. 60, 65, 66). In den beiden letztgenannten Fällen beschränkt sich diese auf einen schmalen sandfarbenen Boden, der den Protagonisten als Standfläche dient. Ob es im Hintergrund noch Andeutungen von Bergen oder Pflanzen gegeben hat, ist auf Grund des schlechten Erhaltungszustandes heute nicht mehr festzustellen. Streng genommen kann man hier eigentlich nicht von Landschaft sprechen. Im Ölberg wird Natur in einem größeren 461 Den wechselseitigen Bezug von Natur und Raum, durch den "Landschaft" definiert wird, umreißt FELDGES 1980, S. 7. 184 Zusammenhang gezeigt, doch letztlich ist die sandfarbene Bodenfläche nur verbreitert und durch verschiedene zugefügte Details zur Landschaft erhoben: Der Zaun dient der Begrenzung des Raumes und in seiner Biegung als Assoziation von Tiefenräumlichkeit, während die Bäume und der Fels rechts oben, die in keinem realistischen Verhältnis zu den Figuren stehen, als Versatzstücke für Natur und Landschaft zu lesen sind. Im Zyprianszyklus dagegen wird keinerlei Gelände durch geologische oder florale Elemente zur Landschaft. Im ersten Bild noch leidlich zu erkennen, ist für alle weiteren zu konstatieren, dass hier nur ein schmaler Boden als Standfläche für die Figuren fungierte. Im Gebet Joachims auf dem Felde im Marienzyklus von St. Vigil (Abb. 42) wird die unstrukturierte, sandige Bodenfläche durch eine in verschiedene Stufen unterteilte, felsige Geländestruktur abgelöst. Durch nur mehr schwach zu erkennende Abschattierungen werden waagrechte Felsschollen zu Geländestufen, auf denen Figuren, Tiere und Pflanzen plaziert sind und so den Bildraum in Vorder,- Mittelund Hintergrund unterteilen. Eine kleine Gruppe Schafe befindet sich nahe des unteren Bildrandes. Durch das nach oben blickende Schaf zwischen den Füßen des Hirten wird auf dessen Standfläche, eine flache Geländestufe, weiterverwiesen, auf der auch der Rest der Herde postiert ist. Auf einer weiteren Stufe endlich kniet Joachim. Hinter ihm scheint sich die Landschaft noch weiter in die Tiefe zu erstrecken, doch begrenzen die drei Bäume am linken Bildraum dort endgültig den Bildraum. Die einzelnen Stufen werden von kleinen Pflanzendetails begleitet, die sich jedoch nicht identifizieren lassen. Das Vorbild für diese differenzierte räumliche Positionierung von Bildelementen dürfte der Maler der Marienlegende von St. Vigil aus Darstellungen wie z.B. dem Quellwunder der Franziskuslegende von San Francesco, Assisi, (Abb. 162) gewonnen haben. Dort allerdings ist die Felslandschaft mit ihren schräg abfallenden Felsflächen und den tiefen Spalten noch der byzantinischen Tradition verpflichtet,462 während in St. Vigil die Felsstruktur der italienischen Trecentomalerei gezeigt ist, die die Form eines Steines zum Berg erhebt. Wie in Assisi stehen Bäume und Lebewesen in keinem realistischen Größenverhältnis zueinander. Im gleichen Zyklus ist allerdings auch eine zeichenhaft verkürzte Landschaftsdarstellung zu finden, nämlich im Bild der Tiburtinischen Sibylle (Abb. 50). Das untere Bildviertel wird von einer sandigen Felsstruktur gebildet, die nach rechts hin etwas ansteigt. Links kniet Kaiser Augustus auf dem Boden, die Position der Sibylle ist 462 FELDGES 1980, S. 97. 185 nicht mehr erkennbar. Diagonal von links nach rechts erhebt sich eine scharf abgegrenzte Geländestufe, der sich weiter nach rechts eine kleine von einem Baum bekrönte Anhöhe anschließt. Vor der Geländestufe und entlang des Hügels sind einige kleine Büsche verteilt. Aus der Gestaltung ist nicht ersichtlich, ob hier eine sich in die Tiefe erstreckende Landschaft oder nur ein Felsgebilde gegenüber dem Kaiserpalast gemeint ist. Eindeutig ist jedoch, dass für den Betrachter eine Tiefenerstreckung nicht wahrzunehmen ist, da die weit in den Vordergrund gesetzten Felsstrukturen wie ein Riegel im Bild wirken. Aufwendigere Landschaftsdarstellungen dürften wohl im Vigilszyklus von St. Vigil zu sehen gewesen sein. Leider sind sie durch große Verluste nicht mehr eindeutig zu lesen. Im Bild der Auffindung der Nonsberger Leichen (Abb. 28) wird die Landschaft durch zwei unterschiedlich hohe, einander gegenüber plazierte Berge charakterisiert. Auf ihre Anhöhen sind burgartige Architekturen gestellt. Eine Tor- und Mauerarchitektur ist der Burg auf der rechten Seite in etwas geringerer Höhe vorgelagert. Wie an den Fragmenten der Baumkronen zu sehen ist, waren das Gelände in der Mitte sowie die Hügel bewaldet. Die Felsstruktur, soweit man sie noch erkennen kann, zeigte wohl in Schichten und Schollen gestaffelte Felsblöcke. Die Figuren stehen an der vordersten Bildkante, während die drei Skelette auf drei schmalen Felsabstufungen liegen. Die Verbindung von Vorder- zum Hintergrund ist unklar. Diese Gestaltung erinnert an die Mantelspende der Franziskuslegende von San Francesco in Assisi (Abb. 163). Dort allerdings ist die räumliche Wirkung der Berge mit ihren Gebäuden darauf noch gut zu erkennen. In St. Vigil ist dies, zumindest im heutigen Zustand des Bildfeldes, nicht mehr zu sehen. Vielmehr erhebt sich die Landschaft im Hintergrund wie eine flache abschließende Kulisse. Dass diese aber ähnlich plastische Qualitäten wie das Bild in Assisi gehabt haben könnte, ist vielleicht am Landschaftsfragment des vorletzten Bildfeldes des Zyklus zu rekonstruieren (Abb. 26). Zu sehen ist dort noch ein steil ansteigendes Gelände, das sich durch Spaltenbildung der Felsen, entlang derer sich Gebäude reihen, eindeutig von einem Vorder- über einen Mittel- zu einem Hintergrund entwickelt. Die bis in den Mittelgrund sich erstreckende, bebaute Landschaft mit hellen Plateaus und dunklen Spalten wird schließlich von einem dunkler gezeigten Felsmassiv überragt. Es gleicht fast einem Blick über eine Vorgebirgslandschaft auf das dahinter sich erhebende Hochgebirge. Sicherlich verarbeitete der Maler hier Eindrücke aus der eigenen Anschauung. Besonders plastisch und raumbildend zeigt sich die Hintergrundarchitektur im Bild der Predigt des Vigilszyklus (Abb. 164). Das Gelände besteht aus mehreren 186 miteinander verbundenen Felsblöcken, die an den Rändern scharf abbrechen und von einigen Spalten zerklüftet werden. Ein mehrteiliger Burgkomplex steht auf dem großen Felsen, ein ummauerter Turm auf dem kleinen Felsen. In dem Tal links dieser Formation, dem wohl eine ähnliche Geländeform in der linken Bildhälfte gegenüberstand, wachsen Bäume und Büsche, die zwar in der Blattstruktur unterschieden, aber nicht identifizierbar sind. Dadurch, dass durch die Menge der Zuhörer die Verbindung von Vordergrund und Gebirge verunklärt ist, lassen die unterschiedlichen Proportionen