Universitätsverlag der TU Berlin Bernd Mahrin | Johannes Meyser (Hrsg.) BERUFSBILDUNG AM BAU DIGITAL Hintergründe – Praxisbeispiele – Transfer DLR BERUFSBILDUNG AM BAU DIGITAL Autor*innen: Alexandra Bach, Uwe Elsholz, Jan-Philipp Exner, Roland Falk, Tanja Hilger, Jürgen Jarosch, Julia Jenzen, Anja Kirchner, Thomas Kölzer, Stefan Krümmel, Rolf Kureck, Norbert Kuri, Jan Kutscha, Markus Kybart, Tarek Lababidi, Axel Lange, Bernd Mahrin, Alina Makhkamova, Felix Menke, Franz Ferdinand Mersch, Judith Merhout, Christian Ottermann, Alexander Piele, Martin Pietschmann, Hannes Ranke, Daniel Rugel, Mareike Schmidt, Holger Schopbach, Frank Schöllkopf, Jan Spilski, Michael Trommen, Dirk Werth Das diesem Band zugrunde liegende Projekt „Medienunterstütztes Lernen und Innovation in der handwerklichen Arbeit“ wurde im Rahmen des Programms „Digitale Medien in der beruflichen Bil- dung (DIMEBB)“ unter dem Förderkennzeichen 01PD15015E gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autor*innen. BERUFSBILDUNG AM BAU DIGITAL Hintergründe – Praxisbeispiele – Transfer Herausgeber: Bernd Mahrin | Johannes Meyser Universitätsverlag der TU Berlin IMPRESSUM Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Universitätsverlag der TU Berlin, 2019 http://verlag.tu-berlin.de Fasanenstr. 88, 10623 Berlin Tel.: +49 (0)30 314 76131 / Fax: -76133 E-Mail: publikationen@ub.tu-berlin.de Diese Veröffentlichung – ausgenommen Zitate und anderweitig gekennzeichnete Teile – ist unter der CC-Lizenz CC BY lizenziert. Lizenzvertrag: Creative Commons Namensnennung 4.0 http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Umschlaggestaltung: zweifrauwerk (Winnie Mahrin) | www.zweifrauwerk.de Druck: docupoint GmbH Satz/Layout: zweifrauwerk (Winnie Mahrin) ISBN 978-3-7983-3100-6 (print) ISBN 978-3-7983-3101-3 (online) Online veröffentlicht auf dem institutionellen Repositorium der Technischen Universität Berlin: DOI 10.14279/depositonce-8577 http://dx.doi.org/10.14279/depositonce-8577 6 Inhaltsverzeichnis INHALTSVERZEICHNIS Vorwort und Danksagung 8 1 | Analyse und Bewertung digital unterstützter Lern- und Arbeitsprozesse im Bausektor 10 Beruflich-betriebliches Lernen mit digitalen Medien 12 Kriterien und Leitfragen für den erfolgreichen Einsatz Uwe Elsholz | Tanja Hilger Digital unterstütztes Arbeiten in der Bauausführung 26 Thomas Kölzer Kriterien zur Bewertung und Reflexion des digitalen Medieneinsatzes in der bautechnischen Berufsbildung 44 Alexandra Bach 2 | Digitale Unterstützung beruflicher Lern- und Lehrprozesse 66 Digitale Medien als Werkzeug in der Hand von Lernenden 68 Norbert Kuri Softwaretool für maschinenintensive Aus- und Weiterbildung 82 Ein digitales Hilfsmittel zur Vor- und Nachbereitung von Maschinenkursen der Zimmer*innen und Tischler*innen Holger Schopbach Einführungsvideos für Praxis-Unterricht 92 Mehr Zeit für individuelle Betreuung Roland Falk | Bernd Mahrin Stop Motion-Filme in der Ausbildung 102 Verbandsregeln beim Mauern – ein Stop Motion-Film von Auszubildenden im Maurerhandwerk Judith Merhout Einsatz digitaler Tools in der Aus- und Weiterbildung 116 Wie digitale Medien die berufliche Bildung attraktiver machen Anja Kirchner | Julia Jenzen Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 130 Micro-Blended-Learning im Handwerk am Beispiel von D-MasterGuide Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann Inhaltsverzeichnis 7 Arbeitsprozessorientiertes mobiles Lernen im Themenfeld Smart Home 160 Konzeption, Realisierung und erste Praxiserfahrungen Jürgen Jarosch | Rolf Kureck | Felix Menke | Alexander Piele 3 | Digitale Unterstützung sekundärer Prozesse der Berufsbildung 178 Erfassung und Zertifizierung non-formal erworbener Kompetenzen 180 Zeigen, was man kann Frank Schöllkopf | Roland Falk Datenbank digitale Lernmedien Bautechnik 194 Transfer fördern, Zugang erleichtern, Nutzung verbessern Bernd Mahrin Mediales Training von Entscheidungsprozessen 202 Markus Kybart | Christian Ottermann | Axel Lange Medienqualifizierung des Ausbildungspersonals 214 Markus Kybart | Bernd Mahrin d.a.v.i.t. – der multimediale Zusatz für die Berufsausbildung 228 Michael Trommen | Jan Kutscha 4 | Transfer, Verbreitung und Vernetzung 238 Vernetzung und Transfer für digitales bauberufliches Lernen und Arbeiten (DigiBAU) 240 Stefan Krümmel | Franz Ferdinand Mersch | Hannes Ranke Expertenstatus? Nicht vergeben. 252 vierpunkteins begleitet KMU im digitalen Wandel Tarek Lababidi Liste der Autor*innen 263 8 Vorwort und Danksagung VORWORT UND DANKSAGUNG Wie alle Branchen steht auch die Bauwirtschaft vor der Herausforderung, ihre Geschäftsprozesse permanent zu verbessern. Dabei ist in den letzten Jahren das Bewusstsein für die Möglichkeiten und Handlungsfelder der Digitalisierung gewachsen. Dies erfasst den Bereich des vernetzten und mobilen Arbeitens, die Nutzung von digitalen Endgeräten zur Erstellung des Aufmaßes, zum Erfassen von Nachträgen oder zur Abnahme der Bauleistungen ebenso wie das digitalisierte Management von Geräten und Material. Es werden zunehmend die Arbeitsstunden auf der Baustelle digital erfasst und immer häufiger werden Dokumenten Management Systeme (DMS) wie auch die Methode des Building Information Modeling (BIM) für die Planung, Organisation und Ausführung von Bauwerken genutzt. Die Umstellung auf digitale Abläufe und die Anwendung digital unterstützter Werkzeuge und Maschinen im Baubetrieb spart Zeit und Kosten, überfordert aber häufig kleinere und mittel- ständische Unternehmen (KMU) bei deren Einführung. Auch müssen die Beschäftigten entsprechend qualifiziert werden, um digitale Innovationen voranbringen zu können. Bislang werden digitale Medi- en jedoch zum beruflichen Lernen für die Bauwirtschaft noch zu wenig genutzt und entsprechende Innovationen der beruflichen Bildung zu selten umgesetzt. Dabei schreitet die Digitalisierung in allen Lebens- und Arbeitsbereichen ständig voran. Heute nutzt die große Mehrheit aller Berufstätigen mobile Geräte wie Notebooks, Tablets, Smartphones, Handys und das Internet auch für berufliche Zwecke. Die meisten Jugendlichen gehen täglich mit digitalen Medien um. Dies erfolgt jedoch meist nur „oberflächlich“ und beschränkt sich auf die Kommunikati- on über Social Media Plattformen, auf das Spielen, Konsumieren und Versenden von Fotos, Videos und Musik via Internet. Sowohl Kompetenzen als auch Anlässe zur produktiven Mediennutzung in der Arbeit und der beruflichen Bildung fehlen häufig. Das Gesamtvorhaben „MELINDA – Mediengestütztes Lernen und Innovation in der handwerkli- chen Arbeit“ hat deshalb dazu beigetragen, die Ausbildung und Qualifizierung an die Anforde- rungen der Digitalisierung anzupassen und digitale Medien effektiver für das berufliche Lernen in der Bauwirtschaft zu nutzen. Dabei haben sich vier überbetriebliche Berufsbildungszentren des Kompetenznetzwerks Bau und Energie e. V. sowie die Technische Universität Berlin zu einem Verbund zusammengeschlossen. Für die überbetriebliche Ausbildung, die Meistervorbereitung, die Weiterbildung wie auch die Berufsorientierung wurden eine Reihe von Handlungsfeldern bearbeitet, bei denen ein künftig verstärkter Einsatz digitaler Medien Qualitätsverbesserungen und Effizienzsteigerungen verspricht. Dazu gehören die Erfassung und Zertifizierung non-formal erwor- bener Kompetenzen, die Nutzung digitaler Medien als Lernwerkzeuge zur Darstellung und Doku- mentation von Arbeitsprozessen und die Entwicklung eines digitalen Tools zur Orientierung über nützliche digitale Anwendungen. Außerdem zählen auch die Erstellung mediengestützter – über- wiegend videobasierter – Einführungen in neue Themen und Aufgaben, der Einsatz multimedialer Anwendungen zum Trainieren komplexer fachlicher Entscheidungsprozesse in berufstypischen Arbeitskontexten sowie die Entwicklung von Softwaretools zur Unterstützung maschinenintensi- ver Aus- und Weiterbildung dazu. Vorwort und Danksagung 9 Die vorliegende Publikation greift zum Teil die erarbeiteten Ergebnisse des Projektes MELINDA auf, geht aber mit einzelnen Beiträgen auch darüber hinaus, um das Aufgabenfeld der Digitalisierung am Bau und einer darauf ausgerichteten Berufsbildung noch besser zu erfassen. Dabei sind neben Beiträgen, die eher eine berufswissenschaftliche Sicht beleuchten, auch Praxisbeiträge aufgenommen, die das Aufgabenfeld und die Umsetzungsmöglichkeiten konkret beschreiben. Gerade diese Mischung aus Theorie- und Praxisbeiträgen ist uns als Herausgeber besonders wichtig, denn alle berufspädagogi- schen und didaktischen Überlegungen müssen sich immer auch in der Bildungspraxis beweisen. Die Beiträge sind in vier Kapitel gegliedert. Zunächst werden Digitalisierungsentwicklungen im Bausektor aufgezeigt und mögliche digital zu unterstützende Lern- und Lehrprozesse analysiert und bewertet. Anschließend werden dazu konkrete Beispiele vorgestellt, wie berufliche Lern- und Lehr- prozesse entsprechend unterstützt werden können. Im dritten Kapitel geht es um die Digitalisierung sekundärer Prozesse der Berufsbildung wie z. B. die Erfassung non-formal erworbener Kompeten- zen, den Aufbau einer online-Datenbank für Lernmedien, das Training von Entscheidungsprozessen, die Qualifizierung des Ausbildungspersonals und das multimediale Angebot von zusätzlichen Aus- bildungsinhalten. Abschließend geben zwei Beiträge einen Ausblick zum Transfer, zur Verbreitung der Ergebnisse und Produkte und zur weiteren Vernetzung, so dass auch die kleinen und mittleren Unternehmen der Bauwirtschaft erreicht werden können. Die Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Europäischen Sozialfonds im Rahmen des Projekts MELINDA – Medienunterstütztes Lernen und Innovation in der handwerklichen Arbeit – hat dieses Buch ermöglicht, wofür wir sehr dankbar sind. Unser Dank gilt auch den Mitarbeiter*innen des Universitätsverlags der Technischen Universität Berlin für die pro- fessionelle Beratung und Unterstützung von der Konzeptphase bis zum Druck und zur Online-Ver- öffentlichung. Für das ansprechende Layout und die verlässliche Zusammenarbeit geht unser Dank an die Agentur zweifrauwerk und für die aufmerksame Durchsicht an unsere studentische Mitarbei- terin Nora-Fabienne Freytag. Vor allem aber danken wir den mehr als 30 Autor*innen für ihre sehr erhellenden und ermutigenden Beiträge, welche die Vielfalt und Umsetzungsmöglichkeiten der bereits angestrebten und realisierten Ansätze darlegen und geeignet sind, zur digitalen Innovation der Bauwirtschaft beizutragen. Aus Sicht der beruflichen Bildung besteht für uns als Herausgeber Konsens darüber, dass es nicht darum geht, zukünftige Entwicklungen punktgenau vorherzusagen. Die Zukunft ist immer offen. Die beste Form aber sich darauf vorzubereiten ist, sie durch Bildung zu gestalten. Berlin, Juli 2019 Bernd Mahrin und Johannes Meyser 10 Cim corum aut fugitat iorporporia sum quo odici vid untur ANALYSE UND BEWERTUNG DIGITAL UNTERSTÜTZTER LERN- UND LEHRPROZESSE IM BAUSEKTOR Cim corum aut fugitat iorporporia sum quo odici vid untur 11 Beruflich-betriebliches Lernen mit digitalen Medien Kriterien und Leitfragen zur Orientierung für den erfolgreichen Einsatz Uwe Elsholz | Tanja Hilger Digital unterstütztes Arbeiten in der Bauausführung Thomas Kölzer Kriterien zur Bewertung und Reflexion des digitalen Medieneinsatzes in der bautechnischen Berufsbildung Alexandra Bach 12 Uwe Elsholz | Tanja Hilger BERUFLICH-BETRIEBLICHES LERNEN MIT DIGITALEN MEDIEN Kriterien und Leitfragen für den erfolgreichen Einsatz Uwe Elsholz | Tanja Hilger Sollen digitale Medien zielgerichtet zur Entwicklung beruflicher Kompetenzen beitragen, so muss die didaktische Gestaltung der Lernprozesse lerntheoretischen Überlegungen folgen. Leitend für einen erfolgreichen Einsatz digitaler Medien dürfen daher nicht vorrangig technische Möglichkeiten sein, sondern das Individuum, seine Erfahrung und die Förderung der individuellen Kompetenzentwick- lung. In lerntheoretischer Hinsicht kann dabei der Pragmatismus hilfreich sein, der den Handlungs- bezug und die Einbindung von Erfahrungen als Essentials für Lernen ansieht. Der Einsatz digitaler Medien in der beruflichen Bildung sollte entsprechend den Kriterien Handlung, Konstruktion, Interaktion und Reflexion folgen und Lernprozesse zielgerichtet erweitern. Vor diesem Hintergrund lassen sich Fragestellungen formulieren, die den Einsatz digitaler Medien in der beruflich-betriebli- chen Bildung leiten. Schlüsselbegriffe › Lernen mit digitalen Medien › Pragmatismus › Leitfragen zur Gestaltung betrieblichen Lernens Einleitung Digitale Medien spielen eine zunehmend wichtige Rolle in der beruflichen und betrieblichen Bildung. Desktop-PC, Laptops sowie Smartphones und Tablets ermöglichen einen fast uneingeschränkten Zu- gang zum Internet und sind annähernd flächendeckend in deutschen Betrieben präsent (vgl. Gensicke et al. 2016, 7). So stellen beinahe 90 % der ausbildenden Unternehmen internetfähige Geräte für Lern- prozesse zur Verfügung (vgl. ebd., 45). Insbesondere im Baugewerbe scheint das Lernen mit digitalen Medien bisher jedoch weniger stark verbreitet: Lediglich 72 % der ausbildenden Betriebe nutzen PC mit Internetzugang, Laptop, Smartphones oder Tablets – digitale Medien besitzen hier mehrheitlich eine unterdurchschnittliche Bedeutung in Lernprozessen (vgl. ebd., 46 ff.). Insbesondere die mobile Nutzung digitaler Lern- und Medienformate ist im Baugewerbe bisher wenig zu finden: Nur 32 % der befragten 1 | Beruflich-betriebliches Lernen mit digitalen Medien 13 Ausbildungsbetriebe beziehen mobile Endgeräte in Ausbildungsprozesse ein, im Weiterbildungsbe- reich sind es immerhin 43 % (vgl. ebd., 54 ff.). Eine wesentliche Aufgabenstellung in diesem Bereich liegt somit im Abbau möglicher Hürden, die den Einsatz digitaler Medien in Lernprozessen verhindern. Es gilt dabei zu informieren und zu beraten, wie Unternehmen digitale Geräte und Medien effektiv und be- triebsspezifisch in Lernprozessen einsetzen können (vgl. ebd., 79). Der Einbezug digitaler Medien muss nicht zwangsläufig aufwendig oder kostenintensiv sein. Nicht immer ist die Entwicklung von komple- xen interaktiven Lernobjekten notwendig, sondern oft ist ein niedrigschwelliger Einstieg mit geringem Aufwand und Kosten möglich (vgl. Schulmeister 2009, 256 f.). Vielfach werden jedoch zunächst Investi- tionen in Bildungsinfrastruktur getätigt, ohne zuvor die Anforderungen der Lernenden zu analysieren, den Nutzen abzuschätzen oder Ziele, wie z. B. Qualitätsverbesserung oder eine messbare Nachhaltig- keit festzulegen (vgl. Barthelmeß 2015, 48). Fehlinvestitionen und ungenutzte Technologien sind die ökonomische Folge, eine unzureichende Kompetenzentwicklung der Beschäftigten die Konsequenz. Als Beispiele können hier ungenutzte Whiteboards und Tablets genannt werden. Hohe Investitionen in Lerntechnologien erhöhen nicht per se den Nutzen für die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden und erfüllen damit die Erwartungen oft nicht. Die Möglichkeiten zum Einsatz digitaler Medien werden somit bisher nicht hinreichend genutzt, u. a. da häufig kein angemessenes Lernverständnis dahinter steht (Elsholz 2016, 18). Es kommt dabei auf einen bildungswissenschaftlich begründeten Medieneinsatz an, wenn dieser zu einer umfassen- den und nachhaltigen Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden beitragen soll und damit auch ökonomisch sinnvoll werden kann. Um dies zu begründen, nimmt dieser Beitrag eine lerntheore- tisch fundierte Reflexion und Kritik des Einsatzes von Informationstechnologien in der beruflichen Bildung vor. Dieser Maßgabe folgend eignen sich digitale Medien insbesondere dazu, Arbeitspro- zesse und relevante Arbeitsgegenstände gut begreifbar und verständlich umzusetzen, bspw. durch die Nutzung von Animationen für die Veranschaulichung von Vorgängen, die schwer oder gar nicht zugänglich sind. Auch Simulationen zur Erklärung komplexer Prozesse und Zusammenhänge sind denkbar (vgl. Howe/Knutzen 2018, 519 f.). Anwendungen zur Kommunikation und Kooperation kön- nen außerdem dann zum Einsatz kommen, wenn mehrere Arbeits- und Lernorte eingebunden sind oder arbeitsteilige Aufgaben innerhalb von Arbeitsgruppen besprochen werden müssen (vgl. ebd., 520). Ein Mehrwert digitaler Medien ergibt sich durch eine sinnvolle lerntheoretische Rückbindung in der didaktischen Konzeption von Lernprozessen. Lernen durch und mit digitalen Medien findet vom Grundsatz her nicht anders statt als das Lernen ohne digitale Medien – es unterscheidet sich nicht kategorial vom beruflichen Lernen in früherer Zeit. Daher ist bei der Gestaltung entsprechender Lernprozesse und der Reflexion des Einsatzes digitaler Medien auch an ein entsprechendes Lernverständnis anzuknüpfen sowie Vorarbeiten und bisherige berufspädagogische Modelle einzubeziehen. Das zu Beginn dieses Beitrags vorgestellte Modell des Konstruktionsrahmens für betriebliche Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung basiert auf berufs- und betriebspädagogischen Erkenntnissen und lässt sich damit auch lerntheoretisch begründen. Den Hintergrund der daran anschließenden Überlegungen bildet ein Lernverständnis, das individuelles und erfahrungsorientiertes Lernen in den Mittelpunkt stellt und sowohl medien- didaktisch als auch berufspädagogisch rückgebunden ist. Eine Anknüpfung an den Pragmatismus scheint hier unmittelbar möglich, da der Handlungs- und Erfahrungsbezug dort im Mittelpunkt 14 Uwe Elsholz | Tanja Hilger stehen. Dieser, insbesondere auf John Deweys Arbeiten beruhende Ansatz wird zunächst anhand der Aspekte Handlung, Konstruktion, Reflexion und Interaktion weiter ausdifferenziert. Aus diesem Lernverständnis leiten wir Kriterien ab, um die Wirkweise von digitalen Medien in der betrieblichen Bildung aufzeigen zu können. Anschließend zeigen wir an dem bereits genannten Modell betriebli- chen Lernens, welche Konsequenzen sich für die Konzeption und Gestaltung der Lernprozesse erge- ben. Diese Fragestellungen werden abschließend weiter abstrahiert, um sie auch auf übergreifender Ebene, über das betriebliche Lernen hinaus, für die berufliche Bildung im Allgemeinen anschluss- fähig zu machen. So können diese Leitfragen als Orientierungsgrundlage für die Konzeption von Lernprozessen mit digitalen Medien in Unternehmen und Bildungsinstitutionen dienen. Der Beitrag endet mit einem reflektierenden Fazit und einem Ausblick. Beruflich-betriebliches Lernen vor dem Hintergrund arbeitsorientierten Lernens Ausgehend von einem Fokus auf das betriebliche Lernen (auch jenseits des Einsatzes digitaler Me- dien) erfolgt zunächst die Fundierung der theoretischen Überlegungen. Eine umfassende berufliche Handlungsfähigkeit als Zielsetzung beruflich-betrieblicher Bildung lässt sich weder ausschließlich theoretisch noch rein medial erreichen. Kompetenzentwicklung ist ein aktiver Prozess, der von Individuen weitgehend selbst gestaltet wird. Der Begriff trägt damit in berufspädagogisch ausgeleg- ten Konzeptionen konstruktivistischen Ansätzen Rechnung, Lernen vom Standpunkt des einzelnen Menschen zu begreifen (vgl. u. a. Arnold/Siebert 1995). Lernen und Kompetenzentwicklung sind zwangsläufig aktive Tätigkeiten, in denen die Individuen ihre Erfahrungen im Hinblick auf Kontext und Rahmenbedingungen interpretieren und sich dadurch weiterentwickeln. Einen besonderen Stellenwert nehmen Erfahrungen und Erfahrungswissen ein, die sich aus konkreten Handlungen ergeben (vgl. Dehnbostel 2015, 16 ff.). Kompetenzen sind damit zwar erlernbar, jedoch nicht in klassi- scher Form lehrbar. Die Förderung von Kompetenzen ist dabei von Rahmenbedingungen abhängig, die gestaltet werden müssen; d. h. für die Lehrenden geht es um die Ermöglichung der Kompetenz- entwicklung der Lernenden. Um das beruflich-betriebliche Lernen zu strukturieren, erfassbar oder messbar zu machen, wur- den mit der kompetenzorientierten Wende unterschiedliche Modelle entwickelt. Diese dienen je- doch nicht nur der theoretischen Fundierung, sondern sollen zum Teil auch Hilfestellungen für die Erstellung praktischer Konzepte geben. Moraal/Grünewald haben, beginnend in den 1990er-Jah- ren, bspw. ein Modell entwickelt, das ursprünglich der Erfassung betrieblicher Weiterbildung unter Einbezug des Lernens in der Arbeit dienen sollte. Dabei unterscheiden sie drei verschiedene Lernumgebungen, die sich vorrangig hinsichtlich ihrer Zielsetzung unterscheiden (vgl. Moraal/ Grünewald 2004, 183): › Als Lernumgebung 1 bezeichnen sie Maßnahmen, die das alleinige Ziel der Kompetenzentwick- lung haben und für Zwecke des Lernens geschaffen wurden, wie Kurse und Seminare. 1 | Beruflich-betriebliches Lernen mit digitalen Medien 15 › Lernumgebungen, die überwiegend auf Kompetenzvermittlung zielen und die in einer Umgebung stattfinden, die normalerweise anderen Zwecken dient, aber für Lernzwecke umgestaltet wird, bezeichnen die Autoren als Lernumgebung 2. Beispiele sind hier die Job Rotation, die Unterwei- sung oder Einarbeitung. › Schließlich dient die Lernumgebung 3 üblicherweise anderen Zwecken als dem Lernen, jedoch finden beiläufig und eher zufällig Lernprozesse statt. Während Moraal und Grünewald vorrangig die statistische Erfassung im Blick hatten, wurde daraus in einer Weiterentwicklung dieser Grundüberlegung ein Konstruktionsrahmen für betriebliches Lernen geschaffen (Elsholz 2007). Danach kann die Kompetenzentwicklung von Mitarbeitenden analytisch in drei Bereiche unterteilt werden (Abb. 1). Die didaktische Gestaltung und Unterstützung von Lernprozessen in den Teilbereichen folgen dabei unterschiedlichen Leitfragen. Lernförderliche Arbeit unterliegt vor allem den Voraussetzungen der betrieblichen Rahmenbedingungen und dem Kontext der Arbeitsprozesse. Hier gilt es zu analysieren › wie Arbeitsinhalte lernförderlich gestaltet werden können und › wie die Arbeitsorganisation lernförderlich gestaltet werden kann (vgl. Elsholz 2012, 4). In diesem Teilbereich besteht die pädagogische Gestaltungsoption darin, die Arbeitsorganisation oder die Arbeitsgestaltung so zu verändern, dass deren Lernförderlichkeit erhöht wird. Die Ge- staltung lernförderlicher Arbeit stößt in Abhängigkeit der betriebsinternen Eingriffsmöglichkeiten vielfach an Grenzen, da sich die betriebliche Arbeitsorganisation nicht einer pädagogischen Logik unterordnen lässt. Lernförderliche Arbeitsintegrierte Maßnahmen in der Arbeit Lernformen Seminare und Kurse • Keine abgegrenzte Lernzeit • Abgegrenzte Lernzeit • abgegrenzte Lernzeit • Keine Lernintention • Bewusste Lehr- und • Bewusste Lehr- und Lernintention Lernintention • Arbeitsort = Lernort • Arbeitsort wird temporär • Arbeitsort und Lernort Arbeitsimmanentes Lernen zum Lernort sind getrennt • Keine Lehrenden • Lehrende sind oft • Professionelle Kolleg*innen, betriebliche Lernbegleitung Expert*innen oder Vorgesetzte Abb. 1: Konstruktionsrahmen für betriebliche Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung (eigene Darstellung nach Elsholz 2007, 267) Der zweite Teilbereich arbeitsplatznaher und arbeitsintegrierter Lernformen beinhaltet einen weniger starken Eingriff in die Arbeitsprozesse. Arbeit wird dort i. d. R. für einen relativ kurzen Zeitraum 16 Uwe Elsholz | Tanja Hilger unterbrochen. Lernen findet intentional statt und wird nicht dem Zufall überlassen. Hinsichtlich der didaktischen Gestaltung arbeitsplatznaher und arbeitsintegrierter Lernformen bieten sich folgende Fragen an (vgl. ebd.): › Wo sind geeignete Lernorte im Betrieb? › Wer sind geeignete Lernpartner*innen/Lehrende? › Was sind geeignete Lerninhalte? Im Rahmen einer solchen arbeitsbasierten Perspektive auf betriebliches Lernen besteht die pädago- gische Gestaltungsoption bei arbeitsplatznahen Lernformen darin, die Weitergabe von (Erfahrungs-) Wissen zu organisieren und zu begleiten. Institutionalisierte Formen des Lernens nehmen in der betrieblichen Bildung schon immer und noch immer einen großen Raum ein. In der hier vorgeschlagenen Betrachtungsweise sind Semina- re und Kurse, die entfernt vom Arbeitsplatz stattfinden, als dritter Teilbereich einzuordnen und als unterstützend zu betrachten. Sie kommen zum Tragen, wenn weder arbeitsimmanentes Lernen im Rahmen lernförderlicher Arbeitsgestaltung noch arbeitsplatznahe Lernformen ausreichend geeignet für die Kompetenzentwicklung sind, z. B. bei neuen fachlichen Inhalten, dem Aufbau übergreifender beruflicher Kompetenzen und insbesondere der Erweiterung des beruflichen Fachwissens. Ausge- hend von den ersten beiden Lernumgebungen sollte bei der Konzeption von Kursen und Seminaren daher hinterfragt werden › welche Kompetenzen nicht arbeitsplatznah erworben werden können und › welches Wissen das Erfahrungslernen ergänzen/erweitern muss (vgl. ebd.). Bei der Gestaltung von Bildungsmaßnahmen in Unternehmen sollte demnach der Blick zunächst auf die konkrete Gestaltung der Arbeit gerichtet und erst nachrangig arbeitsplatznahe Lernformen und schließlich Seminare und Kurse für die Kompetenzentwicklung in Betracht gezogen werden (vgl. ebd.). Mit einem solchen Vorgehen wird die Perspektive der lernenden Person in den Fokus gestellt, für den die eigene Arbeitsplatzumgebung zunächst die nächste und erste Lernumgebung ist. Dieser Ansatz einer arbeitsbasierten Perspektive auf beruflich-betriebliches Lernen zieht für die Gestaltung betrieblicher Bildung, insbesondere für den Einsatz digitaler Medien, unterschiedliche Konsequenzen nach sich, wie sich im Verlauf des Beitrags zeigt. Doch zunächst werden im kommenden Abschnitt die Anschlussfähigkeit an die lerntheoretische Perspektive des Pragmatismus aufgezeigt und dessen Potenziale zur Fundierung der didaktischen Gestaltung von Lernprozessen mit digitalen Medien gelegt. Lernen mit digitalen Medien auf Basis des Pragmatismus Sowohl die Kompetenzentwicklung in beruflich-betrieblichen Lernprozessen als auch der Einbezug digitaler Medien lassen sich pragmatistisch begründen – Mediendidaktik und Berufspädagogik sind diesbezüglich in lerntheoretischer Hinsicht sehr gut miteinander vereinbar. Eine Analyse unter- schiedlicher Ansätze zum betrieblichen Lernen zeigt, dass disparate Modelle wie der zum Arbeits- 1 | Beruflich-betriebliches Lernen mit digitalen Medien 17 prozesswissen (Fischer 2018), zum subjektivierenden Arbeitshandeln (Böhle 2013) oder der betrieb- lichen Lern- und Wissensarten (Dehnbostel 2007, 51) zumindest implizit mit einem pragmatistisches Lernverständnis vereinbar sind (vgl. Elsholz 2013): Erfahrung, Handlung, Interaktion und Reflexion bilden jeweils Kernelemente des Lernverständnisses dieser Ansätze. Ein angemessener Lernbegriff für beruflich-betriebliches Lernen kann daher mit dem Pragmatismus begründet werden. Der Pragmatismus ist eine Denkrichtung, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Amerika entwickel- te und die – vereinfacht gesprochen – dem praktischen Handeln eine wichtige erkenntnistheoretische Rolle einräumt. Dessen Bedeutung für die Pädagogik wurde vor allem durch John Dewey herausge- stellt, dem es im Blick auf Lernen darum ging, die Spaltung von Wissen und Tun zu überwinden. Für Dewey entwickeln sich Denken und Wissen immer erst durch den Vollzug von Handlungen (vgl. Reich 2004, 43). Anlass für dieses Lernen durch Handlungen sind konkrete lebensweltliche Probleme des Individuums – etwa in beruflichen Situationen. Für den Pragmatismus ist es wichtig zu betonen, dass nur durch eigene Handlungen und eigene Erfahrungen auch individuell gelernt werden kann. Aus einer pragmatistischen Perspektive lässt sich Lernen – so formulieren es die Mediendidaktiker Kerres und de Witt – „… als Handlung definieren, die bildende Erfahrungen ermöglicht und die an konkrete Situationen und Lebenswelt des einzelnen [sic!] und damit an einen bestimmten zeitlichen und sozialen Kontext gebunden ist“ (Kerres/de Witt 2011, 268). Einer solchen mediendidaktischen Sichtweise ist auch aus berufspädagogischer Perspektive zuzustimmen. Die Ausrichtung an den Lernenden, ihren Handlungen und Aufgabenstellungen macht den Pragma- tismus anschlussfähig für die Gestaltung von Lernprozessen mit digitalen Medien in der beruflichen Bildung. Eine lerntheoretisch und pragmatistisch begründete Auseinandersetzung mit digitalen Medien und Lernszenarien sollte deshalb reflektieren, ob und inwiefern diese Medien insbesondere praktische Handlungen ermöglichen oder zu diesen anregen und ob sie dabei einen konstruktiven Umgang mit den entsprechenden Lerninhalten gestatten. Dabei dienen folgenden Kriterien als Eck- punkte für die Konzeption der Lernprozesse (vgl. Wild 2018, 31 ff.): 1. Handlung Durch den Einsatz digitaler Medien soll praktisches Handeln ermöglicht werden, das über ein passives Reagieren hinaus geht und auch aktive Handlungsoptionen zulässt. Der individuelle Kon- text der lernenden Person und der zu lösenden Aufgabenstellung wird dafür bei der Konzeption berücksichtigt. 2. Konstruktion Eine aktive Gestaltung sowie ein mobiler Zugriff auf Lernmaterialien sind notwendig, um die Ent- wicklung von Kompetenzen zu fördern. Lernen durch Apps, Kamera und Mikrofon ermöglicht eine aktive Konstruktion von Wissen, das über eine simple Wissensreproduktion hinausgeht. 3. Interaktion und soziale Beziehungen Der Einsatz digitaler Medien kann über verschiedene Tools und Formate die Kommunikation und Beziehungen eines Individuums zu seiner Umwelt und anderen fördern (Kolleg*innen, Kund*innen, 18 Uwe Elsholz | Tanja Hilger Lernpartner*innen). Kompetenzentwicklung ist ein sozialer Prozess, der durch Vernetzung und Interaktion gestärkt wird. Die Kooperation geht dabei über den Austausch von Inhalten hinaus und wirkt sich auch auf die zwischenmenschliche Ebene aus. 4. Reflexion Die Reflexion über Handeln und Lernen ist ein wichtiger Teil der Kompetenzentwicklung. Digitale Medien können gezielt dafür eingesetzt werden, Reflexionsprozesse anzuregen und mit Anforde- rungen zu verknüpfen, die sich im Arbeitsprozess ergeben. Lernen mit digitalen Medien fördert die Entwicklung von Kompetenzen auf unterschiedliche Weise: Durch die Unterstützung individueller Reflexion, dem Austausch und der Teilhabe in Lerngemein- schaften, dem Einbezug von Vorwissen sowie der Einbettung im Kontext des Lernenden (vgl. Petko 2014, 40 f.). Grundlage für die Gestaltung mediendidaktischer Konzepte sind die Bedürfnisse der Lernenden (vgl. ebd., 40). Auf diese Weise können u. a. individuelles Vorwissen, Emotionen und Lernbeziehungen berücksichtigt werden (vgl. Wild 2018, 33). Konstruktivistisch und vor allem prag- matistisch orientierte Ansätze können dabei leitend sein, um einen subjekt- und handlungsorientier- ten Einsatz digitaler Lernmedien zu ermöglichen. So kann auch die Bedeutung von Erfahrung und Reflexion und deren Unterstützung in Lernprozessen mit und durch digitale Medien erhöht werden. Welche Auswirkungen sich daraus auf die Gestaltung arbeitsorientierten Lernens ergeben und welche Hilfestellungen für die Konzeption sich durch ein pragmatistisches Lernverständnis ableiten lassen, stellt der nächste Abschnitt vor. Einsatz digitaler Medien in der betrieblichen Bildung Analoge und klassische Lernmethoden besitzen in der betrieblichen Bildung zwar weiterhin hohe Relevanz, doch gerade im Hinblick auf Digitalisierung und Industrie 4.0 nimmt der Einsatz digitaler Medien in betrieblichen Lernprozessen weiter zu (vgl. Gensicke et al. 49 f. &. 55 f.). Weitere techno- logische Fortschritte und die Veränderungsprozesse durch Digitalisierung hinsichtlich Arbeit und Beruf fördern auch die Etablierung neuer Formen des Lernens (vgl. Schürger/Schönfeld/Müller 2018, 4). Wearables und Sensoren oder das Internet of Things haben das Potenzial, Lernprozesse noch weiter zu entgrenzen und zu verändern: Sie ermöglichen arbeitsprozessorientiertes Lernen, indem Daten und Informationen in und für den individuellen Lernprozess gesammelt, verarbeitet und ausgewertet werden (vgl. Kuzu Demir/Demir 2017, 127 f.). So können sich selbstbestimmte Lernformen, flexible Lernzeiten und -räume und die ubiquitäre Verfügbarkeit von Informationen etablieren (vgl. Wild 2018, 19). Digitalisierung hat somit schon jetzt großen Einfluss darauf, wie sich Individuen informieren und kommunizieren und wird zukünftig die Art und Weise prägen, wie Lernprozesse sind und sein werden (vgl. Scheer/Wachter 2018, 14). Dabei ist eine starke Polarisie- rung für oder gegen den Einsatz digitaler Medien, wie bspw. mobile Endgeräte, wenig zielführend. Vielmehr muss begründet herausgearbeitet und analysiert werden, wie und für wen es unter wel- chen Umständen zweckmäßig ist, Lernen mit digitalen (mobilen) Medien einzusetzen oder darauf zu verzichten (vgl. Döring/Mohseni 2018, 2). 1 | Beruflich-betriebliches Lernen mit digitalen Medien 19 Die wesentliche Zielstellung vor dem Hintergrund einer individuellen Kompetenzentwicklung liegt immer in der Ergänzung von Lernprozessen innerhalb der lernförderlichen Arbeit, in arbeitsplatz- nahen Lernformen sowie Seminaren und Kursen: Digitale Medien können hier dazu beitragen, Arbeitsinhalte und -organisation lernförderlich zu gestalten. Sie können Lernorte erweitern, Lern- partner*innen vernetzen und Lerninhalte bereitstellen. Nicht zuletzt können sie dazu beitragen, Wissen und Erfahrung zu verknüpfen und so zur Kompetenzentwicklung beitragen. Es erscheint somit sinnvoll, die Potenziale des Lernens mit digitalen Medien und deren Wirkweise auf Basis einer pragmatistisch orientierten Mediendidaktik bei der Konzeption und Förderung betrieblicher Lernprozesse zu beachten. Die Eingrenzung auf spezifische Formate greift da jedoch zu kurz: Durch technische Weiterentwicklungen und steigende bzw. sinkende Bedeutung der Formate sind im Lau- fe der Zeit unterschiedliche Trends erkennbar – beispielsweise verlieren WBT und Wikis mittlerweile an Bedeutung (vgl. mmb Institut 2019, 3). Eine lerntheoretisch-fundierte Konzeption sollte nachhal- tig ausgerichtet sein und den Einsatz der digitalen Formate an den Bedürfnissen der Lernenden und des Lernkontexts orientieren. Es empfiehlt sich, die übergreifenden Ansätze zu betrachten, die für die didaktische Gestaltung leitend sind. Dies fassen Arnold, Kilian, Thillosen und Zimmer treffend zusammen: „Es hat sich jedoch gezeigt, dass auf Dauer die Konzentration auf die bloße Entwicklung von Lernmateri- alien keinen nachhaltigen Erfolg hat. Stattdessen ist eine schlüssige didaktische Gesamtkonzeption von virtuellen Bildungsangeboten notwendig, die Betreuungskonzepte sowie organisatorische und institutio- nelle Rahmenbedingungen in die Planung einbezieht.“ (Arnold/Kilian/Thillosen/Zimmer 2018, 176) Für die Konzeption sind dabei didaktische Leitlinien sinnvoll, wie Sie am Ende des Beitrags als Leit- fragen zusammengefasst werden. Für das betriebliche Lernen ist eine Unterscheidung dahingehend sinnvoll, wie digitale Medien in Lernprozesse einbezogen werden können. Dabei können unterschiedliche didaktische Szenarien differenziert werden (vgl. Wannemacher/Jungermann/Scholz/Tercanil/Vielliez 2016, 61 ff.): › Anreicherung Digitale Medien werden bereitgestellt (Zugang z. B. über Lernplattformen) und stehen i. d. R. als Dateien oder Programme zeit- und ortsunabhängig zur Verfügung. › Integration Analoge und digitale Anteile werden aufeinander abgestimmt, indem einzelne Komponenten durch digitale Medien ersetzt werden. Das Lernen mit digitalen Medien ist hier im didaktischen Konzept verankert und geht über eine Ergänzung hinaus. › Online-Lernen beinhaltet kaum oder nur geringe Anteile an analogen Lernprozessen. Diese Szenarien umfassen vor allem virtuelle Kooperationen und Interaktionen, bei denen die Präsenzen vollständig ersetzt sein können. In jeder der drei Szenarien sollte, dem oben erläuterten Verständnis folgend, der Einsatz digitaler Medien dazu dienen, einen Handlungsbezug herzustellen, Interaktionen auf entsprechenden Be- 20 Uwe Elsholz | Tanja Hilger ziehungsebenen zu ermöglichen sowie Reflexionsprozesse zu fördern. Durch die Anreicherung und Integration der Lernprozesse mit digitalen Medien ergibt sich so eine Ergänzung und Erweiterung. Hilfestellungen zur Orientierung, um die Auswahl und Einbindung von Formaten digitalen Ler- nens zu erleichtern und die didaktische Konzeption zu strukturieren, bieten u. a. Leitfragen für die Umsetzung in der Praxis beruflich-betrieblicher Bildung. Am Beispiel des Konstruktionsrahmens für betriebliche Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung (Abb. 1) wurden bereits solche Fragestellungen formuliert, diese müssen jedoch durch den Einbezug digitaler Medien angepasst und erweitert wer- den. Anschließend können diese soweit abstrahiert werden, dass sie auch auf übergreifender Ebene für berufliche Lernprozesse, bspw. in Bildungsinstitutionen anwendbar werden. Leitende Fragestellungen als Orientierung für die didaktische Gestaltung von beruflich-betrieblichen Lernprozessen mit digitalen Medien Betrachtet man nun die Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien in betrieblichen Lernprozessen hinsichtlich des Potenzials zur Erweiterung und Anreicherung, stehen insbesondere der orts- und zeitunabhängige Zugang, die Möglichkeiten der Vernetzung von Lernenden sowie der Einbezug von Erfahrungen und deren Reflexion im Vordergrund. Anhand des vorgestellten Modells arbeitsorien- tierten Lernens (Abb. 1) kann exemplarisch aufgezeigt werden, wie sich der Einsatz digitaler Medien und deren Einbezug in die Konzeption von Lernprozessen auswirkt. Damit ändern sich insbesondere die Fragestellungen, die eine Konzeption von Lernprozessen anleiten (Abb. 2). Hier zeigen sich die Ergänzungs- und Erweiterungswirkungen am deutlichsten: › Die Gestaltung von Arbeitsinhalten und der Arbeitsorganisation bezieht digitale Medien explizit mit ein. › Lernorte und -zeiten profitieren von der Entgrenzung durch mobiles Lernen, die Vernetzung und Kommunikation von Lernpartner*innen kann auch asynchron und ortsunabhängig erfolgen, Lerninhalte stehen situationsbezogen zur Verfügung. › Anwendungen wie bspw. E-Portfolios machen es möglich, formelle und informelle Lernprozesse stärker zu verzahnen und so Reflexionen und Erfahrungswissen z. B. in Seminaren und Kursen einzubeziehen. In einem weiteren Schritt werden diese Fragestellungen soweit abstrahiert, dass sie auch über das betriebliche Lernen hinaus auf andere Bereiche der beruflichen Bildung anwendbar sind. Dazu ist eine Abstraktion auf Basis der pragmatistischen Kriterien (Handlung, Interaktion, Reflexion und Konstruk- tion) sinnvoll. Analog zu Fragestellungen für die Konzeption betrieblichen Lernens in Abb. 2 werden leitende Fragestellungen formuliert, die bei der konkreten Konzeption und Gestaltung von beruflichen Lernprozessen mit digitalen Medien als Orientierung dienen können. Dabei sind die im vorigen Ab- schnitt ausgeführten Kriterien Handlung, Konstruktion, Interaktion und Reflexion leitend. 1 | Beruflich-betriebliches Lernen mit digitalen Medien 21 Viele Lernangebote digitaler Medien fokussieren sich auf die schlichte Weitergabe von Wissen. Lern- theoretisch ist daher danach zu fragen, inwiefern der Einsatz digitaler Medien – seien es unterschied- liche Apps, Tools oder Programme – tatsächlich konkrete (Arbeits-)Handlungen unterstützt, denn vor allem dieses handelnde Lernen führt zu einer Kompetenzentwicklung. In ähnlicher Weise ist Lernen in pragmatistischer Perspektive immer mit konkreten Erfahrungen verbunden. Daher ist stets auch zu fragen, inwiefern Lernende eigene Erfahrungen durch den Einsatz digitaler Medien machen. Dies kann durchaus auch als Probehandeln im Rahmen von Simulationen oder Serious Games erfolgen. Lernen wird schließlich nur dann nachhaltig und bewusst in andere Situationen transferierbar, wenn darüber nachgedacht wird. Daher ist eine Reflexion über das Gelernte zu fördern, um so unter- schiedliche Formen des Transfers zu erleichtern. Die Reflexion kann sich dabei auf den Arbeitspro- zess selbst beziehen, stärker auf das eigene Handeln bezogen sein oder aber sich direkt mit Transfer- möglichkeiten befassen. Schließlich ist Lernen in beruflichen Kontexten zumeist auch ein sozialer Prozess. Ein gelungener Medieneinsatz unterstützt daher nicht nur das individuelle Lernen, sondern auch die Interaktion und den kommunikativen Austausch mit anderen. Lernförderliche Arbeitsintegrierte Maßnahmen in der Arbeit Lernformen Seminare und Kurse Leitfragen: Leitfragen: Leitfragen: Wie können Arbeitsinhalte Wo sind geeignete Lernorte im Welche Kompetenzen können durch digitale Medien Betrieb? nicht arbeitsplatznah erworben lernförderlich gestaltet werden? werden? Wie können digitale Medien Wie kann die Arbeitsorgani- zusätzliche Lernorte schaffen Welches Wissen muss das sation durch digitale Medien und Lernzeiten erweitern? Erfahrungslernen ergänzen/ lernförderlich gestaltet werden? erweitern? Wer sind geeignete Lernpart- ner*innen / Lehrende und wie Wie können informelle und können diese vernetzt werden? formelle Lernprozesse durch digitale Medien verzahnt Was sind geeignete Lerninhalte? werden? Wie können Lerninhalte ad hoc bereitgestellt werden? Einbezug digitaler Medien Abb 2: Fragestellungen für die Konzeption betrieblichen Lernens mit digitalen Medien (Eigene Darstellung) 22 Uwe Elsholz | Tanja Hilger Zusammengefasst ergeben sich daraus folgende Leitfragen für den Einsatz digitaler Medien in der beruflichen Bildung: 1. Inwiefern unterstützt der Einsatz digitaler Medien konkrete (Arbeits-)Handlungen? 2. Inwiefern machen Lernende eigene Erfahrungen durch den Einsatz digitaler Medien? 3. Inwiefern wird die Reflexion über das Gelernte gefördert? 4. Inwiefern unterstützt der Einsatz digitaler Medien die Interaktion und Kommunikation mit anderen? Mit diesen Fragestellungen und einer solchen pragmatistischen Perspektive wäre bspw. die Anschaf- fung von Whiteboards nicht die erste Wahl im Hinblick auf den Einsatz digitaler Medien. Sofern diese dann aber schon vorhanden sind, lässt sich immer noch mehr oder weniger kompetenzförderli- cher Unterricht damit gestalten. Auch hierbei können die Fragestellungen sinnvoll in Anwendung gebracht werden. Fazit und Ausblick Digitale Medien können die Kompetenzentwicklung in beruflich-betrieblichen Lernprozessen sinnvoll unterstützen. Dabei sollten jedoch nicht technische Möglichkeiten für deren Einsatz leitend sein, sondern die berufspädagogischen Optionen im Hinblick auf die Kompetenzentwick- lung der Lernenden im Vordergrund stehen. Die Möglichkeiten für eine solche Unterstützung sind mit der zunehmenden Verbreitung mobiler Endgeräte wie Tablets oder Smartphones sowie neuen technischen Möglichkeiten und der umfänglichen Verfügbarkeit des Internets stark gestiegen. Umso wichtiger ist eine lerntheoretische Fundierung der didaktischen Konzeption entsprechen- der Lernprozesse. Eine sinnvolle und anschlussfähige Perspektive bietet sich, wie gezeigt, durch die Annäherung über den Pragmatismus. Ein lerntheoretisch fundierter Einsatz von digitalen Medien in beruflich-betrieblichen Lernprozessen berücksichtigt, diesem Ansatz folgend, inwiefern digitale Medien dazu beitragen, den Handlungsbe- zug zu erhöhen, an Erfahrungen der Lernenden anzuknüpfen, neue Erfahrungen zu generieren und Reflexionsprozesse zu unterstützen. Auf diese Weise kann beruflich-betriebliches Lernen effektiv und effizient gestaltet werden, ohne dass technische Entwicklungen und deren sich schnell weiter- entwickelnden Möglichkeiten zum Haupttreiber werden. Deshalb ist es notwendig, nicht von den verschiedenen spezifischen Formaten auszugehen, die eingesetzt werden können, sondern die übergreifenden Ansätze und ihre jeweilige Wirkweise als Grundlage zu nehmen. Wie wir an einem Beispiel des betrieblichen Lernens zeigen konnten, können so Fragestellungen abgeleitet werden, die in der betrieblichen Praxis anschlussfähig sind. Als übergreifende Orientierungspunkte wurden diese Fragestelllungen abstrahiert, um so einen Transfer der Erkenntnisse auf den übergeordneten Bereich der beruflichen Bildung, über betriebliche Lernprozesse hinaus möglich zu machen. Herausforderungen und Aufgabenstellungen für die Zukunft liegen in der Entwicklung und Erprobung entsprechender Konzepte, deren Evaluation über Pilotprojekte in Zusammenarbeit mit Unternehmen und Weiterbildungsinstitutionen. Aufseiten der Praxis bleibt der permanente 1 | Beruflich-betriebliches Lernen mit digitalen Medien 23 Anspruch, eine am Subjekt und seinen individuellen Lernprozessen orientierte Kompetenzent- wicklung zu fördern, die digitale Medien als Anreicherung und Ergänzung einsetzt. Um Fehl- investitionen zu vermeiden und den Einsatz digitaler Medien im Baugewerbe zu fördern sind u. a. Verbundprojekte und Konzeptionen zu übergreifenden Themen- und Tätigkeitsfeldern sinnvoll, die nachhaltig dazu beitragen können, Nutzen und Mehrwert digitaler Medien zur Kompetenzent- wicklung in der Branche zu erhöhen. Literatur und Quellen Arnold, P./ Kilian, L./ Thillosen, A. M./ Zimmer, G. M. (2018): Handbuch E-Learning. Lehren und Lernen mit digitalen Medien. 5. Auflage. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag Arnold, R./ Siebert, H. (1995): Konstruktivistische Erwachsenenbildung. Von der Deutung zur Konstruktion von Wirklichkeit. Baltmannsweiler: Schneider-Verl. Hohengehren Barthelmeß, H. (2015): E-Learning – bejubelt und verteufelt. Lernen mit digitalen Medien, eine Orientierungshilfe. 1. Aufl. Bielefeld: Bertelsmann Böhle, F. (2013): Subjektivierendes Arbeitshandeln. In: Hirsch-Kreinsen, H./ Minssen, H. (Hrsg.). Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie. Berlin: Editio n Sigma Dehnbostel, P. (2015): Betriebliche Bildungsarbeit. 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Trotz zögernder Einbindung technologischer Neuentwicklungen gegenüber anderen Branchen gehen mit der Implementierung digitaler Innovationen im Rahmen von Bauarbeitspro- zessen stetig neue Anforderungen an Baufacharbeiter*innen einher. Da Ausführungsunterlagen in Zukunft im Rahmen von Building Information Modeling vermehrt über dreidimensionale digitale Bauwerksinformationsmodelle bezogen werden, sind viele damit verknüpfte Aspekte – wie bspw. neue Kommunikationsvorgänge oder geänderte Rollenverteilungen – im Hinblick auf erweiterte Qualifikationen im Bauhandwerk zu berücksichtigen. Im Zuge der durch diese Informatisierungs- prozesse hervorgerufenen Veränderungen müssen nicht nur die initiierenden technologischen Neuentwicklungen im Baugewerbe gesichtet und analysiert werden, auch die darauf aufbau- enden Lösungsansätze für mögliche Inhalte der beruflichen Bildung sind aufzuzeigen und zu diskutieren. Eine Anpassung von Lehrplänen ist jedoch aufgrund des massiven Umfangs an neuen digitalen Technologien größtenteils nur skizzenhaft möglich. Explizite Empfehlungen können infolge der schnellen Entwicklung bestenfalls temporär ausgesprochen werden. Innerhalb der komplexen Wechselbeziehung sollten dennoch wesentliche Kernaspekte herausgearbeitet und benannt werden, um übergeordnete Inhalte für die gewerblich-technischen Ausbildungsberufe aufzuzeigen. Schlüsselbegriffe › 3D-Druck › Cyberphysische Systeme (CPS) › Additive Fertigung › Digitalisierung › Augmented Reality (AR) › Drohnen › Auto-Identifikationstechniken › Informatisierung › Automatisierungswahrscheinlichkeiten › Laserscanning › Bauarbeitsprozesse › Mensch-Maschine-Interaktionen › Baufacharbeit › Mobile Endgeräte › Baurobotik › Qualifikationen › Berufliche Bildung › Radio Frequency Identification (RFID) › Berufswissenschaft › Sensortechniken › Building Information Modeling (BIM) › Substituierbarkeitspotenziale › Computergenerierte Realitäten 1 | Digital unterstütztes Arbeiten in der Bauausführung 27 Einleitung Um Ausbildungsinhalte innerhalb des Baugewerbes den anstehenden Veränderungen infolge der Digitalisierung anzupassen, sind mehrere, i. d. R. stark miteinander verwobene Aspekte und häufig auch verschiedenartige Betrachtungsweisen einzubeziehen. Insbesondere aus berufswissenschaft- licher Sicht sind vielfältige Kriterien zu berücksichtigen, die klare Festlegungen zu einem jetzigen Zeitpunkt nur bedingt möglich machen. Der vorliegende Beitrag versucht auf Grundlage der tech- nologischen Neuentwicklungen, den eigentlichen Treibern der Digitalisierung, aufzuzeigen, welche Faktoren im Hinblick auf Baustellenarbeitsprozesse zunehmend eine immer größere Rolle spielen werden und welche Qualifikationsanforderungen daraus für Baufacharbeiter*innen entstehen. Er liefert eine Übersicht über die derzeit in vielen Bereichen thematisierten digitalen Innovationen, be- handelt die für das Bauwesen wichtige Methode BIM und führt darüber hinaus wesentliche Kernas- pekte auf, die in Zukunft zur Erstellung von Berufsausbildungsordnungen und Lehrplänen diskutiert werden sollten. Um aus diesen Erkenntnissen mögliche Qualifikationsanforderungen abzuleiten, wird unter Zuhilfenahme einer tabellarischen Übersicht dargestellt, welche potenziellen Szenarien auf Baustellen im Rahmen der Digitalisierung möglich sind. Der Beitrag schließt ausblickhaft mit möglichen Konzepten zur Einbindung der gewonnenen Erkenntnisse in die gewerblich-technische Berufsausbildung des Bauwesens. Ausgangslage und Problemstellung Neben der fast unüberschaubaren Zunahme an digitalen Arbeits- und Hilfsmitteln im Bauwesen ist es insbesondere die Methode des Building Information Modeling (BIM), welche die Branche vor neue Herausforderungen stellt. Aufgrund einer mit dieser Arbeitsweise einhergehenden zentral angeleg- ten Informationsverwaltung müssen die bisher über zweidimensionale Papierpläne kommunizierten Ausführungsunterlagen in Zukunft über digitale Plattformen bezogen werden. Betrachtet man die lebenszyklusorientierten Ansätze, die mit BIM verfolgt werden, so wird die Bauausführung aufgrund der eher an Planungsprozessen ausgerichteten Methode in der Fachliteratur häufig zweitrangig behandelt. Um aber Vorteile der Methode (z. B. Qualitätserhöhung, Kostenreduzierung oder Transpa- renz) nutzen zu können ist es erforderlich, dass alle Beteiligten innerhalb der Informatisierungspro- zesse berücksichtigt werden. Neben übergeordneten methodischen Aspekten kommt auf Bauausführende zusätzlich die Nutzung digitaler Arbeits- und Hilfsmittel hinzu. Die damit einhergehenden Veränderungen des soziotechni- schen Systems Baustelle müssen im Hinblick auf eine immer intensiver werdende Mensch-Maschi- ne-Interaktion (MMI) nicht nur analysiert, sondern auch in Zusammenhang mit einhergehenden möglichen Substituierbarkeiten von Arbeitstätigkeiten diskutiert werden. Darüber hinaus sind auch positiv assoziierte Aspekte, wie bspw. die Arbeitssicherheit oder die körperlichen Entlastungen, in berufswissenschaftliche Analysen mit einzubeziehen. Alle möglichen durch die Digitalisierung her- vorgerufenen Faktoren erschweren jedoch ein direktes Erfassen der wesentlichen bzw. notwendigen Qualifikationen für Baufacharbeiter*innen und machen systematisch klare Aussagen nur bedingt bzw. nur übergeordnet möglich. 28 Thomas Kölzer Übersicht zu Technologien für die Bauausführung Nachfolgend werden relevante technologische Neuentwicklungen für Baustellenarbeitsprozesse vorgestellt und übergeordnet in sechs Kategorien skizzenhaft beschrieben. Beginnend mit den heute bereits auf Baustellen häufig eingesetzten mobilen Endgeräten wird anschließend die in Zukunft für Ausführungstätigkeiten immer relevanter werdende Augmented Reality (AR) dargestellt. Das vor al- lem für Arbeiten im Bestand – und fortan insbesondere auch für Dokumentationszwecke – relevante Laserscanning wird in enger Verknüpfung mit Sensor-Techniken für die Verwendung auf Baustellen in einer eigenen Kategorie aufgeführt. Daran thematisch anknüpfend wird die RFID-Technik erläu- tert, die zukünftig unter logistischen Gesichtspunkten eine immer größere Rolle spielen wird. Auch die bereits im Ausland in größerem Maßstab durchgeführte Additive Fertigung wird überblickhaft beschrieben. Den Abschluss bilden die zur Unterstützung von Baustellenarbeitsprozessen stellen- weise schon weit entwickelten Roboter, die für viele Tätigkeiten der ausführenden Gewerke eine wachsende Bedeutung erlangen werden. Mobile Endgeräte & Wearables Mobile Endgeräte, wie Smartphones oder Tablets, werden bereits heute für Baustellenarbeitspro- zesse – insbesondere für unternehmensinterne Kommunikationsvorgänge – herangezogen (vgl. Elbs 2019, o. S.). Raue Baustellenbedingungen, hervorgerufen bspw. durch Verschmutzungen, Feuchte- oder Stoßeinwirkungen, sorgen jedoch häufig dafür, dass diese Medien während der ständig wech- selnden Arbeitsaufgaben nur bedingt eingesetzt werden können. Auch wenn einige der mobilen Endgeräte bereits auf die vielfältigen Baustellenphänomene hin angepasst sind, z. B. mit zusätzli- chen bauspezifischen Applikationen, wie Wärmebildkameras oder RFID-Lesern (vgl. CAT 2019, o. S.; Panasonic 2019, o. S.), lassen sie sich im Rahmen von Baustellenarbeitsprozessen aufgrund ihrer Handhabbarkeit nur bedingt einsetzen, da bei Verwendung von Handschuhen bspw. keine Touch- pads mehr bedient werden können. Zudem beeinträchtigen Witterungseinflüsse, wie Regen oder Sonnenstrahlung die Nutzbarkeit mobiler Endgeräte. Über handelsübliche Smartphones und Tablets hinaus gibt es weitere – häufig extra für Baustellen- arbeitsprozesse zugeschnittene – mobile Endgeräte, die für einen händischen Einsatz herangezogen werden können. So bieten einige Unternehmen Handscanner an, die vor Ort komplexe Bauteile digi- tal aufnehmen (vgl. Faro 2019, o. S.). Die während des Scans entstandenen Punktwolken können an- schließend mit spezifischer Software in BIM-konforme Daten, bspw. als Ergänzung für ein 3D-Modell, umgewandelt werden. Auch am Körper tragbare mobile Endgeräte, sogenannte Wearables, weisen für Bauarbeitsprozesse eine hohe Relevanz auf. Zu diesen Geräten gehören in erster Linie Datenuhren (Smartwatches) und Datenbrillen (vgl. Peddie 2017, 36–39). Aber auch zusätzliche, speziell für kräftein- tensive Arbeiten vorgesehene, als Exoskelette bezeichnete Wearables können in diesem Rahmen als tragbare Ergänzungen, bspw. für Arbeiten über Kopf, genannt werden (vgl. Wieckhorst 2019, 30–31). Augmented Reality (AR) Im Themengebiet der Computergenerierten Realitäten kann übergeordnet zwischen Virtual Reali- ty (VR) und Mixed Reality (MR) unterschieden werden (vgl. Kölzer/Boll 2018, 42). Zur Mixed Reality gehört die für Baustellenarbeitsprozesse relevante Augmented Reality (AR), bei der die Wirklichkeit mit computergenerierten Elementen angereichert wird. Um virtuelle Objekte zukünftig für Herstell- 1 | Digital unterstütztes Arbeiten in der Bauausführung 29 vorgänge auf Baustellen einblenden zu können, bieten sich die oben erwähnten mobilen Endgeräte an. Da bei der Verwendung von Tablets oder Smartphones jedoch die Hände von Baufacharbei- ter*innen i. d. R. nur eingeschränkt für die eigentlichen Ausführungsprozesse genutzt werden können, erscheint eine Einbindung von AR mit mobilen Endgeräten vorerst nur bedingt sinnvoll. Um computergenerierte Bauelemente anzeigen zu lassen bieten sich daher im Rahmen von Bautätig- keiten insbesondere AR-Brillen an. Unter Verwendung einer Microsoft Hololens (vgl. Microsoft 2019, o. S.) ist es zukünftig möglich, die herzustellenden Bauelemente direkt vor Ort einblenden zu lassen, ohne zusätzlich auf zweidimensionale großformatige Baupläne schauen zu müssen. Die Nutzung von AR-Headsets stellt durch die Visualisierung computergenerierter Objekte für verschiedene Gewerke des Bauwesens diverse Einsatzmöglichkeiten bereit. Beispielsweise können sich Fliesenleger*innen die genaue Lage anzubringender Mosaiksteine anzeigen lassen, um somit gewünschte Vorgaben detailgetreu umzusetzen. Auch beim Verlegen von Rohren oder Leitungen können Visualisierungen diverser Elemente genutzt werden. Ein händisches Einmessen ist dann bei entsprechender Verknüpfung mit den Koordinaten eines BIM-Modells möglicherweise obsolet. Auch die insbesondere für Baustellenumgebungen zu beachtenden Sicherheitsaspekte wurden bereits im Zusammenhang mit den Entwicklungen von Headsets berücksichtigt. So kreierte ein amerika- nisches Unternehmen für den Einsatz auf Baustellen einen Helm für Baufachkräfte mit aufgesetzter Microsoft Hololens (vgl. Trimble 2019, o. S.). Laserscanning & Sensor-Techniken Werden digitale Laser heutzutage auf Baustellen eingesetzt, so meist für Entfernungsmessungen. Die dafür notwendigen und bereits in vielen Varianten erhältlichen Geräte („Distos”) sind eigens für Längenmessungen hergestellte digitale Werkzeuge, welche als Ergänzung zu den traditionellen Gliedermaßstäben angesehen werden können (vgl. Behaneck 2018, 14–17). Aber auch bereits weiter- entwickelte, hochauflösende Lasergeräte finden in Prozessen zur Bestandsaufnahme immer breitere Anwendungsmöglichkeiten. So bieten mehrere große Firmen einfach zu bedienende Laserscan- ner an, die – bspw. auf einem Stativ befestigt – in kürzester Zeit umfangreiche Scans durchführen können (vgl. Matterport 2018, o. S., Trimble 2018, o. S., Leica 2019, o. S.). Mithilfe dieser Geräte sind exakte, fehlerfreie Messungen auch von komplexen Konstruktionen, wie geschwungenen Treppen, möglich (vgl. Fries 2019, 32). In Kombination mit Drohnen (vgl. Viscan 2019, o. S., DJI 2019, o. S.) können digitale Aufnahmen darüber hinaus auch ohne festen Standpunkt der Geräte in kürzester Zeit erzeugt werden. Eine Umwandlung erzeugter Punktwolken in BIM-konforme IFC-Daten ist für eine Weiterverwendung der Informationen durch entsprechende Programme möglich (vgl. Veenhuis et al. 2018, 36). Auch können Scanner zur Bauüberwachung (vgl. Son et al. 2019, 35) oder für fotogrammetrische Be- wehrungsabnahmen (vgl. Klemt-Albert et al. 2018, 189) herangezogen werden. In Kombination mit verschiedenen Sensor-Techniken, bilden Laserscanner darüber hinaus eine wichtige Grundlage für Cyberphysische Systeme (CPS). Die ggf. mit zusätzlichen Bauteilinformationen verknüpften geomet- rischen Daten können ohne weiteres menschliches Eingreifen ein autonomes System mit bauwerks- relevanten Echtzeitdaten ergänzen. So kann mit digitalen Sensoren u. a. der Temperaturverlauf im Beton gemessen und nachweislich festgehalten werden (vgl. Bürger 2018, 60). 30 Thomas Kölzer Radio Frequency Identification (RFID) Neben den bereits aus vielen Lebensbereichen bekannten Auto-Identifikationstechniken, z. B. Bar- codes oder QR-Codes, werden insbesondere auf RFID-Technik basierende Systeme für Baustellen- prozesse immer relevanter. Die Radio Frequency Identification nutzt elektromagnetische Wellen und stellt durch eine sichtkontaktlose Lokalisierung, z. B. von Bauelementen oder Werkzeugen, ein gro- ßes Potenzial zur Optimierung baulogistischer Prozesse bereit (vgl. Helmus 2009, 668). Für eine ver- netzte Kommunikation verschiedener Objekte untereinander existieren auf dem Markt bereits viele Formen von Transpondern bzw. Tags, die an oder in Bauteilen angebracht werden können. Schon heute wird die RFID-Technik hauptsächlich auf Großbaustellen, z. B. in Form von Zutrittskontrollen, für die Überprüfung der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) oder für die Werkzeugverwaltung herangezogen (vgl. Helmus 2009, 4 und 447; Gillies 2017, 18). Auch für die Erfassung von Fahrzeug- an- und abfahrten, z. B. bei Ortbeton- oder Fertigteil-Lieferungen, kann die RFID-Technologie genutzt werden (vgl. Berger 2016, 11). Für die Bauausführung ist es insbesondere wichtig, an welchen Stellen bzw. an welchen Bauteilen entsprechende Transponder angebracht werden müssen, damit Informa- tionen – bspw. während der Bauwerksnutzung – nachhaltig gewonnen werden können. Eine Anbrin- gung von Tags ist an den meisten Baustoffen und -elementen möglich (vgl. Schneider et al. 2009, 8). Additive Fertigung (3D-Druck) Nachdem der kleinformatige 3D-Druck vor allem in stationär produzierenden Branchen bereits Einzug gehalten hat, wird die als Additive Fertigung bezeichnete Technik auch für die Bauindustrie zukünftig immer interessanter (vgl. Berger 2016, 11; Strunge 2018, 84). Zur Herstellung 3D-gedruck- ter Elemente wurden bisher in erster Linie Materialen wie Kunststoffe oder Metalle verwendet. Aber auch weitere, insbesondere für das Bauwesen relevante Baustoffe werden zunehmend zur Herstellung großformatiger Elemente herangezogen. Als Beispiel kann eine im Jahr 2014 errichtete Sauna genannt werden, bei der vorgefertigte, unikale Paneele aus Zedernholz gedruckt wurden (vgl. Ricklefs 2019, 26). Auch für den innerhalb des Bauwesens wichtigen Baustoff Beton sind bereits Verfahren entwickelt worden, die eine Herstellung von Bauteilen vor Ort möglich machen (vgl. Bus- well 2018, 36; Mechtcherine/Nerella 2018, 499). Insbesondere das auf Extrusion basierende Contour Crafting bietet dabei Potenziale für die Errichtung von Bauwerken. Es stellt durch die selektive Ab- lage extrudierter Filamente eine vielversprechende Ergänzung zum herkömmlichen Massivbau dar. Weltweit wurden bereits erste Häuser – in den Wänden größtenteils noch ohne Bewehrung – aus Be- ton gedruckt (vgl. Panda et al. 2018, 667). Aber auch Herstellvarianten von Beton mit 3D-gedruckten Bewehrungsstäben aus Stahl sind bereits untersucht worden (vgl. Mechtcherine/Nerella 2018, 503). Bauroboter & Drohnen Im Zuge der Digitalisierung werden zukünftig vor allem Roboter als mögliche Helfer in vielen Be- reichen der Arbeits- und Lebenswelten Einsatz finden. Auch wenn Roboter bisher vorrangig für die Übernahme repetitiver Aufgaben entwickelt und getestet wurden, existieren darüber hinaus schon weiter fortgeschrittene Maschinen, die bspw. auch für die komplexen Vorgänge auf Baustellen heran- gezogen werden könnten. Zu unterscheiden sind stationäre, häufig aber dennoch portable Roboter, die von einem Fixpunkt aus agieren, weiterhin bodenfahrende bzw. laufende oder tierähnliche Ro- boter (vgl. MIT 2019, o. S.), humanoide Roboter (vgl. Boston Dynamics 2019, o. S.), große bereichsab- deckende Seilroboter (vgl. Karl 2017, 13–17) sowie fliegende Roboter/Drohnen (vgl. DJI 2019, o. S.). 1 | Digital unterstütztes Arbeiten in der Bauausführung 31 Für die sich im Mauerwerksbau wiederholenden Tätigkeiten wurden bereits Maschinen entwickelt, die das Aufeinandersetzen von Steinen durch Fachkräfte zukünftig ersetzen könnten. Diesbezüglich kann u. a. der Mauer-Roboter SAM 100 genannt werden, der in der Lage ist, großflächige Mauer- werksverblendungen halbautomatisch herzustellen (vgl. Construction Robotics 2019, o. S.). Für die Errichtung ganzer Häuser hat ein australisches Unternehmen den vollautomatischen Roboter Had- rian X hergestellt, der in bis zu drei Tagen ein eingeschossiges Haus – mit nur wenigen menschlichen Eingriffen – hochziehen kann (vgl. Fastbrick Robotics 2019, o. S.). Eine aktuelle Übersicht zu Roboter- techniken für den Mauerwerksbau kann Brehm (2019) entnommen werden. Auch für den Innenausbau – speziell für das Anbringen von Gipskartonplatten – wurde in Japan der Roboter HRP-5P entwickelt (vgl. AIST 2019, o. S.). Es handelt sich um einen Humanoiden, der eigen- ständig großformatige Trockenbauplatten aufnehmen und sie an die von einem Computermodell vorgegebene Stelle montieren kann. Neben zahlreichen bodengebundenen Formen von Robotern werden darüber hinaus auch Drohnen für viele Gewerke der Bauausführung immer relevanter. Für alle Arbeitsprozesse auf Baustellen müssen beim Einsatz von Maschinen jedoch im Vergleich zu anderen Branchen diverse Besonderheiten berücksichtigt werden. So ist bei Einbindung von Robotern bspw. nicht nur auf eine ausreichende Bewegungsfreiheit der Maschinen, sondern ggf. auch auf entsprechende Sicherheitszonen der Baubeteiligten zu achten. Eine damit einhergehende Mensch-Maschine-Interaktion (MMI) ist insbesondere aus Gründen der Unversehrtheit von Fach- arbeiter*innen stets zu berücksichtigen. Auch die Wahrnehmung von Maschinen in immer wieder neuen Umgebungen, z. B. unter Zuhilfenahme von Lidar-Scannern, oder das Greifen von Objekten verschiedener Größe sind aufgrund der immer wechselnden Expositionsbedingungen sowie der Diversität der komplexen Aufgaben stets mit einzubeziehen. Berücksichtigung von Building Information Modeling in der Bauausführung Neben der Einbindung der zuvor dargestellten technologischen Neuentwicklungen entstehen vor allem durch die Methode des Building Information Modeling (BIM) weitere, häufig stark modifizierte oder stellenweise ganz neue Anforderungen an zukünftige Bauarbeitsprozesse. Durch die bereits stattfindende Implementierung digital gestalteter Arbeitsweisen in vielen Planungsprozessen sind zur Weiterverwendung der in diesen Phasen generierten Informationen zukünftig auch Bauabläufe vermehrt an einem zentralen Bauwerksinformationsmodell zu orientieren. Die mit der Methode BIM einhergehende Betrachtungsweise ganzer Lebenszyklen von Bauwerken stellt durch eine entspre- chende kontinuierliche Informationsnutzung auch neue Anforderungen an Baufacharbeiter*innen. Im Rahmen einer objekt- und elementorientierten Arbeitsmethodik ist es zukünftig für Ausführende in erster Linie notwendig, die während der Entwurfs- und Detailplanung erstellten digitalen Ausfüh- rungsunterlagen anhand eines dreidimensionalen BIM-Modells nutzen zu können. So ist es vor- dergründig wichtig, dass ein Auslesen der für die Herstellung relevanten Informationen aus einem 3D-Modell durch Facharbeiter*innen vor Ort möglich ist. 32 Thomas Kölzer Auch die mit der Methode einhergehende neue Fachsprache sollte von allen Projektbeteiligten gesprochen und verstanden werden. Zukünftig gehören bisher unbekannte Begriffe und Akronyme zum Alltag vieler im Bauwesen tätigen Personen. Termini, die für den Austausch von Informationen herangezogen werden (z. B. [Industry Foundation Classes] oder BCF [BIM Collaboration Format]), müssen genau wie Vokabeln, die vordergründig in den Planungsphasen verortet sind (z. B. AIA [Auftraggeber-Informationsanforderungen] oder BAP [BIM-Abwicklungspläne]), fortan auch von den Bauausführenden verstanden werden. Für eine optimale Nutzung der Methode über den gesam- ten Lebenszyklus eines Bauwerkes hinweg sind infolge der projekt- und gewerkeübergreifenden BIM-Fachsprache demnach auch die bisher eher auf der Planungsseite diskutierten neuen Begriffe in der Bauausführung zu implementieren. Auswirkungen der Digitalisierung auf die Baufacharbeit Mit der Verwendung der zuvor dargestellten neuen digitalen Arbeits- und Hilfsmittel sowie der damit verbundenen Digitalisierungsprozesse im Rahmen der Methode BIM sind massive Veränderungen auf Baustellen zu erwarten. Um aufzuzeigen, welche grundlegenden Anforderungen an Baufachar- beiter*innen in Zukunft gestellt werden, sind nachfolgend einige der damit einhergehenden Aspekte in fünf übergeordneten Kategorien dargestellt. Alle aufgeführten Phänomene sind eng mit der Methode BIM – und somit vordergründig durch modellbasierte Kommunikationsprozesse – verbun- den. Durch die Nutzung eines zentralen Bauwerksinformationsmodells stellt die Informatisierung einen ersten signifikanten Aspekt hinsichtlich zukünftiger Anforderungen dar. Das mit diesen neuen Arbeitsweisen verbundene und für Baufacharbeiter*innen in Zukunft immer wichtiger werdende Prozessverständnis kann als zweite übergeordnete Charakterisierung festgehalten werden. Darüber hinaus werden im Rahmen von BIM neue Rollenverteilungen, zusätzliche Fachbegriffe sowie Ände- rungen im Zuge von Baustellendokumentationen nachfolgend als Kernaspekte aufgeführt. Digitale Informatisierungsprozesse Als eine der maßgebenden Auswirkungen auf Baustellenarbeitsprozesse kann übergeordnet die Informatisierung angesehen werden. Die zukünftig auf einem zentralen Bauwerksinformations- modell basierenden Arbeitsprozesse rufen insbesondere bei den bisherigen Kommunikations- vorgängen starke Veränderungen hervor. So müssen alle Baubeteiligten nicht nur transparenter in einem objektorientierten Team agieren, sondern Informationen vielfach projektspezifisch und gewerkeübergreifend in Echtzeit miteinander teilen (vgl. Prüser 2016, 53; Glock 2018, 617). Aus einer gemeinsamen und mit allen relevanten Daten versehenen Umgebung, dem sogenannten Common Data Environment (CDE), werden Facharbeiter*innen zukünftig die zum Zeitpunkt der Ausführung benötigten Teilinformationen exportieren und für ihre Zwecke verwenden (vgl. Scha- per & Tulke 2015, 437). Auch der Umgang mit den bereits zuvor aufgeführten digitalen Arbeits- und Hilfsmitteln, z. B. den mobilen Endgeräten, den AR-Brillen oder auch mit verschiedenen Robotern, ist im Rahmen der Informatisierungsprozesse zukünftig zu berücksichtigen. Damit die Baubeteiligten stets wissen, wann welche Informationen für sie von Bedeutung sind, wird ein grundlegendes Verständnis für die 1 | Digital unterstütztes Arbeiten in der Bauausführung 33 Vorgänge der Informationswege innerhalb der häufig wechselnden Projekte benötigt. Für das Her- anziehen der erforderlichen Ausführungsunterlagen infolge einer digitalen Arbeitsweise ist darüber hinaus das Erlernen aktueller branchenrelevanter Software unumgänglich, da ein Abruf von Model- linhalten künftig zunehmend über BIM-konforme Model Viewer erfolgen wird (vgl. Schreyer 2016, 50). Damit lassen sich entsprechende Informationen zu einzelnen Bauteilen, beispielsweise einer Wand, anzeigen. Mithilfe von Model Viewern können somit spezifische Angaben (z. B. Bauteil-Nr., Name, Beschreibung, Material etc.), Lokalisierungsbezüge (z. B. Geschossangaben, Anbindungen, Höhen- verweise) oder Mengen (z. B. Flächen oder Volumina) ausgelesen werden. Darüber hinaus ist es für Baubeteiligte nicht nur möglich, ganze Bauwerke oder explizite Bauteile darstellen zu lassen, auch Bauablaufsimulationen sind – bspw. im Hinblick auf die auszuführenden Arbeitsschritte – möglich (vgl. Baier & Díaz 2017, 30; Bernert 2017, 30; Röschenkemper 2018, 91). Neues Prozessverständnis Für Abläufe auf Baustellen sind – unabhängig vom Digitalisierungsgrad – stets Beteiligte, Materialien und örtliche Gegebenheiten mit den jeweiligen zugehörigen Informationen ins Verhältnis zu setzen (vgl. Helmus 2009, 28 u. 32; Mättig et al. 2018, 65). Durch die lebenszyklisch orientierte Verknüpfung von Informationen im Rahmen von BIM sind auch diesbezüglich massive Veränderungen der Bau- stellenlogistik zu erwarten und zu berücksichtigen (vgl. Hausknecht/ Liebich 2016, 34; Scharfenberg/ Wellensieck 2017, 126; Glock 2018, 617). Da die jeweiligen Tätigkeiten einzelner Baugewerke stets im Gesamtprozess von Bauwerkserstellungen verortet sind, ist vor dem Hintergrund sich wandelnder Anforderungen der unterschiedlichen Bauvorhaben ein übergeordnetes Verständnis für die entspre- chenden logistischen Abläufe notwendig (vgl. Nagl et al. 2017, 1). Neben einem Überblick für diese ganzheitlichen Prozesse sind darüber hinaus auch Kenntnisse hinsichtlich Transparenz und Echtzeit von großer Bedeutung. Für die Nachverfolgung von Bauteilen ist es bspw. wichtig, dass im Hinblick auf eine Just-in-time-Anlieferung der aktuelle Ort von Bauteilen, z. B. im Rahmen eines RFID-Sys- tems, nachvollzogen werden kann. Veränderte Rollenverteilungen Mit den zuvor beschriebenen Digitalisierungs- und Automatisierungsvorgängen gehen insbesondere auch Veränderungen im Hinblick auf fast alle Rollen und Leistungsbilder einher (vgl. Hacker/Sachse 2014, 183; Tautschnig et al. 2017, 357; Wieselhuber 2018, 9). Die dadurch entstehenden notwendigen Anpassungen wirken sich auch auf die Rollen von Baufacharbeiter*innen aus. Durch das infolge BIM hervorgerufene Prinzip einer durchgängigen, zentralen und objektbasierten Verwaltung ist in Zukunft eine verstärkte Orientierung der Rollenverteilungen an den Vorgaben der jeweiligen drei- dimensionalen Bauwerksinformationsmodelle erforderlich. Ausführende werden im Rahmen der digitalen Arbeitsweisen zukünftig als BIM-Nutzer aufgefasst. Dabei handelt es sich nach Definition des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) um Projektmitglieder, die das Datenmodell ausschließlich zur Informationsgewinnung nutzen und dem Bauwerksinformationsmodell keine weiteren Daten oder Informationen hinzufügen (vgl. VDI 2552-7 2018, 7). Der VDI nennt in seinen Richtlinien zu Building Information Modeling in einem Beispiel, dass ein*e BIM-Nutzer*in „ein Ausführender auf der Bau- stelle [ist], der anhand des aus dem Fachmodell abgeleiteten Schalungsplans die Schalung erstellt, jedoch keine Daten oder Informationen an das Fachmodell anfügt” (ebd.). Über diese Beschreibung hinaus sollte jedoch stets berücksichtigt werden, dass durch die im Rahmen von BIM vorgesehenen 34 Thomas Kölzer Baudokumentationen während der Ausführung ein Hinzufügen von Informationen stattfindet, und somit aus den eigentlichen BIM-Nutzer*innen BIM-Autor*innen werden. Neue Fachbegriffe Innerhalb der neuen Rollenverteilungen und Arbeitsgebiete werden zukünftig viele bisher im Bau- wesen nicht verwendete Termini implementiert. Die insbesondere für die Kommunikation zwischen den einzelnen Projekteilnehmenden verwendeten Vokabeln müssen von allen Baubeteiligten so verstanden werden, dass eine konsistente Kommunikation aufrechterhalten werden kann. Daher ist es einerseits nicht nur wichtig, dass die größtenteils aus der Planung stammenden Begriffe auf Bau- stellen richtig aufgefasst, sondern dass entsprechende Fachwörter auch für Informationsweiterlei- tungen herangezogen werden können. Beispiele hierfür sind u. a. die für die Methode BIM relevanten Austauschformate IFC (Industry Foundation Classes) und BCF (BIM Collaboration Format). Darüber hinaus ist es für Baufacharbeiter*innen im Hinblick auf das gesamte Prozessverständnis zudem erforderlich, dass Kenntnisse zu den Termini vorhanden sind, die eigentlich in den vorgelagerten Planungsphasen verwendet werden. Da alle Ausführungsdaten auf Informationen aus den Entwick- lungsstadien der jeweiligen Objektentwürfe beruhen, sollte die bauausführende Seite Fachausdrü- cke – wie bspw. AIA (Auftraggeber-Informationsanforderungen) oder BAP (BIM-Abwicklungspläne) – nicht nur verbal gehört, sondern diese Vokabeln auch im Zusammenhang mit Baustellentätigkeiten verstanden haben. Auch die mit den Ausführungsprozessen verbundenen Aspekte eines Information Delivery Manual (IDM), die Hintergründe einer Model View Definition (MVD) oder das bereits zuvor angesprochene Common Data Environment (CDE) sind im Rahmen der Bauausführung in Zukunft ebenso wichtig, wie ein Verständnis für die verschiedenen Stufen eines Level of Detail (LOD). Neben den bereits zuvor aufgeführten Wörtern wie RFID oder AR wird eine Vielzahl an neuen Ausdrücken zukünftig zum Alltag der Baubeteiligten gehören. Zu berücksichtigen ist jedoch stets, dass eine hohe Anzahl an Fremdwörtern und Akronymen abschreckend wirken kann und damit ein Verständnis für die eigentlichen Abläufe erheblich erschwert wird. Digitale Baudokumentationen Insbesondere kleine Handwerksbetriebe nutzen trotz digitaler Möglichkeiten heutzutage noch größten- teils papierbasierte Dokumentationsvarianten. So erfolgt das Erfassen der Arbeitszeit auf der Baustelle häufig auf Zetteln, bestenfalls auf vorgefertigten Formblättern. Dies betrifft in den meisten Fällen auch das Erstellen von Bautagesberichten oder das Festhalten von bauwerksrelevanten Informationen. Für eine nachvollziehbare, auf BIM basierende Projektabwicklung spielt die Dokumentation ausgeführter Arbeitstätigkeiten zukünftig jedoch eine noch größere Rolle als bisher (vgl. Herter/Silbe 2017, 110). Durch eine direkte Verknüpfung zu einem Bauwerksinformationsmodell und dem Einsatz von mobilen Endgeräten werden handschriftliche Arbeitszeiterfassungen, Monats-, Wochen- oder Tagesberichte zunehmend durch digitale Echtzeitberichte ersetzt (vgl. Helmus 2009, 45; Helmus 2011, 85; Schreyer 2016, 66; Herter/Silbe 2017, 114; Blödorn 2018, 30–31; Sander 2018, 34–35; Craftnote 2019, o. S.). Auch digitale Aufmaße, Mängeldokumentationen oder Abnahmeprotokolle, z. B. in Ergänzung mit Kom- mentaren durch Foto- oder Sprachmemos, erweitern die Möglichkeiten einer traditionellen Baufort- schrittskontrolle (vgl. Blödorn 2017, 32; Herter/Silbe 2017, 114; Haghsheno et al. 2019, 53). Mithilfe von Markierungen in mobilen Baustellen-Apps können an den dokumentationsrelevanten Stellen des digitalen Zwillings Anmerkungen vorgenommen und Informationen ergänzt werden. 1 | Digital unterstütztes Arbeiten in der Bauausführung 35 Substituierbarkeitspotenziale und Automatisierungs- wahrscheinlichkeiten Mit der Einbindung der zuvor dargestellten neuen Technologien in die häufig noch stark traditionell ausgerichteten Baustellenarbeitsprozesse gehen Substitutionen einher, die zukünftig große struk- turelle Änderungen hervorrufen werden. Um mögliche Ersetzbarkeiten innerhalb einzelner Berufe oder Berufsgruppen aufzeigen zu können, sind i. d. R. zwei Zeitpunkte relevant: der aktuelle Stand der Digitalisierung sowie ein antizipierendes, in der Zukunft liegendes Automatisierungsszenario. Betrachtet man die bereits heute möglichen Ersetzbarkeiten, so spricht man von Substituierbarkeits- potenzialen. Gemeint ist ein – meist mit vielen unbekannten Variablen versehenes – fiktives Abbild theoretisch realisierbarer Modifikationen bzw. Kompensationen von vordergründig traditionell definierten Kerntätigkeiten durch den Einsatz von Computern oder computergesteuerten Maschinen (vgl. Dengler 2018, 2). Das gegenwärtige Substituierbarkeitspotenzial im Berufssegment des Bau- und Ausbaugewerbes liegt derzeit bei ca. 37 % (vgl. ebd., 6). Explizit sind stellenweise für einzelne Berufe des Bauwesens die aktuellen Werte niedriger. So weisen traditionelle Handlungen in den Berufen der Zimmer*innen und der Trockenbaumonteur*innen jeweils gegenwärtige Ersetzbarkei- ten von ca. 13 % auf. Da innerhalb des Berufes der Dachdecker*innen derzeit noch keine Tätigkeit von Robotern übernommen werden kann, liegt das Substituierbarkeitspotenzial hier bei 0 % (IAB 2019, o. S.). Trotz schneller Entwicklungen vieler innovativer Technologien sind – vor allem durch die vielen nicht routinierten Tätigkeiten – umfangreiche Ersetzbarkeiten auf Baustellen vorerst nur sehr langsam zu erwarten. Da es sich bei den häufig komplexen Arbeitsvorgängen selten um repetitive Vorgänge handelt, sind automatisierte Abläufe bisher nur stellenweise möglich. Zieht man jedoch Forschungs- berichte heran, die zukünftige Veränderungen für diverse Tätigkeitsbereiche unter die Lupe nehmen, so stellt sich auch für Berufe im Bauwesen teilweise ein anderes Bild dar. Die Automatisierungswahr- scheinlichkeiten der zuvor aufgegriffenen Berufe liegen bei der amerikanischen Studie The Future of Employment von Frey/Osborne für das Jahr 2030 für Zimmer*innen (Carpenters) bspw. bei 72 %, für Trockenbaumonteur*innen (Drywall Installers) bei 79 % und für Dachdecker*innen (Roofers) sogar bei 90 % (ebd., 70–73). Digitale Arbeitsmittel in der Baufacharbeit – Übersicht und Relevanz Um aufzeigen zu können, welche Inhalte für Baufacharbeiter*innen zukünftig in den gewerb- lich-technischen Berufen des Bauwesens von Bedeutung sind, ist abschließend mithilfe einer tabellarischen Übersicht dargelegt, wie die zuvor aufgeführten Technologien in verschiedenen Baustellenarbeitsprozessen eingesetzt werden könnten. Die auf Praxisbeispielen ausgelegte Zusam- menstellung in Tab. 1 skizziert dabei insbesondere die vordergründigen Relationen mit den beiden wesentlichen Aspekten der Informatisierung und der Kommunikation. Die Spalten werden überge- ordnet in die Lagerhaltung einzelner, vornehmlich kleiner und mittelständiger Bauunternehmen, in projektspezifische Aspekte im Rahmen von Building Information Modeling und in eine mit signifi- kanten Einflüssen auf zukünftige Veränderungen zu betrachtende Mensch-Maschine-Interaktionen 36 Thomas Kölzer (MMI) und Cyberphysische Systemen (CPS) untergliedert. Die erste Spalte greift unternehmensin- terne Vorgänge, wie bspw. Lagerlogistik oder Materialverwaltung, auf. Die nebenstehenden und in Kombination mit BIM aufgeführten Aspekte beinhalten die gewerkeübergreifende Baustellenlogistik, das in Zukunft immer wichtiger werdende Abrufen digitaler Informationen aus einem dreidimensi- onalen Bauwerkinformationsmodell und die in diesem Beitrag ebenfalls angesprochene Baustel- lendokumentation. Die Beispiele in den letzten beiden Spalten können übergeordnet den Effekten einer stetig zunehmenden Mensch-Maschine-Interaktion und den daraus möglicherweise resultie- renden Cyberphysischen Systemen zugeordnet werden. In den einzelnen Zellen der Tabelle wird im Hinblick auf zukünftige Baustellenarbeitsprozesse mit einem Beispiel kurz erläutert, welche Auswirkungen die einzelnen Technologien für die Bauausführung haben. Dabei wird jeweils zwischen einer hohen, einer mittleren und einer geringen Relevanz unter- schieden. Der 3D-Druck stellt sich beispielsweise innerhalb eines Bauunternehmens mit einer zukünf- tigen mittleren Relevanz dar, da Bauelemente oder Ersatzteile – insbesondere auch aus Platzgründen vor Ort – vornehmlich auf Lager- oder Produktionsflächen des Unternehmens hergestellt werden könnten. In erster Linie werden die für ein Bauvorhaben notwendigen Bauteile in dafür vorgesehenen Hallen oder direkt auf der Baustelle, z. B. durch Contour Crafting, gedruckt. Eine additive Fertigung von Abstandhaltern oder Befestigungsmitteln ist jedoch im Lagerbereich von Baufirmen durchaus denkbar und im Zuge einer starken Vernetzung bzgl. fehlender Elemente auf Baustellen sogar sinnvoll. Durch die Einbindung in Nebenprozesse zur Erstellung von Bauwerken erhält der 3D-Druck im Rahmen der Lagerhaltung somit eine mittlere Relevanz. Weiter kann beispielsweise erläutert werden, dass die Augmented Reality für Baustellendokumentationen i. d. R. gar keine Relevanz aufweist. Obwohl speziell in diesem Fall eine computergenerierte Alternative existiert – nämlich die Möglichkeit zur Nutzung von Augmented Virtuality (AV), bei der ein Abgleich abseits der Baustelle stattfinden kann (vgl. Kölzer/ Boll 2018, 44–45) – weist AR in der Tabelle nur eine geringe Relevanz für Dokumentationen vor Ort auf. Hervorzuheben in Tab. 1 sind allerdings insbesondere die in der Spalte zum Abrufen von Informationen notwendigen Technologien, z. B. die mobilen Endgeräte, Headsets für Augmented Reality, die Au- to-ID-Techniken (v. a. RFID), die Additive Fertigung, aber auch die Baurobotik. Alle sechs digitalen Arbeitsmittel werden zukünftig im Rahmen von BIM zunehmend an Relevanz gewinnen. Ziel der Übersicht ist es darzulegen, dass viele Bereiche der Bauausführung in Zukunft in großem Maße durch die Digitalisierung erfasst werden. Quantitativ betrachtet sind 22 der insg. 36 Beispiel-Kombinationen mit einer hohen Relevanz versehen. Die aufgeführten neuen und innovati- ven Technologien sind – wie bereits zuvor erwähnt – im Hinblick auf die anstehenden Änderungen infolge BIM insbesondere in Verbindung mit den Themenfeldern der Informatisierung und Kommu- nikation zu berücksichtigen. 1 | Digital unterstütztes Arbeiten in der Bauausführung 37 Tabelle 1: Digitale Technologien in Baustellenarbeitsprozessen Lagerhaltung Projektspezifische Aspekte Übergeordnete Einflüsse und Logistik unter Verwendung von BIM auf Bauarbeitsprozesse innerhalb von Unternehmen Baustellen- Abrufen Baustellen- Mensch- Cyberphysische Logistik digitaler Dokumentation Maschine- Systeme Informationen Interaktion Mobile hoch: hoch: hoch: hoch: mittel: gering: Endgeräte aktuelle Maschinen und Projekt- aktuelle Roboter können Endgeräte Lagerbestände Werkzeuge kön- Informationen Vorkommnisse über Endgeräte werden infolge sind überall nen verwaltet sind vor Ort sind zeitnah do- gesteuert wer- der Vernetzung erfassbar werden einsehbar kumentierbar den von Maschinen obsolet AR gering: mittel: hoch: gering: mittel: gering: nicht logistische Elemente Einspeisungen AR-Szenarien computer- vorhan dene Prozesse können an den in 3D-Modelle unterstüt- generierte Lagerb estände können vorab einzubauen- erfordern keine zen durch Einblendungen könnten jedoch visualisiert den Stellen computer-ge- Einblendungen sind in Cyber- ggf. eingeblen- werden eingeblendet nerierten menschliche physischen det werden werden Elemente Arbeitsprozesse Systemen nicht erforderlich Scanning gering: gering: gering: hoch: hoch: hoch: Scannen von Scannen von gescannte gescannte Ele- Sicherheitsas- Automatische Bauwerken Bauwerken Elemente auf mente können pekte können Bestandser- oder Bauteilen oder Bauteilen Baustellen 3D-Modelle überprüft und fassung liefert ist nicht erfor- ist nicht erfor- dienen vor- detailgetreu eingehalten aktuelle Daten derlich derlich nehmlich der ergänzen werden des Baufort- Einspeisung schritts Auto-ID hoch: hoch: hoch: hoch: hoch: hoch: Unterstützung Echtzeit-Nach- Elemente Einbauorte und Abstimmun- Transponder der Lagerlogis- verfolgungen können auf der -zeiten können gen zwischen und Chips tik durch Nach- von logistischen Baustelle sofort exakt festgehal- Menschen und stellen als verfolgung von Prozessen sind ausfindig ge- ten werden Maschinen sind Einbauteile die Geräten oder möglich macht werden echtzeitnah Kommunikation Bauelementen möglich im System her 3D-Druck mittel: gering: hoch: gering: hoch: gering: Ersatzteile Additive digitales Additive Ferti- komplexe Vorfertigungen könnten ggf. Fertigung ist Modell dient als gungen sind für Baustellen- bzw. Fertigteile abseits der für logistische Datengrundlage die Dokumen- bedingungen sind innerhalb Baustelle vorge- Prozesse nicht für additive tation nicht erdordern eines CPS wahr- fertigt werden relevant Fertigungen relevant ein ständiges scheinlicher Eingreifen Robotik hoch: hoch: hoch: hoch: hoch: hoch: Einsatz von Unterstützung im Prozess Roboter können Interaktionen Maschinen und Robotern auf insb. bei Trans- eingebundene automatisch sind insb. bzgl. Roboter sind Firmengelände port-Vorgängen Maschinen Fertigstellungen Sicherheit- Kernelemente zweckmäßig sinnvoll können bspw. melden saspekten eines CPS sinnvoll Probleme abzustimmen melden 38 Thomas Kölzer Einbindung der Erkenntnisse in die berufliche Bildung Die in diesem Beitrag thematisierten und für die Ausführung von Bautätigkeiten relevanten Quali- fikationsanforderungen infolge der Digitalisierung können mit entsprechenden Lehrkonzepten im bestehenden dualen Ausbildungssystem eingebunden werden. Tab. 2 zeigt diesbezüglich Möglichkei- ten zur Aufteilung der jeweiligen Inhalte für Berufsschulen bzw. überbetrieblichen Ausbildungszent- ren. Während eine Implementierung theoretischer Grundlagen vornehmlich im Unterricht an Schulen stattfinden kann, bilden die eher praktisch verorteten Aspekte sinnvolle Ergänzungen innerhalb von Konzepten in der überbetrieblichen Ausbildung. Eine weitere Unterteilung kann – wie in Tab. 2 darge- stellt – zwischen theoretischen Grundlagen und einem für den im Handwerk so wichtigen Praxisbezug vorgenommen werden. So können bspw. insbesondere Projektarbeiten sowohl in Berufsschulen als auch in Ausbildungsstätten durchgeführt werden. Tabelle 2: Theoretische Grundlagen und Praxisbezug digitaler Technologien Berufsschule Überbetriebliche Ausbildung Theo- Grundlagen und Prinzipien digitaler Infor- Technische Aspekte der Informatisierung retische matisierungsprozesse Anleitungen zur Bedienung digitaler Arbeits- Grundlagen Übergeordnetes, allgemeines Prozessver- mittel (z. B. Augmented Reality, 3D-Laser, ständnis (z. B. Aspekte von Building Infor- Auto-ID-Transponder, Drohnen) mation Modeling, unternehmensinterne und externe Abläufe, gewerkeübergreifende Baustellenlogistik) Rollenverteilungen im Rahmen von BIM Digitale Baudokumentationen (z. B. Arten, Vorgehensweisen, Relevanz) Praktische Aufzeigen und Analysieren verschiedener Anbringen und Verbauen verschiedener Ty- Umsetzung praxisnaher und gewerkeübergreifender pen von RFID-Transpondern oder weiterer Szenarien Auto-ID-Chips Durchspielen eines (fiktiven) Projektes mit Nutzung von Visualisierungen zur Erstellung mehreren Projektbeteiligten (z. B. BIM-Ma- von Bauteilen, z. B. durch Augmented nager*in, BIM-Koordinator*in, BIM-Autor*in, Reality BIM-Nutzer*in) Scannen von errichtenden Konstruktionen Nutzung verschiedener Apps (z. B. zur digitalen der Auszubildenden (und ggf. Bearbeiten Dokumentation von Ausführungsinformatio- der dadurch entstandenen Datei) nen, z. B. Einbaubestätigungen, Mängelanzei- ge, Abrechnungen, Arbeitsnachweise) Der in diesem Beitrag dargestellte Überblick über mögliche Veränderungen durch die Digitalisierung liefert neben den in Zukunft immer intensiver zu berücksichtigenden Effekten auf Baustellen auch eine Grundlage für weitergehende berufswissenschaftliche Untersuchungen im Rahmen der Imple- mentierung digitaler Arbeits- und Hilfsmittel in Baustellenarbeitsprozesse. 1 | Digital unterstütztes Arbeiten in der Bauausführung 39 Literatur und Quellen Baier, C./ Díaz, J. (2017): Eignung für kleinere und mittlere Bauunternehmen. In: BIM-Ratgeber für Bauunternehmer, 29–36, Verlag Rudolf Müller, Köln. ISBN: 978-3-481-03566-2 Behaneck, M. (2018): Laser-Distanzmesser. In: Bauhandwerk 3.2018, 12–17 Berger (2016): Digitalisierung der Bauwirtschaft. Think Act der Roland Berger GmbH. Online: https://www.rolandberger.com/publications/publication_pdf/roland_berger_digitalisierung_ bauwirtschaft_final.pdf (26.05.2019) Bernert, D. 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Es zeigt sich, dass dem nicht so ist, und letztendlich stellt sich die Frage, welche Vorgaben und Gesetze zum Einsatz digitaler Medien an berufsbildenden Schulen (BBS) und an überbetrieblichen Bildungsstätten existieren (ÜBS) und welche Empfehlungen die empirische Lehr-Lernforschung und die Medienforschung hinsichtlich eines wirkungsvollen Einsatzes digitaler Medien in (berufli- chen) Lehr-Lernprozessen erteilen. Schlüsselbegriffe › SAMR-Modell › Bautechnische Lehr-Lernmedien › Digitale Lehr-Lernmedien › Mediendidaktische Integration › Bewertungskriterien digitaler Medien › Digitalisierung Einleitung Aktuelle Studien, wie z. B. der branchenübergreifende Digitalisierungsindex1 der Telekom von 2018 (vgl. Telekom 2018, 3), die Studie von Gensicke et al. zur digitalen Mediennutzung in Betrieben (vgl. Gensicke et al. 2016) oder auch der Bericht zum Schwerpunktthema: Berufsbildung 4.0 im Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2019 (vgl. BIBB 2019, 428 ff.) deuten darauf hin, dass sich die digitale Transformation im Baugewerbe langsamer vollzieht, als das in anderen technischen, 1 Im Sommer 2018 wurden 2500 Klein- und Mittelbetriebe unterschiedlicher Branchen befragt. 1 | Kriterien zur Bewertung und Reflexion des digitalen Medieneinsatzes in der bautechnischen Berufsbildung 45 finanz- oder personenbezogenen Branchen der Fall ist. Ungeachtet dessen weist der Beitrag von Kölzer in diesem Band eindrucksvoll nach, dass die Digitalisierung in der Baubranche unaufhalt- sam und facettenreich voranschreitet. Die zur Umsetzung der Arbeits- und Geschäftsprozesse (Bauplanung, Baustellenlogistik, Bauausführung, Baudokumentation) genutzten digitalen Tech- nologien reichen u. a. von Augmented- und Virtuell-Reality-Anwendungen (AR/VR), Baurobotern, Drohnen, Digitaler Lasermesstechnik, 3D-Druck, cyberphysischen Systemen bis hin zum Baustel- len Informationsmanagement (BIM) (vgl. Kölzer 2019). Weiterhin sind mobile Medien, wie z. B. Smartphones, Tablets, Wearables (vgl. Kölzer/Ranke 2014; Syben 2017; Ludolph 2017) mittlerweile omnipräsente Begleiter, auch von Facharbeiter*innen. Ebenso bedeutsam sind langjährig etab- lierte CNC/CAD/CAM-Anwendungen und die zugehörigen CNC-gesteuerten Werkzeugmaschinen (vgl. Bach 2017, 9). Dieser prägnante Überblick verdeutlicht, dass digitale Technologien sowie die damit verbundenen digitalen Arbeits- und Geschäftsprozesse aktuell und zukünftig zentraler Ausbildungsinhalt in der Berufsbildung in der Bauwirtschaft sind bzw. sein werden, auch wenn die Ordnungsmittel diesbe- züglich Aktualisierungsbedarf haben. Ebenso wie die Facharbeiter*innen bzw. die Betriebe im Hoch-, Aus- und Tiefbau dazu aufgefordert sind, sich dem digitalen Wandel zu stellen und sich möglichst zeitnah die notwendigen Kompetenzen zur Umsetzung der digitalisierten Arbeits- und Geschäfts- prozesse durch Aus-, Fort- und Weiterbildung anzueignen, stehen Lehrkräfte und (über-)betriebliche Ausbilder*innen vor der Anforderung, die verfügbaren digitalen Lehr-Lernmedien, digitalen Techno- logien, Prozesse, Werkzeuge und Maschinen im Unterricht als Ausbildungsinhalt zu vermitteln und zur Verbesserung der Lehr-Lernprozesse in Bauberufen heranzuziehen. Vor diesem Hintergrund wird zunächst mithilfe des SAMR-Modells von Puentedura eine Stufenfolge zum kreativen Einsatz digitaler Medien in Lehr-Lernprozessen aufgezeigt. Es folgen dann ein Überblick und eine Charakterisierung der verfügbaren digitalen Medien für die bautechnische Berufsbildung und eine auszugsweise Berichterstattung über die Nutzung digitaler Medien in der Berufsbildung im Bauwesen. Daran schließen sich Ausführungen zu den Kriterien zur Reflexion der Ausgestaltung und zur didakti- schen Einbettung digitaler Medien in berufliche Lehr-Lernprozesse an. Der Beitrag endet mit einem kurzen Fazit und entsprechenden Handlungsempfehlungen. Stufenfolge zum kreativen Einsatz digitaler Medien in Lehr-Lernprozessen nach dem SAMR-Modell Die Bertelsmann-Studie Monitor Digitale Bildung: Berufliche Ausbildung im digitalen Zeitalter deutet darauf hin, dass Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen und auch betriebliche Ausbilder digitale Medien eher traditionell als innovativ in den Unterricht integriert haben (vgl. Schmid et al. 2016, 6). In dem Zusammenhang stellt sich die Frage, was unter einem innovativen Einsatz digitaler Medien zu verstehen ist. Hinsichtlich der Stufenfolge zum kreativen Einsatz digitaler Medien in Lehr-Lernpro- zessen ist aktuell das SAMR-Modell (siehe Abb. 2) von Puentedura viel zitiert worden und wird nun im Folgenden vorgestellt (Abb. 1). 46 Alexandra Bach Substitution = Ersatz Digitale Medien dienen als Ersatz für Beispiel: Schulbuch Lernfeld Bautechnik Grundstufe traditionelle Medien und beinhalten wird nicht als Printversion, sondern als eBook in der kaum funktionale Erweiterungen. Ausbildung genutzt. Augmentation = Erweiterung Digitale Medien dienen als Ersatz für Beispiel: Ein Mindmap wird nicht an der Metaplanwand traditionelle Medien mit funktionellen erstellt, sondern kollaborativ über Notebooks/Tablets z.B. Verbesserungen. mittels kollaborativer MindMapApp und über LMS zur Verfügung gestellt. Modification = Abwandlung Digitale Medien ermöglichen eine Beispiel: DaviD - Das virtuelle Digitalgebäude ermöglicht beträchtliche Neugestaltung der eine virtuelle Exkursion durch ein 3D-Hausmodell in Lehr-Lernprozesse. Holzrahmenbauweise inklusive Haustechnik. Aufgabenbe- zogen kann die Funktion der Haustechnik, der Baumateria- lien und Baukonstruktion durch ein Wiki-System durch die Auszubildenden selbstgesteuert nachvollzogen werden. Redefinition = Neudefinition Digitale Medien ermöglichen eine Beispiel: Augmented Reality Anw. ermöglichen arbeitsinteg- völlig neuartige Gestaltung von rierte Lehr-Lernformen durch Zusatzinformationen (z.B. Lehr-Lernprozessen. Schritte eines Wartungsprozesses inkl. Sach- und Reflexions- wissen), die über mobile Medien - z.B. an einer Heizanlage (Projekt ArsuL) - in einer realen betr. Handlungs-/Problemlö- sesituation abgerufen werden können. Abb. 1: SAMR-Modell nach Puentedura (modifizierte eigene Darstellung, basierend auf Heinen/Kerres 2015, 20) Das SAMR-Modell zeigt sehr anschaulich, dass in der ersten Stufe, der Substitution (S), digitale Me- dien lediglich als Ersatz für traditionelle Medien genutzt werden, z. B. dann, wenn das Schulbuch zu den Lernfeldern in der Grundstufe Bautechnik digital anstatt als Printversion zur Verfügung gestellt wird. Das hat noch nichts mit Innovation zu tun und es resultieren noch keine bzw. nur wenige erkennbare Vorteile aus dem digitalen Medieneinsatz. 1 | Kriterien zur Bewertung und Reflexion des digitalen Medieneinsatzes in der bautechnischen Berufsbildung 47 In der zweiten Stufe, der Augmentation (A), werden traditionelle Medien ebenfalls ersetzt, der Einsatz digitaler Medien ist jedoch mit einer funktionalen Erweiterung verbunden. So kann im Klassenver- band z. B. auch eine Mindmap über die Planung von Putzarbeiten auf einer Metaplanwand im Klas- senverband erstellt werden oder die Mindmap kann von den Auszubildenden kollaborativ mithilfe der internetbasierten Software MindMaster erstellt werden, die dann z. B. in einem Learning-Manage- ment-System, wie Moodle oder Ilias, allen zur Verfügung steht und weiterbearbeitet werden kann. In der dritten Stufe, der Modification (M), ermöglichen digitale Medien zu einem hohen Grad eine Neuentwicklung von Lehr-Lernprozessen, wie das u. a. bei DaviD, dem virtuellen Digitalgebäude, der Fall ist. Hier können Auszubildende virtuell das in Holzrahmenbauweise gefertigte Haus durchschrei- ten und sich u. a. mit der Konstruktion, den Materialien, der Funktionsweise und der Haustechnik auseinandersetzen (vgl. Mahrin 2017, 8 und 2018, 15–18). Die virtuelle Lernumgebung wird durch ein Aufgaben- und ein Wiki-System gestützt. Eine solche Vorgehensweise wäre sonst nur in einem realen Technik-Bildungshaus möglich (wie z. B. an der Radko-Stöckl-Schule errichtet: „Der reale Baukörper wird zum Lehrkörper für Schulungszwecke von regionalen Fachkräften, an dem anschaulich das Gebäude als energetisches Gesamtsystem verstanden wird und jede Fachkraft die Bedeutung des eigenen Handelns innerhalb des energetischen Gesamtsanierungssystems verstehen lernt. Durch die lückenlose Dokumentation während der Umsetzungsphase werden zusätzlich alle erforderlichen Arbeitsschritte für eine erfolgreiche energetische Sanierung nachhaltig für die Aus- und Weiterbil- dung von Fachkräften aufbereitet und gesichert.” (Burchart/Frankenfeld 2013, 2). DaviD ersetzt das Erleben von realen Technik-Bildungshäusern teilweise und ermöglicht in deutlich höherem Maße das Hinterlegen von Zusatzinformationen und den Nachvollzug der Konstruktion des Gebäudes, beispielsweise durch Offenlegung von Wand- oder Dachkonstruktionen. Haptische Eindrücke fehlen jedoch in der Simulation. Die vierte Stufe, die Redefinition (R), bedeutet, dass durch digitale Medien völlig neuartig ausgestal- tete Lehr-Lernprozesse entstehen, wie es z. B. durch Augmented Reality Anwendungen der Fall ist. So bekommen beispielsweise im Projekt Fahrleitsystem 4.0 Baumaschinenführer*innen mittels AR-Datenbrille Geländeinformationen ins Sichtfeld eingeblendet und Informationen zur Umsetzung ihres aktuellen Arbeitsprozesses, z. B. beim Ausschachten einer Baugrube die grafische Information, wie tief noch gegraben werden muss und wo der Radius des Baggerarms endet. „Der Geräteführer der Zukunft hat nicht nur ständig alle benötigen Informationen im Zugriff, sondern kann sich diese auch mittels Datenbrille direkt in das Baufeld vor ihm projizieren lassen – und zwar nicht nur in Echtzeit, sondern auch in 3D.” (ABZ 2019). Auch im Projekt ARSuL (Augmented Reality Support und Lernen) wird Fachhandwerker*innen digitale Unterstützung bei der Wartung oder der Reparatur von Heizgeräten geboten. „Hier werden über Datenbrillen die jeweils nächsten Arbeitsschritte eingeblen- det, relevante Bauteile markiert und Zusatzinformationen aus dem Betriebs- und Montagehandbuch dargestellt. Dabei kommuniziert die Datenbrille zum Beispiel mit einem (...) Server, auf dem alle notwendigen Daten hinterlegt sind, oder einem erfahrenen Mitarbeiter des eigenen Fachhandwerks- betriebs. Dieser kann dem Kollegen vor Ort präzise Empfehlungen geben” (Vaillant 2019). Lernen verschmilzt somit mit der ausgeübten Facharbeit. Diese Technologien können auch für schulische Lernprozesse in der beruflichen Bildung genutzt werden, um Sach-, Prozess- und Reflexionswissen in geeigneter Weise miteinander zu verzahnen. 48 Alexandra Bach Puentedura, der das SAMR-Modell entwickelt hat, geht von der Grundannahme aus, dass die Quali- tät und der pädagogische Nutzen des digitalen Medieneinsatzes mit dem Stufenaufstieg zunehmen (vgl. Heinen/Kerres 2015, 21). Dazu kann es jedoch deshalb keinen Automatismus geben, da die Wirksamkeit von Medienangeboten in Abhängigkeit u. a. vom domänenspezifischen Vorwissen der Lernenden, ihren verfügbaren Lernstrategien, ihrer Intelligenz sowie Motivation und Volition (vgl. Helmke 2014, 71) gestaltet werden muss. Darüber hinaus ist die Einbettung in adaptive Unterrichts- konzepte von entscheidender Bedeutung (vgl. Bach 2018, 163). Dennoch kann das SAMR-Modell dazu beitragen, dass Lehrende die Anwendung digitaler Technologien im Unterricht mittels der definierten Stufen reflektieren und dazu motiviert werden, eine innovative digitale Mediennutzung zu realisieren. Aktuell wird jedenfalls von der Bertelsmann-Stiftung bemängelt, dass eine innova- tive Nutzung digitaler Medien an berufsbildenden Schulen noch in zu geringem Maße stattfindet und demnach wertvolles didaktisches Potenzial verloren geht. Bevor jedoch auf diesen Aspekt im Überblick eingegangen wird, wird eine Kategorisierung analoger und digitaler Lehr-/Lernmedien vor- genommen, die für die Berufsbildung in der Bauwirtschaft zur Verfügung stehen. Denn diese Basis ist unerlässlich, um das Nutzungsverhalten der Lehrkräfte und auch Ausbilder*innen reflektieren zu können. Spektrum digitaler Medien zur Umsetzung bautechnischer Lehr-Lernprozesse Abb. 2 zeigt ein breites Spektrum an analogen und digitalen Medien, welche für die Berufsbildung im Bauwesen zur Verfügung stehen. In der Bertelsmann-Studie wird die Unübersichtlichkeit der di- gitalen Medien und Materialien von den Lehrkräften und Ausbilder*innen als ein deutliches Hemm- nis der digitalen Mediennutzung bemängelt (vgl. Schmidt et al. 2016, 20). Vor diesem Hintergrund vermittelt Abb. 2 einen nachvollziehbaren Überblick über die verfügbaren digitalen und analogen Medien zur Ausgestaltung bautechnischer Lehr-/Lernprozesse. Eine vollständig konsistente Medien- klassifikation ist jedoch nicht möglich und wurde bisher auch deshalb von keinem*keiner Autor*in vorgelegt, da die Medien sich ständig wandeln, unterschiedliche Medienformate miteinander verschmelzen und die Klassifikationen aus unterschiedlichen Perspektiven vorgenommen werden, z. B. Realitätsnähe, Einsatzgebiet bzw. Funktion im Lehr-Lernprozess, angesprochener Sinneskanal, technische Basis usw. (vgl. Bach 2018, 159). Im Folgenden werden die einzelnen Kategorien im Über- blick skizziert. Zu 1. und 2.: Als Realien werden digitale oder analoge Objekte, wie Maschinen, Werkzeuge, Messge- räte, branchenspezifische Software und Materialien definiert, die im Betrieb im Arbeitseinsatz sind bzw. dort hergestellt wurden. Da digitale Technologien ebenso zur Umsetzung von Arbeitsprozes- sen als Werkzeuge genutzt werden, wie Hammer und Stemmeisen, sind diese ebenfalls als Realien einzustufen. Vor allem in schuleigenen oder (über-)betrieblichen Werkstätten dienen Realien zur Umsetzung von problem- und handlungsorientiertem Lernfeldunterricht, der sich an betrieblichen Anforderungs- und Handlungsfeldern orientiert (vgl. Tenberg/Bach/Pittich 2019, 104). 1 | Kriterien zur Bewertung und Reflexion des digitalen Medieneinsatzes in der bautechnischen Berufsbildung 49 1 Analoge Realien 2 Digitale bzw. Technische Lehr-Lernsoftware technikbasierte 3 Lernumgebungen 4 und Assistenz- Realien und -systeme systeme Materialien: z. B. Werk- Werkzeugmaschinen: Technische Projekthäuser Simulationssoftware stoffe, Verbindungsmittel, manuell oder CNC gesteu- als Modell z. B. Technikhaus und Virtuell Reality und Verbundwerkstoffe, .... ert, Bauroboter, Drohnen Energie+ Serious Games: z. B. und 3D Druck am Bau David, das virtuelle Digitalgebäude, Digitaler Werkzeuge und analoge Übungsbaustellen Maschinenkurs Bubiza, Messgeräte: Hobel, Kelle, Branchenspezifische Serena Supergreen, ... Säge, Lot, Meterstab .... Arbeitssoftware: z. B. CAD, CAM, Verschnittsoftware Experimentelle und Building Information Versuchsanordnungen Augmented und Mixed Produkte und Bauwerke: Modeling (z. B. zur Materialkunde) Reality Anwendungen: Mauerwerksverbände, Holz- z. B. Fahrleitsystem 4.0 oder verbindungen, Möbel, Wär- Technische Lernsysteme Projekt ARSul medämmverbundsystem Messgeräte digital: z. B. Laser-Distanzmesser bzw. z. B. zur Gebäudetechnik Scanner (3D und 2D), (Intelligente) tutorielle Reale Schäden am Bau .... Feuchtemessgerät, Systeme d.h. Lern- und usw. Wärmededektoren etc. Übungsprogramme: z. B. Onlinetrainer Maurer*in Mobile Arbeitsmedien - Hardware: z. B. Smart- Übungsprogramme und phone, Tablet, Laptop, Apps: z. B. HolzTraining der Datenbrillen und sonstige Zimmermann, Verputzen Wearables und Standard- von Wänden software z. B. zur Tabellen- kalkulation, Textverarbei- tung ... 5 Autorenwerkzeuge (Digitale) audiovisu- Internet- und (Digitale) Print- zur Erstellung digita- 6 elle Medien sowie 7 netzwerkbasierte 8 und Präsentations- ler Lehr-Lernmedien Hard- und Software digitale Medien medien Bildbearbeitung und Videoproduktionen: z. B. Learning Management (digitale) Schulbücher, Bildmanagement: z. B. reale oder animierte Systeme: z. B. Moodle, Tabellenbücher, Fachzeit- Fast Stone Image Viewer, (Erklär-)Film, Video, Ilias, ... schriften, .... Irafn Viewer, Gimp, Screencast, ... Paint.NET, ... ePortfoliosysteme: z. B. (digitale) Technische Audioproduktionen: z. B. Mahara, Onlineberichtsheft Zeichnungen, Schaltpläne... Audioaufnahme und Podcast, MP3 z. B. BLok und (digitale) Materialien: -bearbeitung: z. B. Kompetenzraster, Audacity, Nero WaveEditor, Checklisten, Aufgaben und ... Expertenportale: z. B. Musterlösungen, usw. Video- und Audio-Hard- foraus.de, Video- und Foto- ware: z. B. (digitale) portale: z. B. Youtube, Flickr Video-/Diashow-Bearbei- Kamera, Monitor, Fernseher, Präsentationssoftware: tung und Screencasting: Aufnahmegeräte, Radio ... Kollaborative Software: z. B. PowerPoint, Prezi, ...z. B. Camtasia, Mysimpleshow, MyWindows z. B. Mindmaster, Movie Maker, DaVinci Google Docs, ... Prästentationshardware: Resolve, ... (Digitale-)Tafel, Dokumen- tenkamera, Metaplanwand, Beamer, Flipchart .... Multifunktionelle Autorenysteme: z. B. H5P, Articulate, Hot Potatoes, My Book Machine, Master Tool, Mediator, eXe Learning, ... Abb. 2: Medienspektrum zum Einsatz in bautechnischen Lehr-/Lernprozessen (eigene, weiterentwickelte Darstellung) 50 Alexandra Bach Zu 3.: Technische Lernumgebungen und Lernsysteme intendieren, möglichst authentische und praxisorientierte Lerngelegenheiten zu realisieren, indem theoretisches und praktisches Lernen für die berufliche Bildung in geeigneter Weise miteinander verzahnt werden (vgl. Lach 2016, 286). Im Gegensatz zu den Realien sind diese jedoch didaktisch aufbereitet, z. B. durch eine Variation an vorgegebenen Lernwegen, und didaktisch reduziert. Darüber hinaus steht in der Regel ein Spekt- rum an Begleitmaterialien, wie Lernaufgaben, Kompetenzraster, Lehr-Lernsoftware, Bücher etc. zur Verfügung (vgl. Bach 2017, 161). Herausfordernd bei dem Einsatz von Realien und technischen Lernumgebungen/Lernsystemen sind die hohen zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Aufwände bei einer umfassenden Implementierung der Technik in den beruflichen Unterricht. Wenn z. B. die Anschaffung von realen Maschinen zu kostspielig ist, kann diese teilweise durch den Einsatz von digitalen Medien bzw. Lehr-Lernsoftware kompensiert werden. Sie ermöglichen dann Sekundärerfahrungen von unter- schiedlicher Realitätsnähe, wenn primäre Erfahrungen in realen Situationen nicht möglich sind (vgl. Tulodziecki/Herzig 2010, 15 ff.). Zu 4.: Es existieren unterschiedliche Varianten von Lehr-Lernsoftware: a) Übungsprogramme sind hierbei die einfachsten Varianten. Sie vermitteln kein Wissen, sondern fragen lediglich Fachwissen zum Zweck der Lernzielkontrolle und des unmittelbaren Feedbacks durch unterschiedliche, wenig komplexe Aufgabenformaten ab, z. B. Multiple Choice, Zuordnungsaufgaben, Lückentexte etc. Holztraining Zimmermann oder DDH Dachtraining sind hier als Beispielanwendun- gen zu nennen (vgl. Petko 2014, 67). Es wird davon ausgegangen, dass das Wissen anderweitig, z. B. im Unterricht oder über Fachliteratur, erworben wurde, ebenso benötigt man zum Lernen, z. B. beim Onlinetraining zu unterschiedlichen Bauberufen oder ein passendes Schulbuch als Arbeitsgrundlage. b) Tutorielle Lehr-Lernprogramme (Tutorials) beinhalten zusätzlich zu den Übungssequenzen kurze Informationseinheiten. Der Lernerfolg wird nach jedem Lernabschnitt überprüft. Aktuelle Pro- grammvarianten werden durch digitale Animationen, komplexere Aufgabenformate, Wikis oder auch kleinere Simulationen lernförderlicher ausgestaltet. Für metall-, Kraftfahrzeug- und elektrotechni- sche Ausbildungsberufe steht hierzu ein relativ breites Angebot an tutoriellen Lehr-Lernprogrammen durch die einschlägigen Lehrmittelhersteller zur Verfügung. Häufig können diese mit technischen Lernsystemen, z. B. dem Gebäude-System-Trainer, kombiniert werden. Für bautechnische Berufe liegen kaum Angebote vor. Verfügbare Software von beruflich orientierten Schulbuchverlagen, wie z. B. HT go, lässt sich eher in die Kategorie Übungsprogramm einordnen. Ein interessantes Beispiel – das jedoch lediglich einen Teil des bautechnischen Lernfelds 6 „Beschichten und Bekleiden eines Bauteils” abdeckt – stellt z. B. die Lern-App „Verputzen von Wänden" (ModernLearning o. J.) dar. Sie bietet text-, bild- und videobasierte Informationseinheiten an, die sowohl fachsystematisch als auch handlungssystematisch dargeboten werden und somit multimedial den Erwerb von Sach-, Pro- zess- und Reflexionswissen ermöglichen. Die Lernerfolgsüberprüfung erfolgt dann durch Übungs- aufgaben. In der Regel ist mit diesen Programmen eher rezipierendes Lernen von Sachwissen oder Standardprozesswissen möglich. Der Vollzug komplexer Problemlöseprozesse durch Lernende wird durch diese Programme nicht intendiert (vgl. Kerres 2018, 7). 1 | Kriterien zur Bewertung und Reflexion des digitalen Medieneinsatzes in der bautechnischen Berufsbildung 51 Abb. 3: Effektstärken zur lernförderlichen Wirkung von digitalen Medien (eigene Darstellung, basierend auf Hillmayr et al. 2018). Moderne intelligente tutorielle Programme diagnostizieren zusätzlich – zu den oben beschriebenen Funktionsumfängen von regulären tutoriellen Programmen – das Lernverhalten, die Kompetenz- entwicklung bzw. Fehler der Nutzer*innen und adaptieren daraufhin ihr weiteres Lernangebot, z. B. im Hinblick auf Schwierigkeitsgrad, Themenwahl etc. (vgl. Kerres 2018, 157). Eine aktuelle, sehr sorgfältig durchgeführte empirische Metaanalyse zur Wirksamkeit digitaler Medien in technisch-naturwissenschaftlichen Unterricht der Sekundarstufe II (MINT) belegt klar, dass sich der Einsatz digitaler Medien im Vergleich zu Unterricht ohne Einsatz des jeweiligen digitalen Mediums lern- und motivationsförderlicher auswirkt (vgl. Hillmayr et al. 2018). In dieser Metaanalyse wurden 79 (quasi-)experimentelle Studien, die zwischen 2000 und 2016 veröffentlicht wurden, analysiert und die Effektstärken zur Wirksamkeit unterschiedlicher digitaler Programmtypen studienübergreifend berechnet (vgl. Bach et al. 2019, 12). Ein Ergebnis der Metaanalyse lautet, dass sich intelligente tutorielle Programme mit einer Effektstärke von d=0,89* deutlich lernförderlicher auswirken als tutorielle Programme mit einer Effektstärke von d=0,55*, die sich nicht an das Lernverhalten und die Lernergebnisse der Nutzer*innen anpassen.2 2 Effektstärken von 0.1–0.3 werden als weniger wirksam, von 0.3–0.5 als moderat wirksam, von 0.5–0.8 als deutlich wirksam und ab 0.8 als sehr stark wirksam im Vergleich zur traditionell unterrichteten Kontrollgruppe eingestuft (vgl. Kerres 2018, S. 91) 52 Alexandra Bach c) Wie die Studie von Hillmayr et al. belegt, erwiesen sich auch Simulationen – mit Effektstärken von d=0,62 und d=0,89 – als mittel bis stark lernwirksam im Vergleich zu traditionellen Lehr-Lernsettings. Simulationen ermöglichen es u. a., virtuell mit komplexen technischen Systemen zu interagieren und damit authentische Problemlöse- und Arbeitsprozesse zu simulieren (vgl. Petko 2014, 69). Durch das virtuelle Verändern von Variablen können zudem technische Ursache-Wirkmechanismen von physikalischen Prozessen wie die Funktionsweisen von Maschinen und Gebäudetechnik nach- vollzogen werden. Kostengünstige, kontrollierte, gefahrlose und realitätsnahe Lehr-Lernprozesse werden so in der beruflichen Bildung ermöglicht (vgl. Bach 2017, 162). Ebenso können ökologische Planspiele, z. B. zur Klimaentwicklung, die Auswirkungen des menschlichen Handelns auf zukünftige Generationen erlebbar machen. Der virtuelle Maschinenkurs des Bundesbildungszentrums für Zimmerer Bubiza – ausführlich be- schrieben von Schopbach in diesem Band – ist in diese Kategorie „komplexe technische Systeme” einzuordnen. Weitere Beispiele sind z. B. das virtuelle Simulieren einer CNC-Fräsbearbeitung zur Kontrolle der Programmierung des/der Lernenden. Fehler im Programm können so im Vorfeld er- kannt und kostspielige Kollisionen vermieden werden. Ebenso bieten Hersteller didaktisch reduzier- te bzw. unterstützte Software an, welche das Programmieren im grafischen Dialog bereitstellen und auch eine zeitnahe Simulation der Programmierung ermöglichen (vgl. Schütte/Mansfeld 2013, 304). Studien zur Lernwirksamkeit von AR-Anwendungen (vgl. Sirakaya/Kilic Cakmak 2018) deuten eben- falls darauf hin, dass sich hier positive lernförderliche Effekte verzeichnen lassen; dazu ist jedoch noch weitere Forschung notwendig. Die Kategorien 6 (Digitale) audio-visuelle Hard- und Software sowie 8 (Digitale) Print- und Präsentati- onsmedien (vgl. Abb. 2) sind gute Beispiele dafür, wie digitale Medien ohne nennenswert erweiterten Funktionsumfang anstelle von traditionellen Medien eingesetzt werden, d. h. als Stufe der Subs- titution (vgl. Abb. 1). Printmedien und digitalisierte Printmedien fallen darunter und anstelle von Overheadprojektoren werden beispielsweise Dokumentenkameras genutzt. Trotz der zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaft haben Printprodukte, wie Schul- und Tabellenbücher, weiterhin ihre gleichberechtigte Bedeutung im Lehr-Lernprozess und werden auch die digitale Informations- vermittlung weiterhin sinnvoll ergänzen (vgl. Peters et al. 2017, 31). Ebenso verhält es sich mit der digitalen Videografie. Seit mehreren Jahrzehnten erfolgen Aufnah- me-, Speicher- und Abspielprozesse digital, heute häufig über die allzeit verfügbaren Smartphones. Hierbei entstehen zunächst noch keine besonders großen funktionalen Veränderungen für den Lehr-Lernprozess. Diese ergeben sich erst durch die Bereitstellung der Videos in sozialen Netzwer- ken, Learning-Management-Systemen oder durch die Möglichkeit, mithilfe von Autor*innenwerk- zeugen selbst relativ einfach digitale Aufgaben, interaktive Informationsmedien oder auch Lernpro- gramme zu generieren (siehe Kategorie 5). Durch Smartphones und Tablets wird es möglich, die Dokumentation und nachträgliche Kommentierung von Bauausführungen ohne großen Aufwand im Prozess der Arbeit durchzuführen. Diese Aufzeichnungen können für Lern- und Reflexionsprozesse sowie Lernerfolgskontrolle und Zertifizierung an allen Lernorten der beruflichen Bildung im Zuge der Lernortkooperation genutzt werden, wie es z. B. Schöllkopf/Falk in diesem Band darlegen. Darüber hinaus steht ein großer Fundus an Erklärvideos, beispielsweise zur Bauphysik, zu bautechnischen 1 | Kriterien zur Bewertung und Reflexion des digitalen Medieneinsatzes in der bautechnischen Berufsbildung 53 Arbeitsprozessen, wie z. B. dem Mauern, dem Verputzen, dem Trockenbau, der Dämmung von Wän- den etc. auf Videoplattformen zur Verfügung. Die Qualität der Videos und ihre situationsspezifische Eignung müssen natürlich vor dem Einsatz überprüft werden. Bei positiver Einschätzung ist es relativ einfach, die Videos gewinnbringend in Lehr-Lernprozesse oder in Learning-Management-Systeme zu integrieren und mit Aufgaben und Zusatzinformationen didaktisch anzureichern. Die in Kategorie 7 aufgeführten Learning-Management-Systeme (LMS) eröffnen eine passwortgeschütz- te, über das Internet erreichbare virtuelle Lernumgebung. Sie bieten Funktionalitäten, wie Material- und Informationsaustausch und -bereitstellung (z. B. Videos, digitale Texte, etc.) und synchrone (Chat) und asynchrone (Mail, Foren) Kommunikation, Rollen- und Gruppenzuweisung, Autor*innensoftware für die Erstellung eigener virtueller Lernangebote (Wiki, Lückentext, etc.), Lernstandsüberprüfung (vgl. Bach 2017, 162). Ein Beispiel für solche LMS sind Moodle oder Ilias. Hierbei können auch ePortfolio- systeme wie Mahara integriert werden, welche die virtuelle Sammlung, Publikation, Veröffentlichung und Bewertung von Kurs-, Lern- und Handlungsprodukten der Lernenden ermöglichen (vgl. Arnold et al. 2013, 266 ff.). LMS und ePortfoliosysteme haben sich als wichtige Werkzeuge zur Unterstützung der Kommunikation im Klassenverband und zur Unterstützung eines individuell selbstgesteuerten Lernens der Auszubildenden/Schüler*innen durch die Lehrkräfte und Ausbilder*innen erwiesen. Das World Wide Web (WWW) bietet zudem eine unüberschaubare Vielfalt an Lern- und Informationsangeboten, wie beispielsweise die Möglichkeit, mit Experten, Gleichgesinnten und anderen am Themenfeld Inte- ressierten zu diskutieren oder kollaborativ zusammenzuarbeiten, sei es über Videoportale, Internet- foren, Blogs, virtuelle soziale Netzwerke etc. (vgl. Kerres 2018, 20 ff.). Diese Möglichkeiten können von Lehrkräften und betrieblichen Ausbilder*innen in Kooperation vorselektiert und im Rahmen des LMS den Auszubildenden zur Verfügung gestellt werden. Für die Baubranche gibt es dazu z. B. onlineportal- basierte Angebote, wie z. B. Lehmbau-Atlas, Baunetz-Wissen, das Baulexikon usw. (vgl. Kompetenznetz- werk Bau- und Energie). Eine weitere Chance zur Vernetzung und Lernortkooperation bietet z. B. auch das Onlineberichtsheft BLoK, welches Auszubildenden ermöglicht, ihre Berichtshefte online zu führen und diese von Lehrkräften und Ausbilder*innen kommentieren zu lassen. Im Hinblick auf die Frage, welche Lehr-Lernsoftware bzw. welche weiteren digitalen Medien für die Unterstützung von Lehr-Lernprozessen in der Berufsbildung im Bauwesen zur Verfügung stehen, bil- det die Homepage des Kompetenznetzwerks Bau- und Energie (https://www.komzet-netzwerk-bau. de/) einen guten Ausgangspunkt. Hier ist seit 2018 eine Datenbank mit verfügbaren digitalen Lern- medien zur Berufsbildung im Bauwesen veröffentlicht (vgl. Beitrag von Mahrin in diesem Band). Eine erste Analyse zeigt jedoch auch, dass noch ein großes Entwicklungspotenzial für digitale Lehr-Lern- medien in der Berufsbildung im Bauwesen besteht. Von den 118 gelisteten digitalen Medien gibt es – abgesehen von den aktuell entwickelten Leuchtturmprojekten DaviD bzw. dem virtuellen Maschi- nenkurs des Bubiza – kaum Simulationen, intelligente tutorielle Lernprogramme bzw. Programme, die einen ganzen Bildungsgang abdecken. Auch die Recherche bei den bekannten etablierten Lehrmittelanbietern führte zu keinem überzeugenden Ergebnis. Hier gibt es noch viel Entwicklungs- arbeit zu leisten. Das zeigt, wie wichtig und relevant die aktuell durchgeführten BMBF-Projekte wie MELINDA sind. Durch sie wird die Digitalisierung der beruflichen Bildung im Bauwesen deutlich unterstützt und Innovation ermöglicht. Dies und auch das Anschlussprojekt DigiBAU sind von besonderer Relevanz, um hier das Angebot zu erweitern, damit Lehrkräfte und Ausbilder*innen auf 54 Alexandra Bach attraktive Lehr-Lernmedien und erprobte Lehr-Lernkonzepte zugreifen können und sich dazu in die Lage versetzt sehen, digitale Medien gewinnbringend, innovativ und zukunftsweisend in die berufli- che Erstausbildung in Bauberufen zu implementieren. Die aktuelle Datenlage deutet darauf hin, dass dies aktuell noch nicht im wünschenswerten Umfang der Fall ist. Mediennutzung an gewerblich-technischen Berufsschulen in Deutschland und in der betrieblichen Bildung Das Problem bei der Analyse zum Grad der digitalen Mediennutzung in der beruflichen Bildung be- steht darin, dass nur wenige theoretisch fundierte Studien vorliegen, die als repräsentativ einzustu- fen sind und sich mit dem Medieneinsatz an berufsbildenden Schulen beschäftigen. Im Gegensatz dazu werden die Mediennutzung und der Medienkompetenzerwerb an allgemeinbildenden Schulen alle fünf Jahre durch die International Computer and Information Literacy Study (ICILS) beforscht. Manchmal erscheint es, als ob es der Bildungspolitik nicht wichtig genug erscheint, auch repräsen- tative Studien zur Digitalisierung an berufsbildenden Schulen zu finanzieren bzw. auszuschreiben, obwohl die Bedeutung der beruflichen Bildung für die Gesellschaft immer betont wird. Studien in dem Bereich sind auch ein komplexes Unterfangen, da die digitale Mediennutzung domänenspe- zifisch unterschiedlich gestaltet werden muss und sich das auch in den Erhebungsinstrumenten widerspiegeln und zumindest eine nach beruflichen Fachrichtungen differenzierte Auswertung der Ergebnisse erfolgen muss. Abb. 4: Einsatzhäufigkeit und -varianten digitaler Medien in Lehr-Lernprozessen durch gewerblich-technische Lehr- kräfte (n= 113) (eigene Darstellung nach Sekundärauswertung) 1 | Kriterien zur Bewertung und Reflexion des digitalen Medieneinsatzes in der bautechnischen Berufsbildung 55 Ein kleiner Lichtblick in den letzten Jahren war diesbezüglich die die bereits genannte Bertels- mann-Studie Monitor Digitale Bildung: Berufliche Ausbildung im digitalen Zeitalter (vgl. Schmidt et al. 2016). In dieser Studie wurden u. a. 113 gewerblich-technische Lehrkräfte und 200 Ausbilder*in- nen zu ihrer digitalen Mediennutzung befragt. Es wurden auch kaufmännisch-verwaltende Lehrkräf- te zu ihrem Nutzungsverhalten befragt, die Abb. 4 bezieht sich jedoch lediglich auf die Antworten der gewerblich-technischen Lehrkräfte. Die Forschungsdaten stehen als SPSS-Datei öffentlich zur Verfügung und können für Sekundäranalysen genutzt werden. Die Daten zeigen, und das wird auch im Bericht der Bertelsmann-Stiftung kritisiert, dass die digitalen Medien von den Befragungsteilnehmer*innen in einem hohen Maß die traditionellen Medien ersetzend (Stufe 1: Substitution des SAMR-Modells) genutzt werden (vgl. Schmidt et al. 2016, 14). 