von Menschen und Architektur einen Blick auf weiter hinten gelegene Bauten assoziieren. Im Bild Christus am Ölberg von St. Nikolaus zeigt sich ein weiterer Versuch, eine Landschaft räumlich zu definieren, doch ist dort eigentlich nur der Mittelgrund ausgearbeitet (Abb. 165). Den Vordergrund bilden der Zaun und ein winziges Stück Boden vor dem schrägstehenden Tor, durch das der Zaun unterbrochen wird. Ein zweites Stück Zaun und ein großer Felsblock rechts schließen das Bild nach hinten ab und bilden somit den Hintergrund. Der Bereich dazwischen, der Garten Gethsemane, ist schließlich der Mittelgrund. In ihm steht links ein weiterer schichtenartig aufgebauter Fels, rechts hocken die schlafenden Jünger. Dazwischen kniet der betende Jesus. Obwohl man einzelne Details den verschiedenen Bildgründen zuordnen kann, ergibt sich doch kein homogener Raumeindruck. In St. Martin in Kampill ragen landschaftliche Elemente, welche Berge oder Gestein symbolisieren sollen, ohne Zusammenhang zur dargestellten Szene im Hintergrund über diese hinaus. Auch die Form dieser Gebilde ist weit entfernt davon, dem Betrachter eine realistische Landschaft vor Augen zu führen (Abb. 84, 85). Die Geburt Christi an der westlichen Schildbogenwand der Pfarrkirche von Terlan (Abb. 166) zeigt dagegen den Versuch, die Landschaft in die Tiefe zu staffeln. Zwei kompositionelle Aspekte unterstützen diese Suggestion: Es sind zum einen versetzt gezeigte Felsengebilde, die sich nicht überschneiden, zum anderen die sich ergebenden Zwischenräume als Wege für die vom Hintergrund her kommende Schafherde. Zwei Hirten im Vordergrund, die auf den Stall zulaufen, befinden sich zwischen zwei Felsen, was ebenfalls Raumtiefe schafft. In etwas vereinfachter Form zeigt sich eine ähnliche Landschaftsdarstellung, wie oben geschildert, auch bei Hans Stocinger. Allgemein ist zu bemerken, dass in den Zyklen der Bozner Wandmalerei der Naturund Landschaftsdarstellung nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Lediglich im Vigilszyklus und in Terlan bemühten sich die Maler, nicht nur den Raumeindruck durch die Darstellung von Landschaft zu verstärken, sondern sie durch die Schilde- 187 rung ihrer Details auch realistisch wirken zu lassen. Vielleicht ist dem Maler der Vigilslegende doch der Versuch zu unterstellen, ein topographisches Portrait der Gegend um Bozen zeigen zu wollen. 4.10 Beobachtung von Natur und Wirklichkeit versus Reduzierung und Stilisierung: Die Bozner Malerei um 1400 vor dem Hintergrund zeitgenössischer künstlerischer Tendenzen Das Studium von Natur und Wirklichkeit und das Festhalten der Beobachtungen in schriftlichen, graphischen und malerischen Werken erlangte in Italien bereits seit dem 13. Jahrhundert zunehmend Aufmerksamkeit. In Kunstzentren wie Florenz, Padua oder Verona setzten sich diese Errungenschaften auch in der Monumentalmalerei durch. Die Figuren wurden im Hinblick auf Proportionen und Körperlichkeit realitätsnah gezeigt, erst recht, was ihre Kleidung betraf. Nicht nur, dass die Protagonisten in zeitgenössischen Gewändern zu sehen sind, auch die Funktion von Schließen, Schnallen und Knöpfen ist bis ins Detail analysiert und im Bild umgesetzt.463 Die Figuren zeigen Aktionen und Reaktionen, die sich in entsprechenden Bewegungsmomenten bzw. in Gestik und Mimik ausdrücken, Emotionen sind an ihnen ablesbar.464 Charakteristika, die z.B. Giottos Malerei auszeichnen und ihnen den Ruf höchster Naturnähe verliehen, sind "... Genauigkeit des Körpergefühls, das Erfassen der unterschiedlichen Art des Stehens und Lastens der Körper, ihrer Bewegung und ihres Ausdrucks."465 Während bei Giotto Raum und Landschaft den Figuren untergeordnet sind, haben sie z.B. bei Ambrogio Lorenzetti in den Fresken der Sala della Pace des Sieneser Rathauses bedeutungstragende Funktion. Raum, in dem die Figuren agieren, sei es Landschaft oder gebaute Architektur, hat allgemein in der Kunst um 1400 seine Vorbilder in der Wirklichkeit. Selbst kulissenartige Bauten sind in der Regel so 463 464 465 Als Beispiel möchte ich das Mirakel des Jakobus des Älteren von Giusto de' Menabuoi in der Cappella del Beato Luca in der Basilica del Sant' Antonio in Padua anführen. Abb. in SEMENZATO 1988, S. 59. Am einfachen Rock des Jakobus sind neben den Knöpfen selbst die Knopflöcher angedeutet. Der schmale Ledergürtel, der in der Taille das Gewand zusammenzurrt, zeigt eine feine Schließe sowie eine Reihe von Löchern. Die Gürtelzunge, die an ihrer Spitze mit einem Stück Metall verstärkt ist, hat der Träger durch den Gürtel gezogen. In den Malereien sind nicht nur aktive, der Realität und Wirklichkeit entsprechende Figuren zu sehen, sondern es wird an entscheidenden Stellen zur Unterstützung der Erzählung auf diese Gestaltungsmittel zurückgegriffen. Daneben existieren ebenso die etwas ungelenken, ruhigen Figuren. SUCKALE 1983, S. 15. 188 konstruiert, dass die Personen darin agieren können.466 Elemente der Flora und Fauna, die sich in die Landschaft eingliedern, werden differenziert und z.T. biologisch bestimmbar gezeigt. Auch der Bezug zwischen beiden Elementen entspricht den Erfahrungen aus der tatsächlichen Anschauung.467 Wenn auch nicht hundertprozentig korrekt und nach wissenschaftlichen Methoden, so zeigen die bildlichen Darstellungen um 1400 in den großen Kunstzentren Norditaliens doch ein hohes Maß an Wirklichkeitsbeobachtung und -nachahmung. Diese Kunstzentren stellt man immer der Bozner Wandmalereien als Vorbilder bzw. Richtschnur gegenüber. Doch findet man dort längst nicht diese künstlerische Absicht, Natur und Wirklichkeit in den Bildern sehr nahe zu kommen. Zwar werden die Figuren zum einen auch in zeitgenössischen Kleidern dargestellt, doch entsprechen diese nur vage der Wirklichkeit. Details sind zeichenhaft verkürzt dargestellt bzw. ganz unterschlagen, die grobe Form an sich genügte. Zum anderen finden sich aber auch Gewänder, die durch eine "... wahre Leidenschaft für Umriß und Faltenwurf beherrschende Arabesken gotischer Prägung ..."468 charakterisiert sind und sich mitnichten an der Realität orientieren, wie zum Beispiel in St. Martin, St. Nikolaus oder St. Katharina. Vielmehr transportieren diese Formen bestimmte Schönheits- und Idealvorstellungen, die sich bewußt der Realität entziehen. Ausdrucksmöglichkeiten, wie sie bei Giotto beobachtet und hervorgehoben wurden, haben die Figuren der besprochenen Südtiroler Wandmalereien nicht vorzuweisen, da sie völlig durch ihr Gewand bestimmt werden, das zumeist ohne Rücksicht auf eine Körperbewegung oder das Verhalten des Stoffes gestaltet ist. Eine Ausnahme ist der