91 Prozent der gewerblich-technischen Lehrkräfte nutzen digitale Texte und E-Books im Unterricht, 87 Prozent nutzen Lernvideos oder Präsentationstools, um Fachvorträge frontal zu unterstützen, und die Internetrecher- che ist bei 98 Prozent eine gängige Methode. Demgegenüber werden laut Schmidt et al. Lehr-Lernme- thoden, die eine selbstständige Nutzung von digitalen Medien vorsehen, weniger häufig umgesetzt. Dieser Aussage steht entgegen, dass immerhin 85 Prozent der gewerblich-technischen Lehrkräfte angeben, mithilfe digitaler Medien Projektarbeit umzusetzen und dass 81 Prozent angeben, dass nach einer Einweisung die Schüler*innen eigenständig an Maschinen bzw. Software arbeiten. Eine eigene Medienproduktion der Schüler*innen wird nur von 26 Prozent der Lehrkräfte im Unterricht angeleitet und Lehr-Lernprogramme werden von 50 Prozent der gewerblich-technischen Lehrkräfte nicht genutzt. Wenn jedoch – wie bis vor Kurzem – kaum passende Lehr-Lernprogramme zur Ergänzung beruflicher Lernfelder vorlagen bzw. den Lehrkräften zugänglich sind oder hohe Kosten durch die Nutzung entste- hen, werden reduzierte Nutzungsquoten nachvollziehbar. Problematischer erscheint jedoch, dass Lernmanagementsysteme von Lehrkräften und Ausbilder*innen wenig genutzt werden, lediglich 39 Prozent der gewerblich-technischen Lehrkräfte nutzen diese häufig oder gelegentlich. Analog dazu wird im Rahmen der Studie festgestellt, dass „Lernmanagementsysteme (...) in Ausbildungsbetrieben kaum verwendet [werden].” (Schmidt et al. 2016, 31). Das verringert die Möglichkeit, beispielsweise über LMS die Lernortkooperation im Dualen System voranzubringen. Auch die Nutzung digitaler Medien als Werkzeuge für die schüler*innenbezogene Medienproduktion – z. B. im Sinne von Schöllkopf und Falk in diesem Band – und die flankierende Portfolioarbeit dazu könnten stärker genutzt werden, um die Lern- und Arbeitsprozesse in der beruflichen Bildung künftig stärker miteinander zu verknüpfen und eine medienvermittelte Lernortkooperation zu realisieren. Zusammenfassend kann resümiert werden, dass bezüglich des digitalen Medieneinsatzes an berufsbildenden Schulen und in Ausbildungsbetrieben noch Entwicklungspotenzial vorliegt und weitere empirische Daten innerhalb der Berufsbildung im Bauwesen erhoben werden müssen, damit spezifische Aussagen getroffen werden können. Die Ursachen für eine eingeschränkte digitale Mediennutzung sind vielfältig und gut erforscht. Zu nennen und empirisch nachgewiesen sind hier- bei u. a. Faktoren, wie Probleme mit der Technik im Unterricht und fehlender Support, mangelnde Verfügbarkeit von Technik im Unterricht, mangelnde medien(pädagogische) Kompetenzen des Be- rufsbildungspersonals, fehlende Good-Practice-Beispiele, Unsicherheit hinsichtlich des Mehrwerts der digitalen Mediennutzung und hoher Aufwand der digitalen Mediennutzung, hohe Lizenzkosten 56 Alexandra Bach für qualitativ hochwertige Produkte. Eine ausführliche zusammenfassende Analyse des Stands der Forschung zu den Hemmnissen und Gelingensbedingungen der digitalen Mediennutzung in der beruflichen Bildung kann bei Bach 2016 nachgelesen werden. Im folgenden Abschnitt wird der Frage nachgegangen, wie sich ein gewinnbringender didaktischer Einsatz digitaler Medien im beruflichen Unterricht gestalten lässt. Welche Medienmerkmale und didaktischen Konzepte sind relevant? Welche Bewertungskriterien können zugrunde gelegt werden? Es greift zu kurz, zu postulieren, der Einsatz digitaler Medien habe schüler*innenzentriert zu erfolgen. Es ist eine ganzheitliche Betrachtung der Charakteristika beruflicher Bildungsgänge notwendig, die alle relevanten Kontextfaktoren mit in den Blick nimmt. 1 Beurteilungskriterien, 2 Beurteilungskriterien, ab- 3 Beruteilungskriterien, abgeleitet aus geleitet aus der pädago- abgeleitet aus der curricularen und gisch-empirischen Unter- Mediendesignforschung gesetzlichen Vorgaben. richtsqualitätsforschung. Die verfügbaren (digitale) Die verfügbaren (digitale) Medien Die verfügbaren (digitale) Medien ... Medien unterstützen ... und/oder die Einbettung in berufliche Lehr-Lernprozesse gewährleisten ... 3a sprechen mindesten zwei 1a den Erwerb umfassender Sinneskanäle an (Mulitmoda- beruflicher Handlungskom- 2a dass die Aufgabenmenge litäteffekt) und die integrier- petenz und der Kompetenz, und -schwierigkeit, ten Videos, Bilder und Anima- selbstständig berufliche instruktionale Hilfestellung tionen werden mit auditiven Probleme zu lösen. an das Vorwissen und das Erklärungen kombiniert, nicht Leistungsvermögen der mit Text (Splitt-Attention-Ef- Lernenden angepasst werden fekt vermeiden). 1b den Erwerb eines aufeinander bezogenen Prozess-, Sach- und Reflexionswissens auch 2b Wiederholungen, sinnvolle beinhalten Text und in Lernortkooperation. Übungen und ein hoher 3b Bildelemente, die räumlich Anteil effizienter Lernzeit. und zeitlich zusammenhän- 1c gend dargeboten (Kontingui-die Herstellung eines Bezugs zu einem beruflichen Kontext, tätseffekt) werden. 2c dass die Lernziele und die einer Problemstellung oder Inhalte klar und kohärent einem Kundenauftrag. aufgebaut sind und neues Wissen tief, reflektiert und, 3c verzichten auf sachfremde bezogen auf das Vorwissen, Zusatzinformationen (Theorie 1d die Umsetzung von selbst- verarbeitet wird. der kognitiven Belastung) und gesteuerten, handlungs-, überflüssige Gestaltungsele- problem- und/oder projekt- mente (Kohärenzeffekt). orientierten Lehr-Lernpro- 2d Feedback über: a) Lernziele zessen. b) Strategien zur Aufgabenbe- wältigung, c) Stand der Aufga- 3d geben Hinweise darauf, welche benlösung, d) Selbstregulati- Darstellungen und Informatio- 1e die individuelle Unterstüt- on des Lernprozesses. nen insbesondere lernrelevant zung von Lernenden aufgrund sind (Signalisierungseffekt). von Merkmale, wie Vorwissen, Intelligenz, 2e unterschiedliche methodische ermöglichen es dem Lernen- sozialem und kulturellem Vorgehensweisen, mediale 3e Darstellungen, Aufgabenformate den, mit dem Medium zu Hintergrund, Behinderungen, und Motivierung der Lernenden. interagieren z. B. Eingaben zu Benachteiligungen... machen, Videos und Bilder zu konfigurieren, selbst Medien 2f kooperatives Lernen. zu produzieren etc. Abb. 5: Relevante Kriterien zur Beurteilung der Ausgestaltung und didaktischen Einbettung digitaler Medien in berufliche Lehr-Lernprozesse (eigene Darstellung) 1 | Kriterien zur Bewertung und Reflexion des digitalen Medieneinsatzes in der bautechnischen Berufsbildung 57 Kriterien zur Beurteilung der Ausgestaltung und didaktischen Ein- bettung digitaler Medien in berufliche Lehr-Lernprozesse Auf die Fragen, wie ein lernförderlicher Einsatz digitaler Medien zu gestalten bzw. in ein Unterrichts- konzept zu integrieren ist und über welche Merkmale digitale Medien verfügen sollen, damit sich ein erhöhter Lernerfolg einstellt, können keine pauschalen Antworten gegeben werden. Grundsätzlich sind u. a. insbesondere drei Begründungslinien relevant, die eine Beurteilung der Art und Weise der Medienintegration in Lehr-Lernprozesse und die Beurteilung der Medienmerkmale erlauben (siehe Abb. 5). Zu nennen sind hier 1) Beurteilungskriterien, welche sich aus curricularen und gesetzlichen Vorgaben in der beruflichen Bildung ableiten. Weiterhin sind gehören dazu 2) Beurteilungskriterien, welche sich aus der pädagogisch-empirischen Unterrichtsqualitätsforschung und auch 3) der empi- rischen Mediendesign-Forschung ableiten lassen. Zu 1) in Abb. 5: Bei der Beurteilung von Lehr-Lernsoftware und ihrer Einbindung in Unterrichtskon- zepte sind als Kriterien die curricularen und gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Zentral für die Berufsschule sind dies die Rahmenvereinbarung über die Berufsschule von 2015 (vgl. KMK 2015), die Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit den Ausbil- dungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe (vgl. KMK 2018) und natürlich die entsprechenden Rahmenlehrpläne für einzelne Ausbildungsberufe. Bekanntermaßen sind für die ausbildenden Betriebe das Berufsbildungsgesetz und die Ausbildungsordnungen ausschlagge- bend und für die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS) die Empfehlung zur Gestaltung und Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (vgl. BIBB 2002). 1a-b): In allen Verordnungen, Vereinbarungen, Empfehlungen und Gesetzen wird das Gesamtziel der Berufsausbildung betont, die Auszubildenden so zu fördern, dass sie eine umfassende Hand- lungskompetenz in ihrem Ausbildungsberuf, d. h. entsprechende Fach-, Selbst-, Sozialkompetenz im Kontext einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt, entwickeln (siehe Abb. 5 – 1a). Dabei sollen die Auszubildenden u. a. die notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, damit sie zum selbstständigen Handeln (Planen, Durchführen, Beurteilen) und berufli- chem Problemlösen befähigt werden (vgl. KMK 2015, 4 f.; BBiG 2017, §1 Abs. 3). Wichtig dabei ist auch (siehe Abb. 5 – 1b), dass im Zuge der Kompetenz- und Handlungsorientierung nicht nur Ar- beitsprozesswissen vermittelt wird, sondern auch das dazugehörige Sach- und Reflexionswissen. Denn nur dann, wenn korrekt vollzogene Handlungen auch kognitiv durchdrungen und verstan- den wurden – d. h. begründet, erklärt und reflektiert und Problemlösungen auf andere Kontexte übertragen werden können – kann tatsächlich von beruflicher Handlungskompetenz gesprochen werden (vgl. Tenberg/Bach/Pittich 2019, 130). Alle Lernorte der beruflichen Bildung erfüllen einen gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsauftrag, d. h. die Lernorte der Berufsausbildung erreichen das Ausbildungsziel nicht isoliert voneinander, sondern Berufsschule, Betrieb und überbetrieb- liche Bildungsstätten (ÜBS) haben den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, zusammenzuwirken und so weit wie möglich Lernortkooperation zu realisieren (vgl. BBiG 2017, §2 Abs. 2; KMK 2015, 2; BBiG 2002, 2). Das hat in der Vergangenheit zwar nicht optimal funktioniert (vgl. Euler 2004; Beicht 58 Alexandra Bach 2009), seit wenigen Jahren bieten jedoch z. B. LMS, Online-Berichtshefte, mobile Medien und Co. neue technische Möglichkeiten dazu, die zuvor nicht verfügbar waren. 1c-d): Damit das Ziel der umfassenden beruflichen Handlungskompetenz erreicht werden kann, wird an Berufsschulen seit den 1990er Jahren handlungsorientierter Unterricht propagiert (vgl. Tenberg/Bach/Pittich 2019, 14). Curricularen Rückhalt bekam das Ziel durch das Lernfeldkonzept, das seit 1996 in den beruflichen Rahmenlehrplänen manifestiert ist und die Ausgestaltung von Lernsituationen verlangt. Die Lernsituationen beinhalten eine problemhaltige Ausgangssituation aus betrieblichen (Prozess-)Zusammenhängen und damit verbundene problemhaltige Aufgaben, die z. B. in Form eines Kundenauftrags transportiert (z. B. ein Bauschaden muss saniert, ein Carport neu gebaut werden) (vgl. Emmermann/Fastenrath 2016, 45) und von den Auszubildenden handlungs- orientiert bearbeitet werden. Aufgrund des mittlerweile langjährig etablierten Lernfeldkonzeptes wird es leichter, im beruflichen Unterricht die Bezüge zu den betrieblichen Handlungsfeldern und Arbeitsprozessen herzustellen. Auch die Lernprozesse in den ÜBS sollen sich an „entsprechenden problemhaltigen Handlungssituationen der Praxis” orientieren und selbstgesteuerte Lernprozesse der Auszubildenden und handlungsorientierte Lehr-Lernprozesse realisieren (vgl. BiBB 2002, 2). Lernpsychologisch können diese für die berufliche Ausbildung geltenden Vorgaben dem gemäßig- ten Konstruktivismus zugeordnet werden. Digitale Medien müssen folglich so strukturiert sein, dass sie entweder innerhalb des Mediums den Vorgaben gerecht werden oder sie müssen von den Berufsbildner*innen so in ein didaktisches Konzept bzw. in eine Lernumgebung implementiert werden, dass die Vorgaben durch externe Anpassungen erfüllt werden. Denn situierte Lehr-Lernmedien, die problem- und handlungsorientiert gestaltet sind und den selbstgesteuerten Lernprozess inklusive des Erwerbs von Sach-, Prozess- und Reflexionswissen den Auszubildenden ermöglichen, gibt es aktuell kaum. Zu 2): Weiterführend bietet die empirisch-pädagogische Forschung zur Unterrichtsqualität weitere Hinweise, wie Lernumgebungen bzw. mediale Angebote auszugestalten sind. Die gesetzliche Vorga- be zur Inklusion unter (1e) wird unter 2) mitdiskutiert und dient als Ausgangspunkt zur Diskussion über Unterrichtsqualität. Spätestens seit der Ratifizierung der UN-BKR (UN-Behindertenrechtskonvention) durch Deutschland im Jahr 2009 besteht noch stärker als vorher die Anforderung, Auszubildende so zu unterstützen, dass sie passend zu ihren individuellen Ausgangslagen, wie Vorwissen, Intelligenz, sozialem und kulturellem Hintergrund, Behinderungen, Benachteiligungen, aber auch Hochbegabung möglichst optimal geför- dert werden (vgl. Bach/Schaub 2016). Falls Lernbarrieren (z. B. Sprache, Sinnesbehinderung, Teilleis- tungsstörungen) bei den Auszubildenden vorhanden sind, müssen diese diagnostiziert und durch auf die Diagnose abgestimmte Maßnahmen im Lehr-Lernprozess abgemildert oder kompensiert werden. Empirisch z. B. mit Effektstärken sehr gut belegt ist die Tatsache, dass leistungsstarke Lernende mehr Freiheitsgrade benötigen und leistungsschwache Lernende mehr Hilfestellung und Instruktionen, um erfolgreich lernen zu können. In diesem Zusammenhang erhofft man sich, dass digitale Medien ihrer Werkzeugfunktion gerecht werden und dabei helfen, dass folgende Aspekte, welche sich in der 1 | Kriterien zur Bewertung und Reflexion des digitalen Medieneinsatzes in der bautechnischen Berufsbildung 59 empirischen Unterrichtsqualitätsforschung als lernwirksam herausstellten, eingehalten werden: 2a) Die Aufgabenmenge und -schwierigkeit sowie die instruktionale Hilfestellung werden an das Vorwis- sen und das Leistungsvermögen der Lernenden angepasst, 2b) Wiederholungen, sinnvolle Übungen und ein hoher Anteil an effizienter Lernzeit werden ermöglicht. 2c) Lernziele und Inhalte werden klar und kohärent präsentiert und neues Wissen kann vertieft, reflektiert und, bezogen auf das Vorwissen, verarbeitet werden. 2d) Die Lernenden erhalten Feedback über den Stand und Qualität der Aufgaben- bearbeitung und über Strategien zur Aufgabenbewältigung. Dabei ist ein Methodenmonotonismus abzulehnen, sondern es sind 2e) unterschiedliche aufeinander abgestimmte methodische Vorgehens- weisen, mediale Darstellungen und Aufgabenformate zu fordern, welche die Motivation der Lernen- den erhöhen und diese über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten. Ebenfalls als statistisch sehr lernwirksam erwies sich das 2f) kooperative Lernen (siehe Abb. 3). Weiterhin ist es für die Lernförderung im Lehr-Lernprozess wichtig, dass die Lehrkraft nicht durch digitale Medien ersetzt werden, sondern diese ergänzen sollte und dass sie im Umgang mit dem jeweiligen Medium geschult werden muss. Ebenso wurde festgestellt, dass sich die lernwirksamen Effekte digitaler Medien spätestens nach sechs Monaten abschwächen und nicht mehr so prägnant sind, wie zu Beginn der Intervention (vgl. Lipowsky 2015; Gold 2015; Helmke 2014; Hillmayr et al. 2018; Kerres 2018). Zu 3): Die positive Wirkung digitaler Medien auf die Lernleistung und die Motivationsentwicklung von Schüler*innen in MINT-Fächern konnte durch Hillmayr et al. (siehe Abb. 3) jedenfalls klar nachgewie- sen werden. In der empirischen Medienforschung hat es sich als lernförderlich herausgestellt, wenn 3a) zwei Sinne gleichzeitig angesprochen werden (Multimediaeffekt) und manipulierbare Videos oder Animationen zur Verfügung stehen, die durch auditive Informationen ergänzt werden, nicht durch Texte (Gefahr des Splitt-Attention-Effekts). Weiterhin stellte sich als lernförderlich heraus, wenn 3b) Text und Bildelemente zeitlich und räumlich nahe beieinander angeboten werden (Kontiguitätseffekt), wenn auf überflüssige sachfremde Informationen verzichtet wird (Theorie der kognitiven Belastung), wenn 3d) lernförderliche Hinweise und Markierungen zur Aufgabenbearbeitung gegeben werden (Signalisierungs- effekt) und wenn 3e) Interaktion mit dem Medium möglich ist. Die Adaptivität von Programmen, z. B. im Hinblick auf Aufgabenschwierigkeit, Lerntempo etc., hat sich auch als deutlich lernwirksam herausge- stellt, dieser Aspekt wurde jedoch schon unter 2a) thematisiert (vgl. Leutner et al. 2014, Horz 2015). Diese vielfältigen Aspekte in den Abb.en 3 und 5 verdeutlichen die Komplexität einer lernförderli- chen Medienverwendung und den Sachverhalt, dass das Medium mit seinen Merkmalen allein nicht ausschlaggebend ist. In der Mediendidaktik und der empirischen Bildungsforschung wird immer wieder darauf verwiesen, dass die Frage, ob die (digitale) Medienwahl und die Art und Weise der Nut- zung von (digitalen) Medien sich lern- und kompetenzfördernd auswirken, von vielfältigen Einfluss- faktoren abhängt, wie sie beispielsweise von Helmke in seinem Angebots-Nutzungs-Modell veran- schaulicht werden (Helmke 2015, 71; Lipowsky 2015, 77; Hillmayr et al. 2017, 10; Bach 2017, 9 ff.). Zu diesen Einflussfaktoren gehören z. B. die Eignung und das Verhalten der Lehrperson, die Qualität der Lehr-Lernprozesse, die Lernaktivität und Wahrnehmung der Lernenden, die individuellen, familiären und kulturellen Voraussetzungen bzw. Hintergründe der Lernenden und weitere. „Wichtig ist folglich nicht nur die Qualität des unterrichtlichen Angebots oder die Qualität des Mediums, welches die professionelle Lehrkraft realisiert [...], sondern auch die Wahrnehmung desselben und die daraus folgenden Lernaktivitäten durch die Lernenden“ (Bach 2018, 164). 60 Alexandra Bach Fazit und Ausblick In der Bauwirtschaft schreitet die Digitalisierung der Arbeits- und Geschäftsprozesse ebenso wie in anderen Branchen unaufhaltsam voran. Durch Projekte, wie „MELINDA – Medienunterstütztes Lernen und Innovation in der handwerklichen Arbeit“ und „DigiBau – Digitales Bauberufliches Lernen und Arbeiten“, wird u. a. daran gearbeitet, die digitalen Medien lernförderlich in berufliche Lehr-Lernprozesse im Bauwesen zu integrieren, neue digitale Medienangebote zu entwickeln und das Angebot hochwertiger digitaler Medien für die Berufsbildung im Bauwesen langfristig zu steigern. Das ist auch dringend notwendig, da es noch ein Defizit an ausgereiften Lehr-Lernmedien in dieser Branche gibt und Lehrkräfte und Ausbilder*innen Unterstützung benötigen, um den digitalen Wandel innovativ und zielführend zu bewältigen. Es gilt, die hier entwickelten Angebote auch in die fachdidaktische Lehrerbildung für die bautechni- sche Berufsbildung zu integrieren, damit sich angehende Lehrkräfte gleich mit Eintritt ins Berufsle- ben dazu in die Lage versetzt sehen, digitale Medien innovativ, individuell angepasst und lernortko- operativ in berufliche Lehr-Lernprozesse zu integrieren. Deshalb erscheint es auch von wesentlicher Bedeutung, dass die entwickelten Medienangebote und Einsatzstrategien nicht ausschließlich an ÜBS oder in der betrieblichen Bildung genutzt, sondern dass in diesem Zusammenhang auch Konzepte zu einer kooperativen Nutzung mit Lehrkräften an berufsbildenden Schulen entwickelt werden, was teilweise schon erfolgt. Dies ist einerseits unerlässlich, um den erhöhten Zeitbedarf, der durch das Lernen mit branchenspezifischen Medienangeboten bzw. durch eigene Medienproduktion der Auszubildenden entsteht, sinnvoll über die Ausbildungsabschnitte zu verteilen, und andererseits eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, Prozess-, Sach- und Reflexionswissen kompetenzfördernd miteinander zu verzahnen. Hier besteht noch ein großes mediendidaktisches Entwicklungspotenzial. Dies gilt auch für eine berufsbezogene Mediendidaktik. Es gilt, die Erkenntnisse der pädagogischen Psychologie, der Mediendidaktik und empirischen Lehr-Lernforschung auf den Kontext der gewerb- lich-technischen Berufsbildung und die dort entwickelten Medien zu übertragen. Darüber hinaus erscheint es unverständlich, warum nicht ein regelmäßiges, für die berufliche Bildung in Deutsch- land repräsentatives Monitoring der Digitalisierung an berufsbildenden Schulen stattfindet, unter Einbezug der Kooperationspartner ÜBS und Ausbildungsbetriebe und unter Berücksichtigung der branchenspezifischen Rahmenbedingungen. Nur so kann berufliche Bildungsplanung auf eine soli- de empirische Informationsgrundlage gestellt werden. Literatur und Quellen ABZ Allgemeine Bauzeitung (2019): “Fahrerleitsystem 4.0” gewinnt bauma-Innovationspreis 2019. Online: https://allgemeinebauzeitung.de/abz/fahrerleitsystem-40-gewinnt-bauma- innovationspreis-2019-3334.html (05.07.2019) Arnold, P./ Kilian, L./ Thillosen, A./ Zimmer, G. (2013): Handbuch E-learning – Lehren und Lernen mit digitalen Medien. Bielefeld 1 | Kriterien zur Bewertung und Reflexion des digitalen Medieneinsatzes in der bautechnischen Berufsbildung 61 Bach, A. (2016): Nutzung von digitalen Medien an berufsbildenden Schulen – Notwendigkeit, Rahmenbedingungen, Akzeptanz und Wirkungen. In: Seifried, J./ Faßhauer U./ Seeber, S./ Ziegler, B. (Hrsg.): Jahrbuch der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung 2016. Opladen, 107–123 Bach, A./ Schaub, C. (2018): Anspruch und Realität In Bezug auf den Umgang mit Heterogenität und Inklusion in der beruflichen Bildung im Bauwesen. Ansätze erster theoretischer und empirischer Analysen. In: Zinn, B. (Hrsg.): Inklusion und Umgang mit Heterogenität in der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung – Eine Bestandsaufnahme im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Stuttgart, 39–71 Bach, A. (2017): Medienspektrum zur Berufsbildung im Bauwesen – Erste Analysen, Perspektiven und mediendidaktische Forschungsdesiderata. In: BAG-Report Bau-Holz-Farbe, Jahrgang 19, Heft 2, 9–15. Online: https://bag-bau-holz-farbe.de/wp-content/uploads/2017/12/BAG-Report_02-2017. pdf (21.06.2019) Bach, A. 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Dazu sollen die Möglichkeiten digitaler Medien zur Selbstreflexion des Gelernten in die praktische Ausbildung eingebunden werden. In diesem Projekt wird ein virtuelles Klassenzimmer als geschlossene Plattform eingerichtet, auf die Ausbildende und Auszubildende mit Smartphones, Tablets oder Computern zugreifen können. Die Jugendlichen können unter anderem kurze Filme während der überbetrieblichen Ausbildung im Kompetenzzentrum selbst drehen, um zum Beispiel Lösungsschritte für praktische Aufgaben zu do- kumentieren. Eine Wissensdatenbank steht zusätzlich zur Vertiefung des Lernstoffes zur Verfügung. Schlüsselbegriffe › Wissens- und Kompetenzerwerb › Lernen im Prozess der Arbeit › Sicherung von Wissen und Techniken › Medienkompetenz › Selbstreflexion Einleitung Die Digitalisierung hat auch in der beruflichen Bildung längst Einzug gehalten und gewinnt zuneh- mend an Stellenwert. Mittlerweile wird die „digitale Bildung“ als vierte Kulturtechnik neben Lesen, Schreiben und Rechnen gesehen. Digitale Medien können dabei nicht nur zur Darstellung von Lern- inhalten dienen, sondern auch interaktiv eingesetzt werden, um die Auszubildenden zu motivieren, sich im Dialog mit den Lerninhalten auseinanderzusetzen. Die angestrebten Lernprozesse setzen auf Formen des Austausches, die den Jugendlichen aus den sozialen Medien bekannt sind. Die Rolle des Ausbildungspersonals ändert sich dabei entscheidend in Richtung Begleiter medial unterstützter Lernprozesse. 2 | Digitale Medien als Werkzeug in der Hand von Lernenden 69 Ausgangslage und Problemstellung Das System der klassischen dualen Erstausbildung mit der Vermittlung der berufspraktischen Fertigkeiten im Betrieb, in der überbetrieblichen Ausbildungsstätte und der theoretischen Wissens- vermittlung in der Berufsschule sieht sich zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert wie dem demografischen Wandel, der Herausbildung eines europäischen Arbeitsmarktes, komplexen und hochtechnischen Arbeitsprozessen und steigenden Qualitätsanforderungen. Eine innovativ konzi- pierte Ausbildung überwindet daher mindestens die Trennung von theoretischen und praktischen Ausbildungsphasen und macht eine intensive Abstimmung zwischen den Akteur*innen der Ausbil- dung an den unterschiedlichen Lernorten erforderlich. Traditionelle, auch handlungsorientierte, Ausbildungsmethoden führen allein nicht mehr zum optimalen Ausbildungserfolg, weil sich die Art der Kommunikation zwischen den jungen Menschen untereinander und gegenüber ihrem Umfeld verändert hat (vgl. DIVSI 2014, 11 f.). Erfahrungen aus der praktischen Berufsausbildung zeigen, dass die Auszubildenden besser erreicht werden, wenn sie in der Ausbildung Medien wiederfinden, mit denen sie im Alltagsleben selbstverständlich und sicher umgehen – wenn auch nicht zu Lernzwecken, sondern eher zur Unterhaltung. Hier haben digitale Medien ihren festen Platz. Ziele und Erwartungen Innerhalb der handlungsorientierten Ausbildung in der Bautechnik werden von den Auszubildenden in Gruppenarbeit bereits jetzt begleitende Dokumentationen zu Projektarbeiten erstellt. Die Zusam- menstellung der Dokumente, angefangen von den Vorentwürfen und Kalkulationen über die Ausfüh- rungszeichnungen bis hin zur begleitenden Fotodokumentation, fördern Motivation und Verständnis der Auszubildenden im höchsten Maße. Neue Informations- und Kommunikationstechnologien gepaart mit fundierten didaktischen Konzepten eröffnen Ausbildungszentren neue Wege bei der Bil- dung im Handwerk. Nahezu alle Auszubildenden besitzen derzeit ein Handy oder Smartphone und sind in sozialen Netzwerken aktiv (ebd. 6 f.). Entsprechend erwarten sie auch, dass digitale Informati- onsangebote und Werkzeuge in der Ausbildung genutzt werden (vgl. Wolfram/Sudermann 2018). Die meisten Jugendlichen beschränken die Mediennutzung im Wesentlichen auf – häufig oberflächli- che – Kommunikation über Social Media Plattformen, Spielen sowie Konsumieren und Versenden von Fotos, Videos und Musik via Internet (vgl. MPFS 2018, 13 ff.). Kompetenzen und Anlässe zur produktiven Mediennutzung in der Arbeit und der beruflichen Bildung fehlen ihnen oft, obwohl sie als Digital Nati- ves im technischen Umgang dem Bildungspersonal häufig überlegen sind (vgl. Schulmeister, R. 2012). Das Teilprojekt des KOMZET BAU BÜHL im Verbundvorhaben Medienunterstütztes Lernen und Inno- vation in der handwerklichen Arbeit (MELINDA) leistet einen Beitrag, die Ausbildung und Qualifizierung an die Anforderungen der Digitalisierung anzupassen und digitale Medien effektiver für das berufliche Lernen zu instrumentalisieren. Dies betrifft die Auszubildenden genauso wie das Ausbildungspersonal. Die Chance der überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS) liegt darin, die Auszubildenden in ihrer Umgebung abzuholen, auf Chancen und Risiken hinzuweisen (vgl. Mittelstand 4.0 Kompetenz- 70 Norbert Kuri zentrum Planen und Bauen 2018) und die Medienkompetenz der Jugendlichen bei der Wissensver- mittlung zu nutzen. Auszubildende werden in die Lage versetzt, unter Anleitung selbst kurze Filme zu ausgewählten Arbeitsprozessen nach eigenen Vorstellungen bezüglich der Story und der Darstel- lungs- und Ausdrucksweise in der überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) zu drehen und auf einer betreuten Kommunikationsplattform auszutauschen, zu dokumentieren und zu bewerten. Der Ansatz trägt besonders der Tatsache Rechnung, dass es sich auch innerhalb einzelner Qualifizie- rungsmaßnahmen zunehmend um inhomogene Gruppen bezüglich der fachlichen Eingangsvoraus- setzungen, des Sprachverständnisses, der Zuverlässigkeit und der Motivation handelt (Albrecht et al. 2014, 6 ff.). Durch die kreative Nutzung der digitalen Medien werden umfangreiche visuelle Zugänge zu den Inhalten geschaffen und die Individualisierung der Lernprozesse gefördert, beispielsweise durch selbstgesteuerte Wiederholungs-, Vor- und Nachbereitungsmöglichkeiten und durch die mediengestützte Dokumentation der eigenen Arbeit, was eine systematische gedankliche Auseinan- dersetzung damit erfordert. Zielgruppe Auszubildende in der Erstausbildung lernen Medien zur Bildung einzusetzen und erhöhen damit ihre Medienkompetenz, die zur Partizipation in der Wissensgesellschaft auch in handwerklichen Berufen immer wichtiger wird. Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) profitieren wiederum von den Auszubildenden, ihren späteren Fachkräften, da diese eine gesteigerte Medienkompetenz in den Betrieb mitbringen. Ausbilder*innen beherrschen das Portfolio der Referenzaufgaben sehr gut und üben dies bereits seit Jahren aus. Ihr Expert*innenwissen und ihre Berufserfahrung zeigen sich durch subjektivierendes Handeln und implizites Wissen bei der Art des Vorgehens und ihrer Art zu Denken. Sie verfügen über konkretes Know-how, handwerkliches Geschick, Fertigkeiten und mentale Modelle, Paradigmen, Pers- pektiven, Vorstellungen, Überzeugungen, Analogien und Bilder bezüglich der Referenzaufgaben. Durch den Einsatz neuer Medien soll die Eigenmotivation der Auszubildenden erhöht und die Akzep- tanz der Ausbildung verbessert werden. Es wird erwartet, dass sich dieser positive Effekt auch auf die Ausbilder*innen überträgt und sie motiviert, die mit den digitalen Medien verbundenen neuen didaktischen Möglichkeiten intensiver zu nutzen durch digitale Tools die Kommunikation zwischen ihnen und den Auszubildenden zu verbessern. Eine entsprechende Qualifizierung des Ausbildungs- personals wird im Rahmen des Projekts durchgeführt, um Lerninhalte, Methoden und Lehr-/Lernar- rangements anpassen und ergänzen zu können. Didaktisches und methodisches Konzept Die zentrale Intention ist die Nutzung von Videoreflexionen für die Explikation von Expert*innenwissen. In der Bauausbildung spielen prozedurales Wissen und Erfahrungswissen eine bedeutsame Rolle. 2 | Digitale Medien als Werkzeug in der Hand von Lernenden 71 Durch Reflexionen zu Arbeitsprozessen zum Ziel der Dokumentation dieser Prozesse durch eigene Erstellung kurzer Videosequenzen setzen sich die Auszubildenden im neuen Lernort intensiv mit Re- ferenzaufgaben in der Bauausbildung auseinander. Es handelt sich dabei um zyklisch und inhaltlich vollständige Arbeitsaufgaben, die Kernbereiche der wichtigsten Arbeitsfelder exemplarisch abbilden. Den didaktischen Leitlinien folgend sollen die digitalen Medien › die Gestaltungsfreiheit des Bildungspersonals für die Lehrgänge und deren methodische Vielfalt so wenig wie möglich einschränken, › die Lernprozesse nicht dominieren, sondern bereichern, indem sie beispielsweise neue und vielfältigere Zugänge zu Inhalten schaffen, › bei solchen Lerninhalten und Lernszenarien eingesetzt werden, an denen sie ihre größte Wirkung entfalten können, also besonders dort, wo Sachverhalte mit anderen Mitteln nicht oder nicht so gut dargestellt werden können, › andere Lernhilfsmittel wie Werkstattausrüstung, Bücher usw. ergänzen und nur dort ersetzen, wo es ohne Abstriche an der Qualität der Lernangebote möglich ist, › eher als kleinteilige Bausteine entwickelt werden, die sich variabel in komplexere Anwendungen (Plattformen, Tutorials, Informationssysteme usw.) einfügen lassen und › einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, indem beispielsweise auf umfangreiche Ausdrucke ver- zichtet werden kann. Die entstehenden Medien verfolgen überwiegend nicht das Ziel der bloßen Inhaltsvermittlung, wie es etwa tutorielle Lernsysteme, Informationsplattformen oder multimediale Prüfungstrainer tun. Vielmehr hat der hier beschriebene Ansatz ebenso wie die anderen in diesem Buch beschriebe- nen Teilprojekte des Verbundvorhabens MELINDA den Anspruch, digitale Medien und die zu ihrer Herstellung nötige Hard- und Software als Instrumente bzw. Werkzeuge des Lernens und Lehrens zu etablieren. Lernende und Lehrende sollen befähigt werden, die neuen Medien auch aktiv-gestaltend einzusetzen, um Sachverhalte und Arbeitsprozesse darzustellen. Realisierung Zu Beginn wurden umfangreiche Grundlagenrecherchen zu den Themen Content Management System, Webseiten, Videobearbeitung mit Smartphone und Tablet, Hardware, Webforen-Software, Webinhalte, Videoformate und Videodreh durchgeführt, um eine Übersicht über die technische Umsetzbarkeit und möglicher Lösungsansätze zu erhalten. Die frühe Vorstellung und Diskussion des Projektes bei den KMU förderte die Akzeptanz und das Verständ- nis. Die Betriebe erfahren, wie Medienkompetenz in der Ausbildung gefördert wird und welche Wege durch das Projekt MELINDA – Medienunterstütztes Lernen und Innovation in der handwerklichen Arbeit – in Zukunft eingeschlagen werden. Im Rahmen einer Ausbilder*innentagung wurde das Projekt MELINDA Ausbildungsmeister*innen aus ganz Baden-Württemberg vorgestellt. In den Diskussionen wurde deut- lich, dass die Medienkompetenz in der Ausbildung immer wichtiger wird, weil sich die Art der Kommuni- kation zwischen den jungen Menschen untereinander und gegenüber ihrem Umfeld verändert hat. 72 Norbert Kuri Mit Beratung durch Medienprofis wurde den didaktischen, fachlichen, sozialen und technischen Zielen entsprechend ein Konzept für die geplante Plattform erarbeitet, das unter anderem das vorgesehene Inhaltsspektrum umrissen und Vorgaben für die Art der Darstellung und das Nutzungs- prinzip macht. Die technischen Anforderungen an die Plattform und die technische Realisierung, die Browser-Kompatibilität, die Inhaltspflege mit einem Content-Management-System (CMS), das Medi- en-Management und das Web-Hosting wurden festgelegt und zusammengestellt. Weiterhin wurden die Grundelemente der Ausbildungsplattform beschrieben. Im Wesentlichen sind dies ein Forum zum Austausch der Auszubildenden untereinander, ein Projektbereich zum Einsatz im Unterricht, Bau-Links, ein sogenanntes „Bau-KnowHow“ als Wissensdatenbank sowie der Downloadbereich. Das zu entwickelnde System sollte mandantenfähig sein. Weitere Überlegungen zur Administration der Plattform folgten. Mit verschiedenen Agenturen wurden danach Gespräche über das Konzept geführt. Mit dem erhaltenen Input wurde eine Ausschreibung mit Lastenheft erstellt und an inter- essierte Agenturen gesendet. Aus den eingegangenen Angeboten wurde das wirtschaftlichste und konzeptionell passendste Angebot ausgewählt. Mit der beauftragten Agentur wurde ein Realisierungsplan erstellt und in mehreren Bespre- chungen Feinabstimmungen bezüglich der Inhalte und des Aufbaus der Online-Plattform vor- genommen. In zwei Workshops bei der Agentur erfolgten die wesentlichen Festlegungen zum technischen Konzept und den Komponenten, zum Bau-KnowHow, zu den BauLinks und zum Downloadbereich. Die ersten Screendesigns wurden erörtert und danach wurden das vorliegen- de Design und Konzept der Geschäftsführung präsentiert und die endgültige Variante festgelegt. Fortlaufend fand mit der Agentur ein Austausch statt und es folgten erste Erprobungen der techni- schen Funktionalität der Online-Plattform. Einleitungs-, Einführungs- und Anleitungstexte für die Plattform, ein Impressum und Nutzungsregeln für die Plattform wurden erstellt. Für die Nutzung der Plattform wurden eine Datenschutzerklärung erarbeitet und ein Konzept entwickelt, um von allen Usern eine Einwilligungserklärung zu erhalten und diese entsprechend zu dokumentieren und archivieren. Die Einverständniserklärung für die Auszubildenden zur Abtretung der Bild- und Videorechte wurde in Zusammenarbeit mit einem Juristen überarbeitet und ein Konzept für die Dokumentation im KOMZET BAU BÜHL erstellt. Die beiden Projektmitarbeiter und zwei weitere Ausbildungsmeister nahmen an dem Lehrgang "Train the Trainer – Integration Digitaler Medien in die Berufsbildung" teil. In weiteren Workshops wurden alle Meister für die Nutzung der Plattform unterwiesen. Die Ausbildungsmeister testeten die Plattform mit verschiedenen Gruppen und gaben dem Projekt- team ein entsprechendes Feedback. Mit der Agentur, die die Plattform programmiert, wurden die Anregungen aus den Testläufen besprochen und weitere Feinabstimmungen und Anpassungen im Bereich Benutzer/Benutzerimport vorgenommen. Dabei wurden folgende Festlegungen getroffen: › Vom Administrator werden die Gewerke, die Jahrgänge und die Klassen händisch angelegt. Eine Klasse wird definiert über einen Klassennamen und eine ID und einen Jahrgang. › Jede Klasse hat einen eigenen Schülerimport für folgende Daten: Name, Vorname, E-Mail, Geschlecht, Urheberrechtsfragen zugestimmt ja/nein. 2 | Digitale Medien als Werkzeug in der Hand von Lernenden 73 › Passwörter werden beim Importieren nicht automatisch versendet. Somit können nach Import noch administrative Aufgaben, oder auch neue Listen importiert werden. › Passwörter für den Erstzugang werden über einen Button per E-Mail versendet. Die Auszubildenden werden aufgefordert, ihr Passwort aus Sicherheitsgründen im Portal zu ändern. › Auszubildende können in ihrem jeweiligen Benutzerprofil Angaben ändern. › Auf der Startseite können über eine entsprechende Funktion vergessene Passwörter neu definiert werden. › Pro Jahrgang können bis zu elf Klassen gleichzeitig auf der Plattform betreut werden. › Hinweise und Regeln für den Datenschutz und die Plattformnutzung wurden erstellt und soweit möglich technisch implementiert. Nach einer erfolgten Erprobung des Prototyps in mehreren Werkhallen wurden unter Mitwirkung eines Fachdidaktikers der Technischen Universität Berlin Detail-Modifikationen für Gestaltung und Funktionalität der Plattform vereinbart und durch die Agentur umgesetzt. Diese Anpassungen betra- fen vor allem das Anlegen und Kopieren von Projekten, die Zugriffsrechte für Ausbildungspersonal, das Dateimanagement, interne und externe Verlinkungen, die Inhaltsgliederung und die Routinen der Inhaltspflege, die Bildschirmdarstellung sowie Suchabfragen und Verschlagwortung. Weitere Erprobungen durch die Ausbildungsmeister ergaben neuen Input und neue Regeln für die Nutzung und die Optimierung der Plattform. Es handelt sich um kleinteilige, marginale Änderungen, die sich aber für einen reibungslosen Betrieb der Plattform bedeutsam sind, zum Beispiel: › Videobeiträge dürfen nur in den Dateiformaten mp4 oder mov im Querformat und im Seitenverhält- nis 4:3 vorliegen. Die Dateigröße ist auf 100 MB begrenzt, da sonst die Speicherkapazität des Servers schnell erschöpft ist. Diese Datenbegrenzung ist von der Qualität eine absolute Untergrenze. Bei einer schnellen Internetverbindung empfiehlt sich eine Datenbegrenzung bei ca. 300 MB. › Die Filmdauer sollte unter zwei Minuten liegen. › Benutzernamen können im Benutzerprofil nicht verändert werden, damit die Erkennbarkeit gewährleistet bleibt. Profilbilder, Passworte und Benachrichtigungseinstellungen können geändert werden. › Beim Benutzerimport werden überschüssige Leerzeichen automatisch entfernt. Bei noch- maligem Ausführen des Importes werden die Daten des Benutzers nur aktualisiert, wenn die E-Mail-Adresse die gleiche ist wie beim erstmaligen Import. › Teaserboxen der Videos werden immer in die gleiche Höhe und Breite gebracht, um ein einheit- liches Layout zu schaffen. Hochformatige Videos werden dann in der Teaserbox entsprechend kleiner skaliert. › Jeder Benutzer kann hochgeladene Videos bewerten, jedoch nur einmal pro Video und Tag, um Manipulation zu vermeiden und Fairness zu schaffen. Im gesamten KOMZET BAU BÜHL wurde für alle Hallen, der Verwaltung und dem Internat ein freies WLAN installiert um die Voraussetzungen der Nutzung der MELINDA Plattform zu schaffen. 74 Norbert Kuri Ergebnisse und Produkte Durch den Einsatz der Online-Plattform und der digitalen Medien wurde die Attraktivität der Berufs- ausbildung und in der Folge auch die Attraktivität der Berufe erhöht. Die Plattform kann direkt im Unterricht eingesetzt werden. Die bevorzugten Medien sind Videoauf- nahmen und Bilder, welche in den praktischen Phasen des Unterrichts von den Auszubildenden aufgenommen und auf der Plattform bereitgestellt werden. Die Auszubildenden können auch Videos und Bilder ihrer Mitschüler*innen anschauen und diese mit ihnen zu diskutieren. So wird auch über den Unterricht hinaus der fachliche Austausch der Auszubil- denden gefördert, was zur Sicherung der Lernergebnisse beiträgt. Lehrende können sich an den Dis- kussionen beteiligen. Gleichzeitig bietet die Plattform ihnen ein Medium, die Klasse auch außerhalb der Präsenszeit zu erreichen. Die Plattform wurde auf Basis des Content Management Systems (CMS) aufwind.content und des Digital/Media Asset Management (DAM/MAM) aufwind.mediaStorage realisiert. Beide Systeme sind eng verzahnt und wartungsarm. Das System ist responsiv und basiert auf HTML 5 nach Standards des World-Wide-Web-Consortium (W3C). Damit ist es auf Smartphones, Tablets, Notebooks und Desktops gleichermaßen nutzbar. Das Design der Plattform wurde an die Nachwuchskampagne „Bau Dein Ding“ angelehnt um eine zusätzliche Verbindung zu der bei den Jugendlichen akzeptierten, modernen Darstellung der Bau- berufe zu schaffen. Die Plattform ist mandant*innenfähig ausgelegt, wobei Mandant*innen nur Ausbildungszentren sein können, die das System unabhängig voneinander nutzen. Das Erscheinungsbild kann durch die Einbin- dung des Logos und individuelle Namensgebung bestimmter Bereiche eine gewisse Individualisierung erfahren. Dies kommt der Identifikation der Schülergruppen mit der jeweiligen Plattform zu Gute. Im ersten Schritt, während der Projektlaufzeit, agieren die einzelnen Ausbildungszentren unabhängig voneinander. Zu einem späteren Zeitpunkt werden Angebote und Austausch auch über Ausbildungs- zentren hinweg ermöglicht. Jedes Ausbildungszentrum kann beliebig viele Klassen anlegen. Jede Klasse wird mit einer Lehrkraft verknüpft, die diese Klasse fortan administriert. Durch eine Import-Funk- tion können Lernende eingeladen und Accounts automatisiert vergeben werden. Als Account-Namen dienen die E-Mail-Adressen, die auch zum Versand von Info- und Statusmails verwendet werden (z. B. Benachrichtigung: „Neues Projekt im Bereich Maurer online“). Die Plattform ist als integratives Lehrmit- tel und als Wissens- bzw. Austauschforum standortunabhängig erreichbar. Die Plattform ist in die vier Hauptbereiche Klassenforum (Abb. 1), Klassenprojekte (Abb. 2), Bau- KnowHow (Abb. 3) und KOMZET Forum (Abb. 4) eingeteilt. Die beiden ersten sind nur innerhalb einer Klasse zugänglich, während Bau-KnowHow und KOMZET Forum allen Lernenden und Lehrenden zur Verfügung stehen. Letztere sind bewusst offener gestaltet, um Raum für den Informationsaustausch zu geben. Dort finden sich auch Informationen zum Projekt und ein Benutzerhandbuch für die Plattform. 2 | Digitale Medien als Werkzeug in der Hand von Lernenden 75 Tabelle 1: Hauptbereiche der Plattform Geschlossene Bereiche Offene Bereiche Klassenforum Bau-KnowHow › Moderation durch Lehrende und Lernende › Allgemein zugängliche Wissensplattform für alle › Beiträge zu Themen rund um die Ausbildung ohne Moderation (nur lesen/ anschauen) › Beiträge anderer kommentieren und Fragen › Filme und Projekte, die für andere wertvoll sind, beantworten können vom Lehrpersonal hier freigegeben werden › Fragen stellen › Download von Unterlagen, Berufsbroschüren › Austausch von Text-, Bild- und und anderer freigegebener Medien (z. B. Bilder Video-Informationen der Kampagne „Bau Dein Ding“) › Sammlung wichtiger, informativer Links zum Bau Klassenprojekte KOMZET Forum › Moderation durch die Ausbilder*innen › Moderation durch Administrator › Projekte, sowie zugehörige Ordner und Bereiche › Gewerke- und klassenübergreifende Austausch- werden durch die Lehrperson vorgegeben plattform für das Bildungszentrum › Schüler*innen und Lehrer*innen können Videos › Allgemeines Diskussionsforum über Bauberufe zum Projekt einreichen (Lehrer*in erteilt Freigabe) und Ausbildung › Bilder und Videos können gesehen und kom- › Schwarzes Brett für Ankündigungen, Aushänge, mentiert werden Infos, usw. › Bilder und Videos können durch die Lehrperson für den Bereich Bau-KnowHow freigegeben werden, um diese allen zur Verfügung zu stellen 76 Norbert Kuri Abb. 1: Klassenforum – Projekteübersicht (Komzet Bau Bühl) Abb. 2: Klassenprojekt Treppenschalung (Komzet Bau Bühl) 2 | Digitale Medien als Werkzeug in der Hand von Lernenden 77 Abb. 3: Bau-KnowHow (Komzet Bau Bühl) Abb. 4: Komzet-Forum (Komzet Bau Bühl) 78 Norbert Kuri Erprobung, Empfehlungen und Transfer Die Ausbilder*innen fanden die didaktischen Variante, die Auszubildenden kleine Video-Sequenzen von ausgewählten Aufgabenstellungen erstellen zu lassen, schon nach dem ersten Vorstellen des Konzepts sehr interessant. Während der Erprobungen wurden danach wertvolle Erfahrungen gesam- melt, so dass bald erkannt wurde, wie das Medium idealerweise eingesetzt werden kann. Den Auszubildenden wird bei der Begrüßung zu Lehrgängen im KOMZET BAU BÜHL das Projekt MELINDA und besonders der lernunterstützende Videoeinsatz vorgestellt Um daran teilnehmen zu können, müssen sie eine Einverständniserklärung zur Abtretung der Bild-/Filmrechte unter- schreiben. Es hat es sich als sinnvoll erwiesen, dass zwei Ausbildungsmeister den vollen Zugriff auf die Rechte der Plattform haben, um die Klassen anzulegen. Sie erhalten die E-Mail-Adressen der Teilnehmen- den von ihren Kolleg*innen und legen damit die Systemzugänge an. Bei der Erprobung wurden erstaunliche Feststellungen gemacht. Viele Auszubildenden haben Probleme beim Umgang mit ihren Smartphones bzw. mit ihren Internetdaten. Teilweise haben sie keine eigene E-Mailadresse oder sie kennen ihre eigenen Zugangsdaten nicht. E-Mail-Adressen werden unvollständig und mit Schreibfehlern angegeben. Wenn die Klasse angelegt ist, erhalten die Auszubildenden automatisch eine Nachricht an Ihre angegebene Internetadresse. Viele von ihnen haben Probleme, auf ihren eigenen E-Mail-Account zuzugreifen. Teilweise wird der Zugang noch von den Eltern verwaltet und sie müssen erst dort um Freigabe des Kennwortes bitten. Eini- ge wissen nicht, dass ihr Gerät einen Spamfilter nutzt und finden deshalb Nachrichten nicht, die im Spamordner gelandet sind. Die vorhandene Medien-Nutzungskompetenz ist bei einigen Auszubildenden noch unerwartet lückenhaft. Durch die Nutzung der neuen Medien in der Ausbildung kann sicherlich eine Steigerung der Kompetenz erzielt werden. Die Ausbildungsmeister erstellen in ihren Gewerken interessante Aufgabenstellungen und bestim- men idealerweise mit den Lernenden gemeinsam die fachlichen Themen bzw. Arbeitsprozesse, die sie gerne in Video, Ton und Bild festhalten möchten. Die bisherige Erfahrung zeigte, dass viele Auszubildende am Anfang Hemmungen haben, sich bei der Arbeit filmen zu lassen. In dieser Phase bedarf es einer positiven Unterstützung durch die Ausbildungsmeister. Sie können die Vorteile, Chancen und Möglichkeiten aufzeigen, die solch eine Herangehensweise an eine Aufgabe bringt. Das Zeigen beispielhafter Videos vorheriger Gruppen zu ähnlichen Aufgabenstellungen überzeugt in der Regel schließlich die jugendlichen Teilnehmenden, zumal klar wird, dass der bildliche Fokus auf dem jeweiligen Arbeitshandelnden liegt und nicht auf ihrer Person. In vielen Videos sind die Auszubildenden gar nicht vollständig und/oder nicht erkenn- bar zu sehen. Nach Überwindung dieser anfänglichen Hemmschwelle tritt in den meisten Fällen eine positive Gruppendynamik auf. 2 | Digitale Medien als Werkzeug in der Hand von Lernenden 79 Nach dem Einrichten des WLAN-Zugangs in allen Werkhallen und der vermehrten Nutzung der Plattform wurde deutlich, dass ein schnelles Internet unbedingt notwendig ist, um sinnvoll mit die- sem neuen methodischen Ansatz zu arbeiten. Langsame Online-Verbindungen wirken für Lernende und Lehrende demotivierend. Durch einen Anbieterwechsel konnten Leistungssteigerungen erzielt werden, und in Zusammenarbeit mit der Stadt Bühl sollen weitere Verbesserungen der Netzstabilität und -geschwindigkeit erreicht werden. Bei den weiteren Erprobungen wurden folgende Praxiserfahrungen gemacht: › Tablets können zum Drehen der Filme eingesetzt werden. Die Bildqualität erwies sich als sehr gut. › Die Lichtverhältnisse in den Hallen sind für die Aufnahmen zumeist ausreichend. Bei Aufnahmen in den Wintermonaten traten allerdings bei reiner Deckenbeleuchtung Schlagschatten auf. Bei ungünstigen Bedingungen sollte ggfs. eine zusätzliche Ausleuchtung erfolgen. › Es ist darauf zu achten, dass sich die Lerngruppen bei den Videoaufnahmen nicht gegenseitig behindern durch Lautstärke und Hintergrundgeräusche. Angrenzende Werkhallen können ggfs. während des Videodrehs keine lauten Arbeiten durchführen. Da die reinen Drehzeiten sehr kurz sind, sollte eine entsprechende Abstimmung möglich sein. › Die Gruppen müssen sich vorbereiten und Sprechtexte und Abläufe festlegen. › Die erstellten Drehbücher und vor überlegten Sprechtexte der Azubis müssen vorab von der ausbildenen Person durchgesehen werden. › Auszubildende, die öfters Aufgabenstellungen mit Videodreh bearbeiteten, entwickelten bald eine gewisse Routine und nutzen eifrig die Plattform, um sich auszutauschen. › Der Einsatz dieser neuen Methodik nimmt auch Zeit in Anspruch. › Die Auszubildenden müssen in die Nutzung der Tablets/Kamera sowie der Plattform eingewiesen werden. › Für die Projektvorstellung sind etwa zwei Stunden einzukalkulieren. Lernende mit geringer Erfah- rung benötigen etwa drei Stunden zur Erstellung eines Drehbuches. Kontrolle von Drehbuch und Sprechtexten erfordern etwa eine Stunde je Gruppe. › Beim ersten Dreh müssen die Gruppen den Umgang mit der Kamera üben (ca. drei Stunden). › Für die Filmerstellung nach Drehbuch mit eventuell mehreren Übungen sind je nach Erfahrung ein bis zwei Stunden notwendig. › Die Ausbildungsmeister berichten, dass die neue Lernmethode für lernschwache oder zurück- haltende Auszubildende eine Chance bietet, sich hervorzuheben, hier wachsen einige über sich hinaus. › Bei Auszubildenden mit sprachlichen Problemen wird der Einsatz nach ersten Probevideos als schwierig eingestuft. Die Fachbegriffe sind weitgehend unbekannt und sie verstehen sie daher nicht. Das Ergebnis wurde inzwischen bei zahlreichen Gelegenheiten der Fachöffentlichkeit präsentiert, wodurch weitere Anregungen entstanden und in die Weiterentwicklung eingeflossen sind. Zu erwähnen sind hier insbesondere ein Treffen der MELINDA-Verbundpartner in Bühl unter Beteiligung von Auszubildenden und des Projektträgers DLR, eine Veranstaltung des Bildungsausschusses des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe mit Vetreter*innen von Unternehmen und Bildungsein- 80 Norbert Kuri richtungen, eine Mitgliederversammlung Holzbau Deutschland – Akademie in Berlin zum Thema Digitalisierung in der Ausbildung, eine große Ausbilder*innentagung Baden Württemberg im Komzet Bau Bühl sowie eine Bildungsstättenleiter-Tagung in Erfurt. Ferner wurde das MELINDA-Teilprojekt bei der eQualification 2018 in Berlin in einer Projektlupe den Kolleg*innen anderer Projekte zu digitalen Medien in der beruflichen Bildung vorgestellt. Die Teilnehmenden hatten Gelegenheit, sich intensiv zur Plattform, zur Anwendung und den bisherigen Erprobungsergebnissen zu informieren und zu äußern. Im Juni 2018 erfolgte die Vorstellung im Rahmen des Berufsschullehrer*innentreffens im KOMZET BAU Bühl und im Dezember 2018 bei der Preconference der Online Educa in Berlin. Fazit und Ausblick Die bisherige Nutzung der Plattform in der Ausbildung kann als gelungen bezeichnet werden. Die Medienkompetenz der Ausbilder*innen wurde wesentlich erweitert. Sie haben ein zusätzliches Inst- rument, mit denen sie die Jugendlichen begeistern und für ihre Ausbildung motivieren können. Die Plattform bietet Gelegenheit, in Austausch mit den Azubis zu treten. Die Azubis können sich zeit- und ortsunabhängig mit dem Erlernten auseinandersetzen und eventuelle Wissenslücken durch Recherche im eingebundenen Bau-KnowHow verbessern. Sie haben eine Dokumentation der eignen Arbeit. Derzeit wird geprüft, ob die eigenen gedrehten Videos im digitalen Berichtsheft BLok (BPS, o. J.) eingebunden, bzw. hochgeladen werden können, um dort die geleisteten Ergeb- nisse zu dokumentieren. Die kleinen und mittleren Betriebe profitieren durch den Zuwachs der Medienkompetenz ihrer Auszubildenden. Einen ersten Einblick in die Vorteile der Plattform und einen Testzugang bietet die Website https://promo.komzet.media/de. Sie enthält eine kompakte Übersicht über den Aufbau und die didaktischen Möglichkeiten, die mit der Nutzung der Plattform verbunden sind. Das Konzept und die technische Umsetzung sind übertragbar auf andere Berufsbildungsstätten. Interessierte können über die Kontaktdaten auf der Website weitere Informationen erhalten. An dieser Stelle muss aber auch gesagt werden, dass der Einsatz digitaler Medien und der Austausch von Inhalten auf gemeinsamen Plattformen die praktische Ausbildung zwar ergänzt, sie aber nicht ersetzt. Das wichtigste Ziel der überbetrieblichen Ausbildung bleibt es, am Ende handwerkliche Fähigkeiten zu erlangen und berufspraktische Handlungskompetenz zu erreichen. 2 | Digitale Medien als Werkzeug in der Hand von Lernenden 81 Literatur und Quellen Albrecht, G./ Ernst, H./ Westhoff, G./ Zauritz, M. (2014): Bildungskonzepte für heterogene Gruppen – Anregungen zum Umgang mit Vielfalt und Heterogenität in der beruflichen Bildung. Herausgegeben vom Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn Online: https://www.bibb.de/dokumente/pdf/a33_ kompendium_modellversuch_barrierefrei.pdf (20.05.2019) BPS Bildungsportal Sachsen GmbH (Hrsg.) (o. J.). Blok – Das Online Berichtsheft. Online: https:// www.online-ausbildungsnachweis.de (13.03.2019) DIVSI – Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (Hrsg.) (2014): Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der digitalen Welt. DIVSI U25-Studie. Online: https://www. divsi.de/wp-content/uploads/2014/02/DIVSI-U25-Studie.pdf (20.05.2019) MPFS – Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest/ Landesanstalt für Kommunikation (Hrsg.) 2018): JIM-Studie 2018 – Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Online: http://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2018/ Studie/JIM_2018_Gesamt.pdf (20.05.2019) Schulmeister, R. (2012): Vom Mythos der Digital Natives und der Net Generation. In BWP 41(2012)3, 42–46 Weller, A. (2018): Smartphone, Tablet & Co. im Betrieb einsetzen – aber sicher! In: Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen/ eBusiness-Kompetenzzentrum gUG (haftungsbeschränkt), Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP (Hrsg.): Mobile Endgeräte im Handwerksbetrieb. Nutzung von Smartphones und Tablets im Arbeitsalltag sicher und DS-GVO-konform, 2–3. Online: https://www.kompetenzzentrum-planen-und-bauen.digital/ kos/WNetz?art=File.download&id=1884&name=Einatz_mobiler_Endger%C3%A4te_v1.1.pdf (20.05.2019) Wolfram L./ Sudermann R. (2018). Digital Natives wollen abgeholt werden. Online: https://www. personalwirtschaft.de/personalentwicklung/ausbildung/artikel/wie-sich-digital-natives-ueber- ausbildung-informieren.html (20.05.2019) 82 Holger Schopbach SOFTWARETOOL FÜR MASCHINENINTENSIVE AUS- UND WEITERBILDUNG Ein digitales Hilfsmittel zur Vor- und Nachbereitung von Maschinenkursen der Zimmer*innen und Tischler*innen Holger Schopbach Während der Ausbildung von Zimmer*innen und Tischler*innen müssen Kurse für handgeführte und stationäre Maschinen absolviert werden. Für die hierbei verwendeten gängigen Handmaschinen und stationären Maschinen wurde daher ein Lernmedium für Tablets, Notebooks und stationäre PCs als Informationspool für die Maschinentechnik entwickelt. Der Startbildschirm wird durch eine dreidi- mensionale Darstellung eines realen Maschinenraumes gebildet. Dort kann durch Mausklick eine der Maschinen ausgewählt werden. Über Maus-Bewegungen und -klicks werden alle relevanten Bestand- teile, Funktionen und Arbeitshandlungen durch Fotografien, Animationen, Videos, Grafiken und Texte erläutert. Die Darstellungstiefe ist abhängig vom Schwierigkeitsgrad der Maschine und reicht bis zu komplexen Einrichtvorgängen wie Wechsel der Werkzeuge (Sägeblätter, Hobelmesser usw.). Fragen zum Verständnis und Prüfungen sind in Form eines Wissens-Checks integriert. Schlüsselbegriffe › Maschinenkurs › Holzbearbeitungsmaschinen › Handmaschinen › Stationäre Maschinen › Maschinenraum › Zimmer*innen › Tischler*innen Einleitung Während die zimmermannsmäßige Bearbeitung von Hölzern (Abbund) früher ausschließlich über manuelle Fertigung erfolgte, werden heute Handmaschinen und stationäre Maschinen bis hin zu computergesteuerten Fertigungsanlagen (Abbundmaschinen) eingesetzt. Durch die Komplexität dieser Maschinen und durch veränderte Ablauforganisation in den Betrieben steigen die Anfor- derungen an die Qualifikationen der Mitarbeiter*innen. Deshalb werden in der Zimmerer-Aus- 2 | Softwaretool für maschinenintensive Aus- und Weiterbildung 83 bildung zweiwöchige Maschinenkurse als Teil der überbetrieblichen Ausbildung verpflichtend angeboten (vgl. BMWT 1999). Das Bundesbildungszentrum des Zimmerer- und Ausbaugewerbes (BUBIZA) in Kassel gehört als anerkanntes Kompetenzzentrum zu den führenden deutschen Berufsbildungsstätten für den Holzbau. Es ist mit dem Teilprojekt Softwaretool für maschinen- intensive Aus- und Weiterbildung Partner im Verbundprojekt MELINDA – Medienunterstütztes Lernen und Innovation in der handwerklichen Arbeit. BUBIZA entwickelt in diesem Zusammen- hang multimediale Lernanwendungen, die auch anderen Berufsbildungsstätten zugänglich sind und bei der Werkstattsituation im Startbildschirm sogar auf deren spezifische Gegebenheiten angepasst werden können. Ausgangslage und Problemstellung Es besteht bislang kaum die Möglichkeit, sich mithilfe fachlich fundierter und didaktisch gut aufbe- reiteter audiovisueller Medien auf die Maschinenkurse vorzubereiten und die während des Kurses vermittelten Sachverhalte nachzubereiten. Dabei bildet der Maschinenkurs die Grundlage für eine abschließende Prüfung, die die Teilnehmenden in der Aus- und Weiterbildung befähigt und per Zertifikat berechtigt, stationäre und handgeführte Maschinen ohne Beaufsichtigung benutzen zu dürfen. Zwar werden diverse Video-Anleitungen auf freien Online-Kanälen angeboten, die jedoch mitunter fachlich nicht ganz einwandfrei sind, teilweise Aspekte von Arbeitssicherheit und Arbeits- schutz vernachlässigen und deshalb nicht bedenkenlos empfohlen werden können. Im Internet verfügbare multimediale Anleitungen von Maschinenherstellern erfüllen zwar diese Bedingungen in der Regel und liegen zumeist in guter Qualität vor, sind aber sehr spezifisch auf die Produkte des jeweiligen Herstellers ausgerichtet. Sie können ergänzend zu den im BUBIZA entwickelten grundle- genden und herstellerunabhängigen Videos eingesetzt werden. Ziele und Erwartungen In einem Maschinenkurs werden die einzelnen handgeführten und stationären Maschinen sukzes- sive in Theorie und Praxis in einem zweiwöchigen Unterricht behandelt und die ordnungsgemäße Handhabung anschließend im Rahmen einer Prüfung abgefragt. Durch das am BUBIZA entwickelte Softwaretool soll eine intensive Nachbereitung der Kursinhal- te ermöglicht werden, um sich bestmöglich auf die anstehende Prüfung vorzubereiten. Daher schließt jedes Kapitel einer Maschine mit einem Wissens-Check ab. Wenn auf diese Weise alle Maschinen aktiv durchgearbeitet wurden, sind die Teilnehmenden hervorragend auf die anstehen- de Prüfung vorbereitet. Ein Maschinenkurs darf mit maximal zwölf Teilnehmenden bei einer ausbildenden Person durchge- führt werden. Neben der Behandlung der Theorie werden praktische Erläuterungen an der Maschine mit der kompletten Gruppe gegeben. Die Teilnehmenden müssen aber auch einzeln an der Maschi- ne geschult werden. Dadurch ergaben sich bislang Leerlaufzeiten für die anderen in der Lerngruppe. 84 Holger Schopbach Durch das Softwaretool können nun alle diese Zeiten direkt im Anschluss an die Gruppenarbeit nutzen, um die zuvor vermittelten Kenntnisse zu vertiefen. Im Rahmen des Bildungsexportes von Train-the-Trainer-Schulungen müssen auch Ausbilder*innen an anderen Standorten an den unterschiedlichen Maschinen geschult und eingewiesen werden. Hierbei sind häufig ganz unterschiedliche Vorkenntnisse vorhanden. Vereinzelt zeigt sich erst vor Ort, dass einige Trainer*innen noch nicht ausreichend auf eine entsprechende Unterweisung vorbereitet sind. Es wäre sehr hilfreich, wenn sich die Teilnehmenden im Vorfeld eines anstehenden Maschinen- kurses bereits intensiv auf die einzelnen Maschinen und deren individuelle Handhabung vorbereiten könnten. Auch in diesem Zusammenhang wird eine deutliche Verbesserung durch das entwickelte Softwaretool erwartet. Zielgruppe Die Software kann vielfältig für verschiedenste Zielgruppen eingesetzt werden. Auszubildende zum*zur Zimmer*in nutzen sie im Rahmen der Maschinenkurse in der überbetrieblichen Ausbildung sowie zur Prüfungsvorbereitung. BUBIZA stellt daher den Auszubildenden während der Laufzeit des Maschinenkurses hierfür Tablets zur Verfügung. Ergänzend kann das Tool auch in der Weiterbildung eingesetzt werden. So werden in Kassel beispielsweise auch Vorbereitungskurse auf die Zimmermeisterprüfung durchgeführt, die sich an Dachdeckermeister*innen richten. Diese haben in ihrer bisherigen Ausbildung noch keinen Maschi- nenkurs absolviert und müssen diesen nachholen. Auch angehende Tischler*innen müssen verpflichtende Maschinenkurse absolvieren, die mit denen der Zimmerer weitgehend deckungsgleich sind. Mehrere Bildungszentren haben BUBIZA bereits da- hingehend angesprochen, weil sie das Tool zukünftig auch in dieser Ausbildung einsetzen möchten. Schließlich kann das Tool auch im Rahmen von Projekten des Bildungsexportes eingesetzt wer- den. So besteht beispielsweise eine Kooperationsvereinbarung zwischen BUBIZA und der TVET International Shool Rubengera in Ruanda. Hier werden junge Menschen in einer dreijährigen Ausbildung im Bereich Carpentry ausgebildet. Bei dieser Ausbildung handelt es sich nach deut- schen Maßstäben um eine Mischung zwischen dem Tischler- und dem Zimmerer-Beruf. BUBIZA übernimmt zusammen mit der nordhessischen Firma Fingerhaus die Ausbildung der ruandischen Trainer*innen, die, vergleichbar mit der in Deutschland, in Vorbereitungskursen in die verschie- denen stationären sowie Handbearbeitungsmaschinen eingewiesen werden. Nach einer Überset- zung des Tools in die englische Sprache könnten sich die ruandischen Trainer*innen im Vorfeld eines Trainings bereits mit den Maschinen mit Hilfe des Softwaretools vertraut machen, so dass die Präsenzzeiten effektiver genutzt werden können. Auch das private Lernen von interessierten Personen ist mit dem Softwaretool grundsätzlich möglich. 2 | Softwaretool für maschinenintensive Aus- und Weiterbildung 85 Didaktisches und methodisches Konzept Zwei wesentliche Aspekte zum Einsatz des Softwaretools aus didaktischer Sicht sind die Bereiche- rung des Lernumfeldes durch zusätzliche, hochwertige, dynamische digitale Medien und die Erwei- terung der individuellen, selbstgesteuerten Zugriffsmöglichkeit auf geprüfte, verlässliche Inhalte. Es geht also nicht um das Ersetzen, sondern um das Unterstützen arbeitspraktischer Lernphasen, die weiterhin den Kern der überbetrieblichen Ausbildung ausmachen. Die Bereitstellung des Software- tools über Tablets erlaubt den Lernenden einen beliebigen Zugriff darauf während des jeweiligen Präsenzlehrgangs. Dieses Angebot wird von den Auszubildenden beispielsweise auch abends im Internat genutzt. Das ansprechende Medium erhöht offensichtlich die Bereitschaft, sich auch außer- halb der eigentlichen Lehrgangszeiten mit den fachlichen Inhalten zu befassen. In einem weiteren Schritt kann die Bereitstellung auch über ein online erreichbares, geschütztes Lernmanagementsystem (LMS) erfolgen, um vollständig zeit- und ortsunabhängigen Zugang zu ermöglichen. Für die Darstellungen wurden ergänzend zu Realbildern sinnbildliche Abb.en, Grafiken und Anima- tionen gewählt. Dadurch wurde die beabsichtigte Fokussierung auf wesentliche Bestandteile und Baugruppen der einzelnen Maschinen sowie eine weitgehende Hersteller-Neutralität erreicht, was der Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten zugutekommt. Der Zugang zu einer konkreten Maschine erfolgt durch die Auswahl innerhalb eines virtuellen Maschinenraumes. Nach wenigen einleitenden Erläuterungen zur Bedienung des Programms kann zunächst die Maschine in einer kleinen Animation von allen Seiten begutachtet werden. Danach können Anwender*innen die ihnen interessant erscheinende Rubrik frei auswählen. Dabei ist aller- dings eine Abarbeitung der verschiedenen Rubriken von links nach rechts empfehlenswert. Wenn eine Rubrik ausgewählt wurde, muss diese Seite für Seite durchgearbeitet werden. Der „Weiter“-But- ton erscheint erst, wenn entsprechende Häkchen gesetzt oder Info-Tafeln ausgewählt wurden. Diese partielle Zwangsleitung nach vollkommen freier Basisauswahl der Rubrik gewährleistet, dass alle wichtigen Inhalte beachtet und bearbeitet werden. Es besteht jedoch jederzeit die Möglichkeit, die Rubrik abzubrechen und wieder in das Hauptmenü der Maschine zu gelangen. Während des Unterrichts liegt die Entscheidung über Methoden und Lernszenarien im Zusammen- hang mit dem Softwaretool beim Ausbildungspersonal. Das Medium lässt verschiedene Varianten offen, etwa von der gleichzeitigen Arbeit der Lernenden mit den Videos und deren Vorführung (Prä- sentationsansatz) bis hin zu völliger Entscheidungsfreiheit für die Lernenden, ob, wann und wie sie davon Gebrauch machen wollen. Das kann zur Unterstützung der direkten Arbeit mit einer Maschine erfolgen, zur Lösung von Lernaufgaben, in der Projektbearbeitung einzeln oder in der Gruppe oder, wie bereits ausgeführt, zur Vor- und Nachbereitung. Realisierung Um die Projektidee umzusetzen und die Medien zu realisieren, bedurfte es insbesondere Unterstüt- zung auf technischer Seite. Sachverstand auf fachlicher Seite war durch die eingebundenen Ausbil- der*innen und Projektmitarbeiter*innen (Zimmermeister*innen) gegeben. 86 Holger Schopbach Ursprünglich sollten für die verschiedenen Maschinen einzelne Softwaretools entwickelt wer- den, die einzeln angewählt werden können. Um eine bessere Akzeptanz bei den Rezipient*in- nen zu erreichen, wurde im Rahmen der Projektbearbeitung aber entschieden, den Zugang zu den einzelnen Maschinen über die Darstellung eines realen Maschinenraumes herzustellen. In diesem Maschinenraum wurden neben den stationären Maschinen auch die Handmaschinen abgelegt. Ursprünglich war dafür nur ein Standpunkt im Raum vorgesehen, um dann über einen 360°-Schwenk alle Maschinen im Blickfeld zu haben und auswählen zu können. Auf diese Weise konnten die kleineren Handmaschinen jedoch nur unzureichend dargestellt werden. Daher wur- den zwei Standpunkte angelegt: einmal inmitten der stationären Maschinen und ein anderes Mal inmitten der Handmaschinen. Um den Maschinenraum entsprechend zu erfassen, wurde eine 360°-Kamera angeschafft, die mit einer Aufnahme den kompletten Raum erfasst. Die Qualität dieser Aufnahmen erwies sich aber als relativ schlecht. Daher wurden mit einer Spiegelreflex-Kamera zwölf einzelne Bilder in 30°-Schrit- ten erstellt und mit einer geeigneten Software (Panoramastudio 3 Pro) zu einem Panoramabild verschmolzen. Ursprünglich wurden zwölf weitere Bilder mit einer um 15° gegenüber der Horizon- talen geneigten Kamera erzeugt, um ein noch detailreicheres Panoramabild zu erstellen. Es hat sich aber gezeigt, dass ein Schwenk in Augenhöhe der betrachtenden Person völlig ausreichend ist und die Tiefenschärfe gegenüber dem Bild einer 360°-Kamera erheblich besser ist. Nach der Er- stellung des Panoramabildes musste eine Möglichkeit geschaffen werden, dass die Betrachter*in- nen während der gesteuerten Drehbewegung die einzelnen Maschinen auswählen können. Dafür wurden im Rahmen der Bildbearbeitung mit der vorgenannten Software entsprechende Hotspots auf den einzelnen Maschinen abgelegt. Das erzeugte Panoramabild kann dann als interaktive HTML-Seite ausgegeben werden, so dass von diesem Hotspot direkt auf eine andere Anwendung bzw. HTML-Seite verlinkt werden kann. Bereits früher konnten am BUBIZA erste Erfahrungen mit einer ähnlich gelagerten Problemstellung am Beispiel einer Abbundmaschine gesammelt werden. Hierfür wurde seinerzeit die Autorensoft- ware Mediator verwendet. Im Rahmen der Projektbearbeitung wurde allerdings das Programm ge- wechselt. Das hing auch damit zusammen, dass die maschinenspezifischen Inhalte, die später beim Softwaretool abgerufen werden sollen, zunächst in einer umfangreichen Power-Point-Präsentation von den Projektbearbeiter*innen zusammengetragen wurden. Anschließend erfolgte die Umsetzung der einzelnen Maschinen letztendlich im Programm Articulate Storyline, welches Power-Point-Da- teien direkt importieren kann. Articulate Storyline erzeugt als Endprodukt HTML-Seiten, die im individuell installierten Browser angezeigt werden. Sämtliche Maschinen wurden mit einer CAD-Software in vereinfachter Form nachgezeichnet, so dass produktneutrale Zeichnungen vorliegen. Ergänzend stehen alle gezeichneten Maschinen als 3D-Modell zur Verfügung. Durch den Import dieser 3D-Dateien in die Open Source-Software Blender wurden Animationen erstellt, so dass die Anwender*innen die jeweilige Maschine von allen Seiten betrachten können. In diesen 3D-Animationen lassen sich auch ausgewählte Flächen ausblenden, so dass auch das wesentliche Innenleben einer Maschine begutachtet werden kann. 2 | Softwaretool für maschinenintensive Aus- und Weiterbildung 87 Ergebnisse und Produkte Der erste Schritt bei der Realisierung war die Festlegung auf die für eine*n Zimmer*in wesentli- chen Maschinen. Die Auswahl orientierte sich selbstverständlich auch an den bislang am BUBIZA durchgeführten Maschinenkursen. Die in Abb. 1 und Abb. 2 dargestellten Maschinen wurden im Softwaretool berücksichtigt. Formatkreissäge Kapp- und Gehrungssäge Abrichthobel Dickenhobel Tischfräse Bandsäge Abb. 1: Im Softwaretool berücksichtigte stationäre Maschinen (eigene Darstellungen/BUBIZA) Zimmereikettensäge Handbandsäge Zimmerei-Bohrmaschine Kettenstemmer Handkreissäge Abb. 2: Im Softwaretool berücksichtigte handgeführte Maschinen (eigene Darstellungen/BUBIZA) 88 Holger Schopbach Nach der Auswahl der zu berücksichtigenden Maschinen wurden zunächst die einzelnen Rubriken festgelegt, für die entsprechende Informationen im Tool vorgehalten werden sollen. Diese sind in Abb. 3 zusammenfassend dargestellt. Nachdem eine Maschine in allen Rubriken durchgearbeitet wurde, erfolgt ein integrierter Test. Für eine einheitliche Menüführung wurden für jeden der vorgenannten Gliederungspunkte Pikto- gramme durch das Designbüro Design Coop in Kassel entwickelt und erstellt. Wie bereits erläutert findet der Zugang zum Softwaretool über einen im 360°-Schwenk erfassten, relativ neu ausgestatteten Maschinenraum des BUBIZA statt. Darin nehmen die Nutzer*innen einen Stand- punkt ein, von dem aus jede Maschine angewählt werden kann. Um welche Maschine es sich handelt, wird jeweils im kontextsensitiven Mouse-Over-Menü angezeigt. Nach der Auswahl einer Maschine wird die verknüpfte Software Articulate-Storyline aufgerufen. Zwei animierte Personen (männlich und weiblich) begleiten den*die Rezipient*in durch das Programm und erläutern zunächst die Grundfunktionen. Nachfolgend stehen dann für die gewählte Maschine die zuvor aufgezeigten Rubriken zur Verfügung (Abb. 5). Zunächst kann in einer animierten 360°-Sequenz die Maschine von allen Seiten betrachtet werden. Nach einer kompletten Umdrehung werden ausgewählte Abdeckungen transparent, so dass die wesentlichen mechanischen Bauteile sichtbar werden. Unter der Rubrik Info werden zunächst die wesentlichen Bestandteile und Funktionen einer Maschi- ne mit Fotos, Text und Animationen erläutert. Durch setzten eines Hakens wird bestätigt, dass die Inhalte gelesen wurden. Erst dann kann der Weiter-Button betätigt werden. Info Allgemein Arbeitssicherheit Betrieb & Handhabung Werkzeugwechsel Wartung & Pflege Handbuch Wissens-Check Abb. 3: Piktogramme der verschiedenen Rubriken (Grafiken: Design Coop, Kassel) 2 | Softwaretool für maschinenintensive Aus- und Weiterbildung 89 In der Rubrik Sicherheit finden sich die wesentlichen Sicherheitshinweise, die im Umgang mit der jeweiligen Maschine zu beachten sind. Auch die persönliche Schutzausrüstung wird hier angespro- chen. Ein großer Teil der Hinweise wiederholt sich verständlicherweise bei sämtlichen Maschinen. In diesem Bereich werden vereinzelt auch Videos der Berufsgenossenschaften eingebunden, um be- stimmte Problematiken besser aufzeigen zu können. Nachfolgend werden die Inhalte der jeweiligen Rubriken kurz vorgestellt (Abb. 6). Abb. 4: Ansicht im Maschinenraum: Abrichthobel und Dickenhobel (eigene Darstellung/BUBIZA) Abb. 5 (links): Startbildschirm der gewählten Maschine (eigene Darstellung/BUBIZA) Abb. 6 (rechts): Kategorien für die aufbereiteten Daten des Handbuches (eigene Darstellung/BUBIZA) 90 Holger Schopbach Abb. 7 (rechts): Standbild der Animation zur Funktionsweise des Abrichthobels (eigene Darstellung/BUBIZA) Während in der Rubrik Betrieb die ordnungsgemäße Nutzung der Maschine mit Unterstützung zahl- reicher Abb.en erläutert wird, erfolgt in der Rubrik Werkzeuge die Erläuterung der holzbearbeitenden Werkzeuge (z. B. Messerwelle, Sägeblatt) und deren Wechsel. In der folgenden Rubrik Pflege wird die Schmierung und Pflege der Maschinen thematisiert, wohingegen die Rubrik Handbuch eine Zusam- menfassung der meist sehr umfangreichen Handbücher für die Themenbereiche Technische Daten, Sicherheitseinrichtungen, Rüsten/Einstellen, Betrieb sowie Wartung und Instandhaltung enthält. Die Bilder, die im Programm verwendet werden, wurden größtenteils im Maschinenraum des BUBI- ZA aufgenommen. Während der Entwicklung des Programmes rückte der Gedanke an eine interna- tionale Nachnutzung mehr und mehr in den Fokus. Daher sollen ergänzend noch einige Bilder mit schwarzen Personen aufgenommen werden. Dies soll die Akzeptanz zur Anwendung in afrikanischen Ländern erhöhen. Neben der Verwendung von Fotografien wurden einzelne Sequenzen auch als Realfilm gedreht, da sich komplexere Sachverhalte so besser erläutern und nachvollziehen lassen. Um die prinzipielle Vorgehensweise von einzelnen Maschinen aufzuzeigen, wurden ergänzend Animationen mit der Software Blender erstellt (Abb. 7). Durch solche Animationen lassen sich auch Vorgänge darstellen, die normalerweise innerhalb einer Maschine stattfinden und dadurch verdeckt sind. Erprobung, Empfehlungen und Transfer Bei der Entwicklung der Anwendung wurde zunächst eine ausgewählte Maschine (hier die Abricht- hobelmaschine) in den Fokus gestellt. In mehreren Durchläufen wurde die Entwicklung durch das 2 | Softwaretool für maschinenintensive Aus- und Weiterbildung 91 komplette Projektteam gesichtet und diskutiert. Anschließend wurde dieser Teilbereich des Gesamt- programmes zahlreichen Teilnehmenden laufender Maschinenkurse auf Tablets zur Begutachtung zur Verfügung gestellt. Hierfür wurden Fragebögen entwickelt, die auszufüllen waren und mit Anmer- kungen und Verbesserungsvorschlägen ergänzt und umgehend eingearbeitet wurden. Nachdem auf diese Weise diese Maschine relativ ausgereift umgesetzt war, wurden die übrigen Maschinen nach demselben Muster aufbereitet. Das Programm ist auch auf windowsbasierten Tablets mit relativ geringen technischen Anforderun- gen voll lauffähig. Es empfiehlt sich daher die Anschaffung entsprechender Tablets in Gruppengröße des Kurses. Auszubildende, die häufig in Wochenblöcken die überbetrieblichen Ausbildungsstätten besuchen und während dieser Zeit in Internaten untergebracht sind, sollte das Tablet während der gesamten Zeit zur Verfügung stehen. So können sie auch außerhalb der regulären Ausbildungszeiten die Inhalte wiederholen und sich auf die anstehende Prüfung vorbereiten. Fazit und Ausblick Während der Projektlaufzeit wurde das Vorhaben auf verschiedenen Netzwerktreffen, Informations- veranstaltungen und der eQualification 2018 präsentiert. Verschiedene Netzwerkpartner und Bil- dungszentren, die Zimmer*innen und/oder Tischler*innen ausbilden, haben ein hohes Interesse an einer späteren Verwendung der Software geäußert. Um eine noch höhere Akzeptanz zu erzielen, sollte möglichst der in der jeweiligen Einrichtung vorhandene Maschinenraum in einer dreidimensionalen Aufnahme erfasst werden und als Zugang zu den einzelnen Maschinen dienen. Nach Abschluss der Projektlaufzeit von MELINDA soll das Softwaretool daher im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes DigiBAU – Digitales Bauberufliches Lernen und Arbeiten an einige Bildungszentren angepasst werden, indem der jewei- lige Maschinenraum erfasst und in das Tool implementiert wird. Für den Einsatz bei Tischler*innen soll das Softwaretool in diesem Zuge bei einigen Maschinen leicht modifiziert werden. Auf Anfrage beim BUBIZA können gegen Kostenerstattung weitere Bildungszentren mit ihren individuellen Ma- schineräumen integriert werden. Nach erfolgreichem Abschluss wird angestrebt, das Softwaretool für die internationale Berufsbil- dungszusammenarbeit auch in andere Sprachen zu übersetzen. Literatur und Quellen BMWT Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (1999): Verordnung über die Berufs- ausbildung in der Bauwirtschaft. Veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 1999 Teil I Nr. 28, ausgegeben zu Bonn am 10. Juni 1999 92 Roland Falk | Bernd Mahrin EINFÜHRUNGSVIDEOS FÜR PRAXIS-UNTERRICHT Mehr Zeit für individuelle Betreuung Roland Falk | Bernd Mahrin In der bauberuflichen Erstausbildung, sowohl in den überbetrieblichen Ausbildungszentren als auch in den Berufsschulen, werden während der dreijährigen Ausbildung in verschiedenen Lernfeldern viele Werkstücke hergestellt und Themen unterrichtet. Die Einweisung durch Ausbilder*innen und Lehrkräfte in das Themenfeld und in die jeweilige Aufgabenstellung zu Beginn ist von größter Wich- tigkeit für die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema und für die fachgerechte und erfolgreiche Bearbeitung der handlungsorientierten Aufgaben. Häufig versäumen einzelne Aus- zubildende krankheitsbedingt oder aus anderen Gründen solche Einweisungen oder erfassen den Lerninhalt nicht sofort vollständig. Die dadurch erforderlichen separaten Einweisungen und Wieder- holungen belasten die gesamte Lernsituation für alle Beteiligten. Der Einsatz von digitalen Medien, insbesondere von Videos, Erklärvideos und Scribbles, kann hier Entlastung schaffen. Er ermöglicht allen Lernenden innerhalb eines geschlossenen Benutzerkreises nach eigenem Bedarf jederzeitigen Zugriff auf Erklärungen zu noch nicht richtig verstandenen Sachverhalten. Schlüsselbegriffe › Videos › Einführung › App › Scribbles › Erklärvideos Einleitung Das praktische Erlernen von handwerklichen Tätigkeiten, die sich oft verbal nur schwer erklären lassen, ist vor allem durch das Vormachen und Nachahmen geprägt. Nach dem Motto „ein Bild sagt mehr als tausend Worte und ein Video mehr als tausend Bilder“ können berufliche Handlungssituationen mit Filmen sehr anschaulich und realistisch dargestellt werden. Jederzeit zugängliche Filme ermöglichen es den Auszubildenden, sich auf eine Ausbildungssituation gut einzustellen. Digital unterstütztes Lernen kann mit dem Einsatz von Videos nach dem Prinzip von Anchored Instructions erfolgen, indem konkrete, 2 | Einführungsvideos für Praxis-Unterricht 93 einprägsame berufliche Situationen gezeigt werden, die einen hohen Erinnerungswert haben und die die Lernenden anregen, auftretende Probleme aktiv zu erforschen und selbständig zu lösen (vgl. Reich 2017). Für acht zentrale Themenfelder der Bauberufe im Grundbildungsjahr wurden im Projekt MELINDA – Medienunterstütztes Lernen und Innovation in der handwerklichen Arbeit – gefördert durch das Bundes- ministerium für Bildung und Forschung und durch den Europäischen Sozialfonds – Einführungsvideos erstellt, die diesem Ansatz gerecht werden. Die Auszubildenden sollen mithilfe dieser Medien lernen, Arbeitsschritte bzw. Lern- und Arbeitsaufgaben, die aus anderen Bau-Gewerken stammen können, richtig einzuordnen, Schnittstellen zu ihren eigenen Handlungen zu erkennen und Zusammenhänge besser zu verstehen. So befassen sich Stuckateur*innen im ersten Ausbildungsjahr beispielsweise auch mit dem Fliesenlegen und mit Holzverbindungen. In den Bauberufen erfolgt die berufsspezifische Spezialisierung erst ab dem zweiten Lehrjahr mit der Fachstufe. Das Konzept der berufsfeldbreiten Grundbildung hat zwei gewichtige Gründe: Erstens können Auszubildende dadurch ohne Verlust von Ausbildungszeit nach dem ersten Lehrjahr noch zwischen den unterschiedlichen Bauberufen wechseln. Zweitens entsteht ein für die spätere Arbeitspraxis wichtiges Verständnis der verschiedenen Baugewerke untereinander. Wenn beispielsweise eine Wand nicht gerade gemauert ist, können Stuck- ateur*innen keine gute Grundlage für die Fliesenleger*innen erstellen, die für ihre Arbeit einen sehr ebenen Untergrund und vor allem rechtwinklige Flächenanschlüsse benötigen. In der überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) wurden aus den verschiedenen Gewerken acht Haupt- tätigkeiten ausgewählt, für die mit handwerklichen Übungen die Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden. Ausbilder*innen führen in diese Ausbildungsblöcke ein, erklären den Rahmen und stellen den Bezug zum Gesamtgebäude oder zur übergeordneten Problemstellung her. Diese Einweisungsphasen werden durch die erstellten Videos ergänzt. Ausgangslage und Problemstellung Im Baubereich erfolgt die Ausbildung in der überbetrieblichen Ausbildung in Blöcken von zwei bis drei Wochen Länge. Zu Beginn eines Blockes werden die Aufgabe und die Bausituation erklärt. Die Einweisung durch Ausbilder*innen in handlungsorientierte Aufgaben zu Beginn und im Verlauf von Lehrgängen ist grundlegend für die fachgerechte Bearbeitung und den Lernerfolg. Häufig versäumen Auszubildende aus unterschiedlichen Gründen solche Einweisungen. Die dadurch erforderlichen separaten Einweisungen belasten die gesamte Lernsituation ebenso wie individuell oft nötige Wiederholungen. Der Einsatz digitaler Medien, insbesondere von Videos, Erklärvideos und Scrib- bles ermöglicht Lernenden innerhalb eines geschlossenen Benutzerkreises nach eigenem Bedarf jederzeitigen Zugriff auf noch nicht richtig verstandene Erklärungen und Anleitungen. Im Projekt MELINDA entstand deshalb die Idee, für die Bau-Bildungszentren, die im ersten Ausbildungsjahr gemäß Ausbildungsverordnung dieselben Ausbildungsthemen bedienen, einheitliche Einführungs- videos zu produzieren. Ausbilder*innen sollten durch diese Videos mehr Gestaltungsspielräume für ihren Unterricht und mehr Unabhängigkeit erlangen. Es geht nicht darum, den Theorieunterricht der Berufsschule zu ersetzen, sondern im unmittelbaren Kontext der konkreten praktischen Tätigkeit eine lernförderliche Verbindung dazu herzustellen. 94 Roland Falk | Bernd Mahrin Ziele und Erwartungen Durch die Digitalisierung der Bau- Ausbildung mit Einsatz von Tablets und interaktiven Whiteboards bzw. Touchscreen-Monitoren lassen sich Filme direkt in der Praxis-Lehrwerkstatt einsetzen. Bei Gruppeneinweisungen können die Videos gemeinsam betrachtet werden und die sich daraus erge- benden Aufgaben und Fragen in der Lerngruppe besprochen werden (Abb. 1). Durch den Einsatz von wasserdichten Tablets können sich die Auszubildenden den Film aber auch direkt in der Werkstatt nochmals anschauen und die benötigten Informationen daraus entnehmen (Abb.en 2 und 3). Situations- und aufgabenspezifisch ergänzende Bilder, technische Zeichnungen usw. sollten als Begleitmaterial durch die Berufsbildungsstätten ergänzt werden, vorzugsweise in digitaler Form, so dass sie an demselben mobilen Endgerät verfügbar sind wie die Videos. Da die Ausbildung im ersten Lehrjahr auch an kleineren Ausbildungszentren durchgeführt wird, die nicht alle Gewerke in der Vollausbildung abdecken können, kann der Einsatz von ergänzenden Ausbildungsfilmen im ersten Lehrjahr auch zur Standardisierung, zur Steigerung der Qualität und der Attraktivität der Ausbildung in den Bauberufen beitragen. Abb. 1: Besprechung des Ausbil- dungsblockes am Smartboard mit Filmen und Aufgabenpaketen (Bild: Falk / Kompetenzzentrum Ausbau und Fassade) Abb. 2 und 3: Einsatz von wasserdichten Tablets in der praktischen Ausbildung in der ÜBA (Bilder: Falk / Kompetenzzentrum Ausbau und Fassade) 2 | Einführungsvideos für Praxis-Unterricht 95 Die Filme sollen nach Fertigstellung über die Netzwerke der beteiligten Verbundpartner des MELINDA-Projekts weiteren Bau-Bildungszentren zugänglich gemacht werden. Der Abruf ist nach Registrierung über die Internetseite des Kompetenznetzwerks Bau und Energie e. V. (www.kom- zet-netzwerk-bau.de) vorgesehen. Vor dem Herunterladen werden nur einfache, ohnehin öffentlich zugängliche Kontaktdaten der Berufsbildungsstätte oder Berufsschule abgefragt. Dies ist wichtig, um einen Überblick über die Verbreitung der Videos zu bekommen und eventuelle Neuerungen oder Änderungen den Ausbildungsstätten direkt mitteilen zu können. Zielgruppe Die Zielgruppe bilden zunächst alle Berufsausbildungszentren in Deutschland, die den praktischen ÜBA-Unterricht im ersten Ausbildungsjahr zu den acht ausgewählten Themen, die von zentraler Bedeutung für die Bauausbildung sind, anbieten. Diese können die Lehrfilme kostenfrei für ihren Unterricht einsetzen. Darüber hinaus sind auch alle Berufsschulen in Deutschland angesprochen, die die Theorie im ersten Lehrjahr für die Bauberufe vermitteln. Auch dort im Unterricht können die Filme genutzt werden, beispielsweise auch, um die Lernortkooperation zu unterstützen. Mittelbare Nutzer*innen – und damit die eigentliche Hauptzielgruppe – sind aber die Lernenden, vor allem Auszubildende der Bauberufe. Auch für Teilnehmende von Berufsorientierungen und Berufs- vorbereitungen sowie für Umschüler*innen können die Filme hilfreiche Ergänzungen zu Präsenzlehr- gängen sein. Didaktisches und methodisches Konzept In Lernvideos lässt sich zeigen, was mitunter nur schwer in Worte zu fassen oder in der Ausbil- dungswerkstatt nur schwer darstellbar ist. Dazu gehören systematische Zusammenfassungen und Erläuterungen komplexer Zusammenhänge. Im ersten Ausbildungsjahr können die Lernenden bereits die fachgerechte Ausführung eines ganzheitlichen Arbeitsprozesses einschließlich der Angabe benötigter Werkzeuge und Materialien als einen solchen komplexen, noch nicht vertrau- ten Zusammenhang empfinden. Dieser Grundannahme folgend orientieren sich sechs der acht MELINDA-Videos am didaktischen Konzept der Lern- und Arbeitsaufgaben (vgl. Howe/Knutzen 2013, 12 ff.). Zwei Videos haben zunächst einen fachsystematischen Ansatz, weil sie die Vielfalt komplexer Handlungsvarianten in den Mittelpunkt stellen, von der ausgehend begründete Entscheidungen für eine jeweils konkrete, exemplarische Arbeitsaufgabe zu treffen sind. Die Videos zu Standardthemen der Bauausbildung sollen die Effekte nutzen, die in zahlreichen explorativen Studien für die Wirkung des Medieneinsatzes nachgewiesen wurden: (zeitlich begrenzte) Motivationssteigerung, stärkere Kooperation, höhere Medienkompetenz, stärkere Selbststeuerung und höhere kognitive Komplexi- tät (vgl. Herzig 2014, 13). In den Filmen werden auch dynamische Scribbles eingesetzt. Das sind am Bildschirm entstehende Zeichnungen, die komplexe Zusammenhänge vereinfachen und plastisch darstellen und die ausführlicheren Realfilmpassagen ergänzen. Dadurch entstehende Wiederholun- gen sind beabsichtigt, um die Festigung des Gelernten zu unterstützen. 96 Roland Falk | Bernd Mahrin Durch die zunehmende Verfügbarkeit und gestiegenen Datentransferraten über das Internet stellen die Übertragungen von Filmaufnahmen über Videoplattformen heute kein grundsätzliches Problem mehr dar. Auch mobile Endgeräte wie Tablet und Smartphone machen das Betrachten der Filmauf- nahmen direkt auf der Baustelle (beziehungsweise in der ÜBA Lehrwerkstatt) erst möglich. So kann unmittelbar bei der praktischen Arbeit das notwendige Wissen nochmals abgerufen werden. Die Videos sind so angelegt, dass sie nicht ihren Einsatz-Kontext vorbestimmen. Die Entscheidung über die Art und Weise der Nutzung – also beispielsweise individuell oder in Arbeitsgruppen, vollständig oder auszugsweise – liegt bei den Lernenden und den Lehrenden. Die medialen Produkte sind als Bereicherung des Lernumfelds nach dem Angebotsprinzip konzipiert – ihr Einsatz in vorgegebenen Lernszenarien ist nicht zwingend. Dies deckt sich mit dem festgestellten dominierenden Charakter von Lernfilmen als individuelle und informelle eLearning-Form in der Berufsbildungspraxis (vgl. Goertz 2013, 13 und Kirchner/Jenzen in diesem Band). Der gezielte, bedarfsgesteuerte Zugriff – aktives Aufrufen von Informationen und Handlungsanleitun- gen aus verlässlichen Quellen durch die Teilnehmenden – ist eine Handlung, die eine Beurteilungsfä- higkeit erfordert, die es auszubauen und zu verstetigen gilt. Auszubildende müssen lernen, verlässliche von unsicheren Quellen sowie relevante von nicht relevanten Informationen zu unterscheiden und deren Validität einzuschätzen. Dies ist eine zentrale Voraussetzung für kritische und souveräne Medien- nutzung und Recherchefähigkeit im Sinne von Krämer et al. (2017, 30 f.) (vgl. hierzu auch Baacke 1996). Der regelmäßige Umgang mit qualitativ hochwertigen Medien soll die Entwicklung dieser Urteilskom- petenz anregen und fördern. Die Auszubildenden sollen in die Lage versetzt und angeregt werden, bei auftretenden Änderungen oder Problemen zunächst selbst nach Lösungen und Antworten zu suchen. Dieses Prinzip ist selbstverständlich nicht begrenzt auf die direkt in der ÜBA zur Verfügung gestellten Informationsquellen. Denn beispielsweise bieten auch Hersteller und Fachverbände für ihre Produkte und Arbeitsgebiete entsprechende zuverlässige Fachinformationen, die online zugänglich sind. Abb. 4 zeigt den geplanten Ablauf der Einführungsvideos, deren Gesamtlänge acht bis zehn Minuten nicht überschreiten sollte. Wenngleich in einzelnen Fällen punktuell aus unterschiedlichen Gründen von dieser Planung abgewichen wurde, so haben doch alle acht entstandenen Produkte eine über- einstimmende Grundstruktur nach diesem Muster. Am Anfang der Videos soll nach dem vereinbarten Konzept jeweils ein Problemaufriss stehen, um den Arbeitsauftrag bzw. die Lern- und Arbeitsaufgabe zu beschreiben. Daran schließt sich eine Darstellung des Handlungsrahmens zur Verdeutlichung der Grobplanung und ggf. des Spektrums der Ausführungs- möglichkeiten an. Hier wird auch auf die benötigten Materialien und Werkzeuge sowie auf Fragen des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit eingegangen. Es folgt eine Übersicht über den korrekten Arbeitsablauf, der in einer gezeichneten Filmsequenz (Scribble) dynamisch am Bildschirm entwickelt wird. Diese gewählte Darstellungsform erzeugt besondere Aufmerksamkeit und unterstützt dadurch das Erfassen der komplexen Zusammenhänge. Die nächste Phase ist der Arbeitspraxis von der fachge- rechten Arbeitsausführung von der Vorbereitung bis zur Ergebniskontrolle gewidmet. Diese Sequenz wird als Realfilm gezeigt, um einen klaren Bezug zur eigenen Arbeitsausführung der Lernenden herzu- stellen. Die besondere Bedeutung des Arbeitsschutzes wird dadurch hervorgehoben, dass am Ende – erneut in der Form eines Scribbles – noch einmal zusammenfassend darauf eingegangen wird. 2 | Einführungsvideos für Praxis-Unterricht 97 Problemaufriss Handlungs- Anwendungs-rahmen bezug Arbeitspraxis Arbeitsschutz Beschreibung der Grobplanung, Detailplanung Einrichtung der Persönliche Situation und ggf. möglicher der Arbeits- Baustelle Schutzausrüstung des Arbeitsauf- prozesse trags Ausführungs- Fachgerechte Verhaltensregeln Varianten Vorbereitung des Arbeitsausführung Arbeitsplatzes Sicherheits- Benötigte Korrekter Ablauf Maßnahmen Werkzeuge und Wesentliche Material Arbeitsschritte Gewerke- Schnittstellen Arbeitschutz- Anforderungen Ergebniskontrolle Filmsequenz Realfilmsequenz Dynamisches Realfilmsequenz Dynamisches oder vertonte eventuell ergänzt Scribble Darstellung Scribble zeich- Diashow real durch Standbilder zeichnerische möglichst mit nerische Zusam- oder gezeichnet Darstellung als Auszubildenden menfassung als Überblick einprägsame Wiederholung ca. 1 Minute ca. 1-2 Minuten ca. 1-2 Minuten ca. 3-4 Minuten ca. 1-2 Minuten Abb. 4.: Ablaufplanung der Einführungsvideos (Grafik: Mahrin / TU Berlin) Realisierung Anders als bei den weiteren Teilvorhaben des Gesamtprojekts MELINDA, deren Ansätze, Arbeitspro- zesse und Ergebnisse ebenfalls in diesem Buch ausgeführt sind, handelte es sich bei der Planung und Produktion der Videos um eine übergreifende Aktivität in gemeinsamer Verantwortung aller beteiligten Verbundpartner. Dies waren im Einzelnen › das Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade, Rutesheim, der Berufsförderungsgesellschaft des baden-württembergischen Stuckateurhandwerks m. b. H. (Gesamtprojektleitung), › das Kompetenzzentrum Elementiertes Bauen/Komzet Bau Bühl des Berufsförderungswerks der Südbadischen Bauwirtschaft GmbH, › das Kompetenzzentrum Versorgungstechnik im Berufsbildungs- und TechnologieZentrum Osna- brück (BTZ) der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, › das Kompetenzzentrum des Zimmerer- und Holzbaugewerbes im Bundesbildungszentrum des Zimmerer- u. Ausbaugewerbes gemeinnützige GmbH, Kassel sowie › das Fachgebiet Fachdidaktik Bautechnik und Landschaftsgestaltung am Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre der Technischen Universität Berlin. Die Themen für die Filme wurden in einem Workshop gemeinsam durch die beteiligten Kompetenzzen- tren auf der Basis der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft (BMWT 1999, § 5) und 98 Roland Falk | Bernd Mahrin der eigenen Erfahrungen in der überbetrieblichen Berufsausbildung festgelegt. Aus den im Ausbildungs- berufsbild zum*zur Hochbaufacharbeiter*in aufgeführten 21 Fertigkeiten und Kenntnisse wurden die acht Themen gewählt, die für die Ausbauberufe von größter Wichtigkeit sind und bei allen Bildungs- zentren im Grundbildungsjahr gelehrt werden (Tabelle 1). Jedes der vier beteiligten Kompetenzzentren trug die inhaltliche Verantwortung für zwei Filme und erstellte dazu die entsprechenden Drehbücher/ Storyboards und stellte die Drehorte und Materialien zur Verfügung. Außerdem sorgten die zuständigen Kompetenzzentren für Darsteller*innen, die in der Regel aus dem Kreis des eigenen Berufsbildungsper- sonals und der betreuten Auszubildenden stammten. Das Einverständnis der Personen und Betriebe wurde selbstverständlich eingeholt. Die Video- und Audioaufnahmen wurden überwiegend durch das Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade, Rutesheim, produziert, das auch die Erstellung der Scrib- bles und die Postproduktion übernahm und die Gesamtleitung des Projektes MELINDA innehatte. Das BTZ Osnabrück stellte die Video- und Audioaufnahmen selbst her. Unter Federführung der Technischen Universität Berlin wurden das didaktische und gestalterische Konzept (siehe oben) in einem Workshop gemeinsam erarbeitet, um ein einheitliches Ablaufmuster und Erscheinungsbild der Videos zu erreichen. Die Ausbilder*innen in den Berufsbildungszentren wur- den in die Drehbucherstellung aktiv einbezogen, um sicherzustellen, dass die Einführungsvideos auch den Anforderungen der Ausbildungspraxis gerecht werden und Akzeptanz finden. Nachdem die Dreh- bücher abgestimmt waren, wurden die praktischen Tätigkeiten vor Ort in den beteiligten Kompetenz- zentren aufgenommen. Die Ausbilder*innen und die Auszubildenden waren mit Eifer bei der Sache. Tabelle 1: Themen der Einführungsvideos, Bezug zur Ausbildungsverordnung und Zuständigkeit Thema Ausbildungs- Zuständiger Projektpartner ordnung Bearbeiten von Holz und Herstellen § 5 Nr. 10 Bundesbildungszentrum des Zimmerer- u. Ausbauge- von Holzverbindungen werbes gGmbH, Kassel Herstellen von Bauteilen aus Beton § 5 Nr. 11 Komzet Bau Bühl des Berufsförderungswerks der Süd- und Stahlbeton badischen Bauwirtschaft GmbH Herstellen von Baukörpern aus § 5 Nr. 12 BTZ Osnabrück der Handwerkskammer Osna- Steinen brück-Emsland-Grafschaft Bentheim Einbauen von Dämmstoffen für Wär- § 5 Nr. 13 Komzet Bau Bühl des Berufsförderungswerks der Süd- me-, Kälte-, Schall- und Brandschutz badischen Bauwirtschaft GmbH Herstellen von Putzen § 5 Nr. 14 Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade, Rutesheim Herstellen von Estrichen § 5 Nr. 15 Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade, Rutesheim Ansetzen und Verlegen § 5 Nr. 16 BTZ Osnabrück der Handwerkskammer Osna- von Fliesen und Platten brück-Emsland-Grafschaft Bentheim Herstellen von Bauteilen § 5 Nr. 17 Bundesbildungszentrum des Zimmerer- u. Ausbauge- im Trockenbau werbes gGmbH, Kassel 2 | Einführungsvideos für Praxis-Unterricht 99 Ergänzend zu den Realfilmen wurden gezeichnete Scribble-Filme erstellt, vor allem zur zusammenfas- senden Überblicksdarstellung der fachgerecht aufeinander folgenden Teil-Arbeitsschritte und zu dem wichtigen Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz. Im Rahmen der notwendigen Gefährdungsbeurtei- lung müssen auch die Fachkräfte selbst Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen. Dazu sind Informationen über Arbeitsschutzvorschriften und Wissen um die Zusammenhänge wichtig. Für die Vertonung wurde ein professioneller Sprecher beauftragt, damit eine für die Akzeptanz wich- tige gute Qualität erreicht wird und der bundesweite Einsatz der Filme nicht beispielsweise durch Di- alekte beeinträchtigt wird. Die Sprechertexte wurden erstellt und unter den Beteiligten abgestimmt. Über mehrere Schleifen wurden die Filme im Rahmen von Onlinekonferenzen mit den beteiligten Ausbilder*innen und Projektbeteiligten optimiert. Das zog eine Verzögerung in der Erstellung nach sich, war aber für die Qualität und Akzeptanz von entscheidender Bedeutung. Ergebnisse und Produkte Die produzierten Filme sind als OER (Open Educational Resources) entwickelt worden mit dem Ziel, dass andere Bildungseinrichtungen sie für ihre Ausbildung frei einsetzen können. Im Vorspann bzw. im Abspann werden die Logos der Ersteller und der Fördermittelgeber sowie der Förderhinweis ge- zeigt. Im zentralen Inhaltsteil wird darauf verzichtet, um die verfügbare Darstellungsfläche vollstän- dig nutzen zu können. Die verwendeten Werkzeuge und Maschinen gehören zur Standardausstattung von überbetrieb- lichen Berufsbildungsstätten für das erste Ausbildungsjahr der Bauausbildung. Die Filme sind dadurch weitgehend unabhängig von Institutionen und Lernorten einsetzbar, auch in Betrieben und Berufsschulen. Die Abb.en 5 und 6 zeigen Ausschnitte aus zwei der acht Einführungsvideos. Gerade auch für junge Menschen mit Sprachdefiziten, beispielsweise Geflüchtete, bietet sich die Nutzung der visuell orientierten Medien an. Die Erzeugung anderssprachiger Versionen ist mit vertretbarem Aufwand realisierbar. Das ist zwar nicht im MELINDA-Projekt vorgesehen, kann aber bei Bedarf jederzeit umgesetzt werden. Abb. 5: Realfilmszene aus dem Video „Herstellen von Bauteilen aus Beton und Stahlbeton" (Bild: Komzet Bau Bühl) Abb. 6: Scribble-Darstellung aus dem Video „Fliesen im Dickbettverfahren“ (Bild: Ehlers / Kompetenzzentrum Ausbau und Fassade) 100 Roland Falk | Bernd Mahrin Erprobung, Empfehlungen und Transfer Die erstellten Filme wurden zunächst in den beteiligten Kompetenzzentren in den relevanten ÜBA-Blöcken eingesetzt, um die Rückmeldung der Auszubildenden und der jeweiligen Ausbilder*in- nen zu bekommen. Das Medium Film erwies sich dabei als sehr gut geeignet, in Lernsituationen einzuführen. Es wird auch das fertige Produkt gezeigt, so dass dies bereits gedanklich verankert wird und der Weg zum fertigen Arbeitsergebnis von den Auszubildenden möglichst selbstständig gegan- gen werden kann. Die Erwartung, dass gerade für leistungsschwächere Auszubildende die Mög- lichkeit der bedarfsgesteuerten, mehrfachen Betrachtung des Filmes den gewünschten Lerneffekt begünstigen, hat sich erfüllt. Von dem Einsatz des Mediums Film zur Einführung in einen ÜBA-Block und mit individuellem Zugang der Lernenden sind alle Beteiligten überzeugt. Die Auszubildenden sind heute den Umgang mit Filmen und die Bedienung am Smartphone gewohnt und nehmen dies fast schon als Selbstverständlichkeit hin, da sich dieses Medium auch in anderen Bereichen durchgesetzt hat. So liefern z. B. Hersteller von elektronischen Geräten meist nur noch verkürzte Gebrauchsanweisungen in gedruckter Form aus und verweisen auf Videos im Internet. Der Einsatz digitaler Hilfsmittel nimmt auch auf den Baustellen stetig an Bedeutung zu (vgl. hierzu den Beitrag von Kölzer in diesem Band). Eine Hürde bei der Einführung datenintensiver digitaler Medien im Unterricht stellten bei den Erpro- bungen stellenweise die Bandbreiten der Internetverbindung dar, die in einigen Bildungszentren nicht ausreichend sind und vor einem flächendeckenden Einsatz überprüft und verbessert werden müssen. Bei einem gleichzeitigen Zugriff von mehreren Teilnehmenden, was bei selbstgesteuertem Zugriff häu- figer vorkommt, steigt der Datentransfer. Hier kann der Einsatz von Apps, die es ermöglichen, die Filme lokal zu speichern und zeitversetzt den Ladevorgang durchzuführen, Abhilfe schaffen. Alle Filme können auch für andere Berufsbildungszentren leicht und ohne aufwändige Technik für deren Zwecke adaptiert werden, zum Beispiel durch eigene Vor- und Abspänne sowie durch Anpassung an die jeweils eigene Werkstatt-Ausstattung und – begrenzt – an das eigene Corporate Design. Die Filme stellen auch für kleinere Bildungszentren einen guten und einfachen Einstieg in die Digitalisierungsunterstützung der praktischen ÜBA-Lehrgänge dar. Fazit und Ausblick Im Rahmen dieses Förderprojektes ist es gelungen, in Kooperation von vier Kompetenzzentren mit fachdidaktischer Beratung durch die Technische Universität Berlin gemeinsam diese Filme zu entwi- ckeln. Eine entscheidende Grundlage dafür bot die bereits länger bestehende vertrauensvolle Zusam- menarbeit im Kompetenznetzwerk Bau und Energie e. V. Im Rahmen des größeren Vorhabens DigiBAU arbeiten noch weitere Kompetenzzentren und Univer- sitäten aus diesem Netzwerk zusammen, um gemeinsam Lerninhalte, Lernszenarien und Lehrgangs- konzepte für ein zeitgemäßes, digital unterstütztes Lernen im Bausektor zu entwickeln (vgl. hierzu den Beitrag von Krümmel, Mersch und Ranke in diesem Band). Der Austausch untereinander und die fruchtbare Zusammenarbeit mit verschiedenen in der Berufspädagogik und der Berufsschul-Lehr- 2 | Einführungsvideos für Praxis-Unterricht 101 kräftebildung aktiven Universitäten, die aktuelle Erkenntnisse der fachdidaktischen und berufspäd- agogischen Forschung einbringen, bringt Bildungsinhalte, Bildungsmedien und Bildungskonzepte hervor, die nach bisheriger Erfahrung auf eine breite Akzeptanz stoßen (vgl. hierzu den Beitrag von Bach in diesem Band). Ein wichtiges Anliegen ist der Transfer in andere Bildungszentren, der durch das Kompetenznetzwerk und durch die Schnittstellen zum Bildungsausschuss des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB) gewährleistet ist. Literatur und Quellen Baacke, D. (1996): Medienkompetenz? Begrifflichkeit und sozialer Wandel. In: von Rein, A. (Hrsg.): Medienkompetenz als Schlüsselbegriff. Bad Heilbrunn, 112–124 BMWT Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (1999): Verordnung über die Berufsausbil- dung in der Bauwirtschaft. Veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 1999 Teil I Nr. 28, ausgege- ben zu Bonn am 10. Juni 1999 Goertz, L. (2013): Indikatorengestützte Zeitreihe über die Nutzung digitaler Medien in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Bericht für das Bundesinstitut für Berufsbildung. Online: https://www.bibb. de/dokumente/pdf/Expertise_Goertz.pdf (30.07.2019) Herzig, B. (2014): Wie wirksam sind digitale Medien im Unterricht? Gütersloh: Bertelsmann Stiftung. Online: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikatio- nen/Studie_IB_Wirksamkeit_digitale_Medien_im_Unterricht_2014.pdf (30.07.2019) Howe, F./ Knutzen, S. (2013): Digitale Medien in der gewerblich-technischen Berufsausbildung. Ein- satzmöglichkeiten digitaler Medien in Lern- und Arbeitsaufgaben. In: BIBB (Hrsg.): foraus.de – Forum für Ausbilder und Ausbilderinnen in der Berufsbildung. Online: https://www.bibb.de/dokumente/ pdf/Expertise_Howe_Knutzen.pdf (30.07.2019) Krämer, H./ Jordanski, G./ Goertz, L. u. a. (2017): Medien anwenden und produzieren -Entwicklung von Medienkompetenz in der Berufsausbildung. In: BIBB (Hrsg.): Wissenschaftliches Diskussionspa- pier Heft 181. Bonn. Online: https://www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/publication/show/8275 (30.07.2019) Reich, K. (Hrsg.) (2017): Methodenpool. Online: http://methodenpool.uni-koeln.de/anchored/frame- set_ankernetz.html (01.08.2019) 102 Judith Merhout STOP MOTION-FILME IN DER AUSBILDUNG Verbandsregeln beim Mauern – ein Stop Motion-Film von Auszubildenden im Maurerhandwerk Judith Merhout In diesem Beitrag geht es um die Beschreibung der Vorbereitung und Durchführung eines dreitä- gigen Pilotprojekts in der überbetrieblichen Ausbildung im Maurerhandwerk zu einer prüfungs- relevanten Thematik. Gemeinsam mit Auszubildenden wurde im Workshop-Format zum Thema Verbandsregeln beim Mauern ein Stop Motion-Film gedreht und anschließend bearbeitet. Anhand der Erfahrungen aus diesem Kurzprojekt wird ausgewertet, wie ein solches Projekt weiterhin in der Praxis umgesetzt werden kann und inwieweit sich Aufwand und Nutzen gegenüberstehen. In diesem Beitrag finden sich Hinweise auf Machbarkeit und Hürden vor allem bei der Durchführung. Auf Grundlage der Erfahrungen befindet sich am Ende des Beitrags eine zusammenfassende Check-Lis- te, die aufzählt, worauf bei der Durchführung eines Projekts speziell zur Erstellung eines Stop Moti- on-Films in der überbetrieblichen Ausbildung zu achten ist. Schlüsselbegriffe › Überbetriebliche Ausbildung › Digitalisierung im Bauhandwerk › Ausbildung im Maurerhandwerk › Digitale Aufbereitung von Lehr- und Lernmaterialien durch Auszubildende Einleitung Das Berufsförderungswerk der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg gGmbH (BFW) ist seit 1957 das Kompetenzzentrum für die Aus- und Weiterbildung im Berliner und Brandenbur- ger Bauhauptgewerbe. Insgesamt wurden im BFW bisher circa 50.000 kompetente Fachkräfte für die Bauwirtschaft in Berlin und Brandenburg ausgebildet und für den Einstieg in den Arbeits- markt befähigt. Die Digitalisierung ist in der überbetrieblichen Ausbildung der Bauwirtschaft im Raum Berlin und Brandenburg erst wenig präsent. Das BFW besetzt hier mit der Entwicklung eines digitalen Lern- konzepts für die Aus- und Weiterbildung die Rolle des Vorreiters. Neben traditionellen Lehr- und 2 | Stop Motion-Filme in der Ausbildung 103 Lernsettings sollen digitale Elemente unterstützend in die Lehre eingebunden werden, ohne den handwerklichen Aspekt zu vernachlässigen. Das im Folgenden beschriebene Kurz-Projekt ordnet sich also ein in einen Gesamtrahmen für digi- tales Lernen im BFW. Durchgeführt wurde es an drei aufeinander folgenden Tagen mit drei Auszubil- denden aus dem ersten Lehrjahr des Maurerkurses. Sie wurden begleitet von einem Ausbilder sowie dem Projektteam des am BFW angesiedelten Verbundprojekts vierpunkteins – Transfernetzwerk digitales Lernen in der Aus- und Weiterbildung. vierpunkteins wird im Rahmen des Programms För- derung von Transfernetzwerken Digitales Lernen in der Beruflichen Bildung (DigiNet) gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds. Ausgangslage und Problemstellung Die traditionelle Ausbildung zum*zur Maurer*in hat zunächst einmal nicht viel mit Digitalisierung zu tun. Die Inhalte werden in praktischen Lehrunterweisungen, Wochenprojekten und kurzen theoreti- schen Einheiten vermittelt. Das Verständnis von teilweise komplexen theoretischen Zusammenhän- gen und deren unmittelbare Umsetzung in die Praxis stehen in der überbetrieblichen Ausbildung im Vordergrund. Die Idee, solche komplexen Zusammenhänge einfacher darzustellen bzw. zu visualisieren, wurde in einem dreitägigen vierpunkteins-Pilotworkshop zusammen mit drei Auszu- bildenden des ersten Lehrjahrs und ihrem Ausbilder erarbeitet. Dabei sollte eine Applikation (App) getestet werden, mit der es möglich ist, in wenigen Schritten einen Stop Motion-Film aufzunehmen, zu schneiden sowie mit Effekten zu ergänzen. „Stop Motion ist eine Filmtechnik, die verwendet wird, um reglosen Objekten Leben einzuhauchen“ (Altendorfer, 2019). Ein kurzes Erklärvideo dazu findet sich auf https://www.stopmotiontutorials.com/. Der Vorschlag des Ausbilders, die Regeln des Mauerns im Verbund aufzugreifen, wurde umgesetzt. Diese so genannten Verbandsregeln werden bereits ab dem ersten Lehrjahr vermittelt und in der weiteren Ausbildung immer wieder zur Anwendung gebracht (vgl. BMWT 1999, Anlage 1). Das Mau- ern im Verband gehört also zu den Grundlagen der Mauerausbildung. Das Lernen und Verstehen der Verbandsregeln beim Mauern erfordert vor allem räumliches Vorstellungsvermögen. Dies bereitet vielen Auszubildenden in allen Lehrjahren immer wieder Schwierigkeiten. Da die zu fertigenden Werkstücke in einer Arbeitsvorbereitungsphase von den Auszubildenden theoretisch und zeichnerisch erfasst werden müssen, entstand die Idee, dies mittels kurzer Stop Motion-Film-Sequenzen zu veranschaulichen. Der Umsetzung lag die folgende übergeordnete Fragestellung zugrunde: Inwieweit kann theoretischer und praktischer Inhalt aus der überbetrieblichen Ausbildung digital visualisiert werden, sodass eine sinnvolle Anreichung des Lernstoffs erfolgt, und wie können dabei Auszubildende mit einbezogen werden? 104 Judith Merhout Ziele und Erwartungen Bezugnehmend auf diese Fragestellung wurden grobe Ziele formuliert und laufend verfeinert. Im Vordergrund dieses Kurzprojekts stand nicht die professionelle Erstellung eines Lernfilms. Die Hauptziele waren die Erhöhung des Spaßfaktors beim Lernen, Lerneffekte zu erzielen, indem die Auszubildenden eine neue Perspektive einnehmen, sowie einen Rahmen zu schaffen, in dem eine andere Lernform getestet werden kann. Von Interesse war auch, ob die Auszubildenden tatsächlich einen gewissen Vorteil im Umgang mit digitaler Technik mitbringen. Weitere Ziele waren › die Verbesserung des Verständnisses des Lerninhalts durch Visualisierung › die Steigerung der Motivation der Auszubildenden durch die selbstständige Erstellung von Lehr- und Lerninhalten › die Lernstoffvertiefung – Wissen vertiefen durch intensive Beschäftigung mit der Thematik › das Erlangen zusätzlichen Wissens (z. B. Wie kann mir mein Smartphone das Lernen ermöglichen bzw. erleichtern?) › das Erlernen des Umgangs mit der Technik › die Verbesserung der Kommunikations- und Teamfähigkeit › die Verbesserung der Erreichbarkeit von Auszubildenden für fachliche Inhalte – Durch die Erstel- lung des Lehr- Lernmaterials durch Auszubildende sollen sich andere Auszubildende eher ange- sprochen fühlen. Hier geht es darum, den Blickwinkel von Auszubildenden zu nutzen, um andere auf der gleichen Ebene ansprechen zu können. Zielgruppe Bei der Zielgruppe muss einerseits unterschieden werden zwischen den Personengruppen, die an dem Pilotprojekt (Drehen und Bearbeiten eines Stop Motion-Films) direkt beteiligt sind und den Per- sonengruppen, die mit dem fertigen Lehr- Lernmaterial angesprochen werden sollen. Die Nutzung eines solchen Mediums bringt den Vorteil mit sich, dass es auf verschiedenen Ebenen konzeptionell einsetzbar ist. Am Erstellen und Bearbeiten des Lehr- Lernmaterials sind vorrangig Auszubildende in der überbe- trieblichen Ausbildung und deren verantwortliche Ausbilder*innen beteiligt. Das Erstellen von Lehr- Lernmaterialien mittels Stop Motion-App (oder anderen Varianten der Kurzfilmerstellung) in Zusam- menarbeit mit Lehrenden und Lernenden kann in allen möglichen Lernsettings eingesetzt werden. Von den Ergebnissen (fertige Filme) und den damit gewonnenen Erkenntnissen profitieren Auszu- bildende und Teilnehmende von Projekten der Berufsbildung im Bauhandwerk. Entsprechend der Ausrichtung des Projektes vierpunkteins liegt der Fokus im Pilotprojekt auf folgenden Zielgruppen: › Ausbilder*innen aus Unternehmen › Ausbilder*innen in der überbetrieblichen Unterweisung › Berufsschullehrkräfte › Andere Projekte oder interessierte Akteur*innen in der beruflichen Bildung. 2 | Stop Motion-Filme in der Ausbildung 105 Didaktisches und methodisches Konzept Die überbetriebliche Ausbildung von Maurer*innen gehört zur Stufenausbildung Bau (STBAU) und wird durchgeführt nach der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 02. Juni 1999 (vgl. Bundesgesetzblatt 1999, Zweiter und Dritter Teil, 1. Abschnitt). In den jeweiligen Ausbildungsrah- menplänen, so auch für Maurer*innen und Hochbaufacharbeiter*innen, sind die Lernfelder festge- legt, die mit der überbetrieblichen Ausbildung abgedeckt werden sollen (BMWT 1999, Zweiter Teil 1. Abschnitt, §6 und Dritter Teil 1. Abschnitt, §24). Das Motto des Kurzprojekts lautete: Von Auszubildenden für Auszubildende. Die Idee dahinter ist, Auszubildende als sogenannte Botschafter*innen von Wissen bzw. ausbildungsrelevanten Inhalten einzusetzen. Das Vorgehen orientiert sich an dem didaktischen Konzept Lernen durch Lehren nach Jean-Pol Martin, in dem es darum geht, dass Lernen dann gelingt, wenn man Inhalte erklären kann (vgl. Martin 1985; Grzega/Schöner 2008). Neben der verantwortlichen Ausbildungsperson haben die Auszubildenden damit die Möglichkeit, auf einer informellen Ebene mit ihren Mitauszubildenden zu interagieren und Lerninhalte auszutau- schen. Im Rahmen der Kurzfilm-Erstellung sollten die gewählten Auszubildenden relativ frei agieren können und in ihrer Sprache den Lerninhalt (hier: Verbandsregeln) für andere erklären bzw. filmisch aufbereiten. Für die Umsetzung wurden aus der Gruppe der Maurer*innen aus dem ersten Lehrjahr motivierte und interessierte Auszubildende ausgewählt, die im Kurs bereits eine grundlegend hohe Lernbereitschaft aufwiesen. Dies stellte sicher, dass sich die Auszubildenden mit der Thematik auskannten und ein gutes theoretisches und praktisches Wissen mit in das Pilotprojekt brachten. Auch die Auszubildenden brachten Ideen zur filmischen Umsetzung ein, sie gingen mit sehr hohen Erwartungen an das Ergebnis und ihre eigene Leistung an die Umsetzung heran. Da das Lernen und Verstehen der Verbandsregeln beim Mauern vor allem die Fähigkeit zu räum- licher Vorstellung erfordert, bieten sich Visualisierungs-Techniken an. Mit der Technik eines Stop Motion-Films können kurze, prägnante Sequenzen erstellt und dadurch eine Lernstoffvertiefung erreicht werden. Lange und ausschweifende Erklär- bzw. Lernvideos erzielen nicht den gewünschten Lerneffekt, da die Aufmerksamkeitsspanne natürlicherweise meist nicht so lange aufrechterhalten werden kann und diese oft lediglich der informellen Wissensvermittlung dienen sollen. Hierfür bie- ten sich eher kurze Lernsequenzen an, die die Praxis unterstützend erklären können (vgl. Wolf 2015, 30–36). Deshalb sollten nur kurze Film-Sequenzen zur Ergänzung des vorhandenen theoretischen und praktischen Inhalts in der überbetrieblichen Unterweisung erstellt werden. Unterstützung durch digitale Medien ist kein Ersatz für das Erlernen einer bestimmten handwerklichen Fähigkeit, wie hier, das Mauern im Verband. Die eingesetzte Stop Motion-Studio-App ist verfügbar für Android- und für Apple-Geräte und kann kostenlos auf jedes mobile Endgerät geladen werden. Sie ist sofort einsetzbar und ermöglicht das Erstellen kurzer Sequenzen. Dazu wird von den Teilnehmenden neben dem Smartphone und einer guten Idee lediglich Offenheit gegenüber der Nutzung und Einbindung digitaler Werkzeuge, Neugier, Kreativität und Zeit benötigt. Wer professionelle Filme für seine Zwecke erstellen möchte, muss dafür einen größeren finanziellen und zeitlichen Rahmen einplanen. 106 Judith Merhout Realisierung Für die Durchführung des Pilotprojekts wurden drei Auszubildende drei Tage von der Arbeit in der Werkstatt freigestellt. Der verantwortliche Ausbilder für den Maurerkurs hat das Projektteam in regelmäßigen Abständen mit seinem fachlichen Wissen unterstützt, um zu gewährleisten, dass die Inhalte fachlich korrekt sind. Vorab musste geklärt werden, wieviel Zeit für das Projekt zur Verfügung stehen würde. Damit die teilnehmenden Auszubildenden durch das Kurzprojekt nicht in ihrem praktischen Lernfortschritt zurückfallen, müssen sie fachlich und handwerklich entsprechend weit fortgeschritten sein. Wichtig war an dieser Stelle auch die Information an die einzelnen Ausbildungs- unternehmen. Diese mussten dem Vorhaben zustimmen und ihre Auszubildenden für diese drei Tage freistellen. Auch der Ausbilder des BFW musste für diese Aktivität zusätzliche Zeit einplanen, während der Maurerkurs parallel regulär weiterlief. Die Berufsschule wurde ebenfalls einbezogen, da die Auszubildenden für einen Tag von der Berufsschule befreit werden mussten. In den drei Tagen wurden die Auszubildenden ganztägig von zwei Personen des Projektteams vierpunkteins beglei- tet. Hier zeigt sich der hohe personelle Aufwand für die pilothafte Realisierung des Vorhabens. Im Folgenden werden die einzelnen Arbeitsschritte beschrieben. Technische Voraussetzungen schaffen Nach der Festlegung der Thematik (Verbandsregeln) und der Entscheidung, eine einfach zu be- dienende Smartphone-App zu verwenden, waren folgende technische Dinge für die Umsetzung bereitzustellen: › Smartphones – im vorliegenden Fall ein IPhone 6s; ein Huawei nova, ein Samsung S9+ › Stop Motion-Studio-App › zwei Baustrahler für die Szenen-Beleuchtung (Abb. 6) › kleine Demobausteine (Abb. 9) › Flipchart-Papier für den Hintergrund (Abb. 4) › ein Overheadprojektor › eine fileeeBox mit einem Scanaufsatz (Abb. 13) › ein kleines Tischstativ für das Smartphone (Abb. 5) Die fileeeBox ist ein einfacher Dokumentenscanner aus Pappe, welcher zusammen mit jedem belie- bigen Smartphone genutzt werden kann. Die Box ist innen ausgeleuchtet und hat einen Aufsatz für das Smartphone. So können Dokumente in der Box gescannt, gefilmt oder fotografiert werden, ohne zu verwackeln. Story-Board erstellen und Aufgabe eingrenzen Bevor eine Sequenz gedreht werden konnte, ging es zunächst an die Erarbeitung eines sogenannten Story-Boards. Die Erstellung eines Story-Boards ist der erste unabdingbare Schritt vor dem Filmen einer Szene. Das Story-Board gibt vor, was und in welcher Reihenfolge aufgenommen werden soll. Hierbei wird der genaue Ablauf einer oder mehrerer Szenen genau aufgeschrieben (vgl. Back/Tödtli 2012, 70). Die Auszubildenden entwickelten eine grobe Struktur, die dann nach und nach abgearbei- tet wurde. Dabei wurde kreativer Freiraum gelassen. Für fachliche und technische Fragen standen den Auszubildenden ihr Ausbilder und das Projektteam zur Verfügung. 2 | Stop Motion-Filme in der Ausbildung 107 Insgesamt sollten acht Verbandsregeln mittels der Stop Motion-Technik visualisiert werden. Im Laufe der Bearbeitung stellte sich schnell heraus, dass zum besseren Verständnis für die Betrachter*innen des Kurzfilms bestimmte Begriffe innerhalb der Regeln noch einmal separat erklärt werden müssten. Mit dieser Erkenntnis ging ein unerwarteter Mehraufwand einher. Das führte dazu, dass am Ende lediglich eine kurze Teilsequenz über die erste Regel entstand, nicht aber, wie geplant, die acht Verbandsregeln filmisch bearbeitet wurden. Für diesen Umfang der Umsetzung muss sehr viel mehr Zeit eingeplant werden. Konkret ausgearbeitete Arbeitsschritte helfen dabei, den Aufwand bereits in der Vorbereitung abzuschätzen. Aufnahmen erstellen und bearbeiten Mittels der Stop Motion-App wurde die erste Verbandsregel visualisiert. Hierzu wurde mit Hilfe kleiner Demobausteine Stück für Stück eine Mauer aufgebaut. Mit der App ist es möglich, in festzu- legender Zeittaktung (z. B. eine Sekunde) mehrere unbewegte Bilder hintereinander zu legen, diese werden automatisch nacheinander aufgenommen und aneinandergefügt. Beim schnellen Abspielen der Bilder entsteht dann die Illusion, dass sich ein unbeweglicher Gegenstand bewegt. So können unbewegliche Gegenstände und schrittweise Prozesse animiert werden und es wird das Prinzip des Daumen-Kinos digital umgesetzt. Nach der Aufnahme der Bilder wurde die Sequenz mit gesprochenem Text versehen. Dies kann ebenfalls über die App erfolgen. Im Verlauf des Workshops veränderte sich der Anspruch der teilneh- menden Auszubildenden dahingehend, dass sie das bis dahin gewonnene Material professioneller vertonen und schneiden wollten. Dies wurde aufgegriffen und versucht, mit einem professionellen Bearbeitungsprogramm umzusetzen. Die grundlegende Fähigkeit zum Umgang mit dieser Bearbei- tungssoftware muss vorhanden sein und es sollte entsprechend mehr Zeit dafür eingeplant werden. So erfolgte die Nachbearbeitung nicht mehr mit der App, sondern mit professioneller Schnittsoft- ware, was in einen normalen Arbeitsalltag ohne entsprechende Erfahrung mit Schnittprogrammen nicht zu integrieren ist. Von der Entwicklung bis hin zum fertigen Kurzfilm waren schließlich insge- samt fünf volle Tage notwendig. Für die filmische Umsetzung wurden drei verschiedene Smartphones benutzt, weil jeder der drei an der filmischen Erstellung beteiligten Auszubildenden eine Sequenz drehen und anschließend zu- sammenfügen sollte. Das Zusammenfügen von Filmmaterial von unterschiedlichen Geräten gelingt nur, wenn das Material auf einen PC gespielt werden kann. Hier ergaben sich folgende Hürden: Alle drei Smartphones der Auszubildenden speicherten die Bilder an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Formaten, und das Überspielen auf einen PC war nicht mit jedem Smartphone auf gleiche Weise möglich. Die Idee, das gesamte Material im Nachhinein an einem PC zu schneiden, erwies sich als äußerst umständlich und zeitaufwändig. Besser wäre es, im Vorhinein festzulegen, wer welche Sequenz erstellt und diese Sequenz dann direkt am eigenen Smartphone bearbeitet. So kann auch eher gewährleistet werden, dass alle Teilnehmenden den Workshop mit einem Erfolgserlebnis abschließen. Bei diesem Vorgehen müssen die Sequenzen dann eigene, in sich abgeschlossene Kurzfil- me sein, da sie über die genutzte App nicht im Nachhinein zusammengefügt werden können. Weitere Details zum Ablauf werden in der folgenden Bilderserie dargestellt. 