Bethlehemitische Kindermord in der Pfarrkirche von Terlan. Besonders in den Zyklen von St. Martin, St. Nikolaus und St. Katharina kommt es mehr auf die virtuosen Saum- und Faltenlinien an, als auf die Regungen und Bewegungen der Figuren. In den Zyklen von St. Vigil, St. Zyprian und St. Magdalena ist dagegen zumindest am Gewand versucht worden, die Haltung der Figuren nachzuformen, doch auch hier völlig unabhängig vom darunter zu denkenden Körper. Gerade hinsichtlich der Gewandgestaltung ist in den Südtiroler Fresken sowohl eine Reduzierung und Stilisierung von modischen Elementen hin zum Formelhaften zu beobachten, etwa in den schlichten Gewändern von St. Vigil, St. Zyprian oder 466 467 468 Beispiel ist das Martyrium der hl. Lucia mit kochendem Öl, von Altichiero in der Cappella di San Giorgo in Padua. Abb. in LUCCO 1992, S. 169, Abb. 196. Als Beispiel sei die Enthauptung des hl. Georg von Altichiero in der Cappella di San Giorgio in Padua genannt. Abb. in LUCCO 1992, S. 168, Abb. 194. KAT. AUSST. WIEN 1962, S. 66. 189 St. Magdalena, als auch eine Steigerung und Ausschweifung in der Darstellung zeitgenössisch idealisierter Formen und Motive, wie bei Säumen und Faltenstrukturen in St. Martin in Kampill oder St. Katharina zu beobachten ist. Nebensächlich und den Protagonisten nur als Kulisse dienend werden Landschaft und Architekturen behandelt. Nur selten stehen Figur und Architektur in Einklang miteinander. Zumeist sind die Architekturen in den Bildern als Handlungsräume für die Figuren völlig ungeeignet, da sie in den Proportionen viel zu klein und zu eng gegeben sind. Zugleich gibt es nur selten Orientierung an tatsächlichen Architekturen. Kirchenbauten, Chorarchitekturen bzw. Innenräume werden auf Grundformen reduziert, die mit einigen wenigen, ebenfalls vereinfacht dargestellten Details ausgestaltet werden. Zwar wird versucht, eine sich nach hinten erstreckende Landschaft zu zeigen – andeutungsweise ablesbar z.B. in den Fragmenten der verlorengegangenen Bilder des Vigilszyklus oder im Bild Christus am Ölberg in St. Zyprian – doch fehlt meist die Tiefe. Außerdem halten die Maler zu starr an dem dreiteiligen Schema Vorder-, Mittel- und Hintergrund fest. Bäume und Büsche, die die Landschaft beleben sollen, sind versatzstückhaft verteilt: zum einen die Landschaftsgliederung unterstützend, zum anderen aber auch nur aus dekorativen Gründen. Gut zu sehen ist die Reduzierung der Vegetation auf rein Dekoratives z.B. in dem Bild der Weissagung der Sybille an Kaiser Augustus im Marienzyklus. Eine Differenzierung einzelner Pflanzenformen gibt es nur selten. Bäume in einen architektonisch bestimmten Bildraum einzubinden, ist im Einzug nach Jerusalem in Durnholz versucht worden. Hinter einer Mauer bzw. eingequetscht zwischen zwei Mauern sind einige Bäume zu sehen, die jedoch jeglicher Plastizität entbehren. Wasser, Land und Architektur in einen glaubhaften Zusammenhang zu bringen, wie es Ambrogio Lorenzetti vermochte, wird in den Fresken von St. Magdalena zu einer Nebeneinanderstellung dreier unterschiedlicher Elemente. Auch die Beschaffenheit der Landschaften wird verschiedenartig gestaltet. So stehen dem flachen, sandigen Boden der Szene im Garten Gethsemane in St. Zyprian schroffe, schollenartige Felsen gegenüber, während in der gleichen Szene in St. Martin in Kampill Felsen und Boden als weiche, gerundete Formen erscheinen. Im Vigilszyklus versuchte der Maler, sich an den schroffen und spaltenreichen Strukturen giottesker Landschaftsdarstellungen zu orientieren. Neben den ausgereiften naturorientierten Darstellungen der zeitgleich entstandenen zentral- und oberitalienischen Malereien wirken die Bozner Beispiele eher rückständig und dieser künstlerischen Entwicklung weit entfernt. Dadurch wird man 190 verleitet, ihre Datierung sehr früh anzusetzen. Doch beweisen die Kenntnisse realienkundlicher Aspekte und bestimmter Motive und ikonographischer Elemente, dass die Malereien sehr wohl in der Zeit um 1400 entstanden sein müssen. Weitere Anhaltspunkte findet man beim Blick nach Norden: So sind für Formen, wie sie im extremen Maße z.B. in St. Martin in Kampill oder St. Katharina zu beobachten sind, im süddeutschen und böhmischen Raum Parallelen zu entdecken. Für die Malereien der Friedhofskapelle von Riffian bei Meran z.B. wird dieser Aspekt nicht weiter diskutiert, da bekannt ist, dass sie von einem böhmisch geschulten Maler geschaffen wurden und diese Stilformen 1415, dem Entstehungsjahr der Fresken, bereits international verbreitet waren. Aber auch in St. Katharina ist in verschiedenen Figuren eine Orientierung an böhmischen Vorbildern nicht abzustreiten.469 Ihren Ursprung haben diese Stilmerkmale in der französischen Miniaturmalerei des 14. Jahrhunderts, und sie gelangten um die Wende zum 15. Jahrhundert zu großer Verbreitung und Blüte in Mitteleuropa.470 Zeitgleich sind auch in anderen Regionen diese Eigenschaften zu verzeichnen: So etwa in den Fresken von Urschalling, die ans Ende des 14. Jahrhunderts datiert werden,471 und etwas später, in derberer Form, auch in der Ausstattung der Eingangsvierung der Kirche zur Schmerzhaften Muttergottes und St. Maternus in Linden, nahe Hofolding.472 Insgesamt ist in den besprochenen Südtiroler Wandmalereien eher der Hang zur Reduzierung und Stilisierung der Dinge zu verspüren. Dennoch griff man in den Darstellungen auch zeitgenössische, moderne Formen auf, z.B. in der Mode oder dem schlanken, gelängten Schönheitsideal der Frau. Diese Charakteristika wurden im Detail jedoch oberflächlich wiedergegeben. So finden sich kaum Einzelheiten wie Schnallen, Knöpfe, Gürtel oder ähnliches wirklichkeitsgetreu ausgearbeitet, genauso wie kaum gemusterte Stoffe gezeigt wurden. Eine Ausnahme bilden die Landschaftsdarstellungen des Vigilszyklus von St. Vigil. Hier ist eine Orientierung an italienischen Vorbildern festzustellen, denen ein 469 470 471 472 Man vergleiche dazu die Miniaturen aus der unter Wenzel IV. um 1400 kopierten und illustrierten "Goldenen Bulle" Kaiser Karls IV., Cod. 338 der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien, siehe z.B. fol. 33 v. u. 34 r.; Abb. bei KAVKA 1989, S. 100-101. KAT. AUSST. WIEN 1962, S. 66. Berühmte Beispiele sind eine Madonna des böhmischen Meisters der Madonna von Neuhaus (um 1400) in der Prager Nationalgalerie (Abb. bei SUCKALE 1983, S. 73), die höfischen Figuren der Monatsdarstellungen der "Très Riches Heures du Duc de Berry" (1390) oder die Miniatur des Pantokrators von 1400 vom Titelblatt der "Goldenen Bulle" Kaiser Karls IV., Cod. 338, ÖNB. Wien (Abb. in KAT. AUSST. WIEN 1962, Abb. 144). CIOLINA 1980, S. 120-21. BIBRA 1970, S. 9, datiert zw. 1370 und 1396. Die Datierung der Fresken von Linden schwankt in der Literatur zwischen "um 1400" und "1440"; siehe dazu BIBRA 1970, S. 49-51. 