108 Judith Merhout Making-of Die Auszubildenden konnten bei fachlichen bzw. inhaltlichen Fragen auf ihren Ausbilder zurückgrei- fen. Dieser war dann für kurze Zeit in beratender Funktion im Workshop, um die fach- bzw. inhaltli- che Richtigkeit sicherzustellen und entsprechenden Input zu liefern (Abb. 1). Um die einzelnen Schichten des Mauerwerks bildlich darstellen zu können, wurde auf separaten Fo- lien jede Schicht einzeln mit ihrem Kreuzverband gezeichnet (Abb. 2) und mittels Overhead-Projektor sichtbar gemacht, wie die einzelnen Schichten übereinander liegen (Abb. 3). Das Entstehen des Kreuzverbands sollte mittels Stop Motion-App dynamisch dargestellt werden. Im fertigen Kurzfilm ist der vorbereitende Schritt mit den Folien nicht zu sehen. Durch die Zeitknappheit wurden einige Elemente wieder verworfen oder für spätere Zwecke aussortiert. Einerseits sollte die Filmsequenz nicht zu lang werden, andererseits war es nicht möglich, diese große Menge der entstandenen Bilder und Filmausschnitte im Workshop zu bearbeiten. Abb. 4 zeigt das Filmset. Zur Darstellung der unterschiedlichen Steinarten, die beim Mauern im Verband genutzt werden und zur Klärung der Begrifflichkeiten wurde der Tisch mit zwei Baustrahlern komplett ausgeleuchtet. So wurde auch störender Schattenwurf minimiert. Das Flipchart-Papier dient als Hintergrund. Für das Smartphone wurde ein kleines Tischstativ verwendet, damit die Bilder nicht verwackeln (Abb. 5 und 6). Das große Stativ (Abb. 6) diente lediglich zur Dokumentation des Workshops mit einer professionellen Kamera. Der gesamte Workshop förderte nicht nur die fachliche Auseinandersetzung mit der Thematik, son- dern auch die Fähigkeit, gemeinsam in einem Team eine bestimmte Aufgabe mit einem bestimmten Ziel zu bearbeiten (Abb. 7). Hier mussten Absprachen getroffen und Kompromisse gefunden werden. Alle Ideen unter einen Hut zu bringen war für die Auszubildenden eine Herausforderung. Auch der Umgang mit Frustration durch Verzögerungen oder anderen oben bereits genannten Hindernissen konnten im Workshop geübt werden. Mit kleinen Demobausteinen konnten für den Kurzfilm die Mauerarbeiten simuliert werden (Abb. 8). Natürlich ist es auch möglich, den Bau einer realen Mauer mit der Stop Motion-App zu filmen. Jedoch ist dabei mit einem höheren Aufwand zu rechnen. Auch an einer mit Demobausteinen ge- bauten Mauer sind die Verbandsarten gut erkennbar (Abb. 9). Die Grundlage für die visuelle Aufbereitung der Verbandsregeln bildet, neben den acht Regeln, ein Aufgabenblatt mit vier Grundrissen einer Mauer. Auszubildende im ersten Lehrjahr bekommen dieses Blatt mit der Aufgabe, in die gegebenen Grundrisse die ersten vier Schichten im Kreuzver- band einzutragen. Des Weiteren sollen sie die Baunennmaße bestimmen und die Lotstellen richtig eintragen (Abb. 10). Die Abb.en 2 und 3 zeigen, wie dieses Aufgabenblatt visualisiert werden sollte. Eine Verbandsregel besagt, dass das Mauerwerk lotrecht, waagerecht, fluchtrecht, verbandsgerecht, maßhaltig, vollfugig und im Rastermaß sein sollte (vgl. Röder 2016, 337–341). Mit selbst gebautem Material haben die Auszubildenden eine kreative Lösung gefunden, das entsprechend nachzustellen (Abb. 11). 2 | Stop Motion-Filme in der Ausbildung 109 Abb. 1 (links): Fachliche Einführung in die Thematik (Foto: briti Bay Fotodesign) Abb. 2 (rechts): Übertragen auf eine Overhead-Folie: (Foto: briti Bay Fotodesign) Abb. 3 (links): Darstellung übereinander liegender Schichten: (Foto: briti Bay Fotodesign) Abb. 4 (rechts): Darstellung der Steinarten: (Foto: briti Bay Fotodesign) Abb. 5 (links): Kleines Tischstativ für Smartphones: (Foto: briti Bay Fotodesign) Abb. 6 (rechts): Zwei Baustrahler zur Ausleuchtung: (Foto: briti Bay Fotodesign) 110 Judith Merhout Abb. 7 (links): Arbeiten im Team: (Foto: briti Bay Fotodesign) Abb. 8 (rechts): Mauern im Verband: (Foto: briti Bay Fotodesign) Abb. 9 (links): Mauer im Verband mit kleinen Demobausteinen: (Foto: briti Bay Fotodesign) Abb. 10 (rechts): Aufgabenblatt Grundrisse erste bis vierte Schicht: (Foto: briti Bay Fotodesign) Abb. 11 (links): Darstellung der siebten Verbandsregel: (Foto: briti Bay Fotodesign) Abb. 12 (rechts): fileee Box mit einem Scanaufsatz: (Foto: briti Bay Fotodesign) 2 | Stop Motion-Filme in der Ausbildung 111 Zum fotografischen Scannen von Text- und Bildeinblendungen ist eine fileeeBox aus Pappe zu emp- fehlen (Abb. 12), die es zu kaufen gibt, die aber auch leicht nachgebaut werden kann. Sie ist innen beleuchtet, damit beim Scannen keine Schatten entstehen und das Dokument gut ausgeleuchtet ist. Oben befindet sich eine Öffnung, auf diese kann das Smartphone zum Scannen oder zum Filmen aufgelegt werden. Im Workshop wurde die Box genutzt, um von den einzelnen Regeln Aufnahmen zu machen. Dafür wurden mit einem Textmarker einzelne Worte markiert und jeweils ein Foto gemacht. Im Film wird das Ergebnis gezeigt. Ergebnisse Nach dem Workshop und nach einigen Tagen Bearbeitungszeit ist ein etwa einminütiger Kurzfilm zum Thema Verbandsregeln beim Mauern entstanden. Er stellt lediglich einen kleinen Ausschnitt aus dem Regelwerk dar. Neben diesem ersten Teil sollen noch weitere entstehen. Der Kurzfilm wurde erstmalig im Rahmen der Fachtagung Lernstatt 2018 (H)ausbau vierpunkteins – Digitalisierung in der Ausbildung vorgestellt. Auf der Projektwebsite von vierpunkteins kann er abgerufen werden (BFW 2018). Die Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten des Kurzfilms liegen zunächst in den ersten Wochen der überbetrieblichen Ausbildung der Maurer*innen als Einstieg in die Thematik mit Theorie-Praxis-Ver- bindung. Ausbildungsverantwortliche können kurze Inputs in Form solcher Videos im Verlauf der Ausbildung immer wieder nutzen, um theoretischen Inhalt zu visualisieren. Die Unterweisung wird so anschaulich unterstützt, nicht ersetzt. Können Auszubildende besser verstehen, was von ihnen erwartet wird, und werden sie auch noch durch einen von anderen Auszubildenden produzierten Film angesprochen, kann ein höherer Lerneffekt erzielt werden. Nicht nur ein fertiger Kurzfilm, sondern auch seine Erstellung von Auszubildenden für Auszubildende kann in der überbetrieblichen Ausbildung als Methode genutzt werden. Auszubildende erlangen durch die Bearbeitung des Themas, die Erstellung eines Story-Boards und die Überlegungen, wie der Inhalt am besten verdeutlicht werden kann einiges an Erfahrungen. Sie lernen zum Beispiel, die Perspektive zu verändern und in die Rolle der lehrenden Person zu wechseln, in der sie Sachverhalte verständlich darstellen müssen – eine Aufgabe von zunehmender Bedeutung auch in der Arbeitspra- xis. Das bedingt, dass ein detaillierter Ablaufplan für alle Schritte vorher zu erarbeiten ist, um Verzö- gerungen und Missverständnisse im Ablauf zu vermeiden. Wenn ein Text gesprochen werden soll, dann muss es einen gut ausgearbeiteten, niedergeschriebenen Sprechtext geben. Im vorliegenden Fall wurde den Auszubildenden relativ viel kreativer Freiraum zum Entwickeln und Umsetzen eigener Ideen gelassen. Das macht es allerdings umso wichtiger, die Gruppe intensiv zu begleiten, damit sie das Ziel nicht aus den Augen verliert. Ebenso wichtig ist es, die Aufgabenstellung übersichtlich zu halten. Nur so lernen die Auszubildenden, ihre Arbeit realistisch zu planen und zügig auszuführen, so wie sie auch in der Abschlussprüfung und auf der Baustelle ihre Werkstücke in einem bestimmten Zeitrahmen mit einer bestimmten Qualität fertig zu stellen haben. Nicht zuletzt werden so auch Motivationsverlust und Frustration vermieden. 112 Judith Merhout Für das vorliegende Projekt wurden sehr motivierte und fachlich interessierte Auszubildende ge- wählt, die bereits über einen gewissen Wissensstand verfügten. Die intensive Beschäftigung mit dem Thema bewirkte eine Lernstoffvertiefung bei den Auszubildenden, förderte den Umgang mitein- ander im Team und den zweckgerichteten Einsatz des eigenen Smartphones. Nach Einschätzung des Ausbilders kann diese Methode durchaus lernförderlich in der überbetrieblichen Unterweisung genutzt werden. Empfehlungen und Transfer Im Folgenden wird in einer Art Checkliste zusammengefasst, worauf bei der Durchführung eines Projekts zur Erstellung eines Stop Motion-Films in der überbetrieblichen Ausbildung zu achten ist: › Projektziel bzw. Lernziel festlegen › Zeitrahmen planen › Auszubildende, ausbildende Unternehmen, Ausbilder*innen und ggf. Berufsschullehrende infor- mieren und in die Planung einbeziehen › Darzustellenden Lerninhalt kennen › Geeignete digitale Werkzeuge/Medien testen und auswählen (in diesem Fall die richtige App), evtl. vorher selbst kurze Sequenzen erstellen › Equipment für das Filmset zusammenstellen (Licht, Stativ, usw.) › Kleine, gut umsetzbare Aufgabe kurz und klar beschreiben, so dass Filmsequenzen von höchstens zwei Minuten entstehen › Kleinschrittiges Story-Board erarbeiten lassen › Ggf. Sprechtext verfassen lassen › Daten- und Persönlichkeitsschutz einhalten (Einverständniserklärungen einholen) › Sequenz mit nur einem Smartphone drehen und bearbeiten bzw. schneiden › Gesprochenen oder geschriebenen Text während oder nach dem Drehen direkt am Smartphone einfügen › Den fertigen Kurzfilm am Schluss für andere Endgeräte verfügbar machen › Rückmeldung aller Beteiligten einholen Neben der oben genannten Website stopmotiontutorials.com gibt es viele weitere Videoanleitungen im Internet, die gut zur Vorbereitung genutzt werden können beispielsweise das englischsprachige Video-Tutorial von Gerard Regot (2018). Mithilfe solcher Video-Anleitungen kann meist auch abge- schätzt werden, ob die digitale Stop Motion-Technik für den Inhalt geeignet ist. Fazit und Ausblick Die wichtigste Erkenntnis dieses Kurzprojekts ist, dass die Entwicklung von digitalen Lehr- und Lern- medien sehr viel Zeit für Vorbereitung, Planung, Durchführung und Nachbereitung in Anspruch nimmt. Gerade der Wunsch, etwas möglichst einfach mit einem digitalen Medium darzustellen, erfordert gründliche Vorbereitung. Werden die Ressourcen Zeit und Personal entsprechend zur Verfügung gestellt, kann mit relativ einfachen Mitteln ergänzendes Lehr- und Lernmaterial geschaffen werden, 2 | Stop Motion-Filme in der Ausbildung 113 welches einen zeitlich relativ unbegrenzten Nutzen hat, solange der Inhalt aktuell ist. Hier gilt genauso wie in der analogen Welt: Die Inhalte müssen gepflegt und auf dem neusten Stand gehalten werden. In der Phase der Nachbereitung sollte auch geklärt werden, über welche Plattform und auf welche Art und Weise die Lehr- und Lernfilme für Lernende in der überbetrieblichen Ausbildung zur Verfü- gung gestellt werden. Die Nutzung solcher Lernfilme kann und soll die Ausbildung in der überbe- trieblichen Berufsbildungsstätte ergänzen und bereichern, aber nicht ersetzen. Workshop-Formate in Zusammenarbeit mit Auszubildenden mit dem Ziel, für andere Auszubilden- de Lerninhalte und vor allem prüfungsrelevantes Wissen medial aufzubereiten, werden im BFW in Zukunft weiter ausgebaut werden. Gerade der Aspekt, Auszubildenden eine andere Perspektive auf Lernstoff zu ermöglichen, kann sich positiv auf die Aneignung von Fachwissen auswirken (vgl. Feur- stein 2017, 105). Beides zu verknüpfen, das heißt einen pädagogisch wertvollen Lehrfilm zusammen mit Auszubildenden im Rahmen eines Workshops zu erstellen, bleibt eine Herausforderung, die allerdings mit gründlicher Vorbereitung gelingen kann. Literatur und Quellen Altendorfer, A. (2019): Was ist Stop Motion? Online: https://www.stopmotiontutorials.com/ (11.03.2019) Back, A. und Tödtli, M. C. (2012): Narrative Hypervideos. Methodenentwurf zur Nutzung usergenerierter Videos in der Wissenskommunikation. In: Csanyi, G., Reichl, F., Steiner, A. (Hrsg.): Digitale Medien – Werkzeuge für exzellente Forschung. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann, 65–74 BFW Berufsförderungswerk der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg gGmbH (2018): Verbandsregeln beim Mauern – Teil 1. Kurzfilm aus einem Medienprojekt mit Auszubildenden. Online: http://vierpunkteins.net/wp-content/uploads/2018/10/Verbandsregeln_Teil1.mov (22.05.2019) BMWT Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (1999): Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft. Veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Jahrgang 1999 Teil I Nr. 28, ausgegeben zu Bonn am 10. Juni 1999 Feurstein, M. S.(2017): Erklärvideos von Studierenden und ihr Einsatz in der Hochschullehre. In: Igel, Ch. (Hrsg.): Bildungsräume. Proceedings der 25. Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft, 5. bis 8. September 2017 in Chemnitz. Münster; New York: Waxmann, 103–109 Grzega, J. und Schöner, M. (2008): The Didactic Model LdL (Lernen durch Lehren) as a Way of Preparing Students for Communication in a Knowledge Society. Journal of Education for Teaching, 34(3), 167–175 114 Judith Merhout Martin, J.-P. (1985): Zum Aufbau didaktischer Teilkompetenzen beim Schüler. Fremdsprachenunterricht auf der lerntheoretischen Basis des Informationsverarbeitungsansatzes. Dissertation. Universität Gießen. Tübingen: Narr Regot, R. (2018): Best free Stop Motion App Full Tutorial – iPhone & Android. Online: https://www. youtube.com/watch?v=fnKptxllM04 (22.05.2019) Röder, L. (2016): Prüfungsbuch Hochbau. Maurer, Beton- und Stahlbetonbauer. 7. Auflage, Verlag Handwerk und Technik GmbH, Stuttgart Wolf, K. D. (2015): Bildungspotenziale von Erklärvideos und Tutorials auf YouTube. Audiovisuelle Enzyklopädie, adressatengerechtes Bildungsfernsehen, Lehr-Lern-Strategie oder partizipative Peer Education? In: Medien + Erziehung 59 (2015) 1: Merz; Zeitschrift für Medienpädagogik. München: KoPäd, Kommunikation u. Pädagogik e. V., Leverkusen: Leske + Budrich, 30–36 116 Anja Kirchner | Julia Jenzen EINSATZ DIGITALER TOOLS IN DER AUS- UND WEITERBILDUNG Wie digitale Medien die berufliche Bildung attraktiver machen Anja Kirchner | Julia Jenzen Vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen ist es aufgrund fehlender finanzieller und personeller Ressourcen kaum möglich, mit dem Digitalisierungs-Tempo der Industrie mitzuhalten. Bildungseinrichtungen müssen hier Lerninhalte für verschiedene Anforderungsstufen bereithalten. Das wiederum verlangt vom Lehrpersonal die Bereitschaft, sich kontinuierlich mit den Trends der digitalen Welt und den realen Anforderungen der Wirtschaft auseinanderzusetzen, damit Lerninhalte zielgruppengerecht erarbeitet und vermittelt werden können. Doch das ist aufgrund der Komplexität kaum zu bewerkstelligen. Wirtschaft 4.0 erfordert Bildung 4.0. Wie digitale Medien und Tools die berufliche Bildung attraktiver machen und warum deren Einsatz so wichtig ist für die Anforderungen der neuen Arbeitswelt, ist Gegenstand dieses Beitrages. Er umfasst die Erfahrungen der bisherigen Arbeit des Projektteams „vierpunkteins – Digitales Lernen in der Aus- und Weiterbildung“ und gibt Tipps und Handlungsemp- fehlungen für den Einsatz digitaler Medien und Tools in der Praxis. Schlüsselbegriffe › Digitale Medien › Digitale Bildung › Bildung 4.0 › Wirtschaft 4.0 › Aus- und Weiterbildung › berufliche Bildung › Lebenslanges Lernen › Anforderungen an das Lehrpersonal Einleitung Digitalisierung, Automatisierung, Vernetzung und Globalisierung stellt die Arbeitswelt und den Bil- dungsbereich vor große Herausforderungen. Eine Veränderung, die vielen Angst macht, da niemand abzuschätzen vermag, inwieweit der digitale Wandel das eigene Selbstverständnis von Beruf und 2 | Einsatz digitaler Tools in der Aus- und Weiterbildung 117 Alltag verändern wird. Nicht nur neue Software und Technik halten Einzug, sondern auch das soge- nannte Mindset wandelt sich. Kollaboratives und agiles Arbeiten sind die Anforderungen der neuen Arbeitswelt. Neue Berufsbilder entstehen, andere verschwinden und stets ist es erforderlich, sich fortzubilden um Schritt zu halten. Dabei ist Digitalisierung ein unglaublich komplexes Thema, das nicht in einem Crashkurs vermittelt werden kann. Die Dynamik der wechselnden Anforderungen, er- fordern ein lebenslanges Lernen. Digitale Kompetenz wird neben der fachlichen und sozialen Kom- petenz zur unerlässlichen Fertigkeit – und hat dabei eine kurze Halbwertszeit. Was im Privatleben oft intuitiv und einfach ist, ist im Arbeitsalltag je nach Branche und Unternehmensgröße wesentlich komplexer. Es wird deshalb zunehmend schwieriger, Aus- und Weiterbildungsangebote so zu konzi- pieren, dass sie den Anforderungen der Arbeitswelt gerecht werden. Das bundesweite, vom Bundes- ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderte Projekt „vierpunkteins – Digitales Lernen in der Aus- und Weiterbildung“ hat zur Aufgabe, klein- und mittelständische Unternehmen und das berufliche Bildungspersonal zu Einsatz und Methodik digita- ler Medien im beruflichen Bildungskontext zu informieren, aufzuklären und zu schulen. Ein weiterer Schwerpunkt des Projektes ist es, Best Practice Beispiele vorzustellen und Interessierte zum Thema digitale Bildung zu vernetzen. Das Projektteam kann auf zahlreiche Erfahrungen aus durchgeführten Workshops und Schulungen zurückgreifen. Dieser Beitrag richtet sich an Personalverantwortliche, Ausbilder*innen, an Lehrkräfte in Berufsschu- len und in der Weiterbildung, aber auch an Lernende. Dazu wird skizziert, wie eine Schulung zum Thema „Einsatz digitaler Medien und Tools in der Aus- und Weiterbildung“ strukturiert werden kann. Des Weiteren wird erörtert, welchen Mehrwert digitale Anwendungen besitzen und es werden sechs Praxisbeispiele vorgestellt. Ausgangslage und Problemstellung Digitalisierung ist ein facettenreiches Thema, das insbesondere im Bildungsbereich Unsicherheiten erzeugt. Anleitungen und Hilfestellungen können und sollen Ängste abbauen und Neugier wecken. Idealerweise sollte dies von externen Personen durchgeführt oder zumindest unterstützt werden. Denn – dass zeigten viele Vorgespräche – es gibt bereits digitale Vorreiter, die jedoch zu selten beachtet werden. Das führt dazu, dass Fehler unnötigerweise wiederholt und Sackgassen erneut beschritten werden. Oftmals sind es auch Diskussionen um fehlende oder veraltete Technik, die den Einsatz digitaler Anwendungen bereits im Keim ersticken. Dabei ist es relativ einfach, mit vorhande- nen Bordmitteln, wie dem Smartphone, das Lehren und Lernen digital zu bereichern. Durch die veränderten Anforderungen aus der Arbeitswelt ändert sich auch das Selbstverständnis der Lehrenden. Wer digitale Kompetenzen (siehe hierzu den nächsten Abschnitt) vermitteln will, muss selbst darüber verfügen bzw. sie sich aneignen. Das Lexikon liegt griffbereit in der Hosenta- sche. Ein Klick bei Suchmaschinen, Medienplattformen, Wikis und Co. und unbegrenztes Wissen steht Lehrenden wie Lernenden offen. Das Wissensmonopol der Bildungseinrichtungen, Expert*in- nen verliert an Bedeutung und wird mehr und mehr durch Schwarmwissen ergänzt und bisweilen auch ersetzt. Die Aufgabe der Lehrkraft wandelt sich von der reinen Wissensvermittlung zur Lern- 118 Anja Kirchner | Julia Jenzen begleitung – ein Anspruch, der schon lange besteht, im Zuge der Digitalisierung aber mehr Fahrt aufnimmt. Bildungseinrichtungen sind folglich gezwungen, ihre pädagogischen Konzepte zu über- arbeiten und Schwerpunkte zu setzen. Denn nicht alles kann von Lehrkräften inhaltlich und metho- disch vorgehalten werden. Diesen Anforderungen der digitalen Bildung an Lehrkräfte stellt sich die regionale Transferstelle Mecklenburg-Vorpommern des Projekts vierpunkteins im Besonderen. Begriffsklärung: Was ist digitale Kompetenz? So breitgefächert wie der Begriff Digitalisierung ist, so unterschiedliche Definitionen für die digita- le Kompetenz gibt es. Hier wird im Weiteren digitale Kompetenz verstanden als Kombination aus Anwendungskompetenz, Medienkompetenz und Informatikkompetenz (siehe hierzu Krämer et al. 2017, 36 ff.). Die Vermittlung digitaler Kompetenz ist immer im Zusammenhang dieser drei Kompe- tenzbereiche zu betrachten. Eine große Schwierigkeit bei der Vermittlung von Anwendungskompetenz ist der rasche Wandel von Hard- und Software. Wichtig ist hier die Bedeutung von allgemein gültigem Konzeptwissen anstelle von spezifischem Produktwissen. Beispielsweise gleichen sich Textverarbeitungsprogramme in ihrer Anwendung unabhängig vom Produktanbieter. Digitale Medien prägen zunehmend unser Denken und Handeln, daher ist es ebenso wichtig, Medien kritisch und mündig nutzen zu können (vgl. Baa- cke et al. 1999, 31–35). Diese Erkenntnis ist nicht neu, gewinnt aber mit wachsender Verfügbarkeit digitaler Medien an Bedeutung. Hierbei geht um rechtliche und ethische Aspekte der Mediennut- zung, wie Urheberrecht, Persönlichkeitsrechte und Datenschutz, aber auch um Quellenkritik. Wie hoch ist der Wahrheitsgehalt der gesammelten Informationen? Wie können Informationen geclustert werden, sodass sich niemand in der Informationsflut verliert und das Wissen mit anderen geteilt werden kann? Ebenso wichtig ist die Informatikkompetenz, die in der Bildungslandschaft aufgrund der hauptsächlich technischen Komponente eher stiefmütterlich behandelt wird. Aber um die Technologien rund um Big Data, Suchalgorithmen usw. zu verstehen, ist informatorisches Grundla- genwissen unverzichtbar. Didaktisches und methodisches Konzept: Welchen Vorteil bieten digitale Medien und Tools? Unter den Bildungsexperten wird kontrovers diskutiert, ob digitale Medien und Tools tatsächlich lernförderlich sind und helfen, das Wissen nachhaltig zu verankern. Viele Pädagog*innen be- fürchten, dass durch digitale Technik und Technologien grundlegende Kompetenzen wie Lesen, Rechnen und Schreiben vernachlässigt werden. Die Bildungseinrichtungen haben aber auf die ak- tuelle und zukünftige Lebens- und Arbeitswelt vorzubereiten. Digitale Technik und Technologien prägen unser privates und berufliches Leben. Social Media wie Facebook, Instagram und YouTube beeinflussen unsere Persönlichkeit und kulturelle Identität. Der Erwerb personaler und sozialer Kompetenzen findet damit immer stärker in Zusammenhang mit digitalen Medien statt. Bildungs- 2 | Einsatz digitaler Tools in der Aus- und Weiterbildung 119 einrichtungen müssen deshalb Wege finden, ihrem Bildungsauftrag unter Einbindung digitaler Medien nachzukommen. Weder digitale noch analoge Medien bieten automatisch einen didakti- schen Mehrwert, sondern die geschickte Kombination aus Methodik, Inhalt und Medien prägt den Erfolg des Medieneinsatzes. Der dem Thema, der Zielgruppe und der Lernsituation angemessene Mix aus digitalen und analogen Sequenzen macht einen guten Unterricht aus. Folgende Vorteile durch digitale Medien können sich bei entsprechender Anlage der Lernszenarien einstellen (vgl. Honegger 2017, Kapitel 4). Erhöhung der Werkzeugvielfalt beim Lehren Digitale Medien und Tools ermöglichen, den Unterricht abwechslungsreich zu gestalten, sei es in der Wissensvermittlung oder auch beim Recherchieren, Verarbeiten und Präsentieren eigener Lerninhal- te (vgl. FSM o. J. a, 5 ff.). Dazu können klassische Apps genutzt werden, wie Quiz- oder Vokabel-Apps, die helfen, Gelerntes allein oder gemeinsam im Lernduell mit anderen zu vertiefen. Webbasierte Anwendungen, wie beispielsweise eine digitale Mindmap oder Pinnwand ermöglichen es, kollabo- rativ an einer Aufgabe zu arbeiten und die Lernergebnisse gemeinsam zu präsentieren. Mithilfe von QR-Codes können Videofilme auf Arbeitsblättern verlinkt werden. So können Lehrkräfte Lerninhal- te visualisieren, aber auch Material und Angebote für unterschiedliche Lernniveaus vorhalten. In welcher Weise und in welchem Ausmaß digitale Medien die Lehr- und Lernprozesse bereichern bzw. verändern, lässt sich anhand des SAMR-Modells (Substitution, Augmentation, Modification, Redefini- tion) von Ruben Puentedura erläutern (vgl. Wilke 2016 und Bach in diesem Band, 44). Geklärt werden muss, ob die Bildungseinrichtung technische Endgeräte den Lernenden zur Verfügung stellt oder ob nach dem Bring-Your-Own-Device-Prinzip (BYOD) unterrichtet wird (vgl. Netzwerk Digitale Bildung 2017, Kap. 6). Beides hat Vor- und Nachteile. Während mit einem Klas- sensatz alle die gleichen Arbeitsbedingungen haben, bedarf es eines IT-Verantwortlichen, der die Endgeräte wartet, sowie Regularien und Rechte festlegt, welche Internetinhalte aufgerufen und welche Software installiert werden dürfen. Der Vorteil bei BYOD ist, dass alle ihr eigenes Gerät ha- ben, mit dem sie in der Regel bestens vertraut sind. Schwierig wird es, wenn keine entsprechende oder nur veraltete Technik vorhanden ist oder die Bereitschaft fehlt, eigene Endgeräte zu nutzen. Arbeitsunterbrechungen durch verzögerte Ladegeschwindigkeiten oder Inhaltsverlust durch Spei- cherprobleme bei Verbindungsabbruch führen zu Frustration und senken den Mehrwert digitaler Medien und Tools. Erweiterte, multimediale Kommunikations- und Kollaborationsmöglichkeiten Digitale Medien und Tools helfen, Wissen allein oder gemeinsam kreativ zu erarbeiten, zu diskutieren und zu reflektieren – und zwar orts- und zeitunabhängig. So können z. B. mehrere Personen gleich- zeitig an einem Dokument schreiben oder ihre Ideen in einer Mindmap sammeln. Je nach Dienst/ Anwendung ist es dabei möglich, die Änderungen individuell nachzuvollziehen und zu erkennen, wer welchen Inhalt beigetragen hat. Alle Beteiligten sind damit gleichzeitig Beobachter*innen wie Gestalter*innen des Entstehungsprozesses. Lernmanagementsysteme (LMS) wie Ilias, Moodle oder Studip können beitragen, Bildungsgrenzen abzubauen, da die Lerninhalte allen Lernenden jederzeit zur Verfügung stehen. Sie ermöglichen gleichzeitig kollaboratives Arbeiten innerhalb der Lerngruppe durch Chat-Funktionen und geschlossene Gruppen sowie Kommunikation mit den Lehrenden. 120 Anja Kirchner | Julia Jenzen Veranschaulichung mit Multimedia Digitale Medien und Tools können Lerninhalte über Bild, Ton und Video vielfältig vermitteln und wirken, wenn sie didaktisch sinnvoll eingesetzt werden, lernförderlich und motivierend. Die Digitali- sierung hat nicht nur den Konsum solcher Medien vereinfacht, sondern ermöglicht es auch, eigene multimediale Produkte zu erstellen (vgl. hierzu den Beitrag von Norbert Kuri in diesem Band). Digita- le Simulationen und Animationen helfen, komplexe Lerninhalte zu verstehen. Durch die Möglichkei- ten der virtuellen Realität lassen sich sogar Lernsituationen abbilden, die in der Realität zu gefährlich sind und/oder nicht geprobt werden können, wie beispielsweise das Löschen eines Brandes oder die Reanimation eines Menschen. Auch besteht hier Möglichkeit, mit anderen im digitalen Raum kooperativ zu lernen. Förderung der Lernmotivation Digitale Medien und Tools werden insbesondere von der jungen Generation sehr gerne genutzt. Mit dem Prinzip der Gamification/Serious Games wird dabei versucht, das in Computerspielen ste- ckende Motivationspotential für Lehr- und Lernzwecke zu nutzen. Wie die Erfahrung zeigt, flacht die Freude an rein technischen Möglichkeiten schnell ab. Mit geschicktem und vielfältigem Medienein- satz lassen sich Lernende langfristig motivieren. Beim Einsatz ist darauf zu achten, dass die Anwen- dungen situationsbedingt schnell einsetzbar und in der Anwendung für die lehrende und lernende Person intuitiv sind. Denn nichts ist demotivierender als komplizierte und zeitraubende digitale Medien und Tools. Unmittelbares und wertfreies Feedback beim Lernen Digitale Medien und Tools geben Lernenden prompte Rückmeldung zu ihrem Lernverhalten. Dies erleichtert das Lernen im eigenen Lerntempo und entlastet zugleich die Lehrkraft. Erfahrungen aus dem Projekt vierpunkteins zeigen, dass computergesteuertes Feedback besser aufgenommen wird, da es wertfrei ist. Sogenannte Learning Analytics gehen noch weiter: Mithilfe umfangreicher Daten- sammlung über Nutzungsverhalten (Big Data) werden Lernergebnisse ausgewertet und das nächste Lernlevel vorgeschlagen. Aber hier gibt es auch kritische Stimmen. Neben datenschutzrechtlichen Bedenken bemängeln Experten, dass bei dieser Entwicklung die Leistungsstärkeren mehr profitieren als die Leistungsschwächeren. Zeiteinsparung in der Unterrichtsvorbereitung, -begleitung und -nachbereitung Mit digitalen Medien und Tools lassen sich gewisse Abläufe an den beruflichen Lernorten effizienter gestalten, so dass mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung der Lerninhalte und für die Betreuung der Lernenden bleibt. So können Lerninhalte digital schnell angepasst werden: Beispielsweise lassen sich Flipchart-Ergebnisse aus einer Gruppendiskussion in eine Präsentation einfügen und als Stundenzu- sammenfassung per Mail oder in LMS in Sekundenschnelle verschicken. Das Internet ermöglicht Lehr- kräften, auf vielfältige Bildungsmaterialien zurückzugreifen. Viele Inhalte stehen inzwischen unter einer OER-Lizenz (Open Educational Resources). Diese Medien (Arbeitsblätter, Fotos, Videos, etc.) können je nach Lizenzangabe kostenlos genutzt, weiterverbreitet und/oder bearbeitet werden. In Lehrercommu- nitys, in Internetforen oder über Social Media Anwendungen ist es für Lehrkräfte möglich, sich zeit- und ortsunabhängig mit anderen auszutauschen. Digital abgelegte Prüfungen und Tests erlauben bei der Auswertung und der Benotung von Lernenden ein zeitnahes Feedback. 2 | Einsatz digitaler Tools in der Aus- und Weiterbildung 121 Realisierung: Erfahrungsbericht aus dem Projekt vierpunkteins In verschiedenen Anwenderworkshops hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, in einem geschützten Rahmen digitale Medien und Tools unter Anleitung auszuprobieren. Die positiven Rückmeldungen bestätigten den Bedarf für derartige Veranstaltungen und ihr gelungenes Konzept, das weniger auf technische Fragen wie IT-Infrastruktur und Hardware zielt, sondern stärker auf das eigene Erleben im Umgang mit den digitalen Werkzeugen. Denn der Mehrwert einer digitalen Anwendung erschließt sich erst, wenn es selbst erlebt wird. Um niedrigschwellig an die Vielfalt digitaler Medien und Tools heranzuführen, eignet sich das eigene Smartphone oder Tablet. Je nach Workshopdauer wurden drei bis zehn digitale Anwendungen vorgestellt und gemeinsam getestet. Vorab wurde erörtert, welche Anforderungen die Arbeitswelt 4.0 an die Bildung stellt. Daneben gab es eine theoretische Einführung zur Vielfalt digitalen Lehrens und Lernens, deren Hauptformen in Abb. 1 zusammengestellt sind. Die Einführung anhand dieser Übersicht erwies sich als sinnvoll, weil es vielen teilnehmenden Lehrkräften schwer fiel, die vielfältigen Möglichkeiten digitalen Lehrens und Lernens zu überblicken, zu kategorisieren und die jeweiligen Möglichkeiten und Einschränkungen für sich und den eigenen Unterricht zu erkennen. Viele Begrifflichkeiten waren unbekannt, eigene Erfahrungen wie beispiels- weise mit Webinaren, sozialen Netzwerken oder einem interaktiven Whiteboard kaum vorhan- den. Spielerisch konnte das Projektteam die Teilnehmenden heranführen. So konnten mit einer einfachen VR-Brille aus Pappe und einer VR-App (vgl. Mahrin/Pfetsch/Stoll 2018, 959 f.) auf einem Demonstrationshandy beispielsweise erste Erfahrungen in der virtuellen Realität gesammelt werden. Abb. 1: Vielfalt der digitalen Lernformen (Vergleich 2008 und 2019). Die seit 2008 neu hinzugekommenen Lernformen sind dunkler dargestellt. (Grafik: mmb Institut 2019) 122 Anja Kirchner | Julia Jenzen Die Übersicht (Abb. 1) war zugleich Grundlage für die Gruppendiskussion. Hier sollten die Teilneh- mer*innen u. a. angeben, wie sinnvoll aus ihrer Sicht digitale Medien für ihren jeweiligen Unterricht sind (Abb. 2). Denn nicht jede Variante eignet sich für jede Lernsituation und jeden Lerninhalt. Wie das Bild zeigt, bestehen abhängig vom Fachbereich teilweise konträre Meinungen. Der Einsatz der digitalen Medien und Werkzeuge ist außerdem abhängig von den pädagogischen Konzepten der Bildungseinrichtung, der technischen Ausstattung, den Zielgruppen und der Offenheit und dem Engagement der Lehrenden. Die unterschiedlichen Ansichten zu sinnvollen Einsatzmöglichkeiten von Simulationen sowie von Virtual und Augmented Reality ergab sich durch die Anforderungen der Berufe. Während in sozialen Berufen andere Kompetenzen im Mittelpunkt stehen und derartige Technologien in der Praxis seltener eingesetzt werden, zeigt sich der Bedarf in technischen Berufen umso deutlicher. Aber die Gruppendiskussion ergab auch, dass in der Wissensvermittlung Simu- lationen, VR- und AR-Technologien in sozialen Berufen hilfreich sein können. Als Beispiele wurden die Vorgehensweise bei der Reanimation in Notfällen und die Vermittlung der Funktionsweise des Herzens genannt. Der Austausch in sozialen Netzwerken wurde hingegen vom Kollegium mehrheit- lich als weniger sinnvoll erachtet. In den Gruppendiskussionen entstanden insgesamt interessante Überlegungen und Denkanstöße. Häufig nutzen die Teilnehmenden die Erfahrungen aus dem Work- shop, um sie in ihre Medienbildungskonzepte einfließen zu lassen, die Grundlage für die Förderung aus dem DigitalPakt Schule und anderen Förderprogrammen sind. Oftmals bildeten sich kleine Projektgruppen, die im Nachgang der Schulung das Thema aufgriffen und für die eigene Organisation kooperativ weiterentwickelten. Als erfolgreich erweisen sich kleine Pilotgruppen aus drei bis fünf Personen, die sich der digitalen Unterrichtsgestaltung aus Eigenin- teresse widmen und ihre Erfahrung mit dem restlichen Kollegium teilen. Das Team sollte durchaus auch Bedenkenträger*innen einschließen, die in Entscheidungen einbezogen werden und nicht im Nachgang Entscheidungen torpedieren und verhindern. Der zu antizipierende Mehrwert steht im Vordergrund, wobei dieser für jede Lehrkraft anders aussehen kann. Während einzelne eine Zeiteinsparung in der Unterrichtsvor- und -nachbereitung erwarten, stellen andere die kreativen Möglichkeiten, den analogen Unterricht zu bereichern oder die Lernmotivation zu steigern, in den Mittelpunkt. Viele Lehrkräften setzen ungern Technik im Unterricht ein, weil sie befürchten, sich zu blamieren, falls es technische Schwierigkeiten gibt. Dabei berichteten viele, die ihren Unterricht bereits digital gestalten bzw. unterstützen, es fördere die Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden und verbessere die Gruppendynamik, da einander geholfen wird. Um den Unterrichts- fluss nicht zu stören, ist es ratsam, Kommunikationsregeln aufzustellen und zu klären, wann und zu welchem Zweck digitale Anwendungen eingesetzt werden. So nutzen viele Lehrende Quiz-Apps am Ende einer Lerneinheit zur Lernkontrolle und zur Wissensstandabfrage. Die Ergebnisse nutzen sie zur Vorbereitung der nächsten Lerneinheit. Aus eigenen Erfahrungen und nach Berichten anderer Lehrkräfte ist ein Mix aus analogen und digitalen Sequenzen entscheidend für guten Unterricht und sollte in Abhängigkeit von Lerninhalt und Aufgeschlossenheit der Lernenden geplant und vorberei- tet werden. Im Folgenden werden einige spezifische Aspekte im Zusammenhang mit dem Einsatz digitaler Medien und Tools zusammengefasst. 2 | Einsatz digitaler Tools in der Aus- und Weiterbildung 123 CBT, WBT für Webinare, Blended Unterweisung Learning, MOOCS Lernvideos, Tutorials Lernapps, › Lernsoftware, Mediatheken E-Books › YouTube Einsatzwahr- 0 20 40 60 80 100 scheinlichkeit im Unterricht in Prozent Social Networks › Facebook- Lernplattformen gruppen › Ilias › Foren › Studip › Blogs › Moodle › Podcast Person A Person B Simulation Präsentationstools Person C › Virtual Reality (VR) › Powerpont Person D › Augmented Reality (AR) › Interaktives Whiteboard Person E Abb. 2: Ergebnis einer Gruppendiskussion zur Frage: "Wie sinnvoll sind digitale Medien in der Aus- und Weiterbildung aus Sicht ihrer Lehrtätigkeit?" (eigene Darstellung) Ergebnisse: Welche Vorüberlegungen sind beim Einsatz digitaler Medien und Tools zu treffen? Die Auswahl an digitalen Anwendungen im Bildungskontext ist sehr groß, doch nicht jedes digitale Werkzeug ist geeignet für den Einsatz in der Aus- und Weiterbildung. Es gilt hier, je nach Ziel in der päd- agogischen Praxis, ein geeignetes Mittel zu finden. Die jeweilige Methodik sollte sich nach den lebens- weltlichen Bezügen der Lernenden richten und zum zu vermittelnden bzw. zu erarbeitenden Inhalt passen. Dazu ist es hilfreich, sich zu folgenden Punkten Klarheit zu verschaffen (vgl. FSM o. J. b, 6ff.). Ziele und Lerngruppen Welches Lernziel verfolge ich? Aus welchen Lerntypen besteht meine Gruppe? Sind die Lernenden offen für digitalen Unterricht? Brauchen sie Anleitung oder sind sie bereits so erfahren, dass ohne Einweisung gearbeitet werden kann? 124 Anja Kirchner | Julia Jenzen Methodik und Didaktik Wie setze ich meinen Unterricht methodisch und didaktisch um? Denn der Einsatz digitaler Medien und Tools erfordert eine andere Unterrichtsvorbereitung und Planung. Wie können die Ergebnis- se aus der Lerneinheit gesichert und den Lernenden zur Verfügung gestellt werden? Gibt es eine gemeinsame Lernplattform auf die alle zugreifen können? Ist das gesammelte Wissen übersichtlich strukturiert oder gibt es unzählige Dateien, die per Mail versendet werden? Technik Welche Technik (Smartphone, Tablet, PC, Smartboard, etc.) steht mir zur Verfügung? Sind die Geräte untereinander kompatibel? Laufen die digitalen Anwendungen unabhängig von Betriebssystem (Windows, Linux und macOS) und Endgerät? Welche Endgeräte nutzen die Lernenden und sind sie auch bereit, diese einzusetzen und ggf. bei nicht ausreichender Netzabdeckung das eigene Datenvo- lumen zu nutzen? Bei Minderjährigen muss vorab die Nutzung von Endgeräten und digitalen Tools hinsichtlich Datenerhebung mit den Erziehungsberechtigten geklärt werden. Kosten Sind die digitalen Medien und Tools, die ich nutzen möchte, kostenlos oder kostenpflichtig? Wie sehen die Lizenzbedingungen aus? Zahlreiche kostenlose Anwendungen finanzieren sich durch Werbung, die störend sein kann. Tipp: Viele digitale Anwendungen sind in ihrer Nutzung kostenlos. Über ein Premiumupgrade sind sie in der Regel werbefrei, zugleich können alle Funktionen genutzt werden. Für Bildungseinrichtungen gibt es bei vielen Anbietern Sonderkonditionen für Lehrkräfte und Lernende bzw. Rabatte ab einer bestimmten Lizenzanzahl. Verfügbarkeit und Integration Lassen sich Medien, wie Bilder, Videos oder andere Dateien in die digitale Anwendung integrieren? Benötige ich zur Nutzung eine stabile und ausreichende Internetverbindung oder kann ich sie auch offline nutzen? Ist die App in den Appstores von iOS, Android, etc. verfügbar? Gibt es eine Communi- ty, die bei Problemen hilft? Kann ich die digitale Anwendung auf allen Endgeräten nutzen oder nur auf dem Smartphone? Werden die Ergebnisse unabhängig von der Nutzung des Endgerätes synchro- nisiert? Tipp: Nutzen Sie webbasierte Anwendungen, denn hier sind keine Programminstallationen nötig, Speicherplatz wird ebenfalls nicht beansprucht. Voraussetzung dafür ist allerdings eine stabile und schnelle Internetverbindung. Nutzung Ist die Bedienung der digitalen Anwendung intuitiv, kann ich dies auch unerfahrenen Lernenden zumuten oder überfordert es sie? Gibt es technischen Support von der Anbieterseite aus, falls etwas nicht funktioniert? Muss ich mich registrieren und Nutzerkonten anlegen? Kann ich über QR-Code oder Link meine Lerninhalte teilen? Anleitungen Gibt es Anwender*innenvideos oder eine Anleitung? Tipp: Die meisten Anbieter haben auf ihrer Web- site Tutorials, auch auf Youtube finden sich oft hilfreiche Videos. In den sozialen Netzwerken berichten andere Lehrkräfte aus ihrem Alltag; auch das kann eine gute Hilfe und Inspirationsquelle sein. 2 | Einsatz digitaler Tools in der Aus- und Weiterbildung 125 Registrierung und Datenschutz Viele Dienste sind nur nach einer Registrierung oder durch das Herunterladen einer App zugänglich. Grundsätzlich möglichst wenig Daten von sich als Lehrkraft und von den Lernenden preisgeben und wenn möglich Fantasienamen nutzen. Welche Daten der Anbieter sammelt, steht in den jeweiligen Datenschutzerklärungen. Insbesondere bei Anbietern, die nicht der EU-DSGVO unterliegen und deren Server außerhalb der EU liegen, muss die Bildungseinrichtung abwägen, ob das digitale Tool eingesetzt werden soll. Ggf. ist eine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten einzuholen, insbesondere dann, wenn nach dem BYOD-Prinzip unterrichtet werden soll. Vereinbarungen Durch gemeinsames Online-Arbeiten in Dokumenten können auch Fehlerquellen und Missverständ- nisse entstehen, daher sind Regeln für die Zusammenarbeit festzulegen. Wer alles bearbeiten kann, kann auch alles löschen. Wie sollen Dateien benannt werden und wie kann sichergestellt werden, dass alle Lernende den gleichen Zugang zu den digitalen Angeboten haben? Gibt es Regeln für den E-Mail-Austausch oder sind andere Kommunikationsformen besser geeignet? Empfehlungen: Beispielanwendungen zum digitalen Lehren und Lernen Nachfolgend werden einige digitale Anwendungen exemplarisch vorgestellt. Es sind Anwendungen, die sich zur Unterrichtsvorbereitung, -begleitung und -nachbereitung eignen. Neben einer kurzen Beschreibung über die Einsatzmöglichkeiten gibt es eine Zusammenfassung über Kosten und grundlegende Funktionen sowie über die Integration von Medien und die Möglichkeit, Lerninhalte zu teilen (Tabelle 1). Tutory Mithilfe von Tutory lassen sich Unterrichtsmaterialien, wie Arbeits- und Prüfungsblätter, schnell und unkompliziert nach einem Baukastenprinzip erstellen. Ein umständliches Formatieren erübrigt sich. Tutory stellt außerdem über integrierte Bilddatenbanken Millionen frei lizenzierte Bilder kostenlos zur Verfügung. Bei Bedarf kann man auf erstellte Unterlagen anderer Nutzen zugreifen. Einem selbst ist es überlassen, seine erstellten Unterlagen der Community unter einer OER-Lizenz zur Verfügung zu stellen. Mehr Informationen: www.tutory.de Padlet Padlet ist eine Art digitale Pinnwand und ist einfach gestaltbar sowie vielfältig einsetzbar. Sie bie- tet Platz für Notizen, Links, Bilder und Videos und bündelt damit Informationen aus unterschiedli- chen Quellen. Die Pinnwand kann mit anderen geteilt werden. Je nach Rechtevergabe können die Teilnehmenden an der Pinnwand mitarbeiten, kommentieren oder sind nur leseberechtigt. Die Ergebnisse der digitalen Pinnwand können als PDF-Datei gespeichert werden. Mehr Informatio- nen: www.padlet.com 126 Anja Kirchner | Julia Jenzen Tabelle 1: Detailangaben zu den Beispielanwendungen Anwendung Tutory Padlet Tweedback Learning- Learning- Explain App snacks Everything Art der Anwen- webbasiert webbasiert webbasiert webbasiert webbasiert App dung und als App Registrierung ja ja ja ja ja ja notwendig Sprache deutsch deutsch und deutsch deutsch deutsch deutsch englisch und eng- lisch Unternehmens- Deutschland USA Deutschland Deutsch- Deutsch- USA sitz land land Kosten 6 Arbeits- 3 Pinnwände kostenlos, kostenlos kostenlos Test für drei blätter kostenlos, Premiu- Projekte kostenlos, Premiu- mupgrade kostenlos, verschiede- mupgrade mit allen Abomodelle ne Abomo- möglich Funktionen delle Werbung | nein | nein nein | nein nein | nein nein | nein nein | nein nein | nein In-Appkäufe Nutzung nur online nur online nur online nur online nur online online und offline Integration Foto, Videos Foto, Video, nein Foto, Video, Foto, Video Foto, Video, von Medien können als Audio Audio Audio QR-Code hinterlegt werden Teilen von ja ja nein ja ja ja Inhalten Kollaboratives nein ja ja nein nein ja Arbeiten mög- lich Tutorials auf Tutory auf Padlet auf Tweed- auf YouTube auf You- auf Explain und You- und You- back Tube Everything Tube Tube und You- Tube 2 | Einsatz digitaler Tools in der Aus- und Weiterbildung 127 Tweedback Tweedback ermöglicht anonymes Echtzeit-Feedback. Es lässt sich in unterschiedlichen Gruppen- situationen einsetzen, beispielsweise zur Vortragsbegleitung oder auch im Unterricht für kurze Lernerfolgskontrollen über die Quizfunktion. Über die Funktion „Chatwall“ können zudem Vor- tragsinhalte kommentiert werden. Der „Panik-Button“ hilft den Teilnehmenden, der vortragenden Person Feedback zu geben, ob er beispielsweise zu schnell oder zu langsam ist. Mehr Informatio- nen: www.tweedback.de LearningApp Mit LearningApp können mit geringem Aufwand multimediale Lernaufgaben erstellt werden, die von Lernenden digital zu lösen sind, beispielsweise Kreuzworträtsel, Lückentexte oder Puzzles. Insge- samt gibt es über 20 verschiedene Vorlagen. Programmierkenntnisse sind dafür nicht erforderlich. Über QR-Code und Link können die erstellten Lernbausteine mit den Lernenden geteilt werden. Es besteht die Möglichkeit, die erstellten Anwendungen auf einer offenen Plattform auch anderen Nutzer*innen zur Verfügung zu stellen bzw. auf dort von Dritten zur Verfügung gestellte LearningApps zurückzugreifen. Mehr Informationen: www.learningapps.org Learningsnacks Mit Learningsnacks ist es möglich, einen eigenen Lern-Chatbot ganz ohne Programmierkenntnisse zu erstellen. Lernhäppchen werden als Frage-Antwort-Spiel wiedergegeben, wobei die Nutzer*innen sofort Feedback erhalten, ob ihre Antwort richtig ist. Über QR-Code oder Link können die kleinen Lerneinheiten geteilt werden und bereits erstellte Learningsnacks aus der Community können genutzt werden. Selbst erstellte Lerninhalte können wahlweise frei zugänglich oder geschützt veröf- fentlicht werden. Mehr Informationen: www.learningsnacks.de Explain Everything Mit Explain Everything kann man auf einfache Weise kleine Video-Tutorials erstellen und diese mit Foto-, Video-, Audio- und selbst gezeichnetem Material ergänzen. Auch kleine Animationen sind möglich. Der Clou: Das Bearbeiten der Bild- und Tonspur ist direkt in der App möglich. Die App kann aber auch einfach als Whiteboard genutzt werden, mit dem ein Arbeiten mit mehreren Teilnehmen- den gleichzeitig möglich ist. Mehr Informationen: www.explaineverything.com Fazit und Ausblick: Man lernt nie aus Die Erfahrungen im Projekt haben gezeigt, dass digitale Medien und Tools für eine zeitgemäße Ausbildung und Weiterbildung zielführend eingesetzt werden und einen Mehrwert bieten kön- nen. Digitale tragen dazu bei, die Bedeutung der beruflichen Bildung als attraktive und praxisna- he Alternative zur akademischen Bildung zu stärken. Berufliches Lernen muss aber lebenslang fortdauern. Eine abgeschlossene Ausbildung wird ebenso wie ein Studium nicht reichen, um den Anforderungen einer Arbeitswelt 4.0 dauerhaft gerecht zu werden. Die Bemühungen seitens der Bundesregierung mit dem DigitalPakt Schule, mit den Sonderförderprogrammen Digitalisierung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten und mit dem Recht auf Weiterbildung sind richtige 128 Anja Kirchner | Julia Jenzen Schritte. Ebenso wichtig ist die Fortbildung des Bildungspersonals, die Zeit und Geld sowie En- gagement und Offenheit aller Beteiligten erfordert. Welche digitalen Kompetenzen jedes einzelne Berufsbild benötigt, ist jedoch schwer einzuschät- zen. Das macht es für das Bildungspersonal schwierig, die richtigen Lerninhalte bereitzuhalten. Neben der inhaltlichen Vermittlung von Fachwissen mit digitalem Bezug geht es auch um anwen- dungsbezogene Grundlagen, wie dem Beherrschen von Technik und Technologie. Fertigkeiten wie Kreativität, Querdenken und Teamfähigkeit werden immer wichtiger. Denn einfache Probleme lösen Technik und Technologie schneller und kostengünstiger, komplexe Probleme erfordern dagegen das Zusammenwirken von Mensch und Technik. Während es bis vor wenigen Jahren das Credo war, sich möglichst viel Wissen anzueignen, müssen heute Informationen nach Richtigkeit und Relevanz für berufliche Problemlösungen gefiltert werden. Allgemeinbildung und grundlegende Fachkompetenz bleiben dabei unumgänglich, um die Menge an Informationen kritisch zu prüfen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Digitale Bildung ist damit als gesellschaftliche Aufgabe zu verstehen, die lebens- langes Lernen und die Bereitschaft voraussetzt, sich auf Veränderungen einzulassen und flexibel zu sein. Die Herausforderung für betriebliches Bildungspersonal wird hierbei sein, Lernende bei diesem Prozess zu unterstützen und ihnen die richtigen Methoden zu erschließen, um sich komplexes Wis- sen anzueignen. Literatur und Quellen Baacke, D./ Kornblum, S./ Lauffer, J./ Mikos, L./ Thiele, G. (Hrsg.) (1999): Handbuch Medien: Medienkompetenz – Modelle und Projekte, Bonn, Bundeszentrale für politische Bildung FSM – Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e. V. (Hrsg.) (o. J. a): Werkzeugkasten Kollaboratives Lernen im Internet. Online: https://www.medien-in-die-schule.de/ werkzeugkaesten/werkzeugkasten-kollaboratives-lernen-im-internet/ (02.07.2019) FSM – Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e. V. (Hrsg.) (o. J. b): Werkzeugkasten DIY und Making – Gestalten mit Technik, Elektronik und PC. Medien in die Schule – Unterrichtsmaterialien, Werkzeugkästen und Praxisanwendungen für Lehr- und pädagogische Fachkräfte. Online: https://www.medien-in-die-schule.de/ (02.07.2019) Krämer, H./ Jordanski, G./ Goertz, L. u. a. (2017): Medien anwenden und produzieren -Entwicklung von Medienkompetenz in der Berufsausbildung. In: BIBB (Hrsg.): Wissenschaftliches Diskussionspapier Heft 181. Bonn. Online: https://www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/ publication/show/8275 (Stand: 25.04.2018) Mahrin, B./ Pfetsch, J./ Stoll, C. (2018): Mobiles Lernen im Handwerk. In: de Witt, C./ Gloerfeld, C. (Hrsg.): Handbuch Mobile Learning. Wiesbaden: Springer, S. 943–970 Honegger, B. D. (2017): Mehr als 0 und 1 – Schule in einer digitalisierten Welt. 2. Aufl. Bern, hep verlag 2 | Einsatz digitaler Tools in der Aus- und Weiterbildung 129 Netzwerk Digitale Bildung (Hrsg.) (2017): Wegweiser Digitale Bildung, Kap. 6: Bring Your Own Device. Online: https://www.netzwerk-digitale-bildung.de/wegweiser-digitale-bildung-2-0/ (02.07.2019) Wilke, A. (2016): Das SAMR Modell von Puentedura. Online: http://homepages.uni-paderborn.de/ wilke/blog/2016/01/06/SAMR-Puentedura-deutsch/ (05.07.2019) 130 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann DIGITAL UNTERSTÜTZTES LERNEN IM TRADITIONELLEN UMFELD Micro-Blended-Learning im Handwerk am Beispiel von D-MasterGuide Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann Der Beitrag beschreibt den gewählten Ansatz des Micro-Blended-Learning für das Ausbauhandwerk. Durch digitale Lernstationen wurde ein neuer Lernraum für überbetriebliche Bildungsstätten gestal- tet, der einen vielfältigen Förderansatz verfolgt. Neben der Fachkompetenz werden u. a. die Metho- den-, Medien- und Selbstkompetenz und damit verbunden die Fähigkeiten, das eigene Handeln zu reflektieren und erworbenes Wissen zu dokumentieren, in den Mittelpunkt gestellt. Dafür wird das Vorwissen der Lernenden berücksichtigt, Bedarfe abgeleitet und daraus konkrete individuelle Fördermaßnahmen durch eine digitale Lernassistenz vorgeschlagen. Dieses Vorgehen wird durch ein Learn-Management-System (LMS), das zu einem „Smart Guided Learning System“ (SGLS) erweitert wurde, digital unterstützt. Bei den so abgebildeten Handlungen und Tätigkeiten wurde das Prinzip der Prozessorientierung und der Entwicklungsaufgaben explizit berücksichtigt. Unserem Micro-Blended-Learning-Ansatz entsprechend wechseln Lernende und Lehrende zwischen kurzen digitalen Lernsequenzen und Werkstatthandeln, um anschließend die Ergebnisse mitein- ander im Plenum zu besprechen. Dadurch sollen „neuartige“ Lerndynamiken und Kompetenzent- wicklungen ermöglicht werden, die durch virtuelle Rundgänge (VR-Welten), Videoanimationen aus dem Arbeitsleben, Rollenspiele, offene Tabellenaufgaben und einer selbstorganisierten digitalen Arbeitsumgebung ergänzt werden. Die bereits implementierten Selbst- und Fremdchecks bieten darüber hinaus Abwechslung im Lernalltag und sind die Grundlage für vertiefte Lerngespräche sowie für die Steigerung der Selbstreflexion. Schlüsselbegriffe › Micro-Blended-Learning › Heterogene Lerngruppen › Organisatorische und methodische › Smart Guided Learning System Öffnung des Bildungsprogramms › Lernassistent › Digitale Lernstationen › Kompetenzmodell › Prozessorientierung; Entwicklungsaufgaben › Metadaten › Anchored Instructions › Virtuelle Bestandsaufnahme 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 131 Neben den auf Lernende bezogenen Ansätze aus dem Projekt D-MasterGuide geht der Beitrag auch auf Herausforderungen der Content-Erstellung sowie organisationsbezogene Herausforderungen und Anpassungsnotwendigkeiten von Bildungsorganisationen ein, um die Nachhaltigkeit von digita- len Transformationen über die Förderprojektphase hinaus zu ermöglichen. Einleitung Kaum ein Lernort ist praxisorientierter als Bildungseinrichtungen des Handwerks. Damit erfüllen sich einerseits die Forderungen nach Identität und andererseits nach Abgrenzung gegenüber anderen Lernorten wie z. B. Betrieb oder Berufsschule. Auf den Bedarf der Integration neuer Elemente wie digitale Plattformen oder neuere erfahrungsbasierte Lernformen wird wiederholt mit dem Postulat nach einem dritten Lernort geantwortet – so z. B. in technischen Berufen (vgl. BMBF-Forschungs- projekt "Dritter Lernort" – Lernportal für technische Berufe, 2015) oder sozialen Berufen (vgl. Eisele 2017). Faktisch besitzt das Handwerk bereits den dritten Lernort in Form der Überbetrieblichen Bil- dungsstätte (ÜBS). Wie kann daher die Identität einer ÜBS in der digitalen Transformation erhalten bleiben und gleichzeitig entwickelt werden? Viele Ausbilder*innen sehen ihre Rolle nicht in der Wissensvermittlung und schreiben diese Aufgabe den Berufsschulen zu (Hahne 2004). Daher geschieht das Lernen an einer ÜBS des Ausbauhand- werks traditionell mit Fokus auf handwerklichem Handeln in Lernkabinen bzw. an Stellwänden. Jedoch im Bereich der Meisterausbildung, genauer in Meistervorbereitungskursen, lehren viele Do- zenten*innen traditionell frontal und sehen sich als Mittler des Baufachwissens. Das Lernen in bau- fachlichen Projekten und offenen Problemstellungen findet kaum statt. Digitale Lösungen fordern daher konkrete Antworten auf sehr unterschiedliche Fragestellungen, die eng mit deren primären Stärken zusammenhängen. So ergeben sich zahlreiche aktuelle Fragen für ÜBS, die zu beantworten sind, wie z. B.: Sollte den Lernenden Distance-Learning überhaupt ermöglicht werden? Sollten beste- hende Kursteile durch eLearning-Kurse ersetzt werden? Ist die Nachahmung betrieblicher Arbeits- prozesse erstrebenswert? Sollte individualisiertes Lernen eröffnet werden? Inwieweit soll das Lernen an der ÜBS für verschiedene Wissensarten geöffnet werden? Welche Rolle spielen Erfahrungslernen und das Einräumen individueller Freiheitsgrade beim Lernen? Ist es sinnvoll, Lernstände zu erfassen und wenn ja, wie können individuelle Lernstände in die Lernplanung einfließen, ohne digital unter- stützte Lernumgebungen zu Prüfungsmaschinen auszubauen? Ausgangslage und Problemstellung In kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) des Handwerks wird die digitale Kommunikation immer bedeutsamer, einerseits im Umgang mit Kunden und Lieferanten und andererseits in der innerbetrieblichen Kommunikation. In einer Marktstudie zur Förderung von Digitalisierungsmaßnah- men im Handwerk gab ein Großteil der Handwerks-Betriebe an, dass sie bezogen auf ihren Betrieb unter Digitalisierung vor allem die Kommunikation und den Bereich Bürooptimierung, Überblick und Planung verstehen (vgl. Heil/Fröder/Spilski 2018, 55). Obwohl erste Vorreiter-Betriebe in der 132 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann Umsetzung dieser Digitalisierungsmaßnahmen sehr vorangeschritten sind, unterbleibt jedoch in der Breite eine Sensibilität für einschlägige digitale Prozesstechnik an der Schnittstelle zwischen Baustellenmanagement und betrieblichem Backoffice (s. interne Marktstudie im Stuckateur- und Ausbauhandwerk für verschiedene Zielbereiche: BBNE 2015–2019 Modellversuchsprogramm, BMBF-Projekt Q_EN_POLIS). Die wesentlichen Ursachen dafür sieht das D-MasterGuide-Projektkon- sortium in der Selbstkompetenz der handelnden Personen im Umgang mit Neuem und Innovatio- nen. Selbstkompetenz „umfasst Eigenschaften wie Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen, Zuverlässigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein. Zu ihr gehören insbesondere auch die Ent- wicklung durchdachter Wertvorstellungen und die selbstbestimmte Bindung an Werte.“ (Handrei- chung KMK 2011, 15). Daher sind die Teilkompetenzen Selbstreflexion, Selbstwirksamkeit, Motivati- on und Zielorientierung zu stärken. Es sollte dringend eine wertfreie Betrachtung digitaler Techniken und Tools erreicht werden, da die Digitalisierung wie bereits angedeutet auch im Ausbauhandwerk immer weiter voranschreitet und so die handwerksbezogene Arbeitswelt verändert (vgl. für Beispiele Spilski/Heil/Schmidt/Schwertel/Mayerl 2017, 39 ff). Jedoch sind dahingehend im Ausbauhandwerk noch viele Schritte nötig. So zeigte sich bspw. bei Beobachtungen des Nutzerverhaltens einer hoch- spezifischen Smartphone-App durch Handwerksmeister (Altersgruppe 40–50 Jahre), im Rahmen einer Erprobung am Kompetenzzentrum Ausbau und Fassade (KomZet A&F), dass die Nutzung der App ausschließlich unter der Instruktion von Vorgesetzten erfolgte; selbstständig und aus Eigenmo- tivation heraus blieb die App dagegen ungenutzt. Bei einer Durchschnitts-Betriebsgröße im Ausbau- handwerk von 3–5 Beschäftigten sind es vor allem die Meister*innen/Betriebsinhaber*innen, die Veränderungen anstoßen oder blockieren können. Daher fokussiert das Projektvorhaben D-MasterGuide auf die Zielgruppe der Teilnehmer*innen in der Meistervorbereitung (MstrV) im Stuckateur-Handwerk. In dieser Phase verfügen die Teilnehmen- den noch über ausreichende Lern-Ressourcen. Vermutlich sind so positive Effekte auf die Selbst- kompetenz sowie auf die wertfreie Betrachtung von digitalen Techniken und Tools am wahrschein- lichsten erreichbar. In der Meistervorbereitung des KomZet A&F finden sich zum überwiegenden Teil 18- bis 25-jährige Teilnehmer*innen zusammen. Dabei handelt es sich um angehende Inhaber*in- nen oder künftige Führungskräfte der zweiten Ebene mit hohem Eigeninteresse an Führungs- und Managementthemen. Vermutlich ist ein nicht unerheblicher Anteil der Teilnehmer*innen jedoch mit negativen Schulerfahrungen in der Vergangenheit konfrontiert gewesen und daher dem klassischen Lehrer-Schüler-Unterricht mit sehr hohem Frontal-Anteil stillschweigend befremdlich bis ablehnend gegenüber eingestellt. Diese Form des Lehrens ist allerdings aktuell als Standard in der Meistervor- bereitung weit verbreitet. Ziele und Erwartungen Ausgehend von der eben beschriebenen Ausgangslage und Problemstellung in Bezug auf die Stär- kung der Selbstkompetenz, der wertfreien Betrachtung digitaler Techniken und Tools sowie einer vergleichsweisen ablehnenden Haltung der Zielgruppe gegenüber klassischen Lehrer-Schüler-Un- terricht mit viel Frontalanteil, wurden im Rahmen des Projektvorhabens D-MasterGuide für die MstrV des KomZet A&F folgende Ziele aufgestellt: 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 133 1. Mittels eines technischen Lern-Frameworks wird eine Andock-Situation für projekt- bzw. hand- lungsorientiertes Lernen in der MstrV des Stuckateur-Handwerks geschaffen. 2. Es wird ein konstruktives Lern-Framework in der MstrV Teil 1 und Teil 2 (Stuckateur-Handwerk) am KomZet A&F konzipiert, implementiert, erprobt und evaluiert. 3. Insgesamt werden acht am Ausbau-Handwerk ausgerichtete Prozessbasierte Digitale Lernstati- onen eingerichtet, um das Verstehen sowie das Arbeiten mit und Nutzen von digitalen Tools in verschränkten berufstypischen Handlungssituationen zu fördern. 4. Aus bestehendem Content sollen beispielhafte Bau-Objekt-spezifische Lösungen aus dem Bereich der Energieeffizienz und der Außendämmung in Form kompetenzbasierter digitaler Me- thoden-Instrumente entwickelt und angepasst werden. 