191 gewisses Naturstudium anzumerken ist. Begründet liegt diese Phänomen in der Lokalisierung der Vigilslegende. Der Heilige wirkte gleichsam vor den Toren Bozens bzw. in den anschließenden Bergtälern. Diese Tatsache erleichterte zum einen den Gläubigen die Imagination der Taten des hl. Vigilius, zum anderen war es Anhaltspunkt für den Künstler, wie die Landschaft beschaffen sein muß, in die er die Legende einbettet. Für einen Südtiroler wäre es sicher undenkbar gewesen, die Episoden aus dem Leben des hl. Vigilius nur auf einer sandfarbenen schmalen Raumbühne dargestellt zu sehen, wo er doch genaue Anschauung der authentischen Umgebung hatte. Selbstverständlich setzte der Maler dennoch seine Phantasie mit ein, wie im Bild der Erschlagung des Heiligen zu sehen ist, welches das Martyrium in einer ummauerten Stadt geschehen läßt, wo es in der betreffenden Gegend, dem Sarcatal, eine befestigte Ortschaft nicht gab. Dagegen war es für die Darstellung der Marienlegende, der Passion Christi oder der Zyprianslegende, die in weit enfernten, den Südtirolern unbekannten Landschaften spielten, ausreichend, auf vorgegebene Landschaftstypen zurückzugreifen bzw. die Szenen im Sinne des geistlichen Schauspiels nur auf einer schematischen, schmalen Aktionsbühne zu präsentieren. 192 5. Schlußbetrachtung: Die Zyklen von St. Vigil und St. Zyprian im Kontext der Bozner Malerei um 1400 Die gewonnenen Einsichten lassen für die Malereien von St. Vigil und St. Zyprian ein komplexeres Bild erkennen als bislang geschehen. Eingebunden in historische Fakten, in ikonographische und künstlerische Analysen und in den Kontext der anderen Bozner Wandmalereien stehen die Ausstattungen der beiden Kapellen nicht mehr nur als wertvolles Kleinod künstlerischer Arbeit neben anderen. Sie geben darüber hinaus wertvolle Informationen über Funktionen bzw. Absichten ihrer Programme im Hinblick auf zeitgenössische Themen bzw. aktuelle Bedürfnisse und Diskussionen. Außerdem sind die künstlerischen Qualitäten der ausgewählten Zyklen und damit ihre Positionen in der Bozner Kunstproduktion der Zeit deutlich geworden. Besonders für die Kapelle St. Vigil am Virgl, deren Ursprung sehr weit zurückreicht, wurde erst durch das gezielte Hinterfragen einzelner Bilder die Vielschichtigkeit des Ausstattungsprogramms deutlich. Aktuelle theologische Themen sind für den Betrachter augenfällig an exponierte Stellen plaziert: das Ars-moriendi-Thema am Giebel der Fassade, das Bild der Kommunion mit der zentralen Kelchspende im unteren Register der Nordwand und schließlich die Betonung der Marienthematik im Zyklus der Südwand wie der Apsis. Als für die Kapelle übergeordneter programmatischer Aspekt weist der Südwand-Zyklus auf die besondere, bei den Weineckern wohl franziskanisch geprägte Marienverehrung hin, welche durch den Rückgriff auf prominente Beispiele aus verschiedenen Bereichen zum Ausdruck gebracht wird: Zum einen ist dies Giottos Ausstattung der Arenakapelle, die für die folgenden Künstlergenerationen eine Darstellungstradition begründete; weiter ist es der Rekurs auf den berühmten Marienzyklus des Ospedale in Siena, wo die Verehrung der Jungfrau als Stadtpatronin höchsten Rang hatte; sodann die Bezugnahme auf den römischen Marienkult durch das Ara-Coeli-Bild in Verbindung mit der Mondsichelmadonna, welche den Immaculata-Gedanken beinhaltet; außerdem entstammt das Bild der Heiligen Sippe der im nordalpinen Bereich weitverbreiteten Annen- und Marienverehrung; und letztlich ist in der Marienkrönung der Apsis ein Anklang an den Kunstkreis des Veneto zu vernehmen, wo dieses Thema eine große Rolle spielte. Für St. Zyprian in Sarnthein ist mangels historischer Überlieferungen und auf Grund des schlechten Erhaltungszustands der Malereien sowie der jüngeren Eingriffe in die Bausubstanz ein solch komplettes Gesamtkonzept der Ausstattung nicht mehr 193 zu erkennen. Doch lassen die Zyklen der Passion Christi und der Zyprianslegende sowohl eine bewußte Themenauswahl für die in dem Bergtal gelegene Kapelle vermuten als auch einen inhaltlichen Bezug beider Themen aufeinander. Die Passion, die auf den Erlösungsgedanken im Kreuzestod Christi hin ausgerichtet ist, stellt die heilsgeschichtliche Voraussetzung für den christlichen Glauben bzw. für ein Leben im christlichen Glauben dar, wofür die Jungfrau Justina mit ihrem Martyrium eintrat. Die Geschehnisse um die hll. Zyprian und Justina sind dem Betrachter also ein Beweis für die Sinnhaftigkeit der Passion wie ein Exempel für eine christliche Lebensweise. Die spezifischen Inhalte der Zyklen werden durch knappe erzählerische Mittel herausgearbeitet und präsentiert. Es gibt kaum narrative Elemente, die von der Hauptaussage eines Bildes ablenken. Die ruhige, auf die zentralen inhaltlichen Momente konzentrierte Gestaltung mit nur wenig Bewegung und sparsamen Gesten bei den Figuren unterstützt diese Tendenz. Obwohl die Figuren im Zyprians- und im Marienzyklus zeitgenössische Gewänder tragen, wirken sie in ihrer Gestaltung doch altertümlich. Kaum ausgreifende Silhouetten, wenig großzügige Faltengebilde und das Definieren der Figur allein durch das Gewand widersprechen den gleichzeitigen Bestrebungen z.B. in der italienischen Kunst, den Körper zu erfassen und das Gewand dem darunterliegenden Körper anzupassen. Nur an wenigen Stellen ist die aus dem nordisch-böhmischen Bereich einwirkende Tendenz zu verspüren, den Figuren durch stoffreichere Gewänder und voluminösere Faltenformationen mehr Plastizität und Körperlichkeit zu verleihen. Auffallend ist auch die Schlichtheit der Stoffe und Accessoires. Nur Vigilius und Maria im Bild der Vermählung tragen gemusterte Gewänder, was sie gegenüber den anderen Figuren auszeichnet. Auch im Zyprianszyklus sind die Stoffe sehr einfach gehalten und die Gewandgestaltung besonders bei den Frauen auf fast geometrische Grundformen reduziert. Die Architekturen der Bilder, die sich in ihrer raumschaffenden Gestaltung zwar an künstlerischen Tendenzen italienischer Trecentomalerei orientieren, bieten den Figuren aber nur wenig Aktionsraum und sind in der Regel mehr Kulisse. Obwohl gerade hier auf direkte italienische Vorbilder wie Giotto und Guariento verwiesen werden konnte, ist festzustellen, dass die Maler von St. Vigil und St. Zyprian doch sehr selbständig damit umgingen. Auch wenn sie an einigen Stellen, wie etwa der Goldenen Pforte, der Geburt oder der Vermählung Mariens in St. Vigil, eindeutige Zitate italienischer Wandmalereien bringen, zeigen sie doch keine sklavische Gebundenheit gegenüber den Vorlagen, wie es noch bei den Künstlern der Johannes- und 194 der Katharinenkapelle in der Bozner Dominikanerkirche zu beobachten ist. Selbständig werden Motive übernommen und für die eigene Komposition verwendet sowie bei Bedarf auch umgedeutet. Zudem geht die Kenntnis italienischer Künstler und deren Werke weit über Giotto und Guariento hinaus, wie an den Beispielen Giusto de' Menabuois und anderer Maler des Veneto sowie der Werke aus Rom und Siena aufgezeigt werden konnte. Diese widerlegen sichtbar den kategorischen Einwand Braunes von 1906, dass in der Bozner Malerei keine italienischen Einflüsse festzustellen seien; sie konkretisieren stattdessen Weingartners Erwiderung von 1912 mit dem Hinweis auf die internationalen Strömungen in der Kunst der Zeit, die dieser aber nicht mit Beispielen unterstützte; und sie präzisieren Rasmos wiederholt geäußerte, jedoch nicht durch Vergleiche untermauerte Hinweise auf italienische Künstler. Ebenso sind in motivischer Hinsicht Vorbilder aus Süddeutschland zu benennen, die wohl nicht erst über Norditalien vermittelt wurden, wie Weingartner 1912 annahm, sondern auf direktem Wege nach Bozen gelangten. So konnte der immer wieder genannte deutsche Grundcharakter oder das nordisch-gotische Element an konkreten Beispielen verifiziert werden, wenn auch die Frage der Vermittlung offen bleiben muß. Die Vergleichsbeispiele aus dem süddeutschen Raum sind jedoch nicht unbedingt als direkte Vorbilder für die Künstler von St. Vigil und St. Zyprian zu verstehen, sondern sie sollen in erster Linie die nordisch-gotische Komponente der Bozner Malerei um 1400 anzeigen. Eine eigene Untersuchung in dieser Richtung könnte sicher auch in stilistischer Hinsicht weitere Ergebnisse bringen. In der Gestaltung der Landschaft zeigen sich Passions-, Marien- und Zyprianszyklus den aus Italien kommenden Neuerungen gegenüber rückständig. In den Bildern schaffen Geländeformationen keinen Aktionsraum für die Figuren; meist werden bei schmalen Raumbühnen durch versatzstückhafte Landschaftselemente ebenso wie durch architektonische Elemente Kulissen für die in vorderster Ebene gegebenen Szenen gebildet. Dass aber die innovative Landschaftsdarstellung und Raumauffassung der Italienier den Bozner Künstlern bekannt waren, zeigt der Vigilszyklus, in dem der Maler versuchte, die Topographie der Südtiroler Gegend mit den neuen Gestaltungsmitteln zu erfassen. Allgemein ist für die Zyklen von St. Vigil und St. Zyprian zu konstatieren, dass sie rückständig wirken, obwohl sie mit zeitgenössischem Beiwerk versehen sind. Auf den zweiten Blick jedoch zeigen sie in der Gewandgestaltung vereinzelt Formen und Motive, die der aus der böhmischen und französischen Kunst gespeisten, in Mitteleuropa weitverbreiteten Strömung entnommen sind und damit die Malereien unter dem Begriff Internationale Gotik subsumieren lassen. Zum anderen sind in der 195 Gestaltung von Architektur und Landschaft sowie in einzelnen Figurenmotiven dezidierte Rückgriffe auf italienische Vorbilder des Trecento festzustellen. Dennoch sind die Bozner Werke nicht direkt an der Produktion in den künstlerischen Zentren der Zeit um 1400 zu messen, ihre Schöpfer waren dieser gegenüber die Nehmenden, obgleich sie doch eine eigene Bildsprache entwickelten. Das eigenständig Boznerische ist als traditionsgebunden und retardierend zu charakterisieren. Dementsprechend sind die Kunstwerke der Region anhand übergeordneter Kriterien von Stil, Architektur- und Kostümformen – mit einem sog. Provinzzuschlag – eine gewisse Zeit später zu datieren als die der maßgebenden und wegweisenden Kunstzentren wie Florenz und Padua oder Prag und Köln. Wie ist nun die Stellung der Fresken von St. Vigil und St. Zyprian im Kontext der übrigen Bozner Wandmalereien um 1400 zu beschreiben? Die kunsthistorische Analyse zeigte auf, dass innerhalb der Kunstwerke der Bozner Region sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zu verzeichnen sind. Gemeinsam ist den Wandmalereien die zurückhaltende Architektur- und Raumgestaltung, die größtenteils Kulissencharakter hat. Ganz besonders stark tritt dies im Zyklus Johannes des Evangelisten in St. Johann im Dorf und in den Malereien von St. Magdalena hervor, wo Architekturen zum Teil nur versatzstückhaft hinter einzelne Figuren oder die gesamte Szene plaziert wurden. Zu dieser analogen Verwendungsweise von Architekturelementen kommen noch Übereinstimmungen in der Darstellung von bestimmten ganzen Architekturkomplexen, die wenig modifiziert in den verschiedenen Wandmalereien verwendet werden. Das deutet darauf hin, dass die in Bozen und Umgebung tätigen Künstler aus einem gemeinsamen Formen- und Motivschatz schöpfen konnten oder sich austauschten. Auch ist die Erzählfreudigkeit in allen Zyklen gleichermaßen gering ausgebildet. Unterschiede sind vor allem in der Figurengestaltung zu beobachten. Wenn auch die Personen in der Regel durch das Gewand bestimmt werden und eine Körperdarstellung nach anatomischen Prinzipien nicht sichtbar wird, werden die Figuren doch durch die Gestaltung ihrer Gewänder individuell geprägt. Der schlichten Figuren-Gewand-Auffassung von St. Zyprian und St. Vigil sind die Gewänder von St. Magdalena beizuordnen. Die einfache Aufmachung hat dort allerdings in den Heiligenfiguren der Bilder Ankunft in Marseille und Die Heilige erscheint dem Fürstenpaar im Schlaf einer faltenreicheren Drapierung Platz gemacht, wobei aber die Falten kaum plastisch ausgeformt sind. Etwas ausgereifter im Sinne gotischer Stilformen wirken dagegen die Gewänder in den Malereien Hans Stocingers in Terlan – ein Zeugnis der nordischen Herkunft des Malers. Dort stehen 196 Faltenformationen merklich vom Gewand ab und bilden ihrem Namen entsprechend tiefe Schüsseln aus. Genauso zeigen die senkrechten Röhrenfalten Volumen gegenüber den sonst eher platt und graphisch wirkenden von St. Vigil, St. Zyprian und St. Magdalena. Da die Terlaner Fresken Stocingers auf 1407 datiert werden, sind die Ausmalungen von St. Vigil, St. Zyprian und St. Magdalena wohl noch davor anzusetzen, denn die in der Südtiroler Malerei um die Wende des Jahrhunderts noch neuen nordisch-gotischen Elemente werden in diesen Kapellen nur sehr zaghaft vorgeführt. Schüler oder Mitarbeiter Stocingers für diese Ausstattung anzunehmen, ist meines Erachtens nicht begründbar. Zum einen zeigen die Maler der betreffenden Zyklen in der Architekturdarstellung nicht in gleichem Maße die Adaption