5. Es werden Lernkultur fördernde Impulse in Form von Anchored Instructions umgesetzt, um die Motivation zur Nutzung von digitalen Lernumgebungen wie z. B. Virtual Reality (VR) und korrespondierender Lernstationen zu erhöhen. Unter einer Anchored Instruction versteht man eine Lernmethode, die mithilfe einer in einem Video eingebetteten komplexen Geschichte dazu anregt, realistische Problemstellungen aus der Sicht der Lernenden aktiv und eigenständig zu lösen. Die Verknüpfung dieser Geschichten mit weiteren Fachinhalten hilft den Lernenden, neue Blickwinkel einzunehmen und neues Wissen zur Anwendung zu bringen, damit die Theorie-Praxis Schere überwunden werden kann. An D-MasterGuide und sein avisiertes Lern-Konzept ist die Erwartung gerichtet, einen ersten Schritt zur Öffnung der bisher überwiegend als Frontalunterricht gelebten Wissensvermittlung in der MstrV Teil 2 und der Integration von situiertem Lernen in MstrV Teil 1 (sogenannter Praxis-Teil) zu ermögli- chen. Dies kann zur sogenannten Stufe Null „Organisatorische Öffnung” eines Bildungsprogramms führen (vgl. Schartz/Westfall-Greiter 2010, 21). Des Weiteren baut D-MasterGuide auf einer Arbeits- prozessanalyse auf, um diese in die Lernumgebung zu integrieren. Dafür wird auch auf Ergebnisse des durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geförderten Projekts DIGIGAAB (Digital unterstützter Gesundheits- und Arbeitsschutz im Arbeitsprozess Bau – Mehr Sicherheit durch Partizipation), das ebenfalls im KomZet A&F läuft, zurückgegriffen. Dort wird gegenwärtig gemeinsam mit dem Steinbeis-Transferzentrum die Arbeitsprozessanalyse für die betriebliche Seite verfeinert. Schließlich hat D-MasterGuide auch Erwartungen in Bezug auf den Gebrauchswert einer eLearning-Anwendung an einem betrieblichen Lernort zu erfüllen. Dabei wird D-MasterGuide an seinem Beitrag gemessen, das Erarbeiten und Aneignen von Arbeits- und Geschäftsprozessen zu ermöglichen, sowie jederzeit konzeptionell erweiterbar zu sein (Reinhold 2008, 160). Zielgruppe Im Projektvorhaben D-MasterGuide wird die Zielgruppe der angehenden Unternehmer*innen im Ausbauhandwerk als Lernende in der Meistervorbereitung Teil I und II gesehen. Diese werden durch eine ganzheitliche Kompetenzsicht angesprochen, die soziale Kompetenzen sowie Fach- und Medienkompetenzen fördern soll. Durch die didaktische Stufung des Contents sind die ersten Stufen ebenso gut in einer ÜBS mit Auszubildenden im zweiten und dritten Lehrjahr einsetzbar. 134 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann Inhalte werden im Rahmen von D-MasterGuide nicht in Form von Fächern umgesetzt, sondern in Projekte, Arbeits- und Kundenaufträge sowie Problemstellungen zerlegt und auf betriebliche Hand- lungsanforderungen übertragbar gestaltet. Dies erfolgt exemplarisch für den Bereich Energieeffizi- enz, Außendämmung und Wärmedämmverbundsystem. Demzufolge soll mittelbar die Qualitätsent- wicklung von Unternehmen durch digitale „blended” Lernstationen in Bezug auf Prozess-Sicht- und -Denkweise angestoßen werden. Eine verpflichtende Einführung in die MstrV und fortführende Nut- zung ist dafür jedoch nötig. Daher werden im Projektvorhaben auch nach Lösungen zur Erhöhung der Akzeptanz im Organisations-Kontext gesucht. In mittelständischen Betrieben des Ausbaugewerbes (bis 100 Mitarbeiter*innen) ist das Denken und Handeln in Prozessdimensionen der Facharbeit in der Regel nicht üblich, selbst wenn diese Betriebe DIN EN ISO 9001 zertifiziert sind. Das umfasst betriebswirtschaftliche Unterstützungsprozesse ebenso wie Marketing- und Steuerungs-Prozesse auf Baustellen. Auch in der MstrV Teil 3 werden derartige Herangehensweisen i. d. R. als deklaratives Wissen vermittelt, ohne dass durchgreifende Lösungen für die künftige Führungskraft erfahrbar würden. Projekte wie D-MasterGuide betreten daher Neuland, da das Erarbeiten von Lösungen für die prozessorientierte Strukturierung von Handwerksbetrieben in den Mittelpunkt des Bildungsprogramms gestellt wird. Die Aufgaben wer- den, soweit es sich um Selbstlernaufgaben handelt und der Bedarf zunimmt, sowohl im „distance learning” von der Nutzergruppe der Lernenden als auch im Lerngruppen-Kontext vor Ort (z. B. in der ÜBS) anwendbar sein. Didaktisches und methodisches Konzept In D-MasterGuide werden unterschiedliche Prinzipien zu einem didaktisch-methodischen Konzept integriert. Das beinhaltet die Berücksichtigung des übergeordneten Settings, das Prinzip der Prozes- sorientierung, die Idee der Entwicklungsaufgaben sowie Micro-blended Lernprozesse. Gleichzeitig berücksichtigt das didaktisch-methodische Konzept auch heterogene Lerngruppen mit unterschied- lichen Lernständen, Lerngeschwindigkeiten und Vorwissen. Im Folgenden wird auf die genannten Prinzipien eingegangen. Übergeordnetes Setting Die D-MasterGuide-Lösung ähnelt als Lernarrangement dem im Handwerk weit verbreiteten Modell- und Stationenlernen und weist große Ähnlichkeiten zu den früheren Grundschul-Werkstätten auf (vgl. Zürcher 1987). Es wird im Rahmen von D-MasterGuide versucht, ein Lernarrangement mit acht Lernstationen vollständig zu implementieren (siehe Abb. 1), so dass ein Arrangement von Lerninseln erreicht werden kann (vgl. Dehnbostel/Holz/Novak/Schemme 2001). Das Arbeiten in Lerninseln wird von Lernenden als sehr motivierend beschrieben und das damit verbundene freie Arbeiten in Gruppen auch als befreiend von autoritativen Tendenzen bei Ausbildern (vgl. Reich 2003, 9). Gerade solche Lernarrangements sollten ihre positive Wirkung entfalten können, wenn heterogene Aus- bildungsgruppen (wie in D-MasterGuide gegeben) durch Ausbilder*innen/Dozent*innen angeleitet bzw. gefördert werden. 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 135 Das Prinzip der Prozessorientierung Das Prinzip der Prozessorientierung geht in der Beruflichen Bildung auf die Arbeiten von Howe und Knutzen (Howe/Knutzen 2007) zurück, die das Auftragslernen (Stratenwerth 1991) an den Stand der modernen betrieblichen Entwicklungen anpassten. Becker (vgl. Becker 2013, 6) beschreibt die Arbeitsprozess-Didaktik als Bindeglied zwischen berufspädagogischer Didaktik und Technik-Didak- tik, die sich als Domäne der Naturwissenschaften versteht. Demnach unterscheidet er die arbeits- prozessorientierte Didaktik durch Hinzunahme von Bedingungen, welche in der Handlung vollzo- gen werden sollen. Das beinhaltet das produktbezogene-, systembezogene-, technische-, soziale und arbeitsorganisatorische Wissen. Dieser Zusammenhang knüpft somit an die Kritik Strakas zur unvollständigen Praxis der Handlungsorientierung unmittelbar an (vgl. Straka 2013, 10) und führt so zu sinnstiftender Klärung. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Lernenden situativ informierte Entscheidungen treffen sollen (Deutsche UNESCO-Kommission 2014, 12). Dieses Gestaltungsprinzip wurde am KomZet A&F schon im Rahmen des BBNE-Modellversuchsprogramms (BBNE 2015–2019, Pietschmann 2019) eingeführt. Dieses Prinzip ist durch klassische eLearning-Aufgabenkataloge be- reits sehr gut abbildbar. Eine Abfrage von Fachsystematik, wie im Projekt D-MasterGuide angestrebt, wurde damit jedoch noch nicht beabsichtigt. Die Idee der Entwicklungsaufgaben Die Idee der Entwicklungsaufgaben beruht auf der didaktischen Herausforderung, das jeweils nächste Niveau durch Aufgabenstellungen zu charakterisieren (Becker 2013, 17). Die Gestaltung des Entwick- lungsprozesses vom Novizen zum Experten wurde in D-MasterGuide aufgegriffen, indem drei Niveaus- tufen für jede Lernstation entwickelt wurden. Die drei Stufen (Anfänger, Fortgeschrittene, Meister) sind in der Regel im zweiten und dritten Lehrjahr sowie in der MstrV verortet. Ob damit stets die Niveaus 3, 4 und 6 des Deutschen Qualitätsrahmens (DQR https://www.dqr.de/) verknüpft sind, wird im Einzelfall fraglich bzw. diskutabel bleiben, doch wurden diese Niveaus als Arbeitsbegriffe eingeführt. Durch das Herunterbrechen von Prozessinformationen auf Lernaufgaben konnten eine curriculare Reihung von Abb. 1: Lernstationen in der Prozesssystematik des Ausbau-Handwerks: Ergebnis der Aufarbeitung als Gruppenarbeit im “Qualitätszirkel Bildung” am KomZet A&F. Die Ziffern für die Unterebenen subsummieren die Anzahl der notierten Handlungen/Tätigkeiten. (eigene Darstellung) 136 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann Abb. 2: Schemadarstellung zur Lernstation 1 (eigene Darstellung) Aufgaben sowie deren Beschreibung in Form von Kompetenzen erheblich erleichtert werden. Der Rah- menlehrplan in der MstrV des Stuckateur-Berufs, der in weiten Teilen als kompetenzbasiert eingestuft werden kann, wurde schließlich in D-MasterGuide mit den Handlungen der Lernstationen abgeglichen. Abb. 2 stellt für Lernstation 1 schematisch dar, wie mit Entwicklungsaufgaben die verschiedenen Ni- veaustufen didaktisch aufeinander aufbauend angeboten werden. Micro-Blended-Lernprozesse Wie im Blended Learning üblich, wurden reale Handlungen in Präsenz mit Blöcken von Vorberei- tungs- und Nachbereitungsaufgaben in die Lernsequenz integriert. Das sich so aufbauende Szenario ist dem von Marek (Marek 2012, 28) beschriebenen sehr ähnlich. Zu Beginn wird die Bedeutung der Lernstation durch Videoanimationen bzw. durch VR-Szenarien als situierte Problemsituation beschrieben und eingeleitet. Die Lernenden bearbeiten diese didaktischen Anker in Einzel- und Gruppenarbeit nach (Cognition and Technology Group at Vanderbilt 1993). Schließlich werden alle Eindrücke, Beobachtungen und Ergebnisse der Lernenden hierzu im Plenum erörtert. Eine Lern- sequenz beinhaltet daher immer den Wechsel zwischen Einzelarbeit, die theoretisch auch in einer Distance Learning Situation möglich wäre, und der im Plenum durch die Lehrenden gesteuerten Arbeit (siehe Abb. 3). Das individuelle Feedback durch die Lehrenden erfolgt zusätzlich im Learning Management System (LMS). Jede Lernstation startet mit einem Block von Einstiegsaufgaben, die das 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 137 Abb. 3: Ablauf einer Lernstation im Wechsel zwischen digital unterstützter Einzelarbeit und Präsenzarbeit im Plenum (eigene Darstellung) Handlungswissen umfassen. Dieses wird als voraussetzend für die erfolgreiche Bearbeitung einer Lernstation betrachtet, da in gewerblich-technischen Berufen das Vorwissen für den Lernerfolg als sehr bedeutsam einzuschätzen ist (Nickolaus/Abele/Albus 2015). So entstehen in D-MasterGuide Lernabfolgen von wenigen Stunden Dauer, in denen die Lernenden am KomZet A&F stets durch Lehrende betreut bleiben. Es besteht so, „statt der aufwendigen Erstel- lung eines hochwertigen und hochgradig interaktiven Web Based Training (WBT), die Möglichkeit der Kombination eines einfacheren Mediums mit einer personalen Betreuung“ (Ojstersek 2007, 37). Damit sollen mögliche negative Effekte durch moderne eLearning-Welten, wie z. B. soziale Isolation, vermieden werden. Stattdessen sollen sich Lerngespräche zwischen Lehrenden und Lernenden intensivieren. Ein weiterer positiver Effekt ist der unmittelbare Wechsel zwischen kognitiver Entscheidungsleistung der Lernenden und der Arbeitsvorbereitung im Handwerk (z. B. Feuchtigkeit in Bauteilen mit einem Feuchtemessgerät erfassen), der durch geeignete Aufgabenformate im LMS ermöglicht wird. In diesem Fall wird das LMS u. a. dazu genutzt, die Messwerte formatiert, manuell und medienkompe- tent zu übertragen und abzuspeichern. „Insbesondere in der beruflichen Weiterbildung werden diese adressatengerechten Angebote eher angenommen als reine Online-Kurse” (Klein/ Zedler 2004, 160). 138 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann Antwort auf heterogene Lerngruppen mit unterschiedlichen Lernständen, Lerntempi und Vorwissen Vielfach äußern Ausbilder*innen und Dozenten*innen der MstrV im Handwerk, dass seit der Meister- novellierung (HWO §49) viele Teilnehmer*innen zu wenig Vorwissen in die MstrV einbringen. Daher wurde das Konzept der Entwicklungsaufgaben als eine Möglichkeit aufgegriffen, um jede Lernstation an die unterschiedlichen Lernstände der Teilnehmer*innen in der MstrV anzupassen. Dies mündet in der Fragestellung, ob und inwieweit neue Freiheitsgrade für die Lernenden künftig eingeräumt werden, wenn Einzelne die Handlungsaufgaben schneller lösen als der Durchschnitt bzw. längere Zeit benötigen. Umgekehrt zeigt sich als gewünschter Effekt, dass dieselben Lernstationen für das Einsteiger- und Fortgeschrittenen-Niveau auch in der ÜBS eingesetzt werden können. Allerdings stellt sich auch hier die Frage, inwieweit schnelleren Lernenden Freiheiten eingeräumt werden können, das nächsthöhere Niveau selbstständig zu bearbeiten. In der Erprobung zeigte sich, dass dies keine konzeptionelle Fragestellung ist – in beide Richtungen – sondern eine Frage des Selbst- verständnisses von Ausbilder*innen und Dozenten*innen einerseits und der Lernkultur-Entwicklung in der Bildungseinrichtung andererseits. Diese Entwicklungsstufe entspricht der Stufe 2 Methodische Öffnung eines Bildungsprogramms, indem die Lernenden auf ihre Freiarbeit Einfluss nehmen kön- nen und Fremdbestimmung durch Lehrende reduziert wird (Schratz/Westfall-Greiter 2010, 21). Realisierung D-MasterGuide baut auf dem von Koper (2014) geprägten Begriff der Smart Learning Environments (SLE) auf. SLE sind physikalische Lernorte- und Situationen (Klassenzimmer, Arbeitsplatz, Labor etc.), die mit digitalen, kontextsensitiven und adaptiven Geräten, Diensten und Inhalten ergänzt werden, um das Lernen besser und effizienter zu gestalten. Das in der D-MasterGuide genutzte Smart Guided Learning System (SGLS) basiert auf einem LMS, das um die nötigen Komponenten, Funktionalitäten und Schnittstellen zu anderen Tools (z. B. VR-Anwendung) oder Diensten erweitert wird. Die folgen- den Abschnitte beschreiben kurz die Vorgehensweise der Realisierung, den Einsatz der technischen Komponenten (LMS und VR-Anwendung), die Content-Erstellung und schließlich die dazu parallel verlaufende Entwicklung der Organisationsumgebung am KomZet A&F. Für die Realisierung von Projekten wie D-MasterGuide ist ein umfangreiches Projekt-Konsortium not- wendig, das aus Technologiepartnern, Anwendern und wissenschaftlichen Partnern bestehen sollte. Im Folgenden sind die Partner und ihre jeweiligen Rollen im Projekt D-MasterGuide aufgeführt. › eBZ – eBusiness-KompetenzZentrum für Planen und Bauen gUG, Kaiserslautern: Teilvorhaben Inhalte, Marketing und Koordination › Berufsförderungsgesellschaft des baden-württembergischen Stuckateurhandwerks mbH, Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade (KomZet A&F), Leonberg/Rutesheim): Teilvorhaben Konzeption, Training und Erprobung › Technische Universität Kaiserslautern, Center for Cognitive Science (CCS), Kaiserslautern: Teilvor- haben Test und Evaluation 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 139 › imc information multimedia communication AG (IMC), Saarbrücken: Teilvorhaben Realisierung und Bereitstellung Smart Guided Learning System › AWS-Institut (AWSI) für digitale Produkte und Prozesse gGmbH, Saarbrücken: Teilvorhaben Smart Guided Learning System & Anchored Instructions Vorgehensweise Im Projekt D-MasterGuide findet die Realisierung des Lern-Framework in drei Phasen statt, die wie- derum in den jeweiligen Realisierungsschleifen wieder aufgegriffen werden: › Anforderungsanalyse-Phase: Anforderungen der Zielgruppe werden gesammelt, analysiert und als Spezifikationen für die Implementierung bereitgestellt. › Implementierungsphase: Auf Basis der Spezifikationen wurden die Anforderungen technisch umgesetzt. › Evaluationsphase: Lernende und Ausbilder*innen testen die Umsetzung in Erprobungen vor Ort, Feedbacks und Bewertungen werden analysiert, ausgewertet und fließen als Ergebnis in die Anforderungsanalyse der nächsten Realisierungsschleife ein. Grundlage der Lernumgebung – das LMS zum Aufbau der Lernstationen Als Basis des SGLS dient die IMC Learning Suite (LMS der IMC AG). Das LMS wird zum Aufbau der Lernstationen genutzt und stellt Lehrenden und Lernenden eine einfache Benutzeroberfläche nach dem Prinzip des mobile frontend zur Verfügung. Dennoch ist bei jeder Lernstation zu entscheiden, welches digitale Medium (z. B. Tablet oder Laptop) angemessener ist. Mit Hilfe von Anchored Instruc- tions, die als VR-Inhalt oder Web-Based Training realisiert werden, werden die Lernenden zunächst für die Problemstellung der jeweiligen Lernstation sensibilisiert und aufgefordert, für die ersichtli- chen komplexen Fragestellungen Lösungen zu finden. In selbstbestimmten Lernphasen profitieren die Lernenden vom Empfehlungssystem (Selbstlern-As- sistent), das auf Basis ihrer Aktivitäten und Interessen kompetenzbasiert Inhalte zur Vertiefung ihrer Kenntnisse anbietet. Das zugrunde liegende Modell zur konsequenten Beschreibung aller Lernschrit- te und Inhalte mit Hilfe von Metadaten ist in Abb. 4 dargestellt. Als Grundlage zur Berechnung der Empfehlungen werden im LMS folgende Metadaten erfasst: Lernstation (entspricht Prozessschritt), Entwicklungsstufe (entspricht DQR-Niveau), Kompetenzbereich (entspricht Kompetenzbündel), Kompetenz (entspricht Lernsituation) und Kompetenzbaustein (entspricht Schlagwort). Schließlich haben Lehrende die Möglichkeit, Aufgaben der Lernenden zu korrigieren, zu bewerten und individu- elle Rückmeldungen zu geben. Sie können den Lernfortschritt ihrer Klasse oder einzelner Lernender einsehen und auf Basis dieser Information und ihrer Erfahrung den weiteren Unterrichtsverlauf für das ausstehende Bildungsprogramm besser einschätzen. 140 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann Abb. 4: Im Smart Guided Learning System zur Anwendung kommendes Kompetenzmodell (eigene Darstellung) Handlungsorientierte Aufgaben und Impulse – VR-Tool zur Bereitstellung von Anchored Instructions In D-MasterGuide wurde für Lernstation 2 (siehe Abb. 1) eine virtuelle Ortsbegehung umgesetzt, um den Bau-Ist-Zustand und den Bautenschutz-Zustand besser zu verstehen und sozusagen ohne Exkursion an das KomZet A&F zu holen. Es wurden dazu vorab Fotos mit einer 360-Grad-Kame- ra aufgenommenen und anschließend in die AR-Anwendung implementiert. Die Virtual-Reality (VR)-Anwendung wurde mit Hilfe einer Unity-Engine durch den Projektpartner AWSI umgesetzt und über die VR-Brillen-Systeme Oculus Go und Ocolus Rift präsentiert. Diese VR-Umgebung diente als Medium für die Anchored Instruction, um das Verständnis der Lerninhalte in Form einer handlungs- orientierten und praxisnahen Aufgabe mit hoher Motivation zu vertiefen. Um den Umgang in der VR zu erleichtern, der für alle Lehrende und Lernende eine neue Erfahrung darstellt, wurde ein Tutorial entwickelt. Dabei wird erklärt, wie man mit Controllern und VR-Brillen umgeht, was die Lernenden erwartet und was die Aufgaben sind. Ergänzend dazu wurde die Anwenderschnittstelle iterativ weiterentwickelt. Basis dafür waren die Evaluationsergebnisse des Projektpartners CCS aus den verschiedenen Erprobungen mit der Zielgruppe. Durch den Einsatz einer solchen innovativen tech- nologischen Lösung, gekoppelt mit handlungsorientierten Aufgaben und Anchored Instruction kann vermutlich die Aufmerksamkeitsdauer der Lernenden gesteigert und gleichzeitig der Umgang mit Bauobjekten stärker systematisiert werden. Eine generalisierbare Aussage über das Projekt hinaus ist aktuell jedoch noch nicht möglich. Content-Erstellung – Fachliche und inhaltliche Aufbereitung Die fachlich-inhaltliche Content-Erstellung ist neben den genannten technischen Entwicklungen von D-MasterGuide als weitere große Herausforderung bei der Realisierung anzusehen. Dabei wurde auf 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 141 die folgende Literatur zurückgegriffen: Leixner et al. 1995; Fachverband der Stuckateure für Ausbau und Fassade Baden-Württemberg (SAF) & Schweizer Maler und Gipsunternehmer 2010; Boes et al. 2012; Landesinstitut für Schulentwicklung BW 2012; Weißert et al. 2013; Ahrens et al. 2014; Boes et al. 2014; Batran et al. 2014a; Batran et al. 2014b; Luik 2015 sowie diverse Richtlinien des Fachverband der Stuckateure für Ausbau und Fassade Baden-Württemberg (SAF), beispielsweise die Gerätelis- te für das Stuckateur-Handwerk (SAF 2015), die Richtlinie Ausführung luftdichter Konstruktionen und Anschlüsse (SAF 2009), die Richtlinie Anschlüsse an Fenster und Rollläden bei Putz, Wärme- dämm-Verbundsystem und Trockenbau (SAF 2010) und die Richtlinie Fassadensockelputz/Außen- anlage (SAF 2013). Darüber hinaus werden regelmäßig weitere Normen, Verordnungen, Richtlinien sowie Produktbeschreibungen und Systembeschreibungen von Herstellern bei der Konstruktion von Aufgaben berücksichtigt. Der damit verbundene enorme Aufwand in Projekten wie D-MasterGuide bedarf auch ausreichender Berücksichtigung bei der Förderung. Für die Contenterstellung in D-Mas- terGuide wurde folgendes Vorgehen gewählt: › Zunächst wird eine Prozess-Lernstation in ihren verschiedenen Bereichen analysiert, um konst- ruktive Entscheidungssituationen ableiten zu können. Dazu werden 1. die notwendigen Handlun- gen/Tätigkeiten, 2. das Wissen, 3. die Leitfragen, 4. die Kompetenzen, 5. die Niveaus des Deut- schen Qualifizierungs-Rahmens (DQR) und 6. vielfältige Quellen berücksichtigt (s. o.). › Anschließend wird mit der Konstruktion der handlungsorientierten Aufgaben blockweise begonnen. › Ist dieser Teilschritt abgeschlossen, werden die für das LMS formatierten Aufgaben samt der inhaltlichen System-Feedbacks Ausbilder*innen bzw. Dozenten*innen zur Qualitätssicherung übergeben. › Erst nach diesem Schritt werden die Fragenkataloge in das LMS eingepflegt und schließlich in einer Endabnahme erneut gegengelesen. › Letztendlich wird das Material in die passende Form gebracht, um im LMS oder der VR-Anwen- dung angemessen dargestellt und verarbeitet zu werden. › Erst im allerletzten Nachgang werden die zugehörigen Metadaten für jede Handlungsaufgabe erfasst sowie die erreichbare Punktzahl je Auswahl-Element in den Frage-Katalogen. Gut abgrenzbare Arbeitsaufträge werden als eigene Bereiche/Kurse in die Lernstationen passend zum jeweiligen Prozessschritt integriert, so z. B.: „mit der Leica Disto D510 das Aufmaß erfassen, mit der GANN Hydromette RTU 600 die Feuchtigkeit in Bauteilen messen oder Abklebearbeiten in Abhängigkeit von unterschiedlichen Untergründen durchführen“. Diese und ähnliche Arbeitsaufträge wurden methodisch in Form der Sechs-Stufen-Methode (Sander 2003, 51) im Rahmen des Förder- projektes stuck-e_future entwickelt und mit der D-MasterGuide-Lösung verknüpft. Stuck-e_future wird gefördert im Programm „Digitalisierung und berufliche Ausbildung (ÜBA)“ des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg (MW BW). Es befasst sich mit der Digita- lisierung situativer Aufgabenformate zum Training informierter baufachlicher Entscheidungen für unterschiedlicher Niveaustufen an der ÜBS Leonberg/Rutesheim, orientiert sich im Gegensatz zu D-MasterGuide jedoch stärker an den Erfordernissen der Grundstufe und nicht an der MstrV. 142 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann Entwicklungs- und Dialog-förderliche Organisationsumgebung Zu Beginn von Veränderungsvorhaben gibt es vielfach Diskussionen und Auseinandersetzungen, die im Kern die Identität der Organisation selbst betreffen. Aussagen wie z. B. „Wir wollen nicht die Aufgaben der Berufsschule übernehmen.” – einerseits – „Wir wollen nicht die Tätigkeit der Dozen- ten*innen durch distance learning ersetzen.” – andererseits – sind sehr ernst zu nehmen, damit Dialog und Austausch im Veränderungsvorhaben nicht schon im Ansatz erstickt werden und eine erfolgreiche Realisierung behindern. Aus diesem Grund wurde im Rahmen von D-MasterGuide möglichst auf ausschließlich situiertes Wissen zurückgegriffen. Dies bedeutet, dass unter den in Abb. 1 dargestellten Prozess-Lernstationen nur Handlungen subsummiert sind, nicht jedoch die dazugehörigen Wissensbausteine. Damit ist sichergestellt, dass die vor Beginn des Projekt- vorhabens intern am KomZet A&F ausführlich erörterten Identitätszuschreibungen von ÜBA und KomZet A&F gewahrt bleiben. Darüber hinaus wurden die Erfahrungen aus dem Projekt Q_EN_POLIS sowie die daraus hervor- gegangenen Strukturen z. B. der Qualitätszirkel Bildung und Bildungsbeirat des KomZet A&F für D-MasterGuide genutzt. Im Projekt Q_EN_POLIS zeigte sich, dass insbesondere eine umfassende und transparente Beteiligung des Bildungspersonals an den Veränderungsvorhaben positiv auf Projekte zur innovativen Neugestaltung von Lehr-/Lernprozessen an einer ÜBS wirkt (Pietschmann 2019). Insbesondere diese Neugestaltung im Zusammenspiel mit einer Rückwirkung auf vorhandene Bildungsprodukte durch Blended-Learning-Lernstationen ist elementar, um die Vorteile der digital unterstützten Aus- und Weiterbildung heben zu können (Muerner/Polexe/Tschopp 2015). Es wird erkennbar, dass Organisationsentwicklungsmaßnahmen für eine erfolgreiche Realisierung und Implementierung von neuen Lehr-/Lernprozessen an einer ÜBS, idealerweise schon vor Pro- jektbeginn begonnen und im Projekt weiterentwickelt werden sollten. Strukturen wie der Qualitäts- zirkel Bildung und auch der Bildungsbeirat können die dafür notwendigen Entwicklungsprozesse an einer ÜBS anstoßen. Im Qualitätszirkel Bildung wird das Lehrpersonal begleitend zu spezifischen Themen intern weitergebildet und ist gleichzeitig aufgefordert, seine Sichtweisen als Bildungsteam im Lenkungskreis des KomZet A&F vorzutragen. So soll sichergestellt werden, dass der Lenkungs- kreis seine Prozessverantwortung für Innovation und Transfer besser wahrnehmen kann. Diese Strukturen wurden basierend auf den Evaluationsergebnissen des ELKOnet-Netzwerkes (https:// elkonet.de/) geschaffen. Dort wurden die genannten Strukturen als zwingendes Kriterium für eine erfolgreiche Implementierung von Lehr-/Lernprozessen an einer ÜBS herausgestellt (Klaffke/Howe/ Knutzen 2008, 278). Veränderungen im Rollenverständnis der verschiedenen Beteiligten kommen hingegen samt Kritikäußerung und Strategie- bzw. Ziele-Diskussion im Bildungsbeirat am KomZet A&F zur Sprache. Dort verständigen sich regelmäßig interne von den Veränderungen betroffene Mitarbeiter*innen mit Unternehmer*innen zu den aktuellen Entwicklungen der Veränderungsvor- haben. Darüber hinaus bedingen solche Strukturen und die Impulse eines Förderprogramms ein neues Führungsverständnis, das in traditionell patriarchal ausgerichteten Handwerksorganisationen vermutlich nicht immer selbstverständlich ist und sich erst entwickelt. 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 143 Ergebnisse und Produkte Im Rahmen von D-MasterGuide entstehen fortlaufend Teilkomponenten für die digitalen Lernstati- onen, die in iterativen Schleifen mit der Zielgruppe verbessert werden und wie bereits gezeigt auf einem fundierten didaktisch-methodischen Konzept basieren. Im Folgenden fokussieren wir auf aus- gewählte Teilergebnisse und mögliche Teilprodukte, die bisher in D-MasterGuide entstanden sind. Das digital unterstützte Lernen im traditionellen Umfeld – Micro-Blended Learning Mit dem Aufbau der Lernstationen in D-MasterGuide wird ein neuer Ansatz für Blended Learning ent- wickelt, der an einem Beispiel verdeutlicht werden soll. Von der Vorbereitung im Unterrichtsraum, bei der z. B. geklärt wird, wie ein Messgerät fachgerecht eingesetzt wird, pendeln die Lernenden zur Durchführung der digital unterstützten Qualitätsüberprüfung am Werkstück oder zum Einsatz eines Messgerätes am Prüfobjekt. Nachdem mit dem Messgerät Daten erfasst wurden, erfolgt eine manu- elle Eingabe der Daten ins SGLS. Anschließend finden sich die Lernenden wieder im Unterrichtsraum zusammen, um mit dem Lehrenden die Messergebnisse zu besprechen. Diesen Ansatz verstehen wir als Micro-Blended Learning, das zugleich zielgenau auf die berufliche Aufgabe ausgerichtet ist. In Abb. 5 ist eine Lerngruppe mit ihren Ausbildern an der ÜBA Leonberg während einer D-MasterGuide Erprobung zu sehen. Deutlich erkennbar ist die herkömmlich frontal ausgerichtete Lehr-/Lernsituati- on, unterstützt durch ein Smartboard, das die Lehrenden bereits nach kurzer Zeit im Blended-Lear- ning-Szenario zu schätzen wissen. Wünschenswert ist hingegen künftig eine Sitzplatzanordnung für kooperatives Arbeiten, das die Lösung der Präsenzaufgaben in die Mitte rückt. Das Interface des Mobile Frontend Im Projekt D-MasterGuide wurde der Einsatz des SGLS auf Basis der IMC Learning Suite unter Realbe- dingungen an der ÜBA Leonberg und dem KomZet A&F Rutesheim erprobt. Die damit verbundenen Herausforderungen und daraus resultierenden Anforderungen flossen in die technische Umsetzung ein. Die im Rahmen von D-MasterGuide umgesetzte Realisierung des mobile frontend (Nutzeroberflä- che) für Lernstation 1 (Einsteigerniveau) ist in Abb. 6 dargestellt. Abb. 5: SGLS – Erprobung an der ÜBS im “Theorieraum” Leonberg im Februar 2019 (eigene Darstellung) 144 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann Abb. 6: SGLS – Lernenden-Ansicht: Ausschnitt aus der Lernstation 1 wie in der Mindmap der Abb. 1 dargestellt (eigene Darstellung/Screenshot) Abb. 7: SGLS – Lernenden-An- sicht: Ausgewertete Selbst- check-Aufgabe mit Lösung im Bereich Medienkompetenz (eigene Darstellung/Screenshot) 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 145 Die Anchored Instruction zur rezeptiven Medienkompetenzentwicklung Die Sensibilisierung für die Lernstation erfolgt stets im Einstieg über eine Anchored Instruction. Ihre Darstellung ist in Form von Virtual Reality (VR) oder Videoanimationen möglich, so dass Lernende aktiv Lösungen für ungeklärte Situationen finden müssen, ohne dass ihnen Lösungen vorgegeben werden. Stattdessen werden kleinschrittige Lösungsalternativen dargestellt, wie am Beispiel eines Selbstchecks in Abb. 7 erkennbar ist. Im Nachgang werden diese kleinschrittigen Lösungen im Plen- um erörtert. Darüber hinaus unterstützt der Einsatz von Virtual Reality die Möglichkeit, praxisnahe Szenarien wie z. B. Baubegehungen im Klassenraum zu üben und die Lernergebnisse im Lernkontext abzuspeichern. Das Tabellen-Training für die operative Medienkompetenzentwicklung Um sich für das Kundengespräch vorzubereiten, erstellen die Lernenden im SGLS Tabellen als Checkliste zur gedanklichen Vorbereitung auf das Kundengespräch: „Welche Fragen wird die Kund- schaft an Sie richten?“ (siehe Abb. 8). Nach Beendigung des gespielten Kundengesprächs werden die tatsächlichen Kundenfragen ergänzt. Lernende können bei solchen Trainingsaufgaben neben Textlösungen auch Tabellen und Dokumente einreichen und diese beurteilen lassen. Es handelt sich um Formate, die im Ausbau-Handwerk täglich in Form von Listen, Tabellen und Einsatzplänen in der Praxis zum Einsatz kommen. Danach erhalten die Lernenden Zugang zu einer Musterlösung. Abb. 8: SGLS –- Ansicht für Lehrende: Feedback und Bewertung einer Trainingsaufgabe (eigene Darstellung/Screenshot). 146 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann Abb. 9: SGLS – Ansicht für Lehrende: Aufgabenübersicht nach Lerner “Leo” gefiltert (eigene Darstellung/Screenshot) Abb. 10: VR-Erprobung: Die Teilnehmer*innen tauchen in die virtuelle Umgebung des sanierungsbedürftigen Objekts ein (eigene Darstellung) 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 147 Der Aufgaben-Status im Überblick Um als Lehrende den Überblick über die Aufgabenerledigung einer Lerngruppe zu behalten, werden eigene Sichten für Lehrende im SGLS vorgehalten, die der Orientierung über den Bearbeitungsstand von Aufgabenblöcken bzw. ganzen Lernstationen dienen (Abb. 9). Die Empfehlungskomponente (Selbstlern-Assistenz) Eine weitere Komponente des SGLS stellt die integrierte Empfehlungskomponente mittels eines “Selbstlern-Assistenten” dar. Basierend auf den vorgegebenen Parametern, wie z. B. früheren Ergebnissen aus Selbstchecks, Suchanfragen und Interessen, werden den Lernenden Aufgaben und Tests zur Verfügung gestellt. Dieses adaptive Empfehlungssystem ermöglicht es den Lernenden, die entsprechenden Parameter für sich zu setzen und deutlich schneller zielgerichtete Informationen empfohlen zu bekommen. Es ist zu betonen, dass es sich um eine bidirektionale Interaktion handelt und keine versteckte Entmündigung des Lernenden. Ziel dieser Empfehlungskomponente ist es, die Hemmschwelle vieler Lernender in Bezug auf ein aktives, selbstbestimmtes Lernen zu reduzieren und Individuen orientiertes Lernen in den Selbstlernphasen zu ermöglichen. Der VR-Rundgang um ein Sanierungsobjekt Anchored Instructions werden als Einstieg in Lernstationen eingesetzt und durch den Projektpartner AWSI technisch umgesetzt. Sie sensibilisieren für die jeweilige Thematik, indem aktiv Lösungen für unbekannte Aufgaben gefunden werden müssen. In Abb. 10 ist exemplarisch die Anchored Instruc- tion als VR-Umgebung für Lernstation 2 (siehe dazu Abb. 1) dargestellt. Die Lernenden können dabei virtuell um ein Haus gehen und Probleme im Außenbereich entdecken und markieren. Hierzu wurde ein Gamification-Ansatz im Rahmen eines Frage-Antwort-Spiels integriert. Die VR-Umgebung ermög- licht zudem den Wechsel zwischen den drei Schwierigkeitsgraden und kann sich an den definierten Kompetenzniveaus ausrichten. Eine virtuelle Begehung im mittleren Schwierigkeitsgrad ist auf ca. 25 Minuten konzipiert. Am Ende wird den Lernenden das Ergebnis angezeigt, das zusätzlich als Bericht exportiert werden kann. Die Benutzer haben auch die Möglichkeit, den Durchlauf per Replay erneut zu absolvieren. Zudem erlaubt der Einsatz dieser VR-Lösung, vielschichtige Analysen seitens der Leh- renden. Sie können beispielsweise die Blickrichtung und Verweildauer betrachten, die während des Markierens grob erhoben wurde. Dadurch können sie einen Überblick erhalten, wo Unsicherheiten oder Desorientierungen bei dieser Aufgabe bestanden. Darüber hinaus ist es bereits jetzt möglich, die Anwendung entweder komplett in den Kurs zu integ- rieren oder ortsungebunden, sowohl mit als auch ohne VR-Brille durchzuführen. Die Abbildungen 11 und 12 vermitteln einen Eindruck, mit welchen Möglichkeiten die Lernenden mit der VR-Umgebung interagieren können. Erprobung, Empfehlungen und Transfer Bisher erfolgten vier Erprobungen im Rahmen von D-MasterGuide. Davon zwei Erprobungen mit un- terschiedlichen Jahrgangskohorten der MrstV auf die wir in diesem Abschnitt eingehen werden sowie zwei Erprobungen mit Auszubildenden im zweiten Lehrjahr. Ziel ist die fortlaufende Verbesserung 148 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann Abb. 11: Userinterface der VR-Lösung. Im Hintergrund ist das zu sanierende Bauobjekt erkennbar (eigene Darstellung) Abb. 12: Verwendung von VR-Controls zur geführten Nutzerinteraktion (eigene Darstellung) des SGLS unter Einbeziehung von Lernenden und Lehrenden sowie die Verbesserung der konkreten Umsetzung des Micro-Blended-Learning Ansatzes unter Realbedingungen. Dazu werden neben techni- schen und didaktischen Gesichtspunkten vor allem auch weiche Faktoren und Teilkompetenzen der Lernenden quantitativ und qualitativ evaluiert und für die Weiterentwicklung genutzt. Um die weichen Faktoren angemessen zu berücksichtigen, wurde ein parsimonisches (sparsames) Handlungsmodell aus empirisch fundierten Verhaltensmodellen abgeleitet (Abb. 13). Das Modell weist aufgrund geringer Stichprobengrößen (MrstV-Kohorten jeweils N < 20) und der Notwendig- keit (Praxis-Anforderung), kurze Befragungen durchzuführen, vergleichsweise wenige Faktoren auf. Es wurden jedoch die im Abschnitt Ausgangslage und Problemstellung aufgeführten kritischen Faktoren zur Akzeptanz und Nutzung von Neuem und Innovationen explizit berücksichtigt. In Abb. 13 ist das Handlungsmodell zum besseren Verständnis visualisiert und das Nutzungsverhalten von digitalen Lernstationen als Modellendpunkt dargestellt. Allgemeine Einstellungen beeinflussen dem- nach spezifische Einstellungen mit Bezug zum konkreten Beurteilungsgegenstand (hier die digitalen Lernstationen). Die so erlangten spezifischen Einstellungen können dann wiederum das Nutzungs- verhalten unterschiedlich stark beeinflussen. 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 149 Auf den Punkt Um sowohl die Vertiefung des Prozesslernens als auch die Förderung eigenständigen Arbeitens mit Wissensbausteinen zu unterstützen, mussten bisherige Medientypen des LMS erweitert und ergänzt werden. Selbstcheck-Aufgaben wurden mit detaillierten Lösungen und Zuordnungen zu Kompetenzbereichen angelegt, um das selbstbestimmte Lernen zu fördern und die Berechnungen des Empfehlungssystems (Selbstlern-Assistenz) zu ermöglichen. Um berufstypische Handlungssituationen aus der Praxis zu fördern, wurden externe Werkzeuge und Dienste (z. B. VR-Lösung, Feuchtemessgerät) in das LMS integriert. Mobile Anwendungen dienen dazu, Dokumentationen und Arbeitsanleitungen in der Werkstatt oder auf der Baustelle zu erstellen und einfach in die Lernplattform überführen zu können. Das in Realisierung befindliche Smart Guided Learning System (SGLS) kann nach Beendi- gung des Projekts nicht nur bei den Projektpartnern und im Ausbildungsbetrieb genutzt wer- den, sondern ebenso gut in einem Zusammenschluss von Berufsschulen inhaltlich erweitert werden oder auch überregional zum Einsatz kommen. Die aktuelle Lernplattform mit ihren Lernstationen ist unter https://dmglms.imc-learning.de/ erreichbar und wird im Projektver- lauf noch erweitert. Sie ist jedoch aktuell nicht öffentlich verfügbar. Allgemeine Einstellungen Spezifische Einstellungen Einstellung gegenüber Wahrgenommener Nutzen Technologie digitaler Lernstationen Technikakzeptanz Nutzung- Technik-Kompetenzüberzeugung Wahrgenommener Spaß bei der sabsicht Nutzung Technik-Kontrollüberzeugung Nutzung digitaler Lernstationen digitaler digitaler Lernstationen Lernstationen Wahrgenommene Leichtigkeit der Einstellung gegenüber Bedienung digitaler Lernstationen Lernen Angst und Unsicherheit bei der Nutzung digitaler Lernstationen Abb. 13: Parsimonisches D-MasterGuide Handlungsmodell: Adaption des Technology Acceptance Model (Venkatesh/ Bala 2008), der Theory of plannend behaviour (Aizen 1991) und Erweiterung um Faktoren der sozial-kognitiven Theo- rie z. B. Einstellung gegenüber dem Lernen „Selbstwirksamkeit“ (Bandura 1986) (eigene Darstellung) Allgemeine Einstellungen gegenüber Technologien wurden mit der Kurzskala Technikbereitschaft (Neyer et al. 2016) erhoben: Zwölf Einzelitems, welche insgesamt den drei Subdimensionen der Technikbereitschaft zugeordnet werden: Technikakzeptanz, Technikkompetenzüberzeugung und Technikkontrollüberzeugung. Allgemeine Einstellungen gegenüber dem Lernen wurden als Kurzskala Lernbezogene Selbstwirksamkeit bestehend aus acht Aussagen operationalisiert, welche als Adap- 150 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann tion der Kurzskala berufliche Selbstwirksamkeitserwartung (Schyns/Collani 2014) entwickelt wurde. Lernbezogene Selbstwirksamkeit soll die aus der Lernbiografie einer Person entstandene Überzeu- gung erfassen, ob diese allgemein die Fähigkeit besitzt, neue Dinge zu lernen. Wahrgenommener Nutzen, Wahrgenommener Spaß und Wahrgenommene Leichtigkeit der Bedienung wurden mit jeweils drei Items aus dem TAM 3 erhoben (Venkatesh/Bala 2008). Angst und Unsicher- heit bei der Nutzung digitaler Lernstationen wurde mit einer Subskala aus sechs Aussagen erhoben, welche aus der deutschen Version des „Academic Procrastination State Inventory“ (Patzelt/Opitz 2014) entnommen wurde. Die Gesamtskala soll die Bereitschaft einer befragten Person messen, das Lernen aufzuschieben. Isoliert ist diese Subskala jedoch auch sehr gut geeignet, um Angst und Unsicherheit beim Lernen mit digitalen Lernstationen zu quantifizieren. Guter wissenschaftlicher Praxis entsprechend wurde für die Erprobungs-/Evaluations-Studien ein Ethikvotum bei der Ethikkommission der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der TU Kaiserslautern eingeholt, so dass ethische Gesichtspunkte sowie Punkte des Datenschutzes und der Persönlich- keitsrechte ausreichend im Projekt D-MasterGuide berücksichtigt werden. Wir empfehlen ausdrück- lich die Einholung eines Ethikvotums, um den erhöhten Anforderungen an empirische Studien gerecht zu werden. Entsprechende Ressourcen sollten daher beantragt werden. Durch bereits vier personenbezogene Erprobungen wurden sehr viele Ergebnisse generiert und auf mehr als einhundert Seiten zusammengefasst. Daher fokussieren wir im Folgenden nur auf Teil-Ergebnisse der ersten beiden Erprobungen, die einen guten Überblick über den bisherigen Projektverlauf geben. Ergebnisse und Erprobungen Erprobungen erste Jahrgangskohorte MrstV KomZet A&F Rutesheim In der ersten Jahrgangskohorte erfolgten zwei quantitative Befragungen in Anlehnung an das Handlungsmodell, um wesentliche Faktoren der Akzeptanz und Nutzung von digitalen Lernstatio- nen zu erheben. Die erste Erhebung (Prätest t1: 11/2017) wurde mit n = 18 angehenden Meister*innen bereits vor der eigentlichen Erprobung durchgeführt und hatte den Schwerpunkt, allgemeine Einstellungen der Zielgruppe zu erfassen (siehe Abb. 13). Als Ergebnisse lässt sich festhalten, dass über alle 18 angehenden Meister*innen nur eine moderat ausgeprägte Technikaffinität (allgemeine Technikein- stellung M = 3,36 mit vielen Werten < 3) bestand und eine tendenziell positive Einstellung gegenüber dem Lernen (Selbstwirksamkeit M = 3,76, nur ein Teilnehmer unter dem Skalenmittelwert von 3). Die theoretisch abgeleiteten Faktoren wurden überwiegend mit drei Items (Fragen) erhoben und zu Skalenwerten verdichtet. Die Bildung von Skalenwerten wurde gewählt, da aufgrund der geringen Stichprobengrößen eine latente Modellierung statistisch nicht sinnvoll ist. 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 151 Die zweite Erhebung (Posttest t2: 02/2018) fand im Rahmen der Erprobung digitale Lernstation 1 statt und wurde mit denselben angehenden Meister*innen durchgeführt. An dieser Erprobung nahmen jedoch nur n = 8 angehende Meister*innen teil. Gründe dafür waren der späte Termin kurz vor den eigentlichen Meisterprüfungen und die zu späte Kommunikation (beides wurde für die zweite Jahrgangskohorte entsprechend geändert). Eine Verallgemeinerung der Ergebnisse ist nicht möglich, da es sich bei den acht angehenden Meister*innen ausschließlich um Personen handelte, die eine hohe Technikaffinität aufwiesen und sich von der Gesamtkohorte, um fast einen Skalenpunkt unterschieden. Als Ergebnis dieser Erprobung (n = 8) zeigte sich, dass eher eine neutrale Einstellung gegenüber der digitalen D-MasterGuide Lernstation vorlag. Vereinfacht ausge- drückt: weder negativ noch positiv. So wurden die Akzeptanz-Faktoren Wahrgenommene Nützlich- keit digitaler Lernstationen und Wahrgenommener Spaß bei der Nutzung digitaler Lernstationen auf einer fünf-stufigen Ratingskala im Mittel mit M = 3,2 bewertet und sind weder als Ablehnung noch Zustimmung zu werten. Das bedeutet auch, dass in einer Gruppe von Personen mit einer hohen Technikaffinität die D-MasterGuide-Lösung im Anfangsstadium und der Micro-Blended-Le- arning-Ansatz noch keine relevante Akzeptanz erreichte. Gründe dafür sind sicherlich auch in der vergleichsweise kurzen Erprobungsdauer von nur 2,5 Stunden zu sehen. Eine Vertrautheit in Umgang mit den technischen Lösungen und eigenständiges Experimentieren sowie ein Erkennen der Nützlichkeit ist vermutlich noch nicht möglich, so dass eine eher neutrale Einstellung resul- tierte. Basierend auf diesen Ergebnissen und dem Projektfortschritt wurde für Jahrgangskohorte 2 bereits eine Erprobung über zwei Tage realisiert. Erprobung zweite Jahrgangskohorte MrstV KomZet A&F Rutesheim In der zweiten Jahrgangskohorte erfolgte die Erprobung des Micro-blended Learning-Ansatzes und der im SGLS integrierten Lernstation 1 im November 2018. Die Lernstation wurde im Vergleich zur ersten Erprobung deutlich erweitert (z. B. um videoanimierte Anchored Instruction und eine Process Guidance) und passgenauer an die Zielgruppe ausgerichtet wurde (z. B. die gewerke- spezifische Sprache, Usability-Aspekte). Einschränkend muss jedoch erwähnt werden, dass laut Projektplan bereits zu diesem Zeitpunkt mehr Lernstationen hätten vorliegen müssen. Dieser Umstand zeigt, dass eine Implementierung der umfangreichen didaktischen- und technischen D-MasterGuide Ansätze sowie der gleichzeitige Anspruch eine praxistaugliche und vor allem nachhaltige Anwendung zu schaffen, sehr viel Zeit benötigen (14 Monate für Lernstation 1 nach abgeschlossener Anforderungsanalyse), die auch bei guter Planung schwer vorab quantifiziert werden kann. Lernstation 1 besteht aus 248 Handlungen/Tätigkeiten, die entsprechend inhaltlich und technisch umzusetzen sind. Darüber hinaus ist immer Akzeptanz bei den Lehrenden zu schaf- fen und Mehrwerte sollten erkennbar sein, was oft bei ersten Prototypen schwierig ist. Wir sehen jedoch, dass Beschleunigungseffekte für die weiteren Lernstationen eintreten, da nunmehr ein akzeptierter Umsetzungs-Standard vorliegt. Für die Erprobung in der 2. Jahrgangskohorte (11/2018) wurde auf einen qualitativen Ansatz umgestellt. Es fanden Gruppendiskussionen und systematische Beobachtungen sowie punktuelle qualitative Einzelinterviews und Think-Aloud-Ansätze während der Nutzung statt. Im Folgenden werden Teilaspekte pointiert. Der Beginn der Erprobung mit n = 19 angehenden Meistern*innen lässt sich nur als negativ bewerten. Es war ein sehr unrunder Start, der unter anderem auch mit 152 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann nicht ausreichender W-LAN Router-Leistung erklärt werden kann. Aussagen der angehenden Meis- ter*innen zu Beginn waren z. B.: › „Infrastruktur passt einfach nicht!“ › „Anmeldung dauert viel zu lange!“ › „technische Schwierigkeiten nerven mich unheimlich!“ › „Wenn weniger Teilnehmer … ist die Technologie nicht mehr das Problem“ Nach ca. 45 Minuten waren diese Probleme weitestgehend gelöst und die eigentliche Erprobung wurde durchgeführt. Während der Bearbeitung nutzten einzelne Teilnehmer die Möglichkeit, sofort Verbesserungsvorschläge dem KomZet A&F/CCS-Team mitzuteilen. Aussagen waren z. B.: › „Auf dem Tablet ist es zu eng“ › „Zurück-Button fehlt!“; „Kein drum herum reden bei der Sprache, mehr Tiefe!“ Obwohl im Verlauf des ersten Tages eine Wendung hin zu einer positiven Stimmung erfolgte, nah- men an der freiwilligen Pilotierung am zweiten Tag nur n = 9 angehende Meister*innen teil. Es zeigte sich aber, dass bereits am zweiten Tag mehr Vertrautheit und Sicherheit im Umgang mit der D-Mas- terGuide-Lösung gegeben war. In Kombination mit dem reflektierenden Blended-Learning-Ansatz wurden neuartige Lerndynamiken geschaffen. Lernorte waren nicht mehr auf den Schulungsraum fixiert, Gruppenarbeit in Kleingruppen fand selbstständig statt und die Dozenten wurden als Lernbe- gleiter wahrgenommen. Jedoch mit der Einschränkung, dass sich das nicht für die gesamte Kohorte sagen lässt, da nur noch n = 9 angehenden Meister*innen teilnahmen. Am Ende des zweiten Tages wurden durch die angehenden Meister*innen folgende Aussagen getroffen: › „Hat mich neugierig gemacht und ich fand es gut!“ › „Es ist die Zukunft, sehr positiv!“ › „Wechsel zwischen Selbstlernen und Plenum kann funktionieren. Technik ist aber sehr wichtig!“ › „Ich finde viele Sachen gut. Begriffszuordnungen!“ › „Du kannst sofort sehen, ob du das kannst. Wie ist dein Lernstand, direktes Feedback und hab Info, wo ich ansetzen muss!“ Obwohl für die zweite Kohorte keine quantitativen Ergebnisse vorliegen, wurden dennoch sehr viele Informationen zur Verbesserung der D-MasterGuide Lösung erhoben, die entsprechend in die Optimierung der D-MasterGuide-Lösung und in die didaktische Umsetzung eingehen. Im Jahr 2019 werden neben einer Erprobung in der dritten Jahrgangskohorte MrstV auch mehrere Erprobungen in der überbetrieblichen Ausbildung (Leonberg) durchgeführt. Diese Übertragung zur Erweiterung der Anwendergruppe wird aus mehreren Gründen empfohlen: 1. Die Anzahl der Erprobungen und Ergebnisse kann deutlich erhöht und der Abstand zwischen den Erprobungen verringert werden. In Konsequenz können so die technischen und didaktischen Komponenten effektiver verbessert werden, im Vergleich zu den einmal jährlich stattfindenden Erprobungen in der MrstV. 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 153 2. Es kann geprüft werden, inwieweit auch ein Transfer des Micro-Blended Learning in die ÜBA erfolgen kann und so eine Übertragung auf eine deutlich größere Zielgruppe (Auszubildende) erfolgt. Nachhaltigkeitsaspekte des D-MasterGuide-Projekts können so vermutlich noch leich- ter erreicht werden. 3. Deutlich mehr Ausbilder*innen/ Dozent*innen erhalten die Möglichkeit, die D-MasterGuide-Lö- sungen unter Realbedingungen zu testen, Erfahrungen zu sammeln (im Rahmen des Projektes in einem experimentierfreudigeren und geschützten Setting) und die Lehrenden-Perspektive in die partizipatorische Entwicklung zu integrieren, so dass eine bedarfsgerechte Realisierung und Qualitätsentwicklung auch für Lehrende erfolgen kann. Fazit und Ausblick An das BMBF-Förderprojekt D-MasterGuide und das digital unterstützte Micro-Blended-Lear- ning-Konzept sind die Erwartung gerichtet, neben der Vermittlung von Fachkompetenz auch die Me- thoden-, Medien- und Selbstkompetenz und damit verbunden die Fähigkeiten, das eigene Handeln zu reflektieren und erworbenes Wissen zu dokumentieren, zu verbessern. Diese Kompetenzen sind insbesondere in einer zunehmenden Digitalisierung des Handwerks als elementar einzustufen. Darü- ber hinaus hat D-MasterGuide den Anspruch, einen ersten Schritt zur Öffnung der bisher überwie- gend als Frontalunterricht gelebten Wissensvermittlung und der Integration von situiertem Lernen (sogenannter Praxis-Teil) zu ermöglichen. Dazu wurde ein sehr hochauflösendes und aufwändiges didaktisch-methodisches Konzept umgesetzt und durch das Smart Guided Learning System (SGLS) technisch abgebildet. Die Erprobungsergebnisse für die angehenden Meister*innen und auch für die Auszubildenden sind ermutigend. So zeigte sich beispielsweise, dass durch den Einsatz des SGLS in Kombination mit dem reflektierenden Blended-Learning-Ansatz neuartige Lerndynamiken geschaf- fen werden. Lernorte waren nicht mehr auf den Schulungsraum fixiert, aktive Gruppenarbeit fand zu zweit oder in Kleingruppen statt und wurde selbstständig durch die Lernenden gewählt. Dabei erfolgte bei einigen Kleingruppen auch eine eigenmotivierte Reflexion der Handlungen im Lernpro- zess. Die Kommunikation und Wahrnehmung der Ausbilder*innen und Dozent*innen des Kompe- tenz-Zentrums für Ausbau und Farbe veränderte sich bereits mit nur einer Lernstation. Sie wurden von den Lernenden als Lernbegleiter wahrgenommen und weniger als monologisierende Lehrende. Die gewählte Vernetzung von D-MasterGuide mit den Veränderungsvorhaben ÜBS-Digitalisierung (Ausstattungsförderung im Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung des BMBF) sowie stuck-e future für Arbeitsaufträge in der Grundstufe (gefördert durch das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg) geben immer mehr Impulse, D-MasterGuide in der „Linie“ anzuwenden. Die Möglichkeiten, bereits länger bestehende Medien als Web Based Trainings (WBT) in die digitalen Lernstationen passgenau einzubinden, um deren Nutzung in einem sich selbsterklärenden Curriculum (Arbeitsprozess-Lern- stationen) sicherzustellen, werden durch das Bildungspersonal als motivierend empfunden und sind förderlich für die Akzeptanz. Vermutlich ist es darüber hinaus sinnvoll, feste Transfer-Mechanismen in den Bildungsorganisationen zu entwickeln, damit eine Übertragung auf die Linie selbstverständ- licher und zügiger erfolgt. Das KomZet A&F hat dazu einen Innovationstransfer-Prozess für sich als Bildungsorganisation entwickelt und mit der Umsetzung begonnen. So muss im Bildungsbeirat des 154 Jan Spilski | Mareike Schmidt | Jan-Philipp Exner | Alina Makhkamova | Daniel Rugel | Dirk Werth | Martin Pietschmann KomZet A&F mehr und mehr die Wirkung der veränderten Lernmethoden erklärt werden, damit auch Außenstehende die im internen Nachhaltigkeitsleitbild verankerten Bildungsziele besser ver- stehen und nachvollziehen können. Erfreulicherweise hatte sich die Überbetriebliche Ausbildungsstätte Leonberg (ÜBA Leonberg) bereits in der Konzept-Phase für das Micro-blended-Learning interessiert. Dadurch sind bereits deutlich mehr Erprobungen für D-MasterGuide ermöglicht worden. In den bisherigen Erprobungen mit Auszubildenden zeigten sich deutliche Hinweise darauf, dass eine Übertragung des Micro-blen- ded-Learning auch auf die ÜBA erfolgen kann. Wir gehen daher davon aus, dass der D-MasterGui- de-Ansatz nicht nur im Rahmen der Meistervorbereitung (MrstV) verwendet werden sollte. Neben den überwiegend positiven Erfahrungen zeigten sich jedoch auch verbleibende Herausforde- rungen. Die größten Einschränkungen erlebte das Erprobungsteam durch mangelnde Internet-Ge- schwindigkeit für das Abspielen von Videoinhalten oder die Überlastung des WLAN-Routers bei gleichzeitiger Anmeldung aller Lernenden. Weitere digitale Lernstationen und mehr Anwendungs- möglichkeiten für Lernende und Lehrende sind notwendig, um eine kritische Masse zu erreichen und so die nachhaltige Implementierung des Micro-blended-Learning-Ansatzes noch stärker zu ermög- lichen. Da im weiteren Projektverlauf schrittweise weitere Lernstationen und Funktionen dazu kom- men, technische Infrastruktur-Probleme (WLAN-Router) aktuell am KomZet A&F behoben werden und die Ausbilder*innen und Dozent*innen mehr Möglichkeiten des praktischen Einsatzes haben, gehen wir jedoch davon aus, dass die Akzeptanz, die Selbstkompetenz und die freiwillige Teilnahme auch bei den angehenden Meistern*innen noch gesteigert werden kann. Zukünftig sollten parallel zu Projekten wie D-MasterGuide auch Weiterentwicklungen bei den Bildungsorganisationen angestoßen werden, um Nachhaltigkeit noch stärker zu ermöglichen. Dazu gehört bspw. die Weiterentwicklung von Theorieräumen. Diese sollten eine gruppenzentrierte Sitzanordnung aufweisen, die den angebahnten Dialog und das Feedback auch psychologisch auf selbstverständliche Art und Weise fördern. Bei der Weiterentwicklung sind physische Lernstationen einzubeziehen, die die digitalen Elemente sichtbar machen und das Team-/Gruppen-Lernen erleich- tern. Hilfreich ist dabei ein Blick auf die bereits vorhandenen Kabinen, Stellwände und Modelle, die ebenfalls ein Team-/Gruppen-Lernen ermöglichen. Dadurch entstehen Lerninseln, die als Parcours aufgebaut sind und mit größeren Freiheitsgraden der Lernenden bearbeitet werden können. Dies würde der Entwicklungsstufe 2 in Richtung methodischer Öffnung entsprechen (Schratz/ West- fall-Greiter 2010, 21). Es ist denkbar, dass Lernende sich die notwendige Hardware dafür selbsttätig ausleihen und darüber hinaus auch über ihre Übungszeiten an den Lernstationen selbst entscheiden. Lernende würden so auch die verschiedenen Niveaus bzw. Schwierigkeitsgrade selbst durchlaufen. Feste Rücksprachezeiten in der Bildungsorganisation müssten ermöglicht werden, in denen Lernende direkt mit den Lehrenden kommunizieren und so nochmals von deren Expertise profitieren können. Große Herausforderungen sind mittelfristig in der curricularen Einbettung neuer Lernformate – in D-MasterGuide die Lernstationen – gegeben. Dies stellt einen erheblichen Aufwand dar, der jedoch angesichts bestehender Ist-Stand-Strukturen angegangen werden muss. Die Notwendigkeiten einer teamorientierten Produktionsumgebung für Lerncontent müssen seitens der Bildungsorganisatio- 2 | Digital unterstütztes Lernen im traditionellen Umfeld 155 nen deutlicher in den Blick genommen werden, so wie es Germ und Mandl (2009) bereits postuliert haben. Dies fördert vermutlich die Motivation des Bildungspersonals und die Bereitschaft, neue Dinge vorausschauend mit größerer zeitlicher Perspektive anzugehen. Um sich den Themen fachlich anzunehmen, benötigen auch die verantwortlichen Führungskräfte angemessene Zeitbudgets. Ver- mutlich können sie so die Rolle der Vorreiter glaubwürdiger und aktiver ausfüllen. Es wird insgesamt erkennbar, dass BMBF-Projekte wie D-MasterGuide, neben der Schaffung von konkreten technischen und didaktischen Konzepten auch Veränderungen in den Bildungsorganisationen hervorrufen. Um Nachhaltigkeit zu ermöglichen, muss daher der Blick auch auf die Organisations- und Führungskul- tur gelenkt und Entwicklungen in diesen Bereichen weiter angestoßen werden. Förderung D-MasterGuide ist ein Förderprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Bereich „Digitale Medien in der beruflichen Bildung“. Das Programm Digitale Medien in der berufli- chen Bildung wird aus Mitteln des BMBF und aus dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union (ESF) gefördert. Förderkennzeichen 01PZ16010B. Literatur und Quellen Ahrens, H./ Bastian, K./ Muchowski, L. 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Bern, Zytlogge 160 Jürgen Jarosch | Rolf Kureck | Felix Menke | Alexander Piele ARBEITSPROZESSORIENTIERTES MOBILES LERNEN IM THEMENFELD SMART HOME Konzeption, Realisierung und erste Praxiserfahrungen Jürgen Jarosch | Rolf Kureck | Felix Menke | Alexander Piele Mobiles Lernen wird als eine Möglichkeit angesehen, zeit- und ortsunabhängiges Lernen auch im Arbeitsprozess umzusetzen. Mit einem gezielt für Fach- und Führungskräfte in Elektrohandwerks- und Sanitär-Heizung-Klima-Betrieben, Dienstleistungs- sowie Beratungsunternehmen entwickelten Lernangebot im Themenfeld Smart Home und Energieversorgung der Zukunft, das über mobile Endgeräte genutzt werden kann, soll dieses Potenzial erschlossen werden. Basierend auf einer Erhebung unter Vertretern der Zielgruppe wurden für sieben Themenfelder Lerninhalte identifiziert, für die den Vorgaben des Micro-Learnings folgend kurze, in sich geschlossene mobile Lerneinheiten entwickelt wurden. Als Lernformate werden interaktive Webinare, die auch in aufgezeichneter Form genutzt werden können, mobil aufrufbare WBT, Video Tutorials und Simulationen eingesetzt. Für die Aufzeichnung der interaktiven Webinare kommt Hangouts Meet zum Einsatz, die mobil nutzba- ren Web Based Trainings (WBT) werden mit Adobe Captivate erstellt. Für die Nutzung wurde eigens eine Learning-App programmiert, mit der die mobilen Lerneinheiten bedienerfreundlich aufgerufen werden können und eine Lernstandkontrolle abrufbar ist. Die Erprobung zeigt, dass die mobilen Lerneinheiten mit angemessenem Aufwand erstellt werden können und sich mit den ausgewähl- ten Lernformaten die Vertreter der Zielgruppe erfolgreich ansprechen und für die Nutzung mobiler Lerneinheiten grundsätzlich motivieren lassen. Schlüsselbegriffe › Mobiles Lernen › Situatives Lernen › Interaktive Webinare › Smart Home Einleitung Zeit- und ortsunabhängiges Lernen wird schon seit längerem als einer der Wege angesehen, um den Beschäftigten eine Lösung anzubieten, um der Herausforderung einer verstärkten Arbeitsverdich- tung auf der einen Seite und der zunehmenden Notwendigkeit, sich kontinuierlich weiterzubilden auf der anderen Seite zu begegnen. Unter der Überschrift Arbeiten 4.0 sollte dieser Lösungsweg noch 2 | Arbeitsprozessorientiertes mobiles Lernen im Themenfeld Smart Home 161 stärker in den Fokus rücken, da die Digitalisierung die Arbeitsmittel, mit denen wir arbeiten, grund- legend verändert (Bauer/ Hofmann 2018, 3f.). Zu einer zunehmenden Anforderung an inhaltliche und zeitliche Flexibilität und individualisierten Arbeitsplätzen wegen zunehmender Spezialisierung treten mobiles und vernetztes Arbeiten und die Mobilisierung von Arbeitsgeräten durch den Einsatz mobiler Endgeräte. Diese Mobile Devices dienen nicht nur der Information und Kommunikation, sondern darüber hinaus der Interaktion mit Installations- bzw. Produktionsanlagen über intelligente Software, die „komplexere Prüf- und Sachtätigkeiten bzw. schlussfolgernde oder prozesssteuernde Tätigkeiten“ über sie ermöglicht (ebd.). Durch die verstärkte, annähernd durchgängige Nutzung mobiler Endgeräte im Arbeitsalltag sollten sich auch Potenziale eröffnen, diese Arbeitsmittel für das Aneignen von Kenntnissen bzw. Kompetenzen über unterschiedliche Lernformate zu nutzen. Dem steht jedoch entgegen, dass empirische Erhebun- gen in den Betrieben bis in jüngste Zeit ergeben, dass „klassische, nicht-digitale Medienformate“ bei der Aus- und Weiterbildung unverändert im Vordergrund stehen (Gensicke et al. 2016, 78) und aufgrund von Befragungsergebnissen zunächst keine grundlegende Veränderung zu erwarten ist. Zudem kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich im Zuge des Generationenwechsels eine Änderung quasi von selbst ergibt, da „junge Menschen“ nicht zwangsweise die erforderlichen Kenntnisse mitbrin- gen, „die für den Umgang mit digitalen Geräten und Medien“ erforderlich sind (ebd.). Hieraus lässt sich ableiten, dass mobiles Lernen keineswegs kurzfristig von alleine in die Welt des be- ruflichen Lernens einziehen wird, sozusagen als zwangsläufige Folge der Umstellung der Arbeitswelt. Allerdings könnte sich mittel- bis langfristig auswirken, dass die Trennung von Technik und Handeln aufgehoben wird und „Handeln auch im Alltag immer häufiger auf die Nutzung von Technik gründet“ (Tully 2018, 84f.). Wenn es zutrifft, dass technische Hilfen „uns neue Gestaltungs- und Spielräume“ eröffnen und sie „Wahlmöglichkeiten zur Gestaltung unseres Handelns sind“ (ebd.), sollten mobile Endgeräte mit der Nutzung mobil nutzbarer Lernformate früher oder später eine substanzielle Be- deutung im berufsbezogenen Lernen erhalten. Ausgangslage und Problemstellung Ausgehend vom oben aufgezeigten Potenzial mobilen Lernens wurde in dem vom Bundesminis- terium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „Mobile Learning Backpacks“ das grundle- gende Ziel formuliert, für die im Themenfeld Smart Home und Energieformen der Zukunft tätigen Fach- und Führungskräfte in Handwerk und Industrie, ein an die gegebenen Rahmenbedingungen angepasstes mobiles Lernangebot zu entwickeln und zu erproben. Aufgrund der Erfahrungen aus dem Vorgängerprojekt SMARTMOBILE lag die Erkenntnis vor, dass mobile Lernformate im Rahmen eines vorgegebenen Curriculums genutzt werden, wenn sie zum Erreichen eines formalen Abschlus- ses, in diesem Fall ein Fortbildungsabschluss, benötigt werden und ihre Nutzung von einem*einer Moderator*in angeleitet wird. Für das Vorhaben der sogenannten „Mobile Learning Backpacks“ sollte in einem weiterführenden Schritt ermöglicht werden, mobile Lerneinheiten (MLE), die auch als Lern-Nuggets bezeichnet werden, neben der grundsätzlichen Nutzung im Curriculum eines Kurses vorrangig losgelöst von einem formalen Lernziel situativ zu nutzen. 162 Jürgen Jarosch | Rolf Kureck | Felix Menke | Alexander Piele Aufgrund der Vorerfahrungen nicht nur mit mobilen Lernangeboten, sondern über viele Jahre mit Blended Learning-Angeboten galt es als zentrale Problemstellung, bei den Lernenden eine ausrei- chende Motivation für die Nutzung der mobilen Lerneinheiten zu erreichen. Offensichtlich reicht die als zentrale Antriebsfeder gesehene räumliche und zeitliche Unabhängigkeit nicht als Anreiz für eine Nutzung aus. Und dies ist der Fall, obwohl die Autonomie noch zunimmt, die Lernende bei der Nut- zung mobiler Lerneinheiten erhalten, da sie das Lernangebot nicht nur zu jeder Tages- und Nachtzeit an jedem denkbaren Ort – nur eingeschränkt durch die Netzverfügbarkeit – nutzen können, sondern bei der Auswahl und Reihenfolge der zur Verfügung gestellten Lerneinheiten vollkommen frei sind. Allerdings könnte sich gerade diese Zunahme des Anspruchs an Selbstverantwortung und Selbstor- ganisation als Hemmschuh erweisen, da dies einen ausgeprägten Willen zur Gestaltung erfordert (Seipold 2018, 23). Während vorgegebene Termine und Anlässe kein Ausweichen auf andere Tätigkei- ten zulassen, obliegt dies bei fehlenden Vorgaben der eigenen Entscheidung und Prioritätensetzung. Um den Projektansatz erfolgreich und zielführend zu gestalten, mussten somit Anreize identifiziert werden, die sich zusätzlich zu den gewonnenen Freiheitsgraden motivationsfördernd auswirken. Ob ein Weiterbildungsangebot nachgefragt wird, hängt letztlich vom generierten Nutzen für die Lernenden ab. Demzufolge lag eine zentrale Aufgabenstellung im Projekt darin, den Bedarf der Lernenden zu identifizieren und zu überprüfen, ob durch das mobile Lernangebot der erforderliche Nutzen erreicht wird. Dabei kommt dem Kontext, in dem mobiles Lernen stattfindet, eine besondere Bedeutung zu. An welchen Orten und in welcher Umgebung findet bei der adressierten Zielgruppe mobiles Lernen statt bzw. wann und wo finden sich Lernumgebungen, in denen das mobile Lernen seine Vorteile ausspielen kann? Ziele und Erwartungen Das übergeordnete Ziel des Forschungsvorhabens ist die Entwicklung und Erprobung eines mobilen Lernangebots, das Fach- und Führungskräfte in Handwerksunternehmen dazu befähigen soll, sich die zur Beförderung der Energiewende erforderlichen Kompetenzen für die Beratung, Planung und Installation von intelligent vernetzten Anlagen zur dezentralen Nutzung erneuerbarer Energiequellen für die Wärme- und Energieerzeugung von Gebäuden anzueignen. Das Lernkonzept stützt sich auf mobil nutzbare Lerneinheiten, sogenannte Mobile Learning-Back- packs, die über unterschiedlichste mobile Endgeräte nutzbar sind und damit den Einsatz von Smart- phones und Tablets zu Lernzwecken ermöglichen. Mit dem Einsatz mobiler digitaler Lernsequen- zen soll ein Lernen auch am konkreten Bedarf in der konkreten Situation und damit so orts- und zeitunabhängig wie möglich erreicht werden. Es gilt hierbei das Wissen dort verfügbar zu machen, wo es situativ, also etwa zur Lösung eines spezifischen Problems und zur effizienten Schließung von erkannten individuellen Wissenslücken, benötigt wird. Wie wesentlich gerade das orts- und zeitunabhängige mobile Lernen im Handwerk sein kann, wurde bestärkt durch die Ergebnisse einer quantitativen Online-Erhebung im Jahr 2016, die im Forschungsprojekt zur Ermittlung der Ausgangs- lage für mobiles Lernen in der o. g. Zielgruppe durchgeführt wurde. Diese diente als Wissensbasis über die zu erwartenden Rahmenbedingungen für mobiles Lernen, die Interessen der Lernenden 2 | Arbeitsprozessorientiertes mobiles Lernen im Themenfeld Smart Home 163 und spezifischen Erwartungen der Zielgruppe an das Lernangebot. Eine ausführliche Darstellung der nachfolgenden Befragungsergebnisse und ihrer Interpretationen findet sich im Handbuch Mobile Learning (Jarosch et al. 2018). Wie in Abb. 1 ersichtlich zeigte sich, dass gerade der Einsatz digitaler Lernmedien als Problemlö- sungsmöglichkeit und damit zur Arbeitsunterstützung – sogar vor Ort bei Kund*innen –, auf ein hohes Maß an Aufgeschlossenheit in der Zielgruppe trifft. Zudem sind digitale Medien wie Videos ein beliebtes Mittel, um sich praxisrelevantes Wissen schnell zu erschließen. Neben dem starken Einsatz von Foren nutzten 67 Prozent der Teilnehmenden Videos mit praktischen Beispielen, um auf diese Weise an leicht übertragbares und arbeitsrelevantes Wissen zu gelangen. Ein praxisnahes Lernangebot, welches auf digitale Lernsequenzen aufbaut und die bereits bestehende Affinität zur Nutzung von digitalen Medien zur schnellen Wissenserweiterung aufgreift und umsetzt, lässt an- hand der Befragungsergebnisse eine entsprechende Annahme und Akzeptanz bei den potenziellen Lernenden erwarten. Dass das geplante mobile Lernangebot nicht die alleinige Zielsetzung einer umfassenden Qualifi- zierung im Themenfeld verfolgen sollte, zeigte sich anhand eines weiteren Ergebnisses der Befra- gung (siehe Abb. 2). Hiernach gaben nur 14 Prozent der Teilnehmenden an, dass sie sich Wissen im Themenfeld mit dem Ziel eines umfassenden Abschlusses aneignen würden. Kleinere Qualifi- zierungsnachweise zeigten sich hierbei noch als häufigerer Grund für die Nutzung eines mobilen Lernangebotes im Themenfeld. Höher fiel die Zustimmung für den Einsatz zur Unterstützung bei der Problemlösungssuche aus und besonders interessant erschien nach den Ergebnissen der Befragung der Wissenserwerb zu spezifischen einzelnen Unterthemen. Diese lassen sich entlang einzelner Abschnitte eines möglichen Kundenauftrages aufgliedern (Planung, Beratung, Montage). Dies ist letztlich logische Konsequenz daraus, dass Arbeitsprozesse im Handwerk durch die Bearbeitung von Aufträgen geprägt sind, was sich gerade für Lernansätze gut nutzbar machen lässt (vgl. Hahne 2005). Frage: „Bewerten Sie folgende Aussagen, ob bzw. inwiefern sie für Ihre Arbeit zutreffend sind “ Abb. 1: Umfrage Bewertung (Jarosch et al. 2018, 925) 164 Jürgen Jarosch | Rolf Kureck | Felix Menke | Alexander Piele Frage: „Zu welchem Zweck möchten Sie zu diesen Themen Infos bekommen?“ (Mehrfachauswahl möglich) Abb. 2: Umfrage Informationen zu Themen (Jarosch et al. 2018, 928) Branchen Themen Facility Management Marktübliche Systeme Elektrohandwerk Einsparmaßnahmen SHK-Handwerk Energieop mierung Dienstleistung Gebäudehülle Baugewerbe DIN 15232 Architektur MLE EEWärmeG Beratung Energie EnEV intelligent GEG vernetzen Unternehmer Klimaschützer Manager Vertriebstechniker Architekten Solateure Energieberater Ziel- FachkräŒe gruppen Abb. 4: Zielgruppenbestimmung zu „Energie intelligent Abb. 3: Lernbuffet (© etz Stuttgart) vernetzen“ (© etz Stuttgart) 2 | Arbeitsprozessorientiertes mobiles Lernen im Themenfeld Smart Home 165 Um das Ziel einer hohen Annahmebereitschaft in der Zielgruppe erreichen zu können, wurde auch hier- auf Wert gelegt und eine entsprechende Struktur für die erleichterte Auffindbarkeit von Informationen in Form der mobilen Lerneinheiten geschaffen. Diese können alternativ zur Kurszuordnung auch unter den jeweiligen Teilprozessen eines Kundenauftrages in der App aufgefunden werden (Abb. 3). Es zeigt sich insgesamt, dass die Erwartung an das mobile Lernangebot ein starker Praxisbezug zum jeweiligen individuellen Aufgabenbereich der Lernenden ist. Es geht primär darum, sich innerhalb des bereits bestehenden aktuellen Aufgabenbereichs im Themenfeld weiterzubilden und diesbezüg- lich effizient Wissenslücken zu schließen. Damit steht arbeitsprozessorientiertes Lernen im Fokus. Zudem ist ein arbeitsintegrierter Einsatz zur Problemlösung ein häufig genanntes Ziel. Dies stellt klare Anforderungen an das Lernangebot und seine einzelnen mobilen Lerneinheiten. Als Erwartung an das Lernangebot lässt sich damit formulieren, dass das zielgerichtete Auffinden spezifischen Wis- sens zum jeweiligen Arbeitsbereich in effizienter Form (kleinteilig) erfolgen muss und Wissenslücken damit effizient geschlossen werden können. Zielgruppe Das im Vorhaben entwickelte Schulungsangebot der Mobile Learning-Backpacks für die Energie der Zukunft richtet sich an eine heterogene Zielgruppe aus Unternehmern, Fach- und Führungskräften in Elektrohandwerks- und SHK-Betrieben, Dienstleistungs- sowie Beratungsunternehmen. Damit wird das vollständige Spektrum der in diesen Betrieben Beschäftigten im Rahmen ihrer beruflichen Tätig- keit angesprochen. Entscheidend für die Ansprache ist die bedarfsgerechte Analyse der Zielgruppe für die Nutzung der mobilen Lerneinheiten. Dabei sollen möglichst homogene, also gleiche oder ähnliche Bedürfnisse innerhalb der Zielgruppe betrachtet werden. Abb. 4 zeigt die systematische Erfassung für die Schnittmengen der Lerninhalte bezogen auf die Zielgruppen beispielhaft für das Themengebiet „Energie intelligent vernetzen“. Aufgabe ist es, für diese Zielgruppe mit Lernangeboten Aufmerksamkeit zu schaffen und sie für das mobile Lernen zu gewinnen und zu begeistern. Je konkreter und bedarfsgerechter dazu die Ange- bote bereitgestellt werden, umso mehr profitieren die Lernenden. Nach der Zielgruppenanalyse erfolgte die Kundengewinnung für die Produkteinführung der mobilen Lerneinheiten. Didaktisch-methodischer Ansatz Das methodisch-didaktische Konzept spezifiziert die didaktischen Kernelemente des Lernangebots, gestaltet zentrale Lernszenarien und gibt Vorgaben zur Gestaltung der mobilen Lerneinheiten, Aufga- benstellungen und begleitender Kommunikation. Das vorgesehene Grundkonzept soll den Einsatz mobiler Lerneinheiten sowohl im Rahmen eines vorgegebenen Curriculums als auch im arbeitspro- zessnahen Lernen und im Learning-on-demand ermöglichen. In den Online-Selbstlernphasen einer vorgegebenen Kursstruktur sind sie als integraler Bestandteil eines vordefinierten und begleiteten Lernwegs in diesen eingebettet. Zudem stehen sie in dem als Lernbuffet bezeichneten Medienpool 166 Jürgen Jarosch | Rolf Kureck | Felix Menke | Alexander Piele als autonome Lernressource zur Verfügung und ermöglichen so den Lernenden auch ohne formalen Rahmen den Zugriff auf bestimmte Lerneinheiten. Damit die Lerneinheiten auf mobilen Endgeräten genutzt werden können, werden kurze, in sich abgeschlossene Lernsequenzen konzipiert. Dies geschieht unter anderem in Form von interaktiven Webinaren, Web Based Trainings, Video-Tutorials und Simulationen. In Abb. 5 sind die mobilen Lerneinheiten mit den jeweiligen Zielsetzungen für die Lernenden aufgeführt. Inhaltliche Umsetzung Für die Ausarbeitung der mobilen Lerneinheiten wird ein inhaltliches und ein didaktisches Konzept erstellt, auf dessen Basis die Umsetzung erfolgt. Abb. 6 zeigt die Phasen der Realisierung für ein interaktives Webinar und ein mobil nutzbares Web Based Training. Das interaktive Webinar wird anhand eines Drehbuchs aufgesetzt und mit dem Werkzeug Hangouts Meet live aufgezeichnet, so dass das aufgezeichnete Video als mobile Lerneinheit eingesetzt werden kann. Mit Google Hangouts Meet können Echtzeit-Video-Gespräche über das Internet umgesetzt werden. Zudem bietet dieser Dienst die Möglichkeit, mit den Lernenden Nachrichten während der Videoübertragung über einen Gruppenchat auszutauschen. Verwendet wird dieser Dienst im Lernkontext unter anderem, um den potenziellen Lernenden einen ersten Einblick über das mobile Lernangebot zu einem Themenfeld zu geben. Dabei wird auf die Lerninhalte insgesamt und auf die einzelnen mobilen Lerneinheiten (MLE) eingegangen. Eine MLE stellt Lernmaterialien in unterschiedlichen Formaten zur Verfügung. Das Web Based Training wird mit dem Autoren-Tool Adobe Captivate erstellt, so dass es ebenfalls auf mobilen Endgeräten als nutzbare Lerneinheit zur Verfügung steht. Die Abgrenzung und Zuordnung der Lerninhalte erfolgen schrittweise aus dem übergeordneten Lernthema, das für die Kurse innerhalb des Themenfelds definiert wird. Jeder dieser Kurse wird in Kapitel und Unterkapitel aufgeteilt mit Zuordnung der jeweils geeigneten Methodik, der Art der mo- bilen Lerneinheit und des zeitlichen Bearbeitungsumfangs für die lernende Person. Abb. 7 zeigt den strukturellen Aufbau der Vorgehensweise für die sieben ausgewählten Lernthemen bzw. Kurse. Technische Umsetzung Um den Zugriff auf den Lerncontent von mobilen Endgeräten zu ermöglichen, wurde eine App ent- wickelt, die den Anforderungen einer benutzerfreundlichen Bereitstellung des Inhalts, der leichten Bedienbarkeit und der Abrechnung der Nutzungsgebühren gerecht wird. Die App vereint alle Funk- tionen für die Nutzung der bereitgestellten Lernmedien auf mobilen Endgeräten. Diese sogenannte „etz-Learning-App“ steht im Google Play Store bzw. im Apple App Store zum Download bereit. 2 | Arbeitsprozessorientiertes mobiles Lernen im Themenfeld Smart Home 167 Methodik Umsetzung Zielsetzung Videokonferenz mit Charakter einer Liveshow Vermi‚lung prak scher • Interak on Interak ves Lerninhalte • Direkte Einbeziehung der Teilnehmer in den Lernprozess Webinar Erarbeitung • Teilnahme mit mobilen Endgeräten (Hangout Meet) fachlicher Beiträge • Aufgezeichnete interak ve Webinare als mobile LerneinheitEinbeziehung der Teilnehmer Erstellte responsive • Mobile Lerneinheit (MLE) Lerninhalte als Web • Bearbeitungsdauer max. 5 bis 8 Minuten Web Based Based Training • Bearbeitungsstand im Lernraum mit mobiler Trai ning • Lernzielkontrolle Nutzbarkeit • Forum Ergebnisorien erte • Schri‚weises Erlernen von Programmierung und Anleitung Schri‚ für Schri‚ • Übungen und Wiederholungen sind jederzeit möglich Vide otutor ials Videoanleitung • Schnelle Handhabung für komplexe Zusammenhänge (asynchron) • Zielgerichtete Vermi‚lung von kleinen und speziellen Kommunika on in Inhalten einem virtuellen • Einsatz unterschiedlicher Modera onsmodi Virtuelles Raum von (z.B. Dozentenmodus, Gruppenlernen, Diskussion)räumlich • expositorischer bzw. darbietender Charakter Klassenzimmer getrennt Lernenden • Gemeinsames und gleichzei ges Bearbeiten von Dokumenten • Aufzeichnungsmöglichkeit und Bereitstellung als MLE für die TN Bedienung von So‹ware und ggf. interak ve Übungen durch die • Darstellung und Ermöglichung des handlungsorien erten Lernenden, ohne Zugangs Sim ula o n in einer realen • Analysieren und Testen in unterschiedlichen Anforderungen Arbeitsumgebung • Modifika onen sind einfacher durchführbar Veränderungen vorzunehmen Originalgetreues • Themenzentriert Dokument • Text, Bilder und Grafiken stehen dem Teilnehmer zur PDF unabhängig Verfügung Formate vom jeweiligen • Einheitliches, op sches Erscheinungsbild Anwender • Betrachtung immer in der Form, wie der Ersteller -programm dies vorgibt • Keine Konver erungsprobleme Abb. 5: Mobile Lerneinheiten und ihre Zielsetzungen (© etz Stuttgart) 168 Jürgen Jarosch | Rolf Kureck | Felix Menke | Alexander Piele Abb. 6: Phasen der Konzepterstellung (© etz Stuttgart) 2 | Arbeitsprozessorientiertes mobiles Lernen im Themenfeld Smart Home 169 Abb. 7: Struktur der Ableitung der Mobilen Lerneinheiten (© etz Stuttgart) 170 Jürgen Jarosch | Rolf Kureck | Felix Menke | Alexander Piele Die „etz-Learning-App“ Beim ersten Start der etz-Learning-App wird auf einfache Weise die Handhabung erklärt. Sofern die Lernenden bereits ein Benutzerkonto haben, können sie sich unmittelbar anmelden, andernfalls ist eine Registrierung erforderlich. Bei späteren Anmeldungen oder Nutzung eines anderen mobilen Endgeräts erfolgt im Hintergrund die Synchronisierung des bereits erzielten Lernfortschritts. Nachdem die Lernenden den erstmaligen Start der App und die damit verbundene Einleitung erfolgreich absolviert haben, ist die App nutzbar. Auf der Startseite der App werden Neuigkeiten aufgelistet, wie Ankündigungen zu einem interaktiven Webinar. Außerdem werden in den weite- ren Tabs noch aktuelle RSS-Feeds angezeigt und die aktuellen Beiträge, nach Kategorien sortiert, aufgelistet. Nutzung interaktiver Webinare über Hangouts Meet Lernende, die an einem interaktiven Webinar über ein mobiles Endgerät teilnehmen wollen, tippen lediglich auf den entsprechenden Eintrag in den Ankündigungen. Sofern die Hangouts Meet-App nicht installiert ist und kein Google-Account besteht, muss erstere installiert und letzte- rer eingerichtet werden. Anschließend startet die Hangouts Meet-App und die Lernenden können um Teilnahme am interaktiven Webinar bitten, da die Teilnahme bestätigt werden muss. Erfolgt die Teilnahme an einem interaktiven Webinar über einen PC oder einen Laptop, muss lediglich ein kompatibler Web-Browser (Mozilla Firefox oder Google Chrome) installiert sein. Die Informationen zur Teilnahme am interaktiven Webinar über einen PC oder Laptop werden auf einer Internetseite bereitgestellt. Abb. 8: Technischer Aufbau für interaktives Webinar (© etz Stuttgart) 2 | Arbeitsprozessorientiertes mobiles Lernen im Themenfeld Smart Home 171 Hinweise für erfolgreiche Durchführung eines interaktiven Webinars Um ein qualitativ hochwertiges interaktives Webinar zu ermöglichen, muss außer der Software auch die entsprechende Hardware vorhanden sein. Auf der Lernenden- und Präsentator*innen-Seite ist hierbei zwingend ein guter Internetzugang mit mindestens 3,2 bis 3,4 Mbit/s im Up- und Down- load erforderlich, um die benötigten Übertragungskapazitäten zu ermöglichen (vgl. Google 2019). Nachfolgend ist nun der entsprechende technische Aufbau eines interaktiven Webinars abgebildet (Abb. 8), der sich nach einer schrittweisen Optimierung ergab. Die präsentierende Person steht vor einer grünen Leinwand und stellt, zur Kamera gerichtet, ihr Thema vor. Die grüne Leinwand ist erforderlich, um einen sog. „Greenscreen Effekt“ zu ermögli- chen. Dieser bietet die Möglichkeit, einen beliebigen Hintergrund in der Software festzulegen. Es wurde ein ruhiges Hintergrundbild ausgewählt, über welchem die Präsentations-Folien angezeigt werden können (Abb. 9). Das interaktive Webinar wird mit einem speziellen Streaming-PC und der Software OBS-Studio über die Google Hangouts Meet-Plattform an die Lernenden übertragen. Das OBS-Studio dient in diesem Aufbau zur Zusammenschaltung der einzelnen Bild- und Tonquellen, um ein professionelles interaktives Webinar bieten zu können. So ist es beispielsweise möglich, verschiedene Szenen festzulegen und diese je nach Präsentationsinhalt ein- und auszublenden. Um einen professionellen Szenenwechsel zu ermöglichen, wurde die Soft- und Hardware Elgato-Stream Deck verwendet. Der Szenenwechsel kann so über verschiedene, frei programmierbare Buttons sehr bequem erfolgen. Parallel zum Streaming auf der Google Hangouts Meet-Plattform, wird der Stream auch lokal aufge- zeichnet, um das interaktive Webinar später den Lernenden über die App zur Verfügung zu stellen. Wer das interaktive Webinar versäumt hat, kann sich die Aufzeichnung in der App im entsprechen- den Kurs nachträglich anschauen. Abb. 9: Hangouts Meet Präsentation mit Präsentator und Greenscreen (© etz Stuttgart) 172 Jürgen Jarosch | Rolf Kureck | Felix Menke | Alexander Piele Zugriffsmöglichkeiten auf die MLE Der Zugriff auf die MLE erfolgt entweder über ein freigeschaltetes Lernthema oder über den gezielten Zugriff im Lernbuffet. Die Freischaltung innerhalb eines Lernthemas wird über den Administrator für alle betreffenden MLE vorgenommen. Lernende können stattdessen auch gezielt über den Menü- punkt Lernbuffet (Abb. 10) eine MLE heraussuchen, in den Warenkorb legen (Abb. 11) und über den Zahlungsdienstleister PayPal bezahlen (Abb. 12). PayPal wurde als Zahlungsdienstleister gewählt, da dieser ein einfaches und sicheres Bezahlen in der App ermöglicht. Außerdem können die gekauften MLE nach der erfolgreichen Zahlung sofort freigeschaltet werden. Die MLE sind dabei in verschiedene Kategorien und Unterkategorien eingeteilt, um eine bessere Übersicht zu bieten. Über die integrierte Suchfunktion lassen sie sich sehr leicht auffinden, sobald ein geeignetes Stichwort in das Suchfeld eingegeben wird. Das Stichwort kann ein Teil des Namens der MLE selbst oder einer Beschreibung der MLE sein. Über den Menüpunkt „Mein Lernraum“ stehen die gekauften MLE zur Verfügung. Auch alle individuell freigeschalteten Lernthemen bzw. Kurse befinden sich in diesem Menü, wodurch die lernende Person eine einfache Übersicht über alle für sie verfügbaren MLE und Kurse hat. Eine beispielhafte Auflistung von MLE aus einem Lernthema ist unter den zugeordneten Kapiteln (Abb. 13) in Abb. 14 zu sehen. Dort gibt es außerdem einen Info-Button, welcher durch einen Klick die Beschreibung zu einer MLE anzeigt. Soll eine MLE geöffnet werden, ist lediglich ein Klick darauf erforderlich und der Download beginnt. Einmal heruntergeladen, kann die MLE auch offline geöffnet werden. Dieses Prinzip gilt für alle angebotenen Dateiformate: PDF, WBT, Bilder und Videos. Eine MLE als WBT (Abb. 15) unterscheidet sich von einem Video dadurch, dass am Ende eine Lernzielkontrolle zum Selbsttest mit automatischer Auswertung stattfindet. Lernende, die die Lernzielkontrolle einer MLE nicht bestanden haben, können einen erneuten Versuch durchführen. Ob eine MLE bereits abschließend bearbeitet ist (bei Web Based Training) bzw. bereits betrachtet wurde (bei Video), ist in der App durch einen Haken ersichtlich. Da die MLE in der Gesamtmenge betrachtet relativ viel Speicherplatz auf dem Smartphone in Anspruch nehmen, wurde die Möglichkeit geschaffen, einzelne MLE vorläufig wieder vom Gerät zu entfernen. Der Lernfortschritt bleibt dabei aber gespeichert und sofern die MLE später doch wieder geöffnet werden soll, kann diese erneut heruntergeladen und fortgesetzt werden. Hilfestellungen Sollten die Lernenden Fragen zu einer oder mehreren MLE oder gar zu einem kompletten Lernthe- ma haben, kann das FAQ-Forum helfen. Für jede MLE im Kurs und im Lernbuffet gibt es ein eigenes FAQ-Forum und für jeden Kurs ein separates FAQ-Forum, in dem zentrale Fragen und Antworten zu einer MLE bzw. zu einem Kurs, stehen. Fragen, die bisher noch nie gestellt wurden, können an die für die MLE zuständigen Lernbegleiter*innen gerichtet werden. Diese bekommen die Anfragen per E-Mail mitgeteilt und können sie auch so beantworten. Sie können die gestellten Fragen und die dazu passenden Antworten auch in die App durch das Background-System einpflegen, sodass andere Nutzer*innen der App sie lesen können. Um auch technische Probleme in der App möglichst 2 | Arbeitsprozessorientiertes mobiles Lernen im Themenfeld Smart Home 173 Abb. 10: Menüstruktur App Abb. 11: MLE im Warenkorb Abb. 12: Bezahlvorgang App (© etz Stuttgart) (© etz Stuttgart) (© etz Stuttgart) Abb. 13: Auflistung Kapitel im Kurs Abb. 14: Auflistung MLE im Kurs Abb. 15: MLE als WBT im Kurs (© etz Stuttgart) (© etz Stuttgart) (© etz Stuttgart) 174 Jürgen Jarosch | Rolf Kureck | Felix Menke | Alexander Piele schnell zu beheben, wurde eine Kontaktmöglichkeit, ebenfalls in Form eines FAQ-Forums, geschaf- fen. Fehler, die in der App auftreten, werden mit möglichst ausführlicher Fehlerbeschreibung sofort an die Administratoren der App gesendet, sofern diese Option in den Einstellungen aktiviert ist. Einstellungsmöglichkeiten Zu den weiteren Einstellungsmöglichkeiten gehören z. B. die Speicherung des Benutzernamens und das dazugehörige Kennwort, damit der Anmeldeprozess erleichtert wird. Lernende müssen dann nur noch einen selbst festgelegten PIN-Code eingeben oder, sofern ein Fingerabdruck-Sensor vorhanden ist, sich mit diesem authentifizieren. Einstellungen zum Benutzerkonto können über das Menü „Mein Profil“ (Abb. 10) angepasst werden. Eine Passwort-Vergessen-Funktion wurde ebenfalls implementiert, damit die Lernenden jederzeit ihr Passwort zurücksetzen können. Das Background-System der App Die Infrastruktur des Systems ist in Abb. 16 dargestellt. Die Bereitstellung und Verwaltung der MLE und Kurse geschieht über das Open Source Lernma- nagementsystem (LMS) Moodle. Hier lassen sich auch die Lernbegleiter*innen zu jeder MLE und zu jedem Kurs zuordnen, welche bei einer FAQ-Frage benachrichtigt werden sollen. Um eine MLE aus Moodle so aufrufen zu können, dass der Zugriff über ein Bezahlsystem abgerechnet werden kann, wurde die Open Source Software WordPress verwendet. Damit lassen sich die MLE als Produkte Abb. 16: Technischer Aufbau und Zusammenhang der einzelnen technischen Komponenten (© etz Stuttgart) 2 | Arbeitsprozessorientiertes mobiles Lernen im Themenfeld Smart Home 175 deklarieren und gleichzeitig, sobald ein Kauf getätigt wurde, eine Rechnung generieren, welche per E-Mail versendet werden kann. Des Weiteren stellt WordPress über ein Plug-In alle grundlegenden Verwaltungs-Funktionen für Bestellungen bereit, wie z. B. das Stornieren von Bestellungen oder die Verwaltung der Rechnungs- und Zahlungsinformationen. Die auf der Startseite der App angezeigten Neuigkeiten und RSS-Feeds werden ebenso in WordPress verwaltet. Die App selbst greift nicht direkt auf Moodle oder WordPress zu, sondern stellt alle Anfragen erst an den Background-Server, welcher dann die Anfragen auswertet, verarbeitet und ggf. eine passende Rückmeldung gibt. Dieses Vorgehen soll unter anderem eine lange Kompatibilität zwischen App, Moodle und WordPress gewährleisten, sowie einen Grundschutz vor Hacking-Angriffen bieten. All- gemein hat der Background-Server die Aufgabe, alle ankommenden Anfragen entgegen zu nehmen und diese dann zusammen mit dem Zielsystem zu beantworten. Die Kommunikation findet dabei immer über eine REST-API (Representational State Transfer-Application Programming Interface) statt. Zusätzliche Aufgaben des Background-Servers sind die Bearbeitung von FAQ-Anfragen und die Warenkorb-Verwaltung in der App. Der externe PayPal-Server wird, sobald eine MLE gekauft wird, im System von der App über das PayPal- Plug-In und zugleich vom Background-Server angesprochen, um den Zahlungsstatus zu überprüfen. Um die Verwaltung der angemeldeten Benutzer der App in allen Systemen synchron zu halten, wurde eine separate grafische Web-Oberfläche geschaffen. Mit dieser lassen sich alternativ zur Selbstregistrie- rung neue Benutzer anlegen, bearbeiten oder löschen sowie die MLE freischalten oder sperren. Erprobung und Empfehlungen Web Based Training über Adobe Captivate Im Rahmen der Erprobungen zeigte sich, dass mobil nutzbares Web Based Training über den Einsatz des Autoren-Tools Adobe Captivate effizient realisiert werden kann. Aufgrund der umfangreichen Funktionalitäten der Software empfiehlt sich eine Schulung der Medienersteller*innen vor Beginn der Entwicklungen. Neben der visuellen Darstellung von Abläufen (im Projekt etwa der Zusammen- bau komplexer Schaltungen), der Umsetzung im Responsive Design zur Nutzung auf allen gängigen mobilen Endgeräten und der integrierbaren zusätzlichen sprachlichen Erläuterung, lassen sich direkt Lernaufgaben einbauen und damit eine Selbstlernkontrolle für jede mobile Lerneinheit imple- mentieren. Die Möglichkeit audiovisuelle und interaktive Elemente zu verwenden, erwies sich als sehr vorteilhaft für die Realisierung des Web Based Trainings. Die festgelegte maximale Dauer einer Lerneinheit von acht Minuten ist für die Vermittlung relevanten Wissens in abgeschlossener Form ein realistisches Maß. Die Möglichkeit, die Lerneinheit zu unterbrechen und an der jeweiligen Stelle die Bearbeitung wieder aufzunehmen, wurde von den Lernenden positiv aufgenommen. Insgesamt wurden die Lerneinheiten mit dem Mix aus audiovisuellen und interaktiven Elementen von den Lernenden im Projekt gut angenommen. Um die Anwendung von Responsive Design und damit die Nutzungsmöglichkeit über diverse mobile Endgeräte sicherzustellen, muss die Detail- lierung visueller Darstellungen beschränkt sein. Die Ersteller der Lerneinheiten müssen also zuvor 176 Jürgen Jarosch | Rolf Kureck | Felix Menke | Alexander Piele eine Reduzierung der Komplexität vornehmen und sich auf die notwendigen Details beschränken. Darin und in der Verdichtung auf wenige Minuten liegt eine der Hauptherausforderungen, damit die Lerneinheiten in sich geschlossen bleiben. Interaktive Webinare über Google Hangouts Meet Die Besonderheit der interaktiven Webinare liegt darin, dass Teilnehmende und Lernbegleiter*innen über Audio und Video in direkten Kontakt miteinander treten können. In der regelmäßigen Evaluati- on der einzelnen Hangouts ließ sich bestätigen, dass der direkte Kontakt und die Rückfragemöglich- keit gegenüber reinen Videoaufzeichnungen als klarer Mehrwert von den Teilnehmenden angesehen wird. Wichtig ist die optimale Konfiguration der Hardware gemäß Abb. 8. Seitens der Teilnehmer*in- nen sollte außer einer Kamera und einem Mikrofon (ggf. genügt hierzu auch die bereits im Endgerät integrierte Hardware) eine stabile Internetverbindung mit mindestens 3,2 bis 3,4 Mbit/s nach den Vorgaben von Google im Up-und Download zur Verfügung stehen. Das ist zurzeit noch nicht an jedem Ort möglich, doch der weitere Ausbau der digitalen Infrastruktur sollte künftig diese Hürden beheben und damit die Nutzung solch interaktiver Medien im mobilen Lernen deutlich erleichtern. Hier zeigt sich, wie wichtig dieser Ausbau auch für die Zukunft des mobilen Lernens ist. Gemäß den Erfahrungen im Projekt kann das Format Google Hangouts Meet für die Durchführung interaktiver Webinare grundsätzlich empfohlen werden. Als Gesamtfazit in Bezug auf den Einsatz von Adobe Captivate und Google Hangouts Meet lässt sich festhalten, dass beide Formate zu Beginn einen Aufwand für die Erlangung notwendigen Wissens für den optimalen Einsatz von Software und Hardware hervorrufen. Nach Gewinnung notwendiger Routine und der Konfiguration des optimalen Gesamtaufbaus zeigen beide Formate jedoch deutliche Stärken. Fazit und Ausblick Die gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass es grundsätzlich möglich ist, mit einem angemessenen Aufwand mobile Lerneinheiten für die praxisbezogene Qualifizierung von Fach- und Führungskräften in Elektrohandwerks- und SHK-Betrieben, Dienstleistungs- sowie Beratungsunternehmen in anspruchs- vollen Themenfeldern zu entwickeln. Mit den ausgewählten Lernformaten lassen sich die Zielgruppen ansprechen und für die Nutzung mobiler Lerneinheiten grundsätzlich motivieren. Die technischen Anforderungen der eingesetzten Tools sind von den Autor*innen, im Regelfall in der technischen Weiterbildung eingesetzte Dozent*innen, nach einer Schulung und gewissen Übung problemlos be- herrschbar. Allerdings bleibt insbesondere beim Einsatz interaktiver Formate wie bei der Teilnahme an interaktiven Webinaren über mobile Endgeräte die verfügbare Bandbreite ein limitierender Faktor. Die Nutzung des beim Live-Webinar aufgezeichneten Videos ist zwar eine hilfreiche Alternative, wobei die Echtzeit-Interaktion jedoch nicht mehr zur Verfügung steht. Inwiefern sich das mobile nutzbare Lernangebot dauerhaft etabliert, wird erst die zukünftige Nutzung belastbar zeigen. Während der Erprobung wurde die Freigabe der mobilen Lerneinheiten bekannt gegeben und für jedes Themenfeld mit einem interaktiven Webinar eine Nutzungsphase 2 | Arbeitsprozessorientiertes mobiles Lernen im Themenfeld Smart Home 177 gestartet. Ob der gewünschte Effekt eines Learning-on-Demand erreicht wird, erweist sich erst, wenn es im Kontext des betrieblichen Alltags genutzt wird. Dann wird sich zeigen, ob die Schwellen für die Nutzung tief genug gesetzt sind, ob der Anreiz für mobiles Lernen groß genug ist und ob Störquellen beseitigt oder ausgeblendet werden können. Damit wird auch die Frage beantwortet werden, ob für ein derartiges Angebot bei den Lernenden eine angemessene Zahlungsbereitschaft besteht. Ein Grundstein für ein innovatives, Erfolg versprechendes Lernformat ist gelegt; ob sich mobiles Lernen zu einer gleichwertigen Ergänzung von erprobten und verbreiteten Formaten wie Blended Learning entwickelt, entscheiden die potenziellen Nutzer*innen, indem sie mobile Endgeräte nicht nur vor- rangig zur Kommunikation und Information, sondern auch zum Lernen einsetzen. Literatur und Quellen Bauer, W./ Hofmann, J. (2018): Arbeit, IT und Digitalisierung. In: Hofmann, J. (Hrsg.): Arbeit 4.0 – Digitalisierung, IT und Arbeit. Wiesbaden Gensicke, M./ Bechmann, S./Härtel, M./ Schubert, T./ Garcia-Wülfing, I./ Güntürk-Kuhl, M. (2016): Digitale Medien in Betrieben – heute und morgen. Eine repräsentative Bestandsanalyse. Wissenschaftliche Diskussionspapiere des Bundesinstituts für Berufsbildung. Bonn Google (2019): Systemanforderungen für Meet auf Computern. Online: https://support.google.com/ meet/answer/7317473?hl=de (10.05.2019) Hahne, K. (2005): Lernen am virtuellen Kundenauftrag – ein „Blended Learning-Ansatz“ für Kompetenzzentren. BWP 34 (6), 25–29 Jarosch, J./ Hofmann, J./ Piele, A./ Müller, C. T. (2018): Mobile Learning Backpacks. Lernsystem zur Qualifizierung von Fach- und Führungskräften im Technologiefeld Smart Home. In: de Witt, C./ Gloerfeld, C. (Hrsg.): Handbuch Mobile Learning, Springer VS. Wiesbaden Seipold, J. (2018): Aus der Geschichte des mobilen Lernens. Strömungen, Trends und White Spaces. In: de Witt, C. / Gloerfeld, C. (Hrsg.): Handbuch Mobile Learning, Springer VS. Wiesbaden Tully, C. (2018): Mobile Technik. Umgang und Aneignung anhand von vier Thesen. In: de Witt, C./ Gloerfeld, C. (Hrsg.): Handbuch Mobile Learning, Springer VS. Wiesbaden 178 Cim corum aut fugitat iorporporia sum quo odici vid untur DIGITALE UNTERSTÜTZUNG SEKUNDÄRER PROZESSE DER BERUFSBILDUNG Cim corum aut fugitat iorporporia sum quo odici vid untur 179 Erfassung und Zertifizierung non-formal erworbener Kompetenzen Zeigen, was man kann Frank Schöllkopf | Roland Falk Datenbank digitale Lernmedien Bautechnik Transfer fördern, Zugang erleichtern, Nutzung verbessern Bernd Mahrin Mediales Training von Entscheidungsprozessen Markus Kybart | Christian Ottermann | Axel Lange Medienqualifizierung des Ausbildungspersonals Markus Kybart | Bernd Mahrin d.a.v.i.t. – Der multimediale Zusatz für die Berufsausbildung Michael Trommen | Jan Kutscha 180 Frank Schöllkopf | Roland Falk ERFASSUNG UND ZERTIFIZIERUNG NON- FORMAL ERWORBENER KOMPETENZEN Zeigen, was man kann Frank Schöllkopf | Roland Falk Lernen findet nicht nur in der Schule oder in Lehrwerkstätten statt. Das duale System lebt vor allem von der betrieblichen Qualifizierung direkt am Arbeitsplatz – das ist bei den Stuckateur*innen die Baustelle. Diese Kombination der Lernorte mit dem Schwerpunkt Betrieb hat sich über Jahrzehnte bewährt und zunehmend versuchen auch andere Länder, ähnliche Systeme und Strukturen einzu- führen, sind sie doch auch ein Garant für die geringe Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland. Die formalen Abschlüsse wie Geselle/Gesellin oder Meister*in werden ausschließlich in geregelten Prüfungen abgenommen, in den klassischen schriftlichen Prüfungen, den mündlichen Fachgesprä- chen oder durch die Erstellung von praktischen Werkstücken. Arbeiten die zum Beispiel auf einer Baustelle erbracht werden, werden bisher nicht in eine Bewertung mit einbezogen. Deshalb wurde ein Verfahren entwickelt und erprobt, um mit neuen digitalen Hilfsmitteln – einer mobilen Anwen- dung (App) durch Foto-, Film-, Sprach- und Textdokumentation – eine Bewertung solcher Leistungen zu ermöglichen. Die Teilnehmenden kommen dadurch zu einer realistischen Selbsteinschätzung und künftige Arbeitgeber können sich ein gutes Bild von den Bewerber*innen machen, so dass sie die Person ohne großen Aufwand im Vorfeld der Einstellung schon recht gut einschätzen können. Dieses Ver- fahren soll den persönlichen Kontakt und das Probearbeiten gut vorbereiten, aber nicht ersetzen. Schlüsselbegriffe › Kompetenznachweis › App › Zertifizierung › Kompetenzen › informell › non-formal 3 | Erfassung und Zertifizierung non-formal erworbener Kompetenzen 181 Einleitung Beim betrieblichen Lernen geht es weniger um Faktenwissen, als um handwerkliche Fähigkeiten und Fertigkeiten. Lernen im Betrieb findet überwiegend non-formal oder informell statt. Häufig wird dies auch als Erfahrungslernen bezeichnet. (vgl. Harring/Witte/Burger 2018, 14 ff). Persönliche Kompe- tenzen sind im Betrieb und auf der Baustelle wichtige Merkmale, die nicht nur in der Schule, sondern vor allem in der Praxis erworben werden. Doch eine Bewertung und förmliche Anerkennung der im Betrieb geleisteten Arbeiten finden praktisch nicht statt. Das im Betrieb erworbene Wissen sowie die Fertigkeiten und Kenntnisse werden in formellen schriftlichen und praktischen Prüfungen abgenom- men. Ziel des Teilprojekts Erfassung und Zertifizierung non-formal erworbener Kompetenzen im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Gesamt- projekts Medienunterstütztes Lernen und Innovation in der handwerklichen Arbeit (MELINDA) ist nicht, die schriftliche oder praktische Prüfung zu ersetzen. Es geht vielmehr darum, zu überprüfen, ob und wie praktische Tätigkeiten und Erfahrungen verlässlich bewertet werden können, auch wenn Ausbilder*innen vor Ort im Betrieb die Leistung nicht direkt abnehmen. Viele Arbeitskräfte im Bauhandwerk kommen aus anderen Ländern und verfügen nicht über Nach- weise über ihr handwerkliches Können und Wissen. Meist reichen die Sprachkenntnisse auch nicht für eine aussagekräftige schriftliche Bewerbung aus. Gleichzeitig schreitet die Digitalisierung voran und der Einzug von robusten und mobilen Endgeräten im Baubereich nimmt zu. Fotos oder sogar kurze Filmsequenzen können einfach während der Arbeit aufgenommen und abgespeichert werden. Sie ergeben in der Summe ein leicht erfassbares Kompetenz-Portfolio. Konfuzius sagte bereits über das Lernen: „Was du mir sagst, das vergesse ich, was du mir zeigst, daran erinnere ich mich, was du mich tun lässt, das verstehe ich.“ (vgl. Humboldt-Universität zu Berlin 2003, 53). Diese alte Weisheit wurde auf die Aufgabe angewandt und das Zitat umgekehrt: Nicht durch Sagen oder Beschreiben, sondern vor allem durch das Tun kann festgestellt werden, ob eine Person etwas gelernt und verstanden hat und es auch umsetzen kann oder nicht. Durch mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets lässt sich dieses Tun in der realen Arbeitssituation und nicht nur in einem eingeschränkten Lernumfeld bei einer Prüfung sehr einfach in Form kurzer Filmsequenzen festhalten. Ein großer Vorteil der filmischen Dokumentation ist die personelle Zuordnung der erbachten Leis- tung. Die Identifikation über einen Film ist in der Regel eindeutig und besser als jede Unterschrift auf einer schriftlichen Prüfung. Um erbrachte Leistungen bewerten zu können, müssen klare Vorgaben zu den Kriterien und zur Form und technischen Qualität der Dokumentation als Foto oder als Film gemacht werden. So ist z. B. zur Dokumentation der Ebenheit einer verputzten Wand das richtige Ansetzen eines Richtschei- tes und einer Wasserwaage oder auch der Einsatz von Streiflicht hilfreich, um die Qualität beurteilen zu können. Dies setzt in diesem Nachweisverfahren eine zusätzliche Kompetenz voraus, die ggf. erst noch erworben werden muss. 182 Frank Schöllkopf | Roland Falk Ausgangslage und Problemstellung Der Europäische Rat hat seine Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, ein Anerkennungssystem zu schaf- fen, durch das einzelne Personen ihre informell und non-formal erworbenen Kompetenzen zertifizieren lassen können (vgl. Der Rat der Europäischen Union 2012). Vor dem Hintergrund, dass inzwischen viele Personen nicht mehr in dem Bereich tätig sind, für den sie eine formale Berufsausbildung erworben haben, bekommen derartige Zertifizierungen eine besondere Bedeutung. Menschen entwickeln sich weiter und erlernen neue Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sie sich im Laufe ihrer Arbeit angeeignet haben. Wird der Arbeitgeber gewechselt, gibt es aktuell zwar Arbeitszeugnisse, die aber die neu erwor- benen Kenntnisse und Kompetenzen – wenn überhaupt – meist nur unspezifisch bestätigen. Ziel dieses Projektes war es deshalb, die Möglichkeiten moderner Technologien auszuloten, um Kenntnisse und Fertigkeiten zu erfassen, darzustellen und zu bewerten. Es wurde recht schnell klar, dass die rechtlichen Fragen im Rahmen des Projektes nicht geklärt werden konnten. Vor allem Prü- fungsausschüsse sind auf diese Form der Bewertung bisher nicht vorbereitet. Hier wären ordnungs- politische Regelungen zu ändern, um neue Bewertungsverfahren zuzulassen. Ein zentraler Punkt ist die eindeutige Zuordnung der erbrachten Leistung zu den Personen/Prüflingen. Auch hierfür wurden im Verlauf des Projektes unterschiedliche Möglichkeiten entwickelt und getestet. Der Schwerpunkt wurde auf die richtige Handhabung der neuen digitalen Technologien gelegt, um dadurch eine nachvollziehbare, valide Bewertung durchführen zu können. Dafür sind klare Vorgaben für das Was und Wie des zu erbringenden Nachweises erforderlich. Bei der Diskussion des Ansatzes der Zertifizierung mit unterschiedlichen Zielgruppen wurde von eini- gen die Gefahr gesehen, dass durch die Zertifizierung von Teiltätigkeiten die ganzheitliche, abschluss- orientierte Ausbildung und die Beruflichkeit ausgehöhlt werden könnten. Dieser Fragestellung wurde nicht näher nachgegangen, weil eine solche Entwicklung nicht beabsichtigt ist, sondern vielmehr der Weg zum vollständigen Berufsabschluss mit dem Ansatz unterstützt werden soll. Schließlich ist zu entgegnen, dass auch von unterschiedlichen Weiterbildungsträgern und von Industriefirmen Zertifi- kate für bestimmte Qualifikationen ausgestellt werden, die Bestandteil von Ausbildungsberufen sind. Schaut man sich solche Schulungen genauer an, erfolgt in der Regel bei höherwertigen Qualifizierun- gen ein schriftlicher Abschlusstest, der jedoch die praktischen Fertigkeiten nicht berücksichtigt. Oft wird jedoch nur für die bloße Anwesenheit beim Kurs ein Teilnahmezertifikat ausgestellt. Ziele und Erwartungen Mit digitalen Hilfsmitteln sollte ein Nachweissystem entwickelt werden, um non-formal erworbene Kompetenzen zu zertifizieren. Im Fokus standen praktische Kenntnisse und Fertigkeiten, die im Stuckateurhandwerk auf der Baustelle gefordert sind. Das Kompetenzzentrum Ausbau und Fassade in Rutesheim soll als zertifizierende Stelle für bestimmte Tätigkeiten auftreten können. Das Ziel war, dass die Prüflinge danach ein Zertifikat bekommen, welches sie bei Bewerbungen einsetzen können und das aussagekräftiger ist als ein Arbeitszeugnis. Die Vorgaben der EU Kommission zeigen, dass ein solcher Nachweis notwendig ist, um in Europa Arbeitskräfte und Bedarf besser zusammenzubrin- gen (BIBB 2015, 4 ff.). 3 | Erfassung und Zertifizierung non-formal erworbener Kompetenzen 183 Dies erforderte Aktivitäten in zwei Bereichen. Zunächst war es notwendig, eine innovative Nachweis- technologie zu entwickeln, mit der Teilnehmende/Prüflinge entsprechend geführt werden und klare Anweisungen bekommen. Denn auf der Baustelle ist ja kein*e Ausbilder*in vor Ort, um Instruktionen zu geben. Je nach gewünschter zu zertifizierender Tätigkeit müssen die Prüfungsziele festgelegt werden. Anhand dieser Prüfungsziele können ganz konkrete Aufgaben erarbeitet werden, die den Teilnehmenden über eine App gestellt werden. Die Abarbeitung dieses Prüfungsprozesses wird darin dokumentiert. Somit ist zum einen eine Technologie und zum anderen ein auf die Technologie angepasster Prüfungsverlauf für die jeweilige Tätigkeit zu entwickeln. Hier erfolgte eine Fokussierung auf den Arbeitsprozess Wärmedämmverbundsystem (WDVS) anbringen, der in der Stuckateurbranche eine hohe Relevanz hat. Zielgruppe Das Projekt wendet sich an unterschiedliche Zielgruppen: Zum einen werden Personen angespro- chen, die über eine geregelte Ausbildung und im Betrieb über eine Spezialkompetenz verfügen, die über das normale Berufsbild hinausgeht. Ein Beispiel aus dem Stuckateurhandwerk ist die Installa- tion einer Klimadecke. Dieses Thema wird, wenn überhaupt, in der Regelausbildung nur gestreift. Der*die Mitarbeiter*in hat jedoch im Betrieb gelernt, wie eine solche wassergeführte Heiz- und Kühl- decke zu montieren ist. Mit einem mobilen Nachweissystem könnte er/sie seine/ihre praktischen Kenntnisse über die App dokumentieren, darüber hinaus noch Fachfragen beantworten und damit einen anerkennungsfähigen Nachweis dieser spezifischen fachlichen Kompetenz erbringen. Ein mit der App erstellter Kompetenznachweis könnte sogar gegenüber Kunden als Referenz eingesetzt werden, damit diese die zu erbringende Leistung schon im Vorfeld besser einschätzen können. Eine weitere sehr große Personengruppe stellen angelernte Hilfskräfte dar, die nie eine formale Ausbildung absolviert bzw. abgeschlossen haben. Oft mangelt es auch an den entsprechenden Sprachkenntnissen, um eine Gesellenausbildung zu absolvieren. Bei einem Firmenwechsel bzw. bei Bewerbungen haben diese Personen es sehr schwer, ihre erworbenen Fähigkeiten darzustellen. Oft wird eine Probearbeit vereinbart, welche für beide Seiten mit hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist und deshalb möglichst Erfolg versprechend vorbereitet sein sollte. Eine zusätzliche Zielgruppe, die anfangs noch gar nicht im Blick war, hat im Laufe des Projektes durch die Aktualität deutlich an Bedeutung gewonnen. Es geht um die Kompetenzen und Fertigkei- ten von geflüchteten Menschen aus unterschiedlichen Ländern. So konnten fast alle Teilnehmende eines Flüchtlingsqualifizierungsprojektes an künftige Arbeitgeber vermittelt werden, weil sie mithilfe der entwickelten App ihre bereits erlernten Fähigkeiten und Kompetenzen überzeigend und glaub- haft darstellen konnten und Unternehmen Zugriff auf diese wertvollen Informationen bekamen. Viele der Geflüchteten hätten allein keine gleichermaßen aussagefähige schriftliche Bewerbung abgeben können. In anderen Integrationskursen werden meist im Rahmen des Sprachunterrichtes schriftliche Bewerbungen verfasst. Diese erlauben es dem Betrieb nicht, die Kompetenzen und Fer- 184 Frank Schöllkopf | Roland Falk tigkeiten der Person einzustufen. Der Aufwand für ein persönliches Kennenlernen und Probearbeiten wird dann erst gar nicht betrieben und so werden Chancen für beide Seiten nicht genutzt. Didaktisches und methodisches Konzept Im Baubereich finden Weiterbildungen überwiegend im Theoriebereich oder im Labormaßstab statt. Aus unterschiedlichen Gründen können neue Arbeitsverfahren oder besondere Technik auf einer realen Baustelle kaum systematisch vermittelt werden. Stattdessen werden Kurse bei überbetriebli- chen, herstellerspezifischen oder anderen Berufsbildungsanbietern besucht. Meist bekommen die Teilnehmenden nach einer solchen Schulung ein Zertifikat als Nachweis ausgehändigt – vielleicht sogar nach einer kleinen schriftlichen Prüfung. Ob der*die Mitarbeiter*in das Gelernte auf einer Baustelle selbständig anwenden kann, kann nicht überprüft und somit auch keine Aussage darüber gemacht werden. Ein mobiles Nachweissystem dagegen kann auf realen Baustellen die geleistete Tätigkeit bestätigen und dokumentieren. Notwendige Handgriffe oder schwierige Arbeitsphasen können zum Beispiel über ein kurzes Video oder in Bildern festgehalten werden. Angelehnt an das Konzept eines E-Port- folios zielt das Nachweissystem darauf ab, die Lernenden medial dabei zu unterstützen, ihren Lern- und Arbeitsprozess zu organisieren, zu dokumentieren und dadurch auch zu reflektieren. Festge- halten werden dadurch nicht nur Arbeitsergebnisse, sondern auch die Kompetenzentwicklung und der Prozess dorthin. Die Dokumentation von Lern- und Arbeitsergebnissen kann bewirken, dass beispielsweise Auszubildende ihr eigenes Lernen, aber auch ihre Professionalisierungsaktivitäten bewusster mitgestalten und entwickeln. Den Einzelnen kann das Nachweissystem darüber hinaus dazu dienen, sich selbst über eigene Schwächen und Stärken bewusst zu werden. Ihnen wird mehr Verantwortung für den eigenen Lern- und Arbeitsprozess übertragen. Ein weiteres didaktisches Ziel, das mit dem Nachweissystem verfolgt wird, ist die Kompetenzorien- tierung (vgl. BIBB 2015, 4 ff.). Einerseits können mit der App Kompetenzen dargestellt und dokumen- tiert, andererseits zum Teil aber auch gemessen und beurteilt werden. Die App bietet die Chance, den Fokus auf die Kompetenzentwicklung zu lenken, weil Fähigkeiten, Leistungen, Interessen sowie Begabungen nachvollziehbar dokumentiert und präsentiert werden können. Der eigene Stand, die erreichten (Zwischen-)Ergebnisse und das weitere persönliche Entwicklungspotenzial werden auf diese Weise bewusst gemacht und können sowohl zu weiteren Bemühungen anspornen als auch zum Setzen realistischer individueller Entwicklungsziele anregen. Wichtig bei der Dokumentation ist ein strukturiertes und angeleitetes Vorgehen. Es geht nicht nur da- rum, einzelne Arbeitsschritte, sondern die fachgerechte Arbeitsausführung in der richtigen Reihenfol- ge festzuhalten, um die Qualität der Arbeit zu dokumentieren und die gewählte Herangehensweise zu begründen. Hierfür wurden, bezogen auf die erforderlichen Arbeitsschritte sowie die zu erwer- benden Kompetenzen bestimmte Auswahlkriterien festgelegt sowie eine systematische Auswahl ge- troffen. Der Einsatz des Nachweissystems beispielsweise in der überbetrieblichen Berufsausbildung (ÜBA) muss von den Ausbilder*innen gefördert und letztendlich von den Auszubildenden gewollt 3 | Erfassung und Zertifizierung non-formal erworbener Kompetenzen 185 werden. Um die Arbeit mit der App erfolgreich einzuführen, müssen die Auszubildenden schrittweise mit entsprechender Hilfestellung sowohl an die technischen Funktionen als auch an die inhaltlichen und methodischen Kompetenzen herangeführt werden. Ein interessanter Nebeneffekt ergibt sich, weil alle Prüflinge im Verlauf jeder Prüfung auch lernen und Gelerntes verfestigen. Mit dem Ziel, einen Kompetenznachweis für die zu prüfende Tätigkeit zu erbringen kann das Nachweissystem deshalb sogar einen Beitrag zu einer sinnvollen Weiterent- wicklung der Prüfungskultur in Richtung Kompetenzorientierung leisten. Entsprechende Untersu- chungen würden den Rahmen des hier vorgestellten Projekts sprengen, sollten aber Gegenstand nachfolgender Vorhaben werden. Realisierung Die Prüfung von Kompetenzen erfordert eine zeitliche und räumliche Unabhängigkeit und Flexibili- tät. So können passende Situationen für eine Kompetenzerfassung bzw. einen Kompetenznachweis an unterschiedlichsten Orten und zu beliebigen Zeiten eintreten, sei es auf der Baustelle, in der täglichen Arbeit oder auch im situierten Lernen in der überbetrieblichen Ausbildungsstätte. Aspekte und Konzeption Die zunächst einfache Idee hinter einer Kompetenzfeststellung könnte man in der Ausbildung umschreiben mit der Aufforderung: „Zeig uns doch einfach, was du kannst“. Damit startet allerdings keine freie, von dem*der Teilnehmer*in selbstbestimmte Präsentation seiner*ihrer Kompetenzen. Vielmehr ist der Kompetenznachweis nach dem hier beschriebenen Konzept an eine konkrete, sukzessive Abfrage an einen ausgearbeiteten Handlungsauftrag bzw. an eine konkrete Handlungssi- tuation gebunden. Im Projekt wurden daher zunächst Überlegungen angestellt, wie eine Kompetenz für ein definiertes Themenfeld definiert und nachgewiesen werden kann. Was sollten die Teilnehmenden als Nachweis präsentieren können? Wo und wann kann der Nachweis erbracht werden – in Lernumgebungen, bei der Arbeit, in den Arbeitspausen oder in der Freizeit? Darüber hinaus bestimmten Überlegungen, mit welchen formalen Aufgabenstellungen diese Nachweise plausibel und nachvollziehbar erbracht wer- den können, die Konzeptionsphase. Im Ergebnis wurden folgende Anforderungs-/Darstellungstypen festgelegt: › Beantworte die Frage… › Schreibe ein kurzes Statement… › Nimm eine Sprachnachricht auf… › Erstelle ein Foto… › Drehe einen Film… Unter Verwendung dieser Frage- bzw. Nachweistypen soll es gelingen, einen möglichst authenti- schen und unverfälschten Eindruck von der geleisteten Arbeitsausführung und dem Prozessver- 186 Frank Schöllkopf | Roland Falk ständnis zu bekommen. Speziell die letzten drei genannten Nachweise – Sprache, Foto und Film – erfordern, das haben die ersten Einstätze in der ÜBA gezeigt, exakte Anleitungen. Wird z. B. ein Bild aus der falschen Raumperspektive aufgenommen, lässt sich die Korrektheit der Ausführung nach den Regeln der Technik nicht abschließend beurteilen. Um dies zu vermeiden, muss der Auftrag mit genauen Vorgaben zur Anzahl der Bilder oder Filmsequenzen, zur Perspektive usw. ergänzt werden. Im Arbeitsprozess des Stuckateurhandwerks wird durch schichtweise Bearbei- tung die Ausführung unterer Schichten verdeckt, welche im Nachhinein nicht mehr sichtbar sind. Die Korrektheit der baufachlichen Ausführung eines Fensteranschlusses nach den Richtlinien des Stuckateurhandwerks lässt sich zum Beispiel nach Aufbringung der nachfolgenden Putzschichten nicht mehr zweifelsfrei bewerten. Zwischen den Teilnehmenden und der prüfenden Stelle gibt es einen räumlichen Abstand und zwischen der Dokumentation und der Prüfung der korrekten Ausführung liegt ein zeitlicher Abstand. Denn die Nachweise werden teilnehmerspezifisch asynchron erbracht und können von den Prüfern, nachdem die Daten auf das zentrale Auswertungssystem transferiert wurden, eingesehen und be- wertet werden. Technische Entwicklung – das Nachweissystem Die Möglichkeit, Kompetenzen nachzuweisen, entstehen immer nur temporär in den Kontexten der Arbeit und des Lernens. Ist die Chance da, die eigene Kompetenz an der zugehörigen Stelle im Arbeitsprozess zu dokumentieren, also zum Zeitpunkt eines passenden Bauabschnitts die Kompetenz nachzuweisen, ist der sofortige und mobile Zugriff auf das Nachweissystem nötig. Das Nachweissystem muss immer zur Hand sein, da sich das Zeitfenster für den Nachweis spontan und im Kontext der Ar- beit nicht planbar ergibt. Für diese Anforderungen wurde ein mobiles Nachweissystem konzipiert und programmiert, mit dem die definierten Kompetenzen erfasst und ausgewertet werden können. Damit kann für jeden zu prüfenden Kontext (zertifizierbare Qualifikationen) seitens der zertifizierenden Stelle über eine zentrale, internetbasierte Software (Applikation auf Server) eine Vorlage erstellt werden, die von den Lernenden individuell abzuarbeiten bzw. durch Text-, Bild-, Film- und Spracheingaben auszu- füllen ist. Das Nachweissystem – intern auch Nachweis-App genannt – ist auf mobilen Endgeräten mit den auf dem Markt derzeit am weitesten verbreiteten Betriebssystemen iOS und Android lauffähig. Die Apps können aus den jeweiligen Stores heruntergeladen werden. Für die Teilnehmenden in Bildungs- zentren können sie vorinstalliert auf Tablets zur Verfügung gestellt werden. Die Handhabung der App ist bewusst einfach und intuitiv gehalten. Über eine modern gestaltete Be- nutzeroberfläche lässt sich mit maximal zwei Klicks der jeweilige Nachweis öffnen. Um allen Teilneh- menden den passenden Nachweis bzw. die passenden Nachweise zugänglich zu machen, gibt es ein Zugriffssystem, das über Benutzerrechte und persönliche Logins funktioniert. Jeder kann ausschließ- lich auf die Nachweise zugreifen, die für ihn freigeschaltet wurden. Einen Nachweis kann man sich wie ein digitales Formular vorstellen, das sequenziell ausgefüllt werden muss. Wie werden die Nachweise erzeugt? Zur Erstellung der Nachweise wurde ein Plugin für eine WordPress-Grundinstallation programmiert. Die Zielstellung war: Einfach in der Bedienung, damit auch die Ausbilder*innen selbst in die Lage 3 | Erfassung und Zertifizierung non-formal erworbener Kompetenzen 187 versetzt werden, Nachweise einzurichten. Auch das Konzept der Implementierung der Nachweis- technik in ein OpenSource Content-Management-System (CMS) hatte einen Hintergrund: WordPress ist weit verbreitet und erfährt durch eine weltweite Entwicklergemeinde laufende Weiterentwicklun- gen. Daneben ist mit diesem CMS auch die Bedienbarkeit durch Mitarbeiter*innen des Bildungszent- rums nach kurzer Einweisungszeit sehr gut möglich. Auch finanzielle Überlegungen lagen dieser Ent- scheidung zugrunde. So erzeugen Open-Source-Systeme verhältnismäßig geringe laufende Kosten und vor allem bieten sie eine multiple Nutzbarkeit unterschiedlicher Medientypen in verschiedenen Anwendungsfällen. Entstanden ist ein Plugin, mit dem Nachweise verwaltet und eingerichtet werden können. Abb. 1 zeigt eine Liste der aufgebauten Nachweise mit Informationen zur Erstellung, der Möglichkeit zur Bearbeitung und einem Link zu den Ergebnissen. In der Spalte Rechtegruppen werden alle Gruppen angezeigt, die aktuell Zugriff haben. Die Zugriffsrechte lassen sich an dieser Stelle vergeben und auch wieder entziehen. Für die Erstellung und Pflege der Nachweise wurde ein Generator entwickelt, der nach einem Bau- kastenprinzip den Nachweis über die Verteilung der Inhalte auf einzelne Seiten strukturieren kann. In der App werden diese Seiten als eigene Navigationsbereiche dargestellt. Die Seiten können mit vorgefertigten Inhaltselementen aufgebaut werden. Hier wird unterschieden zwischen Informati- onselementen und Abfrageelementen. Diese Elemente lassen sich in beliebiger Reihenfolge (auch verschiebbar) anordnen und jederzeit ergänzen und bearbeiten. Ein Beispiel zeigt Abb. 2. Die in dem App-Generator aufgebauten Nachweise können nach Freischaltung bzw. Zuordnung der jeweiligen Rechtegruppen direkt über die Apps geöffnet werden. Abb. 3 zeigt einige Beispiele für die Arbeits-Oberflächen auf der Nutzerebene. Abb. 1: Backend CMS System zum Anlegen, Verwalten und Auswerten der Nachweise (Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade) 188 Frank Schöllkopf | Roland Falk Abb. 2: Navigationsbereich des App-Generators mit unterschiedlichen Elementen (Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade) Abb. 3: Arbeitsoberfläche auf der Nutzerebene (Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade) 3 | Erfassung und Zertifizierung non-formal erworbener Kompetenzen 189 Die Eingaben der Nutzer*innen werden über eine bidirektionale Schnittstelle an die zentrale Word- Press-Installation übertragen. Hier können die Prüfer*innen die Eingaben und erstellten Medienda- teien aufrufen und sorgfältig bewerten. Ein Beispiel für Einträge zum Abschnitt Vorbereitende Arbei- ten stellt Abb. 4 dar. In einer kleinen Voransicht werden die Bilder gezeigt, die bei der Abarbeitung der jeweiligen Aufgaben aufgenommen wurden. Die Bilder können bei Bedarf auch in einer größeren Auflösung betrachtet werden. Das Nachweissystem wurde in diesem Projekt exemplarisch im dritten Ausbildungsjahr eingesetzt zum Nachweis persönlicher Kompetenzen bei der Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems (WDVS) (Abb. 5). Daneben kam das Nachweissystem bei einer Qualifizierungsmaßnahme Geflüch- teter zum Einsatz. Als fachlich-inhaltliche Basis für den Nachweis wurde auf die Ergebnisse eines anderen Projekts zurückgegriffen, in der das Tätigkeitsprofil von Bauhelfer*innen/Bauhilfskräften herausgearbeitet wurde. Alle Teilnehmenden wurden mit einem Tablet mit dem vorinstallierten Nachweissystem ausgestattet und konnten unter Anleitung und jeweils gemeinsam mit einem*einer Teampartner*in den umfang- reichen Nachweis bearbeiten. Zum Abschluss wurde für jeden der zwölf Teilnehmenden aus den Bild-, Film- und Sprachdokumen- tationen ein kurzer Film zusammengestellt, der, wenn auch keinen vollständigen, aber zumindest einen kleinen Einblick in die individuell vorhandenen Kompetenzen zeigen konnte (Abb. 7). Ergebnisse und Produkte Im Rahmen des Projektes ist eine mobile Anwendung entstanden, die es ermöglicht, ortsunabhängig nach konkreten Vorgaben Nachweise zu erstellen. Diese App wurde in der ÜBA-Baustellen-Werkstatt, aber auch auf realen Baustellen eingesetzt. Für die Anwender*innen ist die App sehr intuitiv zu bedie- nen. Sie können sequenziell Vorgaben abarbeiten, aber auch einzelne Nachweisbausteine nachholen. Die größere Herausforderung besteht darin, die Vorgaben für die zu prüfende Kompetenz zu erstellen. Das erfordert ein Umdenken der Prüfer, da sie bei der Prüfungsabnahme nicht unmittelbar vor Ort sind. Neben der App wird eine Schnittstelle zum Open Source CMS System benötigt, welches ebenfalls mit einer speziellen Programmierung angepasst wurde. Die Technologie kann von anderen Bil- dungsträgern oder auch interessierten Firmen genutzt werden. Erprobung, Empfehlungen und Transfer Anfangs sollten vor allem mit Bildern und Online-Testverfahren wie Multiple Choice die Prüfungsleistun- gen dokumentiert werden. Nach Hinweisen bei der Erprobung wurde jedoch klar, dass sich bei Bildern nicht zweifelsfrei feststellen lässt, von wem die Leistung erbracht wurde. Deshalb wurde das System ent- sprechend umgestellt und erweitert, so dass der Nachweis hauptsächlich über Filmsequenzen erfolgt. 