gebauter italienischer Architekturmotive wie Stocinger, zum anderen sind die Fresken auch in ihrer bildlichen Umsetzung der Themen deutlich selbständig aufgebaut. Nach der vergleichenden Analyse sind die in den genannten Kapellen tätigen Maler eigenständige Persönlichkeiten mit unterschiedlichem künstlerischen Anliegen und Potential. Die Malereien von St. Zyprian in Sarnthein – eine mögliche, wenn auch nicht belegte Stiftung der Familie Vintler – ähneln denen von St. Magdalena in Prazöll in vielen gestalterischen Prinzipien derart, dass man versucht ist, in den Ausstattungen zumindest dieselbe Werkstatt tätig zu sehen. Hervorstechend ist die Tendenz, die einzelnen Bildfelder zur Gänze auszufüllen. Auch zeigen sich in der Rahmenstruktur der Bilder von St. Magdalena und St. Zyprian große Übereinstimmungen. Somit bilden meiner Meinung nach die Malereien von St. Zyprian und St. Magdalena eine Gruppe, neben denen die Fresken von St. Vigil stehen. Beide sind jedoch, wie gesagt, unabhängig gegenüber den Malereien von Terlan zu betrachten. Weitaus aufwendigere Gewandformen sind in den Fresken von St. Martin in Kampill und St. Nikolaus in Durnholz zu finden. Die weit ausschwingenden Säume, die reichen Faltenkaskaden sowie die großen weichfließenden Stoffmengen, welche die Gewänder raumgreifend erscheinen lassen, sind für die Internationale Gotik charakteristische artifizielle Formen. Diese Manier weist gegenüber den Terlaner Gewändern wiederum einen entwickelteren Charakter auf, so dass die beiden Zyklen vermutlich nach diesen, d.h. nach 1407 anzusetzen sind. Als weiterer Anhaltspunkt für eine Datierung können hier vielleicht die Fresken der Friedhofskapelle von Riffian bei Meran herangezogen werden, welche durch eine Inschrift auf 1415 datiert sind. Diese von dem böhmischen Meister Wenzlaus 197 ausgeführten Malereien zeigen prinzipiell ähnlichen Gewand- und Stoffcharakter und vergleichbare Figurenauffassung. Allerdings sind sie zum einen hinsichtlich der Natur- und Wirklichkeitsbeobachtung ausgereifter und zum anderen den späten Formen des sog. Schönen Stils näher als die vorgestellten Bozner Werke. Deren deutlich lokalen Einschlag mit den Anklängen an Italienisches lassen die Fresken von Riffian vermissen. Die Malereien der zweiten Bozner Gruppe dürften aber kaum lange nach denen des Meister Wenzlaus geschaffen worden sein. Die Fassadenfresken von St. Vigil zeigen in den Gewändern auch weichfließende Formen, werden aber eher von parallelen Faltenstrukturen und einer geschlossenen Kontur charakterisiert. Doch ist die allgemeine Figurengestaltung, vor allem die Körper-Gewand-Auffassung wegen des schlechten Erhaltungszustandes nicht mehr nachvollziehbar. Sicher jedoch sind die Malereien in die Gruppe um St. Martin und St. Nikolaus einzugliedern, wie die Gegenüberstellung von Figuren aus diesen Kapellen mit der Gattin des hl. Oswald an der Fassade der Vigilskapelle zeigt. Die Wandmalereien von St. Johann im Dorf schließlich – eine Siftung der Familie Botsch, von welcher auch die Ausmalung der Johanneskapelle in der Dominikanerkirche finanziert worden ist – haben wiederum einen ganz spezfischen Charakter. In den Architekturen stark an italienischen Vorbildern orientiert – man beachte die an die Fassade des Florentiner Doms erinnernde Felderung des Tempels in der Namengebung Johannes – zeigen die Figuren ein eigenständiges, auf deutlich ältere Stilformen zurückgreifendes Gepräge durch ihre Gestaltung mit einer gleichmäßigen, kaum raumgreifenden Silhouette und den in parallelen Faltenmustern drapierten Gewändern. Festzuhalten ist, dass St. Johann im Dorf und Terlan keine Ausgangspunkte bilden, um die sich die anderen Malereien gruppieren lassen, wie es Weingartner 1912 noch vorgeschlagen hat. Beide Beispiele sind durch jeweils eigenständige Merkmale geprägt und stehen innerhalb des Bozner Malerei für sich. Vor allem die inschriftlich auf das Jahr 1407 fixierten Fresken Hans Stocingers in Terlan zeigen einen von den Boznern verschiedenartigen Umgang mit italienischen Formen; sie sind als Einzelerscheinung zu betrachten, die in keinem direkten Bezug zu den übrigen Malereien stehen. Zur Charakterisierung der Bozner Malerei um 1400 sind abschließend folgende Ergebnisse zu resümieren: Die Zyklen von St. Zyprian, St. Magdalena und St. Vigil sind ob ihrer noch zaghaften nordisch-gotischen Interpretation und noch deutlicher italienischer Prägung knapp gegen oder um die Wende des 14. Jahrhunderts anzusetzen. Die Ausstattung des Langhauses von St. Martin in Kampill und der Kapelle von 198 St. Nikolaus in Durnholz sind schließlich deutlich nach 1400 zu datieren, da sich hier bereits ausgereiftere Formen der Internationalen Gotik finden lassen, wenn diese auch insgesamt etwas unbeholfen erscheinen. Zu dieser zweiten Gruppe gehören ebenso die Deckenmalereien von St. Helena in Deutschnofen und die Fresken der Außenwand von St. Katharina in Völser Aicha. Genauere Datierungen sind jedoch ohne eine eigene, rein stilkritische Untersuchung nicht zu leisten. Wie die Untersuchungen gezeigt haben, sind die in der kunsthistorischen Literatur unter dem Begriff "Bozner Schule" zusammengefaßten Werke nicht so einheitlich und stehen nicht miteinander in einem solch engen Zusammenhang, als dass diese Bezeichnung gerechtfertigt wäre. Es ist kein aus der Masse herausragender Meister auszumachen, der die Bozner Malerei über Jahrzehnte oder gar über Generationen geprägt hätte und dessen Schüler die gleichen Stilformen und künstlerischen Gestaltungsweisen tradierten. Stattdessen haben verschiedene mehr oder weniger eigenständige Maler bzw. Werkstätten im Bozner Raum in den Jahrzehnten um die Wende des 14. zum 15. Jahrhundert gearbeitet und sich sicherlich auch untereinander ausgetauscht bzw. aneinander orientiert. Die – möglicherweise aus verschiedenen Regionen stammenden – Künstler waren durchaus unterschiedlich geprägt und verfolgten verschiedene Interessen, wie sich an der jeweils anderen Auseinandersetzung mit den italienischen und den nordisch-gotischen Vorbildern und deren Innovationen zeigt. Die Bozner Malerei der Zeit um 1400 ist zwar keine homogene Erscheinung, die Vielgestaltigkeit und Vielschichtigkeit aber, die bei der Untersuchung der vier aus-gewählten Zyklen zum Vorschein kam, macht sie besonders interessant und bietet ein ergiebiges Feld für weitere Forschungen. 199 6. LITERATURVERZEICHNIS ASS V, 1747: = De Sancto Vigilio, Episcopo Martire, in Alpibus Tridentinis, in: Acta Sanctorum Junii, Tomus V, Venedig 1747, S. 163-166. ASS VII, 1760: = De SS. Cypriano, Justina et Theoctisto seu Theognito Martyribus. 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Abbildung 1: Blick von Süden auf den Virgl Abbildung 2: Grundriß von St. Vigil Abbildung 3: Bozen, St. Vigil, Fresko an Einsiedelei, hl. Vigilius Abbildung 4: Bozen, St. Vigil, Beeinträchtigungen durch Umauten im 16. Jh. Abbildung 5: Bozen, St. Vigil, Fassade Abbildung 6: Bozen, St. Vigil, Fassade, Der hl. Martin teilt seinen Mantel mit einem Bettler Abbildung 7: Bozen, St. Vigil, Der hl. Oswald gibt seine Frau dem als Bettler verkleideten Christus Abbildung 8: Bozen, St. Vigil, Fassade, Giebelfresko, Kampf der guten Mächte gegen den Teufel um die Seele eines Sterbenden Abbildung 9: Bozen, St. Vigil, Wellcome Museum London, Fünfte Versuchung aus Wellc. MS., fol. 30r. Abbildung 10: Bozen, St. Vigil, Fassade, Sterbelager mit Figur des Teufels auf der Bettkante Abbildung 11: Bozen, St. Vigil, Triumphbogenlaibung, Anna Selbdritt Abbildung 12: Bozen, St. Vigil, Triumphbogenlaibung, hl. Vigilius Abbildung 13: Bozen, St. Vigil, Triumphbogenlaibung mit törichten Jungfrauen Abbildung 14: Bozen, St. Vigil, Blick in die Apsis Abbildung 15: Bozen, St. Vigil, Vier Apostel Abbildung 16: Bozen, St. Vigil, Apsiskonche Abbildung 17: Bozen, St. Vigil, Apsiskonche, Fragment mit Majestas Domini Abbildung 18: Bozen, St. Vigil, Fragment des zentralen Thronsockels Abbildung 19: Deutschnofen, St. Helena, Decke, Evangelist Johannes mit Symbol und Christus als Weltenrichter Abbildung 20: Sterzing, Spitalkirche, Decke, Kirchenväter, Evangelisten mit Symbolen Abbildung 21: St. Magdalena in Prazöll, abgenommenes Fresko der Apsis mit Marienkrönung, Stadtmuseum Bozen. Abbildung 22: Prösels, St. Nikolaus, Apsisausstattung mit Marienkrönung Abbildung 23b: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Vigilius wird zum Bischof geweiht, nach der Restaurierung Abbildung 23a: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Vigilius wird zum Bischof geweiht, vor der Restaurierung Abbildung 24: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Vigilius predigt den Bürgern von Trient Abbildung 25: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Vigilius heilt eine Besessene Abbildung 27: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Freskenfragment, Söldner und Landschaft Abbildung 26: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Freskenfragment, Landschaftsdarstellung Abbildung 28: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Vigilius sammelt die Reste der Nonsberger Märtyrer ein Abbildung 29: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Vigilius teilt die Kommunion aus Abbildung 30: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Freskenfragment, Vigilius stürzt das Saturn-Idol Abbildung 31: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Vigilius wird von den Bewohnern des Sarcatals erschlagen Abbildung 32: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Vigilius' Leichnam wird nach Trient gebracht Abbildung 33: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Bestattung des Vigilius Abbildung 34: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Vigilius teilt die Kommunion aus, Kelchspende, Ausschnitt Abbildung 35b: Ugolino di prete Ilario, Orvieto, Dom, Capp. del Corporale, Legende vom hebräischen Kind, Kommunion Abbildung 35a: Trient, Diözesanmuseum, Böhmische Stickerei, Vigilius teilt die Kommunion aus Abbildung 36: Bozen, St. Vigil, Nordwand, rote Linie einer Schlagschnur Abbildung 37: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Vorzeichnungslinie der Marmorimitation der Sockelzone Abbildung 38: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Kopf des Vigilius mit Zirkeleinstichsloch und Zirkelschlag Abbildung 39: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Farbveränderung am Schild eines Söldners, Ausschnitt Abbildung 40: Bozen, St. Vigil, Südwand, Vertreibung Joachims aus dem Tempel Abbildung 41: Bozen, St. Vigil, Südwand, Verkündigung an Anna Abbildung 42: Bozen, St. Vigil, Südwand, Verkündigung an Joachim Abbildung 43: Bozen, St. Vigil, Südwand, Begegnung an der Goldenen Pforte Abbildung 44: Bozen, St. Vigil, Südwand, Geburt Mariens Abbildung 45: Bozen, St. Vigil, Südwand, Mariens Tempelgang Abbildung 46: Bozen, St. Vigil, Südwand, Maria am Webstuhl Abbildung 47: Bozen, St. Vigil, Südwand, Das Stabwunder Abbildung 48: Bozen, St. Vigil, Südwand, Vermählung Mariens Abbildung 49: Bozen, St. Vigil, Südwand, Figurenfragment Abbildung 50: Bozen, St. Vigil, Südwand, Kaiser Augustus und die Tiburtinische Sibylle Abbildung 51: Bozen, St. Vigil, Südwand, Heilige Sippe Abbildung 52: Bozen, St. Johann im Dorf, Heilige Sippe Abbildung 53: Terlan, Pfarrkirche, Heilige Sippe Abbildung 54: Giusto de' Menabuoi, Geburt Mariens, Londoner Trpitychon, National Gallery Abbildung 55: Venezianischer Maler, Sieg der Christenheit über das Heidentum, Staatsgalerie Stuttgart Abbildung 56: Bozen, St. Vigil, Südwand, Detail aus der Mariengeburt, Architekturzwickel Abbildung 57: Bozen, St. Vigil, Südwand, Ritzungen am Bildrahmen Abbildung 58: Bozen, St. Vigil, Südwand, Kopf Mariens, Detail mit Nimbus Abbildung 59: Bozen, St. Vigil, Südwand, Kopf Mariens, Detail mit Kronreif Abbildung 60: Sarnthein, St. Zyprian, Passionszyklus, Gebet Christi am Ölberg Abbildung 61: Sarnthein, St. Zyprian, Passionszyklus, Gebet Christi am Ölberg Abbildung 62: Sarnthein, St. Zyprian, Passionszyklus, Christus vor dem Hohenpriester Abbildung 63: Sarnthein, St. Zyprian, Passionszyklus, Geißelung Christi Abbildung 64: Sarnthein, St. Zyprian, Passionszyklus, Dornenkrönung Christi Abbildung 65: Sarnthein, St. Zyprian, Passionszyklus, Kreuztragung Christi Abbildung 66: Sarnthein, St. Zyprian, Passionszyklus, Kreuzigung Christi Abbildung 67: Sarnthein, St. Zyprian, Zyprianszyklus, Versuch die Jungfrau Justina zu verführen Abbildung 68: Sarnthein, St. Zyprian, Zyprianszyklus, Taufe Zyprians Abbildung 69: Sarnthein, St. Zyprian, Zyprianszyklus, Zyprian wird zum Bischof von Antiochia geweiht Abbildung 70: Sarnthein, St. Zyprian, Zyprianszyklus, Zyprian bringt Justina als Äbtissin in ein Kloster Abbildung 71: Sarnthein, St. Zyprian, Zyprianszyklus, Martyrium von Zyprian und Justina Abbildung 72: Bozen, St. Magdalena in Prazöll, Geißelung Christi Abbildung 73: Rom, SS. Giovanni e Paolo, Wandmalerei der Unterkirche Abbildung 74: Spoleto, Dom, Ex-Cappella S. Anna, Zyprian unter einem Baldachin Abbildung 75: Bozen, St. Magdalena in Prazöll, Kreuzigung Abbildung 77: Durnholz, St. Nikolaus, Kreuzigung Abbildung 76: Bozen, St. Martin in Kampill, Kreuzigung Abbildung 78: Bozen, St. Magdalena in Prazöll, Kreuztragung Christi Abbildung 79: Bozen, St. Martin in Kampill, Kreuztragung Abbildung 80: Bozen, St. Martin in Kampill, Gebet am Ölberg Abbildung 81: Bozen, St. Martin in Kampill, Gefangennahme Christi Abbildung 82: Bozen, St. Magdalena in Prazöll, Vertreibung der Heiligen und anderer Christen Abbildung 83: Bozen, St. Magdalena in Prazöll, Ankunft der Heiligen in Marseille Abbildung 84: Bozen, St. Martin in Kampill, Grablegung Christi Abbildung 85: Bozen, St. Martin in Kampill, Auferstehung Christi Abbildung 86: Völser Aicha, St. Katharina im Gefängnis Abbildung 87: Völser Aicha, St. Katharina diskutiert mit den Philosophen Abbildung 88: Völser Aicha, St. Katharina, Die Kaiserin besucht Katharina im Gefängnis Abbildung 89: Bozen, St. Martin in Kampill, Einzug in Jerusalem Abbildung 90: Trient, Adlerturm, Monat Juni Abbildung 91: Leifers, St. Jakob in der Au, Der Diener des Jakobus befreit Philetus von seinem Bann Abbildung 92: Bozen, St. Magdalena in Prazöll, Martha bekehrt Magdalena Abbildung 93: Bozen, St. Johann im Dorf, Johannes vor Aristodemus Abbildung 95: Völser Aicha, St. Katharina, Katharina wird vor den Kaiser geführt Abbildung 94: Brixen, Kreuzgang, Werke der Barmherzigkeit, Ausschnitt Abbildung 96: Durnholz, St. Nikolaus, Christus vor Kaiphas Abbildung 97: Bozen, St. Magdalena in Prazöll, Gastmahl des Simon Abbildung 98: Bozen, St. Johann im Dorf, Johannes wird zum Bischoff geweiht Abbildung 99: Terlan, Pfarrkirche, Schutzmantel Abbildung 100: Bozen, St. Johann im Dorf, Geburt des Täufers Abbildung 101: Bozen, St. Magdalena in Prazöll, Magdalena erscheint dem Fürstenpaar im Schlaf Abbildung 103: Giotto, Arenakapelle, Padua, Gefangennahme Christi Abbildung 102: Giotto, Arenakapelle, Padua, Verkündigung an Anna Abbildung 104: Giotto, Bardi-Kapelle, S. Croce, Florenz, Franziskus vor Papst Honorius III Abbildung 105: Taddeo Gaddi, Baroncelli-Kapelle, S. Croce, Florenz, Vertreibung Joachims aus dem Tempel Abbildung 106: Giovanni di Milano, Rinuccini-Kapelle, S. Croce, Florenz, Tempelgang Mariens Abbildung 107: Giusto de' Menabuoi, Baptisterium, Padua, Tempelgang Mariens Abbildung 108: Guariento, Eremitani-Kirche, Padua, Philippus weigert sich einem Idol zu opfern Abbildung 109: Guariento, Eremitani-Kirche, Padua, Weihe der afrikanischen Bischöfe Abbildung 110: Sano di Pietro, Heimführung Mariens, Staatliches Lindenau-Museum, Altenburg Abbildung 111: Sano di Pietro, Vermählung Mariens, Vatikanische Pinakothek, Rom Abbildung 112: Süditalienische Zeichnung, Vermählung Mariens, Britisch Museum, London Abbildung 113: Brixen, Kreuzgang, Ölbergszene der achten Arkade Abbildung 114: Garmisch, Alte Kirche, Ölbergszene Abbildung 115: Ulm, Münster, Ölberg, Nordportal, Detail des Tympanon Abbildung 116: Landshut, St. Martin, Epitaph mit Ölbergdarstellung Abbildung 117: Nördlingen, Spitalkirche Hl. Geist, Ölberg Abbildung 118: Imming, St. Martin, Kreuztragung Abbildung 119: Roggenstein, Georgs-Kapelle, Ölberg Abbildung 120: Hans Stocinger, Pfarrkirche Terlan, Goldene Pforte und Geburt Mariens Abbildung 121: Hans Stocinger, Pfarrkirche Terlan, Geburt Mariens und nicht identifizierte Szene Abbildung 122: Hans Stocinger, Pfarrkirche Terlan, Vermählung Mariens Abbildung 123: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Beobachter der Heilung, Ausschnitt Abbildung 124: Bozen, St. Vigil, Südwand, Erzähler, Vertreibung aus dem Tempel, Ausschnitt Abbildung 125: Bozen, St. Vigil, Südwand, Erzähler, Mariens Tempelgang, Ausschnitt Abbildung 126: Sarnthein, St. Zyprian, Passionszyklus, Ölbergchristus, Ausschnitt Abbildung 127: Sarnthein, St. Zyprian, Zyprianszyklus, Martyriumsbild, Ausschnitt Abbildung 128: Bozen, St. Magdalena in Prazöll, Ölberg Abbildung 129: Bozen, St. Johann im Dorf, Johannes übergibt dem Bischof einen Jüngling Abbildung 130: Bozen, St. Johann im Dorf, Johannes trinkt den Giftbecher Abbildung 131: Durnholz, St. Nikolaus, Gefangennahme Christi Abbildung 133: Durnholz, St. Nikolaus, Geißelung Christi Abbildung 132: Durnholz, St. Nikolaus, Kreuzabnahme Abbildung 134: Völser Aicha, St. Katharina, Kreuzigungsgruppe Abbildung 135: Deutschnofen, St. Helena, Gewölbe, Evangelist Lukas, Detail Abbildung 136: Deutschnofen, St. Helena, Flucht nach Ägypten Abbildung 137: Bozen, St. Vigil, Apsis, Apostel Abbildung 138: Terlan, Pfarrkirche, Beschneidung Christi und Kindermord Abbildung 139: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Bildfragment mit Söldnern, Ausschnitt Abbildung 140: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Vigilius predigt den Bürgern von Trient, Ausschnitt Abbildung 141: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Diakone, Vigilius heilt eine Besessene, Ausschnitt Abbildung 142: Bozen, St. Vigil, Südwand, Anna und Joachim der Goldenen Pforte, Ausschnitt Abbildung 143: Bozen, St. Vigil, Südwand, Heilige Sippe, Ausschnitt Abbildung 144: Sarnthein, St. Zyprian, Köpfe, Martyriumsbild, Ausschnitt Abbildung 145: Bozen, St. Magdalena in Prazöll, Kopf des hl. Oswald, Ausschnitt Abbildung 146: Durnholz, St. Nikolaus, Kopf Christi aus der Gefangennahme, Ausschnitt Abbildung 147: Bozen, St. Vigil, Südwand, Kleophas, Hl. Sippe, Ausschnitt Abbildung 148: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Köpfe, Heilung einer Besessenen, Ausschnitt Abbildung 149: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Alter Mann, Vigilius predigt unter den Bürgern von Trient, Ausschnitt Abbildung 150: Bozen, St. Vigil, Südwand, Kaiser Augustus, Tiburtinische Sibylle, Ausschnitt Abbildung 151: Durnholz, St. Nikolaus, Christus vor Pilatus, Ausschnitt Abbildung 152: Astfeld, St. Valentin am Gentersberg, Kopf eines Apostels, Ausschnitt Abbildung 153: Völser Aicha, St. Katharina, Geißelung der Katharina Abbildung 154: Völser Aicha, St. Katharina, Enthauptung der Katharina Abbildung 155: Bozen, St .Martin in Kampill, Beweinung Christi Abbildung 156: Bozen, St. Martin in Kampill, Dornenkrönung Abbildung 157: Bozen, St. Magdalena in Prazöll, Grablegung Christi Abbildung 158: Durnholz, St. Nikolaus, Nikolaus rettet drei zu unrecht verurteilte Ritter Abbildung 159: Durnholz, St. Nikolaus, Auferweckung des Lazarus Abbildung 160: Trient, Adlerturm, Monat Dezember Abbildung 161: Bozen, St. Magdalena in Prazöll, Rückfahrt des Fürsten von Rom Abbildung 162: Giotto, San Francesco, Assisi, Quellwunder Abbildung 163: Giotto, San Francesco, Assisi, Mantelspende Abbildung 164: Bozen, St. Vigil, Nordwand, Landschaftsdetail des Predigtbildes Abbildung 165: Durnholz, St. Nikolaus, Ölberg Abbildung 166: Terlan, Pfarrkirche, Geburt Christi