190 Frank Schöllkopf | Roland Falk Abb. 4: Beispiel für Einträge zum Abschnitt Vorbereitende Arbeiten (Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade) 3 | Erfassung und Zertifizierung non-formal erworbener Kompetenzen 191 Abb. 5: Auszubildende bei der fotografischen Dokumentation ihrer Arbeit zu Nachweiszwecken (Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade) Abb. 6: Eingabe von Basisdaten und Kurzanleitungen im Nachweissystem (Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade) 192 Frank Schöllkopf | Roland Falk Abb. 7: Zusammenfassendes indi- viduelles Nachweis-Video für einen Arbeitsprozess (Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade) Abb. 8: Filmische Dokumentation einer Arbeitsausführung durch einen Kollegen (Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade) Neben kurzen Kompetenzfragen müssen die von Ausbilder*innen und Prüfer*innen als kritisch bewerteten Arbeitsausschnitte filmisch dokumentiert werden. Dies hat neben der individuellen Zuordnungsmöglichkeit den entscheidenden Vorteil, dass neben der Arbeitsqualität bzw. dem Endergebnis auch das handwerkliche Geschick mit beurteilt werden kann. Erfahrene Prüfer haben bestätigt, dass dies auch in eine Prüfungsnote mit einfließt. In der Praxis wird eine zweite Person benötigt, die den Arbeitsschritt, der zu dokumentieren ist, als kurze Filmsequenz aufnimmt (Abb. 8). Nur so kann zweifelsfrei festgehalten werden, von wem und wie die handwerkliche Leistung erbracht wurde. Eine rechtliche Einordnung eines solchen Nachweises war im Rahmen des Projektes nicht möglich. Bei traditionellen Prüfungskommissionen war Skepsis zu spüren, was möglicherweise auf der Be- fürchtung beruht, die Hoheit im Prüfungswesen teilweise zu verlieren. Sehr positive Erfahrungen wurden dagegen mit der Erstellung moderner Zeugnisse gemacht. Im Rahmen einer Flüchtlingsqualifizierung wurde die entwickelte App eingesetzt, um die Kompetenzen 3 | Erfassung und Zertifizierung non-formal erworbener Kompetenzen 193 und Fertigkeiten der Teilnehmenden zu dokumentieren. Diese Darstellung hat zu einer außerordent- lich hohen Vermittlungsquote beigetragen – zum Teil in Ausbildung und zum anderen Teil, vor allem bei älteren Personen, als Hilfskräfte in gewerbliche Tätigkeiten. Fazit und Ausblick Der Nachweis über die Fertigkeiten und Kenntnisse von Teilnehmenden/Prüflingen kann durch ei- nen geführten Nachweis mittels einer mobilen Anwendung erfolgen. Bei klarer Vorgabe, ob ein Foto, die Beantwortung einer Frage oder die filmische Dokumentration gefordert ist, werden aussagekräf- tige, vergleichbare und bewertbare Ergebnisse erreicht. Zusätzlich zur nachzuweisenden Fachkom- petenz ist dafür allerdings auch eine ausreichende Medienkompetenz notwendig. Das System kann als Ergänzung in der Regelausbildung eingesetzt werden, so dass auch die betrieb- liche Leistung mit bewertet wird und nicht nur die Abschlussprüfung. Auch in der Weiterbildung und im Rahmen der Nachqualifizierung kann es entsprechend zum Einsatz kommen. Geplant ist dies bei einer Fortbildung mit dem Titel Meister des Raumklimas. Hier ist ein Raumklimacheck mit Messgeräten zu absolvieren und mit der App zu dokumentieren. In dem Weiterbildungs-Lehrgang lernen die Teilnehmenden die theoretischen Grundlagen und die allge- meine Bedienung. Um jedoch sicher messen zu können, sind Übung und Routine unverzichtbar. Als Voraussetzung zur Vergabe des Zertifikats ist aus diesem Grund geplant, dass jeder Teilnehmende nach absolviertem Kurs drei selbstständig in einer realen Wohnsituation durchgeführte praktische Messungen mit der App dokumentieren muss. Literatur und Quellen Humboldt-Universität zu Berlin (2003). Humboldt Spektrum Bände 10–11, Verlag Humboldt- Universität zu Berlin. BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.) (2016): Anerkennung informellen und non-formalen Lernens in Deutschland. Ergebnisse aus dem BIBB-Expertenmonitor Berufliche Bildung 2015. Bonn. Harring, M.; Witte, M. & Burger, T. (2018): Handbuch informelles Lernen. 2. Aufl., Beltz Juventa Basel Der Rat der Europäischen Union (2012): Empfehlung des Rates zur Validierung nichtformalen und informellen Lernens. Amtsblatt der Europäischen Union C 398/01 vom 22.12.2012. Online: https:// eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2012:398:0001:0005:DE:PDF (09.04.2019) Reglin, T. (2013): Anerkennung und Anrechnung informellen und non-formalen Lernens. Systemfragen und Konsequenzen für die politische Umsetzung. Forschungsinstitut betriebliche Bildung. 194 Bernd Mahrin DATENBANK DIGITALE LERNMEDIEN BAUTECHNIK Transfer fördern, Zugang erleichtern, Nutzung verbessern Bernd Mahrin Im Rahmen des Verbundprojekts MELINDA – Medienunterstütztes Lernen und Innovation in der handwerklichen Arbeit wurde im Fachgebiet Fachdidaktik Bautechnik und Landschaftsgestaltung der Technischen Universität Berlin eine Datenbank mit digitalen Lernmedien für die Bautechnik und angrenzende Fachgebiete wie Gebäudetechnik und Garten- und Landschaftsbau entwickelt. Damit ist das Hauptanliegen verbunden, einen Überblick über das Spektrum medialer Angebote in diesem Bereich herzustellen und dadurch den Zugang für Ausbilder*innen in Betrieben und überbetriebli- chen Berufsbildungsstätten sowie für Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen zu verbessern. Kom- fortable Suchfunktionen, differenzierte Beschreibungen und Kategorisierungen sowie didaktische Hinweise und Screenshots zu den Produkten erleichtern den Lehrenden die Auswahl geeigneter medialer Produkte für ihren Unterricht. Der Beitrag beschreibt die Entwicklung der Datenbank, gibt einen Einblick in Struktur und Inhalt, Hinweise zur Nutzung und geht auf Pflege und Weiterentwick- lung dieses kostenfreien Online-Angebots ein. Schlüsselbegriffe › Datenbank Digitale Lernmedien › Apps › Digitale Werkzeuge › Bautechnik › Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik › Garten- und Landschaftsbau › Elektrotechnik Einleitung Die Recherche nach lernförderlichen Medien für den Baubereich und baunahe Gewerke war zunächst nur als Randaufgabe vorgesehen im MELINDA-Teilprojekt Fachdidaktische Begleitung, Transfer und Evaluation der Technischen Universität Berlin (TU Berlin). Bereits nach kurzer Zeit stellte sich jedoch heraus, dass die Suche nach solchen Produkten sehr erfolgreich sein würde und 3 | Datenbank digitale Lernmedien Bautechnik 195 von Seiten potenzieller Anwender*innen wurde ein großes Interesse signalisiert, zumal die Nutzung digitaler Medien in der beruflichen Bildung nach wie vor hinter den Möglichkeiten zurückbleibt (vgl. Härtel 2019, 14). Zahlreiche Anwendungen und Konzepte sind in Projekten entstanden, die ebenso wie MELINDA im Programm Digitale Medien in der beruflichen Bildung durch das Bundesministeri- um für Bildung und Forschung (BMBF) und den Europäischen Sozialfonds (ESF) oder durch andere Zuwendungsgeber gefördert wurden. Viele Berufsbildungsstätten, Lehrkräfte, kleine und größere Verlage und Agenturen entwickeln gut geeignete digitale Anwendungen, die jedoch nicht immer die Verbreitung finden, die sie verdient hätten. Der Transfer der Ergebnisse und Produkte, die in diesen Vorhaben entstanden sind und weiter entstehen, gestaltet sich oft schwierig und bedarf der Unter- stützung durch übergreifende Informationsquellen. So gewann diese Teilaufgabe zunehmend an Bedeutung, und es wurde klar, dass für eine erfolgreiche und vor allem nachhaltige Ergebnisverbreitung eine Datenbank erforderlich ist. Das zwischenzeit- liche Ergebnis ist unter dem Titel DATENBANK DIGITALE LERNMEDIEN BAUTECHNIK auf der Website des Kompetenznetzwerk Bau und Energie e. V. frei zugänglich (www.komzet-netzwerk-bau.de/digitale- lernmedien-bautechnik/) und wird durch die Projekt- und Netzwerkpartner sukzessive ergänzt. Ausgangslage und Problemstellung Es gibt zahlreiche, fachlich informative Apps sowie Lern- und Arbeitssoftware zu unterschiedlichen bau- und gebäudetechnischen Themenbereichen, welche die Facharbeit und die Aus- und Weiterbil- dung erleichtern und unterstützen können. Das Spektrum nützlicher digitaler Werkzeuge reicht von kleinen Medienbausteinen wie dynamischen Grafiken und Animationen über digitale Fachliteratur/ Fachinformationssystemen bis zu komplexen digitalen Lernsystemen, lernförderlichen Berech- nungs- und Auslegungsprogrammen und Branchensoftware. Viele dieser nützlichen Werkzeuge sind für Lernende, Lehrende und Fachkräfte nicht bekannt und werden deshalb unzureichend eingesetzt. Härtel et al. (2018, 9) zeigen in einer bemerkenswerten Untersuchung zur Medienaneignung und Mediennutzung in der Alltagspraxis von betrieblichem Ausbildungspersonal verschiede Gründe für Nutzungsdefizite auf und geben entsprechende Handlungsempfehlungen (ebd., 62–64). Unter ande- rem schlussfolgern sie schließlich: „Die Entwicklung qualitätsgeprüfter, domänenspezifischer Materialien, Fallbeispiele und berufsspe- zifischer Visualisierungen wird von Ausbilderinnen und Ausbildern als zentrale Erleichterung für den Ausbildungsalltag angesehen. Das Angebot kontinuierlich aktualisierter Informationen aus verläss- licher Quelle, z. B. über die Nutzung von Lern- und Kommunikationsplattformen, die über das Netz zugänglich sind und von einem Anbieter zur Verfügung gestellt werden, der die fachliche Korrektheit der Materialien und Informationen gewährleistet, wäre aus Sicht des Ausbildungspersonals ein großer Gewinn für die Ausbildungspraxis.“ (ebd., 66). Diesem Anspruch, einen verlässlichen, aktuellen und domänenspezifischen Überblick über erprobte digitale Lernhilfen zu geben und so Zugänglichkeit und die Nutzung zu verbessern, will die Daten- bank gerecht werden. Nach umfangreichen Recherchen werden darin Informationen über kosten- 196 Bernd Mahrin freie und kostengünstige, lernförderliche Medien offen auf der Website des Kompetenznetzwerks Bau und Energie e. V. (www.komzet-netzwerk-bau.de) dargestellt. Die institutionellen Mitglieder dieses Netzwerks gehören zu den federführenden überbetrieblichen Berufsbildungszentren in den Bereichen Bau und Versorgungstechnik (vgl. Falk/Mahrin 2016, 190–196), so dass Branchenbezug und Verlässlichkeit der Quelle außer Frage stehen. Ziele, Zielgruppen und Erwartungen Mit dem Betrieb der Datenbank digitale Lernmedien Bautechnik werden verschiedene Ziele und Erwartungen verbunden. Primär geht es natürlich darum, mit einem komfortablen Zugangsmedium Ausbilder*innen, Dozent*innen und Lehrkräften aus dem Baubereich einen Überblick über erprobte digitale Lernmedien zu verschaffen, ihnen den Zugang dazu zu erleichtern und Irrwege zu vermei- den. Auf diese Weise – so die Erwartung – werden auch Anregungen entstehen und der Einsatz lernförderlicher digitaler Materialien in Unterricht und Ausbildung gefördert. Damit die Nutzung möglichst effektiv erfolgen kann, liefern die Suchergebnisse der Datenbank in den Kurzbeschrei- bungen auch didaktische Hinweise. So wird das zweite Ziel, die mediendidaktische Kompetenz des Bildungspersonals (insbesondere die Beurteilungsfähigkeit über die Eignung medialer Angebote für ihre jeweiligen Zwecke) zu fördern, adressiert. Eine weitere Erwartung verbindet sich mit der geplanten nächsten Entwicklungsstufe der Daten- bank, die im Rahmen des ebenfalls BMBF-geförderten Verbundprojekts DigiBAU – Digitales Bau- berufliches Lernen und Arbeiten (siehe dazu Krümmel/Mersch/Ranke in diesem Band) Teil eines umfangreichen virtuellen Schaufensters werden soll. Dort werden nicht nur digitale Lernmedien präsentiert, sondern in den Kontext erprobter Lernszenarien und Konzepte gestellt. Mithilfe der Kontakte zu den Erprobungsverantwortlichen soll – so die Erwartung – ein Austausch zwischen erfahrenen und potenziellen Nutzer*innen in Gang gesetzt werden. Ein solcher Austausch erfolgt bereits innerhalb des Projekts MELINDA und mit den weiteren Partnern Kompetenznetzwerk Bau und Energie e. V. Da die Datenbank öffentlich und frei verfügbar ist, ist auch davon auszugehen, dass über die ange- sprochene Zielgruppe der Berufsbildner*innen hinaus andere Interessierte darauf zugreifen werden, beispielsweise Auszubildende und Weiterbildungsteilnehmer*innen in Eigeninitiative und/oder im Rahmen der Bearbeitung von Lern- und Arbeitsaufgaben. Didaktisches und methodisches Konzept Die Datenbank ist ein Werkzeug zur Informationsbeschaffung und kein eigenes lernförderliches digi- tales Produkt, entsprechend verbindet sich mit ihr nicht unmittelbar ein didaktisches und methodi- sches Konzept. Allerdings beleuchten die Angaben zu den Produkt-Einträgen den empfohlenen Ein- satzkontext und schließen teilweise didaktische Hinweise mit ein. Dadurch wird deutlich gemacht, dass nicht das digitale Medium im Zentrum der Lehrgangs- oder Unterrichtsvorbereitung stehen 3 | Datenbank digitale Lernmedien Bautechnik 197 sollte, sondern der konzeptionelle, didaktische und methodische Rahmen, in dem seine Nutzung vorgesehen ist. Insofern ergibt sich gegenüber den Ergebnissen allgemeiner Online-Suchmaschinen bezüglich der Didaktik und Methodik ein erheblicher Vorteil. Realisierung Ursprünglich war die Recherche nach digitalen Lernmedien zur Bautechnik als eigenes Teilprojekt geplant, das beim Kompetenzzentrum Baumaschinentechnik im Aus- und Fortbildungszentrum Walldorf des Bildungswerks Bau Hessen-Thüringen e. V. angesiedelt sein sollte. Dieses Vorhaben wurde im Verbundvorhaben MELINDA jedoch nicht als eigenständiges Teilprojekt gefördert, sondern in kleinerem Rahmen in das Teilprojekt der Technischen Universität Berlin integriert. So entstand anfänglich die Idee, die Darstellung der Rechercheergebnisse nur in einer einfachen Online-Liste oder einem Wiki abzubilden; diese wurde jedoch rasch verworfen. Diese einfach zu realisierenden Varianten hätten keine komfortable Verarbeitung der umfangreichen Metadaten zu den Produk- ten geboten und auch nicht die gewünschten Funktionen für die Nutzer*innen wie Stichwort- und Volltextsuche, Sortierung der Suchergebnisse, vielfältige Kategorisierungen usw. Damit wäre die angestrebte breite Nutzung nicht zu erreichen gewesen. Eine Online-Datenbank war schließlich das Mittel der Wahl – eine gute Entscheidung mit Blick auf die Nutzung und auf die Pflege der Daten, wie sich inzwischen herausgestellt hat. Da aber die Teilaufgabe zunächst nur ein geringes Gewicht im Rahmen des MELINDA-Teilprojekts der TU Berlin hatte, standen für eine solche Lösung auch keine ausreichenden finanziellen Mittel im Budget zur Verfügung. Drei günstige Umstände ermöglichten dennoch diese Art der Realisierung: Erstens konnten im Rahmen des gesamten Teilprojekt-Budgets an anderer Stelle Einsparungen erfolgen, zweitens stimmten die Fördergeber einem Antrag auf Umwidmung der Mittel problemlos zu und drittens war durch die Integration der Datenbank in die bestehende und in der Community bekannten Website des Kompetenznetzwerks Bau und Energie eine sehr kostengünstige Programmierung durch die Firma FS|Medien in Rutesheim möglich, die auch diese Online-Präsenz technisch betreut. Die Konzeption, Programmierung und anschließende Optimierung der Datenbank erfolgten in der ersten Hälfte der Projektlaufzeit zeitlich parallel zur inhaltlichen Recherche. Zunächst wurde die Art der Darstellung auf der Ebene der Nutzer*innen festgelegt, um die erforderliche Breite und Tiefe der Informationen zu den medialen Produkten zu bestimmen. Die Recherche erfolgte in dieser Phase zweistufig: Zunächst wurde nach interessanten Produkten gesucht und nur Basis-Informationen dazu in einer Tabelle festgehalten. Erst als klar war, welche Produkte in die Datenbank aufgenom- men werden sollten, wurden weitere Informationen ermittelt. Von den etwa 200 gefundenen digita- len Produkten wurden bisher zu etwa 120 die entsprechenden Angaben veröffentlicht. Die Entschei- dung über die Aufnahme in die Datenbank hängt hauptsächlich davon ab, ob eine hohe Relevanz für die Zielgruppe erwartet werden kann und ob die Anbieter bzw. Hersteller der Produkte einer derarti- gen Veröffentlichung zustimmen. Hier wurde die Erlaubnis zur Aufnahme in die Datenbank von den jeweiligen Rechteinhabern einzeln schriftlich eingeholt. An dieser Stelle gilt den entsprechenden Anbieter*innen/Ersteller*innen Dank nicht nur für diese Zustimmung, sondern in zahlreichen Fällen auch für die Unterstützung durch Bereitstellung von Informations- und Bildmaterial. 198 Bernd Mahrin Abb. 1: Beschreibung der Anwen- dung „Luftdichte – Fenstereinbau an einer gedämmten Ziegel-Außen- wand“ (eigene Darstellung nach www.conclip.eu/de) Abb. 2: Metadaten zur Anwendung „Luftdichte – Fenstereinbau an einer gedämmten Ziegel-Außenwand“ (eigene Darstellung nach www.conclip.eu/de) Abb. 3 und 4: Screenshots zur „KlempnerFit Lernapp“ (Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH & Co. KG) 3 | Datenbank digitale Lernmedien Bautechnik 199 Ergebnisse und Produkte Die Datenbank bietet nicht die medialen Produkte selbst an, weder zum kostenfreien Download noch zum Kauf. Die Suchergebnisse beschränken sich auf kurz gefasste, aber aussagekräftige Infor- mationen über die Produkte. Die Bezugsquellen sind jedoch genannt. Auf diese Weise ist sicher- gestellt, dass der Bezug (häufig ein Online-Download) immer von der Originalquelle und damit in der aktuellsten Fassung erfolgt und keine Rechte Dritter verletzt werden. Einige Fundstellen sind ohnehin Online-Plattformen, die gar nicht zum direkten Herunterladen angeboten werden könnten. Andere Produkte wiederum sind für den Bezug über den Handel konfektioniert – beispielsweise auf optischen Datenträgern – und können online nicht aus dem Netz heruntergeladen werden. Gerade für diese Produkte hat die Datenbank einen wichtigen Wert, weil die Beschreibungen helfen, fundier- te Kaufentscheidungen zu treffen. Alle Produktdarstellungen enthalten produkt- und anbieterbezo- gene Informationen, jedoch keine Werbung. Insgesamt ist eine gute Übersicht verfügbarer digitaler Lernmedien zum Baubereich, verknüpft mit komfortablen Suchfunktionen und nützlichen Metadaten entstanden. Alle Produkt-Einträge enthalten Kurzbeschreibungen (Abb. 1 und 2) mit Nutzungshinweisen nach den Kriterien fachliche Richtigkeit, inhaltliche Tiefe und Breite, Trainings- und Übungsfaktor, Zielgruppen, Anschaulichkeit, Handhabbarkeit und weiteren. Screenshots geben einen Eindruck vom Erscheinungsbild der jeweili- gen Anwendung (Abb. 3 und 4). Die Darstellungen im Browser sind responsiv, so dass die Nutzung auch mit kleinen Bildschirmen (Tablets, Smartphones) problemlos erfolgen kann. Die Datenbank bietet eine Stichwort- und Voll- textsuche. Darüber hinaus können in der Detailsuche Einschränkungen vorgenommen werden nach Zielgruppe, Lernort, benötigter Hardware, Betriebssystem, Onlinezugang, Medientypen, Rechte- inhabern und Nutzungsbedingungen. Eine gezielte Suche nach den Themenkategorien Hochbau, Tiefbau, Ausbau, Gebäudetechnik, Garten- und Landschaftsbau und Querschnittsthemen mit mehr als 30 Unterkategorien ist ebenfalls möglich. Erprobung, Empfehlungen und Transfer Das Angebot ist bereits seit einigen Monaten online verfügbar und bei verschiedenen Gelegenhei- ten, unter anderem in einem gut besuchten Workshop auf der Fachtagung eQualification 2018 des BMBF, wurde die Fachöffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht. Im Kompetenznetzwerk Bau und Energie e. V. wurde die Datenbank präsentiert und sie wird in den beteiligten Berufsbildungs- stätten von Ausbilder*innen und Dozent*innen genutzt, die die Information darüber auch weiter nach außen tragen. Die erreichte Akzeptanz der Datenbank ist u. a. daran erkennbar, dass ein Drittel des Datenverkehrs auf der Online-Plattform des Kompetenznetzwerks inzwischen auf die Datenbank und ihre Unterseiten entfällt. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft für Berufsbildung in den Fachrichtungen Bautechnik, Holztechnik sowie Farbtechnik und Raumgestaltung e. V. (BAG Bau Holz Farbe) unterstützt die Verbreitung. Über diesen Weg werden vor allem Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen erreicht. 200 Bernd Mahrin Eine systematische, breit angelegte Erprobung der Medien-Datenbank ist im Rahmen des Projektes MELINDA aus Kapazitätsgründen nicht vorgesehen. Doch die nachgefragten und eingegangenen Rückmeldungen der Pilot-Nutzer*innen zeichnen ein eindeutiges Bild. Sie sind grundsätzlich positiv, aber auch verbunden mit kritisch-konstruktiven Anmerkungen und Verbesserungsvorschlägen. So wurden vor allem die Detaillierungsmöglichkeiten der Suchfunktionen als zu stark differenziert empfunden und eine Erweiterung der Darstellungen durch Skizzierung bewährter Einsatzszenarien vorgeschlagen. Die Nachhaltigkeit des Angebots ist sichergestellt, weil die Kosten für den laufenden Betrieb der Daten- bank nicht aus dem Projektbudget getragen werden müssen, sondern vom Kompetenznetzwerk Bau und Energie e. V. übernommen werden. Erst nach der Vorklärung dieser Frage wurde die eigentliche Arbeit an der Datenbank und deren Inhalten forciert, da die Erfahrung aus anderen Projekten zeigt, dass unabhängig von Qualität und Akzeptanz entwickelter Angebote deren Transfer und Bestand stark gefährdet – wenn nicht unmöglich – sind, sofern dem Projekt nachgelagerte Kosten entstehen, deren Deckung ungewiss ist. Der weitere Transfer wird gefördert über Veröffentlichungen wie die vorliegende, über die Verbreitung von gedruckten (Flyer) und digitalen (Newsletter) Informationsmaterialien sowie über dezentrale Informationsveranstaltungen. Auch bei künftigen Webinaren in anderen Zusammen- hängen soll auf die Datenbank digitale Lernmedien Bautechnik hingewiesen werden. Fazit und Ausblick Medien – auch digitale Medien – sollten die Gestaltungsfreiheit der Lehrenden und die methodi- sche Vielfalt möglichst wenig einschränken, sondern didaktisch-methodische Entscheidungen und Medienwahl sind stets im Zusammenhang zu sehen. Medien sollen ferner die Lernprozesse nicht dominieren, sondern bereichern, indem sie neue und vielfältigere Zugänge zu Inhalten schaffen. Insofern stellt die entstandene domänenspezifische Sammlung medialer Lernhilfen für den Baube- reich nur einen kleinen, aber nicht unbedeutenden Teilschritt auf dem Weg zur breiten Nutzung der digitalen Möglichkeiten dar. Die Befähigung des Bildungspersonals zur angemessenen Auswahl der digitalen Medien und Instrumente und ihren zweckgerechten Einsatz zu verbessern (vgl. Dietrich 2018 und Kybart/Mahrin in diesem Band) und erfolgreiche Ansätze durch Workshops, Fachtagungen, Veröffentlichungen usw. in die Breite zu tragen erfordert weitere Anstrengungen. Das Fachgebiet Fachdidaktik Bautechnik und Landschaftsgestaltung der TU Berlin wirkt im Rahmen der fachdidakti- schen Begleitung des Projekts MELINDA deshalb durch entsprechende Informationsangebote darauf hin, dass digitale Lernmedien gezielt vor allem dort eingesetzt werden, wo sie ihre größte Wirkung entfalten können, zum Beispiel wenn Sachverhalte mit anderen Mitteln nicht dargestellt werden können oder die Medien helfen, die Lernenden zu aktivieren. Die Inhalte der Datenbank sollen weiterhin ergänzt und aktualisiert werden. Da mit den Recherchen nach weiteren und neuen Produkten ein hoher Aufwand verbunden ist, kann das nur in Zusammen- arbeit mit Nutzer*innen geschehen. Dazu wird in der nächsten Version eine Aufforderung auf der Startseite platziert mit der Bitte, Informationen zu relevanten Medien an die Redaktion in der TU Berlin und/oder im Kompetenznetzwerk zu leiten. 3 | Datenbank digitale Lernmedien Bautechnik 201 Die Anregungen der ersten Nutzer*innen werden aufgegriffen und bei der weiteren Entwicklung und der Integration der Datenbank in ein umfassenderes digitales Schaufenster im Projekt DigiBAU umgesetzt, wie im Abschnitt Ziele, Zielgruppen und Erwartungen bereits angedeutet (vgl. dazu auch Krümmel/Mersch/Ranke in diesem Band). Dieses digitale Schaufenster befindet sich zurzeit in Vorbereitung und soll im vierten Quartal 2019 in einer ersten Version eröffnet werden. Außer der Produkt-Datenbank mit einer optimierten Benutzer*innen-Oberfläche werden dort drei weitere An- gebote integriert: Die Darstellung von erprobten und bewährten Konzepten und Lernszenarien mit digitaler Unterstützung als Beispiele guter Praxis, aktuelle Lehrgangs-/Seminarangebote im Bausek- tor mit digitaler Unterstützung (zum Beispiel Blended-Learning-Angebote, Webinare, Lehrgänge zu digitaler Technik und zu digitalisierten Arbeitsprozessen u. ä.) sowie Qualifizierungs-, Beratungs- und Informationsangebote rund um den Einsatz digitaler Materialien und Anwendungen zum beruflichen Lernen. Von diesem umfassenden Angebot sollen wichtige Impulse für einen vermehrten, effektiven, didaktisch begründeten und methodisch optimierten Einsatz moderner digitaler Lernmedien und Lernwerkzeuge in der Aus- und Weiterbildung im Bausektor ausgehen. Literatur und Quellen Dietrich, S. (2018): Digitaler Wandel und Unterstützungsbedarf aus Sicht des betrieblichen Ausbildungspersonals. In: BWP 47(2018)3, 29–31 Falk, R./ Mahrin, B. (2016): Das Kompetenznetzwerk Bau und Energie. In: Mahrin, B. (Hrsg.): Wertschätzung – Kommunikation – Kooperation. Perspektiven von Professionalität in Lehrkräftebildung, Berufsbildung und Erwerbsarbeit. Universitätsverlag der TU Berlin 2016. Online: http://dx.doi.org/10.14279/depositonce-5671 (02.08.2019) Härtel, M./ Brüggemann, M./ Sander, M./Breiter, A./ Howe, F./ Kupfer., F. (2018): Digitale Medien in der betrieblichen Berufsbildung. Medienaneignung und Mediennutzung in der Alltagspraxis von betrieblichem Ausbildungspersonal. Wissenschaftliche Diskussionspapiere, H. 196. Bonn, BIBB (Hrsg.). Online: https://www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/publication/download/9412 (02.08.2019) Härtel, M. (2019). Drei Fragen an … – Interview. In: Technische Universität Hamburg, Institut für Angewandte Bautechnik (Hrsg.). DigiBAU Projektbrief 2019, 14–17. Online: https://www.komzet- netzwerk-bau.de/wp-content/uploads/2019/02/190208_dib_projektbrief_digital.pdf (02.08.2019) 202 Markus Kybart | Christian Ottermann | Axel Lange MEDIALES TRAINING VON ENTSCHEIDUNGSPROZESSEN Markus Kybart | Christian Ottermann | Axel Lange Das Berufsbildungs- und TechnologieZentrum (BTZ) der Handwerkskammer Osnabrück-E msland- Grafschaft Bentheim ist ein regionaler und mit dem Kompetenzzentrum Versorgungstechnik auch überregionaler Anbieter von Aus- und Weiterbildung mit hohem fachtheoretischem und fachprakti- schem Anspruch. Das Bildungszentrum bietet in seinem Lehrgangsportfolio unter anderem Meister- vorbereitungslehrgänge im Installateur- und Heizungsbauer- und im Elektrotechnikerhandwerk an. Für diese beiden Meistervorbereitungslehrgänge entwickelte das BTZ multimediale Lernbausteine zum Training von Entscheidungsprozessen. Die erstellten Bausteine sollen die Lehrgangsteilnehmenden bei der Bearbeitung der fachlichen Projektierungsmodule der Vorbereitungslehrgänge unterstützen. Schlüsselbegriffe › Vorbereitungslehrgänge für Meister*innen › Projektierungs- und Planungsmodule › Eigenständige Planungen und Projektierungsprozesse in den Gewerken Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Elektrotechnik › Stärkung des Systemverständnisses › Digitaler Leitfaden für die schrittweise Lösung von Aufgabenstellungen Einleitung Das Berufsbildungs- und TechnologieZentrum (BTZ) Osnabrück entwickelte im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Europäischen Sozialfonds ge- förderten Projekts Medienunterstütztes Lernen und Innovation in der handwerklichen Arbeit (MELINDA) multimediale Lernbausteine zum Training von Entscheidungsprozessen. Diese Bausteine sollen im Blended-Learning-Prinzip in den Vorbereitungslehrgängen für Meister*innen im Bereich der Versor- gungstechnik eingesetzt werden und die fachlichen Projektierungsmodule unterstützen. Komplexe, anhand eines realistischen Kundenauftrags definierte Projektierungsaufgaben konfrontieren die Lernenden immer wieder mit notwendigen Entscheidungen, ohne die ein strukturiertes Projektieren nicht möglich wäre. Genau dort setzen die Lernbausteine an. Mit ihnen werden komplexe Entschei- dungsprozesse trainiert, Kenntnisse und Fertigkeiten maßgeblich gefördert und die vorhandenen Schnittmengen und gegenseitigen Abhängigkeiten bzw. Einflüsse von einzelnen Projektierungsseg- menten veranschaulicht. 3 | Mediales Training von Entscheidungsprozessen 203 Im Projekt wurde ein digitaler Leitfaden entwickelt, der die Lernenden Schritt für Schritt durch die Projektierung begleitet. Der Leitfaden besteht aus einzelnen Segmenten, die als Lernbausteine um- gesetzt wurden. Der Kerngedanke des Konzeptes ist, dass den Lernenden die Entscheidungen nicht abgenommen werden oder ihnen ein bestimmtes Ergebnis vorgegeben wird, sondern dass mit Hilfe des digitalen Leitfadens die eigenen Entscheidungen unterstützt und bewertet werden können. Grundlage für den gesamten Leitfaden ist ein an einem Mustergebäude angelehnter Kundenauf- trag. Jede Phase des Auftrags beinhaltet eine individuelle Teilaufgabenstellung, Informationen, die zur Lösung des Segments notwendig sind und interaktive Fragestellungen, die den Lernerfolg sicherstellen sollen. Das Mustergebäude basiert auf einem im Projekt DaviD – Das virtuelle Digitalgebäude entwickel- ten Gebäudeentwurf (vgl. Mahrin 2017, 45–80). Das 3D-Gebäudemodell kann mit den enthaltenen Fachinformationen zusätzlich als Hilfestellung bei den Projektierungsaufgaben verwendet und als Referenzlösung angesehen werden. Ausgangslage und Problemstellung Eine Projektierungsaufgabe beinhaltet in den Meistervorbereitungslehrgängen im Installateur- und Heizungsbauer- sowie im Elektrotechnikerhandwerk des BTZ Osnabrück die Planung und Auslegung der gebäudetechnischen Ausstattung eines definierten Bauwerks. Neben dem Bauwerk sind weitere Einflussgrößen beschrieben, die einen direkten oder indirekten Einfluss auf den Planungsprozess und auf die spätere Lösung haben. Dies stellt für die Lehrgangsteilnehmenden eine komplexe und umfassende Aufgabe dar, da eine fachgerechte Ausführung voraussetzt, dass die Planenden über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen. Die Gesamtplanung der versorgungstechnischen Einrichtungen in einem Gebäude beinhaltet eine Vielzahl einzelner Projektierungsaufgaben. Im Installateur- und Heizungsbauerhandwerk gehören dazu unter anderem die Berechnung der Heizlast, die Auslegung der Heizflächen, die Berechnung des Heizungsrohrnetzes, die Berechnung des Trinkwassernetzes bis hin zur Auslegung des Wärmeer- zeugers und der Anlagenhydraulik. Maßgeblich ist, dass diese einzelnen Teilaspekte der Projektierung keinesfalls als freistehend und los- gelöst voneinander betrachtet werden dürfen. Daher hat die Berechnung des Trinkwassernetzes und des Heizungsrohrnetzes eine direkte Einwirkung auf die Auslegung des Wärmeerzeugers und damit auch auf die Anlagenhydraulik. Die gleichen Ausgangsvoraussetzungen gelten für das Elektrohand- werk. Ein modernes Gebäude ist ein geschlossenes System, dessen Komponenten vernetzt sind und abgestimmt zusammenarbeiten. Dies betrifft auch die Baukonstruktion und die Gebäudehülle, deren Aufbauten und Eigenschaften wesentliche Einflussgrößen für das System Gebäude darstellen. Diese Abhängigkeiten müssen von den Lehrgangsteilnehmenden, also von den zukünftigen Planen- den, erkannt und verstanden werden. Ein Ziel der Projektierungsmodule besteht daher darin, den 204 Markus Kybart | Christian Ottermann | Axel Lange Lernenden dieses Zusammenwirken zugänglich und verständlich zu machen und das Systemver- ständnis und die Problemlösekompetenz zu stärken. Im Projekt MELINDA wurde ein Fokus auf die Schnittstellen zwischen dem Elektrotechniker- und dem SHK-Handwerk gelegt. Ziele und Erwartungen Der vom BTZ Osnabrück entwickelte digitale Leitfaden soll komplexe Entscheidungsprozesse trai- nieren, fachspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten maßgeblich fördern, die vorhandenen Schnitt- stellen und gegenseitige Abhängigkeiten bzw. Einflüsse von einzelnen Projektierungssegmenten und -strängen veranschaulichen. Im Laufe eines Planungsprozesses werden die Planenden immer wieder mit notwendigen Entschei- dungen konfrontiert. Eine weitere notwendige Fähigkeit liegt daher darin, sachgemäße, fachlich fundierte Entscheiden zu treffen und sinnvolle Annahmen zu entwickeln. Diese können rein fachlich und objektbezogen sein, wie zum Beispiel die Frage nach der Notwendigkeit einer Lüftungsanla- ge oder die Auswahl des geeigneten Rohrsystems. Aber auch Entscheidungen, die im Falle eines Kundenauftrags vom jeweiligen Kundentyp abhängig sind, müssen getroffen werden. Hier sei als Beispiel die Auswahl des Wärmeerzeugers in Hinblick auf die Investitionsbereitschaft des Kunden genannt. Selbst wenn Informationen zum Gebäude fehlen, müssen die Planenden fähig sein, die Projektierung unter sinnvollen, begründbaren und nachvollziehbaren Annahmen fortzusetzen. Das Verständnis dafür, dass es sich bei der Planung von versorgungstechnischen Einrichtungen nicht um eine stringente Abfolge von einzelnen Schritten sondern um ein in einander greifendes Gesamt- konstrukt handelt, stellt für die Teilnehmenden im Meistervorbereitungslehrgang erfahrungsgemäß ebenso eine große Herausforderung dar, wie diese Fähigkeit. Der digitale Leitfaden soll deshalb die Anwender*innen Schritt für Schritt durch die Projektierung begleiten, ihnen die ineinandergreifenden Verknüpfungen und Abhängigkeiten der einzelnen Pro- jektierungssegmente darstellen und schließlich verständlich machen. Durch die Auffächerung und Darstellung der Projektierung – in einzelne Segmente – das Offenlegen und Visualisieren der Ver- knüpfungen und die sich daraus ergebende Struktur werden die Zusammenhänge zwischen den ein- zelnen Segmenten ersichtlich. Des Weiteren dienen der digitale Leitfaden und die darin enthaltene Darstellung der Gesamtprojektierung als einzelne Segmente dem Zweck, den Teilnehmenden einen strukturierten Überblick über den Gesamtablauf einer Projektierung zu gewähren. Gerade zu Beginn des Projektierungsmoduls bietet dies den Vorteil, dass keine Meilensteine bzw. einzelne Projektie- rungssegmente vergessen werden und die Teilnehmenden sich eine systematische Vorgehensweise bei der Bearbeitung von umfangreichen Projektierungen aneignen können. Die digitale Abb. der Segmente erfolgt in jeweils eigenständigen Lernbausteinen, die den Lernenden die Entscheidungen nicht abnehmen oder ihnen ein bestimmte Ergebnisse vorgegeben, sondern die eigene Entschei- dungsfindung unterstützen und im Anschluss helfen, die getroffenen Entscheidungen selbstständig zu bewerten. 3 | Mediales Training von Entscheidungsprozessen 205 Zielgruppe Die im Projekt entwickelten Materialien sollen in den Meistervorbereitungslehrgängen der versor- gungstechnischen Handwerksberufe eingesetzt werden. Zu den versorgungstechnischen Berufen zählen in diesem Fall Elektroniker*innen, Installateur*innen sowie Heizungsbauer*innen. Die Materi- alien sollen die fachlichen Projektierungsmodule in den Lehrgängen unterstützen. Zugangsvoraussetzung für eine spätere Meisterprüfung sind eine Gesellenprüfung oder eine entspre- chende Abschlussprüfung in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Der Nachweis einer mehrjähri- gen praktischen Tätigkeit (bis zu zwei Jahren) ist bei zulassungspflichtigen Handwerken nur dann noch erforderlich, wenn das Handwerk der Meisterprüfung nicht mit dem erlernten Handwerk über- einstimmt. Anwender*innen verfügen daher in der Regel mindestens über das Qualifikationsniveau 4 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) (vgl. BMBF 2014). Didaktisches und methodisches Konzept Lehrgangsteilnehmende erlernen innerhalb der Vorbereitungslehrgänge die Planung und Dimensio- nierung von versorgungstechnischen Anlagen. Im Rahmen des Projekts MELINDA wurden dafür Me- dien und Medienbausteine entwickelt, die im Blended-Learning-Format in die Lehrgänge integriert werden und den Lernprozess unterstützen. So entstand so ein digitaler Leitfaden, der die Lernenden Schritt für Schritt durch die Projektierung begleitet. Die Aufgabenstellung erfolgt anhand eines Kun- denauftrags. Im Kundenauftrag werden den Lernenden verschiedene Einflussgrößen vorgegeben, die sie bei der Projektierung berücksichtigt werden müssen. Durch den jeweils spezifischen Kunden- auftrag wird die Aufgabenstellung der Projektierungsaufgabe beeinflusst. Das Projektierungsergeb- nis kann daher dem Kundenauftrag gemäß variieren. Durch den modularen Aufbau als Planungssegmente kann der Projektierungsprozess auch in einer Netzstruktur dargestellt werden. Gemäß der aus dem Projektmanagement bekannten Methode der Netzplantechnik kann jedes Segment auch als Knoten innerhalb einer grafischen Netzstruktur betrach- tetet werden. Durch die im Planungsprozess bekannt gewordenen Abhängigkeiten, können die Anwen- denden den kritischen Pfad Ihrer späteren, individuellen Umsetzung bestimmen. Ebenfalls können die Anwenderinnen und Anwender erkennen, welche Umsetzungsschritte theoretisch parallel, vor- oder nachgelagert bearbeitet und welche in der Bearbeitungsreihenfolge verschoben werden können. Realisierung Ursprünglich waren drei interaktive, multimediale Lernprogramme (Lernbausteine) zum medialen Training von Entscheidungsprozessen vorgesehen. Die Lernbausteine sollten in Meistervorberei- tungslehrgängen im Bereich der Versorgungstechnik eingesetzt werden und die fachlichen Projek- tierungsmodule unterstützen. Die innerhalb der Aufgabenbearbeitung anfallenden Entscheidungen müssen in dem Zusammenhang eigenständig durch die Teilnehmenden gelöst werden. Dabei kön- nen sie sich auf die neu entwickelten digitalen Medien stützen, die auch vorhandene Schnittmengen 206 Markus Kybart | Christian Ottermann | Axel Lange und gegenseitige Abhängigkeiten beziehungsweise Einflüsse der Einzelgewerke veranschaulichen. Das Lernmedium ist stufenweise zu bearbeiten, und auf jeder Stufe sind lösungsrelevante Entschei- dungen zu treffen und zu begründen. Dieses ursprüngliche Konzept wurde während der Entwicklung wie folgt abgeändert: Anstatt drei umfassender Lernprogramme wurden 27 Medienbausteine entwickelt, die einzeln aufgerufen werden können. Grundlage für diese Entscheidung war die Feststellung, dass auch eine Projektie- rung aus einer Vielzahl kleinteiliger Gesamtschritten besteht. Die einzelnen Schritte müssen in einer bestimmten Reihenfolge abgearbeitet werden. Die Projektmitarbeiter*innen haben die in einer Projektierung wiederkehrenden Schritte ihres Gewerks ermittelt und eine Bearbeitungsreihenfolge definiert. Das Ergebnis ist ein digitaler Leitfaden, der für die Anwendenden eine Orientierungshilfe darstellt. Jedem Schritt wurden die zur Bearbeitung notwendigen Informationen und eine Referenz- lösung beigefügt und in einem Glossar sind zusätzliche Informationen hinterlegt. Zur Selbstevaluati- on wurde zu jedem Medienbaustein ein Abschlusstest erstellt. Ergebnisse und Produkte Die entwickelten 27 Medienbausteine für die Gewerke Elektrotechnik und Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik können in beliebige Lernmanagementsysteme über existierende Schnittstellen einge- bunden werden. Die Bausteine stehen innerhalb einer Netzstruktur mit unterschiedlichen Abhän- gigkeiten voneinander und Querbezügen zueinander. Der erste Zugang erfolgt über ein allgemeines Modul, welches das Mustergebäude vorstellt und notwendige Materialien, wie beispielsweise Gebäu- depläne, für die Projektierung zur Verfügung stellt. Die Nachfolgemodule für die Elektrotechnik (1.1 bis 1.10) und für die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (2.1 bis 2.17) werden nachfolgend skizziert. Um die didaktische Qualität der Medienbausteine sicherzustellen erfolgte die Konzeption gemein- sam mit der Medienagentur ModernLearning (www.modernlearning.de), die über umfassende Erfahrung in der Produktion digitaler Lernmedien für die berufliche Bildung verfügt. ModernLearning hat auch die technische Umsetzung übernommen. Aufbau eines Lernmoduls Der Aufbau der Lernmodule entspricht einem einheitlichen Muster. Das Kachelmenü enthält stan- dardmäßig die folgenden Elemente (Abb. 1): › Lernaufgabe In diesem Bereich ist die Aufgabenstellung für den jeweiligen Medienbaustein hinterlegt. Zusätz- lich werden die benötigten Materialien und Hinweise zur Lösung benannt. › Material In diesem Bereich sind alle Informationen enthalten, die Fachhandwerker*innen zur Lösung der Projektierungsaufgabe benötigen. Hierzu zählen beispielsweise Grundrisspläne und notwendige Norm- oder Mengenauszüge. Ebenfalls sind die Referenzlösungen in diesem Bereich hinterlegt. 3 | Mediales Training von Entscheidungsprozessen 207 › Glossar Das Glossar beinhaltet Fachbegriffe mit Erläuterungen. Begriffe des Kenntnisteils sind per Hyper- link mit dem Glossar verknüpft. › Test Der Test bildet den Abschluss des Lernmoduls. Anhand unterschiedlicher Fragestellungen wird geprüft, ob die Lernenden den Inhalt des Lernmoduls verinnerlicht haben. Die Fragestellungen werden als Single- oder Multiple-Choice-Aufgabenstellung abgebildet. Auf der Startseite jedes Moduls ist eine audiovisuelle Animation eingebunden, die den Lernenden er- läutert, an welcher Stelle des Projektierungsprozesses sie sich gerade befinden. Die weiteren (Fach-) Abb. 1: Startseite eines Lernmoduls (Screenshot: ModernLearning GmbH) Abb. 2: Systema- tische Darstellung der Segmente im Bereich Elektro technik (Grafik: ModernLearning GmbH) 208 Markus Kybart | Christian Ottermann | Axel Lange Informationen der Lernmodule werden den Lernenden über Textseiten und Abb.en innerhalb der Lernmodule zur Verfügung gestellt. Elektrotechnik Im Einzelnen wurden im Gewerk der Elektrotechnik zehn Projektierungsmodule gemäß Tabelle 1 implementiert. Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Im Einzelnen wurden im Bereich Sanitär-. Heizungs-, und Klimatechnik 16 Module gemäß Tabelle 2 erstellt und in die Lehrgänge implementiert. Abb. 3: Systematische Darstellung der Segmente im Bereich SHK (Grafik: ModernLearning GmbH) 3 | Mediales Training von Entscheidungsprozessen 209 Tabelle 1: Abfolge der Planungsprozessschritte Elektrotechnik Medienbaustein/ Beschreibung Vorgänger- Nachfolge- Schnittstelle zum Gewerk Modul modul modul SHK 1.1 Einleitung in den Umgang mit dem keins 1.2 keine Planungsprozesse Programm, sowie eine Einführung in optimal gestalten das Thema und die Aufgabe 1.2 Einführung in die HEA RAL-RG 678, 1.1 1.3 keine Ausstattungswert Bestimmung des Ausstattungswerts für bestimmen die komplette Elektroinstallation an- hand des Kundentyps und der Nutzung 1.3 grundlegende Festlegung der Anzahl 1.2 1.4 Schnittstelle möglich, Festlegung der Anzahl der Beleuchtungs- und Steckdosen- 1.5 wenn für Heizungs- oder der Beleuchtungs- stromkreise mit Hilfe der Ergebnisse 1.6 Lüftungsgeräte eigene und Steckdosen- aus 1.2 und der Grundrisspläne (kann Steckdosenstromkreise stromkreise sich später ggf. noch erhöhen) benötigt werden 1.4 Arbeit mit den Grundrissplänen, in 1.3 1.7 Ggf. Steckdosen oder Planung der einzelnen denen die jeweiligen Steckdosen, TV- 1.8 Kommunikationsan- Steckdosen und und Datenanschlüsse eingezeichnet 1.9 schlüsse für Heiz- und Kommunikations- werden. Anzahl gemäß HEA RAL-RG 678 Lüftungsgeräte anschlüsse 1.5 Arbeit mit den Grundrissplänen, Ein- 1.3 1.7 Bei Verwendung von Planung der zeichnen der Beleuchtungsanschlüsse 1.8 Bustastern mit eingebau- Beleuchtung und der Schaltstellen. Anzahl gemäß 1.9 tem Raumtemperatur- HEA RAL-RG 678 Entscheidung, ob ein regler Bussystem verwendet wird, und Bele- gung zu den jeweiligen Tastern 1.6 Einzeichnen der Anschlüsse für Ver- 1.3 1.7 Alle Heizungs- und Planung der Anschlüs- braucher, die einen separat abgesi- 1.8 Lüftungsgeräte, die einen se für besondere cherten Stromkreis benötigen, in die 1.9 separaten Stromkreis Verbrauchsmittel mit Grundrisspläne. Verbrauchsmittel benötigen, müssen hier eigenem Stromkreis gemäß HEA RAL-RG 678 beachtet werden 1.7 komplette Gebäudekommunikation 1.4 1.10 keine Planung der Gebäu- (Klingel/Sprechanlage) planen und in 1.5 dekommunikation die Grundrisspläne einzeichnen 1.6 1.8 Planung des Energiemanagement, vor 1.4 1.10 Schnittstelle im Bereich Planung des Energie- allem die Temperaturregelung in den 1.5 der Raumtemperaturre- managements Räumen und mögliche Einsparungen 1.6 gelung im Energieverbrauch 1.9 Eintragung aller Komponenten für die 1.4 1.10 keine Planung von Sicher- Gefahren- und Einbruchmeldeanlage in 1.5 heitsmaßnahmen die Grundrisspläne, soweit benötigt 1.6 1.10 Stromkreisverteiler mit allen darin 1.7 keins Schnittstelle für eventuel- Planung der Strom- befindlichen Geräten planen und in die 1.8 le Sicherungsautomaten kreisverteilung Grundrisspläne einzeichnen. passende 1.9 oder andere Einbauge- Größe des Stromverteilerkastens räte, für Heizungs- und bestimmen Lüftungsgeräte 210 Markus Kybart | Christian Ottermann | Axel Lange Tabelle 2: Abfolge der Planungsprozessschritte SHK Medienbau- Beschreibung Vor- Nach- Schnittstelle stein/Modul gänger- folge- zum Gewerk SHK modul modul 2.1 Einleitung in den Umgang mit dem Programm, sowie --- 2.2 keine Planungs- eine Einführung in das Thema und die Aufgabe 2.5 prozesse opti- 2.9 mal gestalten 2.2 Berechnung der notwendigen Luftvolumenströme 2.1 2.3 keine Lüftungs­ anhand der Gebäude­ und Nutzerdaten. Im Lüftungs- konzept konzept wird nachgewiesen, ob lüftungstechnische erstellen Maßnahmen notwendig sind 2.3 Falls notwendig, Planung der Lüftungsanlage für die 2.2 2.4 Stromversorgung für Lüftungs- berechneten Luftmengen (Filter, Heizung, Kühlung). die Lüftungsbauteile ist anlage und Festlegung der Leitungsführung gemäß baulichen abzustimmen Leitungsfüh- Erfordernissen (Dämmung, Brandschutz und Schall- rung planen schutz) 2.4 Dimensionierung aller Bauteile der Lüftungsanla- 2.3 --- keine Dimensionie- ge unter Berücksichtigung der Druckverluste, der rung der Lüf- Schallentwicklung und des elektrischen Leistungsver- tungsanlage brauchs der Anlage 2.5 Ermittlung der erforderlichen Wärmezufuhr, um die 2.1 2.6 keine Berechnung Wärmeverluste eines Raumes bzw. Gebäudes bei der Heizlast I Normaußentemperatur auszugleichen, so dass die gewünschte Innentemperatur gehalten wird. Im ersten Schritt Erfassung der Hüllflächen der Räume und des Gebäudes inkl. der U-Werte 2.6 Berechnung des Wärmebedarfs für alle zu heizenden 2.5 2.7 keine Berechnung Räume aus den Ergebnissen zu 2.5 unter Berücksichti- 2.2 2.15 der Heizlast II gung der Innentemperatur, der Temperatur der benach- barten Räume und der Lüftungswärmeverluste (2.2) 2.7 Festlegung der Art und Größen der Heizflächen 2.6 2.8 Ggf. elektrische Antriebe Heizflächen- anhand der Kundenwünsche und nach Vorgabe des für die Regelung der auslegung Wärmebedarfs. Berücksichtigung der Systemtempera- Heizflächen turen aus den Modulen 2.15 und 2.17 2.8 Ermittlung der Leitungsdimensionen und Berechnung 2.7 2.17 keine Heizungs- des Rohrnetzes. Planung der Wege für die Rohrleitun- rohrnetzbe- gen unter Berücksichtigung baulicher Erfordernisse rechnung und (Dämmung, Brandschutz, Schallschutz) Leitungsfüh- rung 2.9 Planung der sanitären Einrichtungen gemäß den 2.1 2.10 Planung der Sanitär- Planung Sani- Architekten-Vorgaben und Kundenwünschen sowie 2.13 einrichtung hat Einfluss täreinrichtung Planung von Trinkwasser- und Abwasseranschlüssen auf die Anordnung der in Küche und an weiteren Orten Steckdosen und die Beleuchtung in den betroffenen Räumen 3 | Mediales Training von Entscheidungsprozessen 211 Medienbau- Beschreibung Vor- Nach- Schnittstelle stein/Modul gänger- folge- zum Gewerk SHK modul modul 2.10 Wege für die Rohrleitungen zu planen und die bau- 2.9 2.11 Anschlüsse für Regel- Trinkwas- lichen Erfordernisse zu berücksichtigen (Dämmung, armaturen und elektrisch sernetz und Brandschutz, Schallschutz). Die geeigneten Materiali- angetriebene Armaturen Leitungsfüh- en für Rohre und Armaturen sind auszuwählen rung planen 2.11 Dimensionierung aller Bauteile der Trinkwasseranla- 2.10 2.12 keine Trinkwasser ge unter Berücksichtigung der Druckverluste, eines Rohrnetzbe- ausreichenden Fließdrucks und der Schallentwicklung rechnung im Rohrnetz und an den Armaturen 2.12 Planung des Warmwasserbedarfs unter Abschätzung, 2.11 2.16 keine Warmwasser- in welcher Zeit welche Mengen Warmwasser benötigt bedarf planen werden 2.13 Planung der störungsfreien Abführung der Abwässer 2.9 2.14 Spannungsversorgung Abwassernetz in freiem Gefälle ohne störende Geräusch- oder von Hebeanlagen und Leitungs- Geruchsbildung. Wo eine Ableitung in freiem Gefälle führung nicht möglich ist, sind Hebeanlagen vorzusehen. Ggf. planen ist die Planung der sanitären Einrichtung (2.9) zu überdenken und anzupassen 2.14 Dimensionierung aller Bauteile der Abwasseranlage 2.13 --- keine Abwasser unter Berücksichtigung eines ausreichenden Gefälles, Rohrnetz- der Lüftung und der Schallentwicklung im Rohrnetz berechnung 2.15 Auswahl eines Wärmeerzeugers unter Berücksichti- 2.6 2.16 Stromversorgung für Wärme- gung von Brennstoff, Platzbedarf und Energieeffizienz 2.17 Wärmeerzeuger, Pumpen erzeugung (im Hinblick auf das Gebäude insgesamt). Festlegung und Armaturen, evtl. sind und Bereit- der Systemtemperaturen in Korrelation zu Modul 2.7, Aufgaben der Regelung stellung da diese sowohl vom Wärmeerzeuger als auch von mit der Elektrotechnik planen den Heizflächen abhängen. Die Leistung des Wärmeer- abzustimmen zeugers muss sowohl den Bedarf aus der Heizlast als auch den Warmwasserbedarf abdecken. Insbesondere Art der Warmwasserbereitung und Möglichkeit zur Wärmespeicherung berücksichtigen 2.16 Auswahl des Systems zur Warmwasserbereitung unter 2.12 2.17 Stromversorgung für Warmwasser- Berücksichtigung der Möglichkeiten zur Wärmespei- 2.15 Warmwasserbereitung, bereitung cherung sowie der Leistung des Wärmeerzeugers Pumpen und Armaturen, planen evtl. sind Aufgaben der Regelung mit der Elektro- technik abzustimmen 2.17 Entwerfen der Anlagenhydraulik, die die Anforde- 2.8 --- Planung der Stromversor- Anlagen- rungen sicherstellt, aus den Ergebnissen der vorigen 2.15 gung für ggf. nachzu- hydraulik Module. Festlegung von hydraulischer Weiche, Puf- 2.16 rüstende Pumpen und planen ferspeicher, Anzahl der Pumpen und Regelarmaturen Armaturenantriebe sowie die Dimensionierung aller Bauteile 212 Markus Kybart | Christian Ottermann | Axel Lange Erprobung, Empfehlungen und Transfer Die entwickelten Module wurden im Rahmen der Meistervorbereitungslehrgänge im Elektrotechnik-, Installations- und Heizungsbau-Handwerk des BTZ Osnabrück erprobt. Beide Lehrgänge sind in ver- schiedene Themengebiete gegliedert. Jeweils ein Themengebiet in jedem der beiden Lehrgangsan- gebote beschäftigt sich mit der Projektierung der Gewerke spezifischen gebäudetechnischen Anlagen. Die Module wurden über eine vorhandene Schnittstelle in die Moodle-Lernplattform des BTZ Osnabrück eingebunden. Durch die Einbindung der Lernbausteine in das System können durch die Lehrenden zusätzliche Inhalte für die Lernenden bereitgestellt werden. Die Module übermitteln über die Schnittstelle die Ergebnisse der in den Modulen integrierten Tests an das System, sodass die Lehrkräfte über das Lernmanagementsystem (LMS) einen zentralen Blick über den jeweiligen Kenntnis- und Bearbeitungsstand der Teilnehmenden erhalten können. Innerhalb der Themengebiete werden unterschiedliche Projektierungsaufgaben bearbeitet, die unterschiedliche Gebäudetypen als Grundlage haben. Neben Wohnbauten werden auch Gebäude projektiert, die für eine gewerbliche oder öffentliche Nutzung vorgesehen sind. An alle Gebäudety- pen werden spezielle Anforderungen gestellt. Dennoch sind die Projektierungsschritte in der Regel gleich. Das dem Projekt zugrundeliegende Gebäude beinhaltet zwei Wohneinheiten, die verschiede- ne Ausstattungswerte aufweisen. Der Ausstattungswert bestimmt den Umfang und die technische Komplexität der gebäudetechnischen Ausstattung. Die Lernmodule wurden jeweils zum Einstieg in das Themengebiet eingesetzt. Durch die Nutzung dieses detailliert im Hinblick auf technische Varianten, Systemkomplexität und lernförderliche Darstellung geplanten Mustergebäudes werden die Lernenden auch technisch konsequent auf die zukünftigen Herausforderungen bei der Planung herangeführt und vorbereitet. Die Erprobung fand im Rahmen von Vollzeit-Meistervorbereitungslehrgängen statt. Die Schulung zur Nutzung der Planungssoftware erfolgte vorab. Eingangs erfolgte eine kurze Einführung in die Struktur und den Aufbau der einzelnen Lernmodule und in die Kursstruktur innerhalb des Moodle-Systems. Danach begann die selbstständige Bearbeitung der einzelnen Lernmodule. Der Dozent nahm dabei die Funk- tion des Lernbegleiters ein, der lediglich auf Fragen der Lernenden eingehen musste. Diese haben den Aufbau und die Struktur des digitalen Leitfadens mitsamt den Modulen verstanden. Der Einstieg in die digitale Anwendung und der Umgang damit fielen den Lernenden leicht. Der medientechni- sche Aufbau der einzelnen Segmente stieß ebenfalls auf Akzeptanz und die Visualisierung auf der Startseite wurde erwartungsgemäß als Hilfestellung wahrgenommen. Fazit und Ausblick Im Projekt wurde ein Konzept zum Training von Entscheidungsprozessen innerhalb von Projektie- rungsaufgabenstellungen der Meistervorbereitungslehrgänge entwickelt, erfolgreich multimedial umgesetzt, getestet und evaluiert. Die entwickelten 27 Module dienen primär zum Einstieg in die Thematik, können aber in späteren Projektierungen als orientierungsgebender Leitfaden ebenfalls verwendet werden. Sie stellen dadurch einen eindeutigen Mehrwert für die Anwendenden dar. 3 | Mediales Training von Entscheidungsprozessen 213 Die Anwender*innen erkennen, dass komplexe Problemstellungen in kleine, lösbare Teilsegmente zergliedert und dadurch einfacher gelöst werden können. Abhängigkeiten und Zusammenhänge werden durch die systematische Darstellung erkannt und das Systemverständnis und dadurch auch die Problemlösekompetenz werden nachhaltig gestärkt. Nach den vorliegenden Erfahrungswerten kann das entwickelte Trainingskonzept auf andere Gewer- ke übertragen werden. Des Weiteren könnten weitere Schnittstellen, wie beispielsweise die Bauphy- sik oder bautechnische Zusammenhänge, mit in die Module integriert werden. Literatur und Quellen BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2014): DQR Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. Liste der zugeordneten Qualifikationen, akt. Stand: 31. März 2014. Online: https://www.dqr.de/media/content/Liste_der_zugeordneten_Qualifikationen_31_03_2014_bf.pdf (04.04.2019) Mahrin, B. (Hrsg.) (2017): Das virtuelle Digitalgebäude. Universitätsverlag der TU Berlin. Online: http://dx.doi.org/10.14279/depositonce-6321 (05.06.2019). 214 Markus Kybart | Bernd Mahrin MEDIENQUALIFIZIERUNG DES AUSBILDUNGSPERSONALS Markus Kybart | Bernd Mahrin Das Berufsbildungs- und TechnologieZentrum (BTZ) der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland- Grafschaft Bentheim ist regionaler und mit dem Kompetenzzentrum Versorgungstechnik auch über- regionaler Anbieter von Aus- und Weiterbildung mit hohem fachtheoretischem und fachpraktischem Anspruch. Das Bildungszentrum bietet in seinem Lehrgangsportfolio auch Train-the-Trainer-Seminare zur Medienqualifizierung des überbetrieblichen Ausbildungspersonals an. Im Rahmen des Projekts MELINDA wurden Seminare zur Qualifizierung der Projektmitarbeiter*innen der beteiligten Bildungs- zentren durchgeführt. Das Konzept und die Inhalte wurden entsprechend der Anforderungen der Beteiligten angepasst. Schlüsselbegriffe › Medienqualifizierung › Medienkompetenz › Train-the-Trainer › Methodik › Didaktik › Mikroprojekte Einleitung Der Shell Jugendstudie 2015 zufolge haben 99 % der Jugendlichen Zugang zum Internet und ver- bringen wöchentlich durchschnittlich 18,4 Stunden online (vgl. Albert/Hurrelmann/Quenzel 2015, 120 f.). Somit gehören das Internet und digitale Medien als unverzichtbarer Teil zur Lebenswelt der jungen Menschen. Die berufliche Bildung muss sich den Bedürfnissen und Gewohnheiten ihrer Zielgruppe öffnen und sich entsprechend weiterentwickeln. Dies gilt insbesondere auch für die Berufe im Bau- und Ausbau- gewerbe, denen – häufig zu Unrecht – der Ruf fehlender Affinität zur Informationstechnik anhaftet. Digitale Medien sollten daher verstärkt in den Aus- und Weiterbildungsangeboten eingesetzt werden. Um Medien in die Aus-, Fort- und Weiterbildung effizient integrieren zu können, wurde innerhalb des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Europäischen Sozial- fonds geförderten Projekts Medienunterstütztes Lernen und Innovation in der handwerklichen Arbeit 3 | Medienqualifizierung des Ausbildungspersonals 215 (MELINDA) die Medienkompetenz der Projektmitarbeiter*innen durch zielgruppenspezifische Lehr- gangsangebote gefördert. In Seminaren wird anhand von Mikroprojekten und erprobten Beispielen erläutert, wie Medien für die Lehrenden und Lernenden gewinnbringend in Bildungsangebote eingebunden werden können. Die weitreichende Qualifizierung des Lehr- und Projektpersonals für die Entwicklung von Lern- und Lehrgangskonzepten ist eine weitere wichtige Grundlage für den Medieneinsatz (vgl. Dietrich 2018, 30). Im Rahmen von Workshops wurden die Projektmitarbeiter*innen in die Lage versetzt, eigenständig digitale Medien zu erstellen beziehungsweise anzupassen und in unterschiedlichen Lernszenarien einzusetzen. Sie wurden exemplarisch durch selbst definierte, individuelle und fachspezifische Mikro- projekte an die Medienentwicklung herangeführt und haben dabei erste eigene Erfahrungen sammeln können. Bei der Umsetzung wurden sie professionell durch Experten unterstützt. Ausgangslage und Problemstellung Eine repräsentative Bestandsanalyse des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) über die aktuelle und perspektivisch künftige Breite der lernorientierten Nutzung digitaler Medien in Betrieben (vgl. Gen- sicke et al. 2016) zeigt eine beachtliche Vielfalt. In Unternehmen haben sich unterschiedliche Ansätze des Lernens mit digitalen Medien und Werkzeugen bewährt. Dies gilt besonders dort, wo die Digitalisie- rung das Lernen und das Arbeiten gleichermaßen betrifft (vgl. BMAS 2016). Der Entwicklungsaufwand für Medienbausteine und komplexere Anwendungen sinkt, weil Erstellungswerkzeuge komfortabler werden und die Verfügbarkeit frei zugänglicher digitaler Medien und Anwendungen (Open Educatio- nal Resources – OER) steigt (vgl. Mayrberger 2017). Nicht zuletzt lassen Augmented und Virtual Reality Anwendungen (AR/VR) einen weiteren Anstieg der Möglichkeiten erwarten (vgl. Stoll 2019 und Zinn/ Pletz 2019). Ein Engpass auf dem Weg zur breiteren Nutzung digitaler Lerntechnologien in der berufli- chen Bildung bleibt die medienpädagogische Kompetenz des Berufsbildungspersonals. Sie umfasst die Mediendidaktik, die Medienerziehung und die Medienintegration und schließt technische und methodische Kompetenzen ein. Vielen Ausbilder*innen in Betrieben und überbetrieblichen Berufsbil- dungsstätten sowie Lehrkräften an berufsbildenden Schulen fehlt ein ausreichender Überblick über die Varianten und Konzepte des mediengestützten Lernens und Lehrens, über die Möglichkeiten und Grenzen, über Erfolg versprechende Bedingungen und Anwendungsszenarien sowie über nutzungs- und datenschutzrechtliche Fragen (vgl. Mahrin 2019). Das Berufsbildungs- und TechnologieZentrum (BTZ) Osnabrück der Handwerkskammer Osna- brück-Emsland-Grafschaft Bentheim qualifiziert das eigene Lehrpersonal seit mehreren Jahren nach dem Ansatz des problembasierten Lernens in Train-the-Trainer-Seminaren. Dies bedeutet, dass die Mitarbeiter*innen die individuellen Schwierigkeiten und Herausforderungen innerhalb ihrer Lehr- tätigkeit selbst oder kooperativ mit Kolleg*innen feststellen und im Rahmen von Mikroprojekten, unterstützt durch externe Experten sowie Mitarbeiter*innen des Kompetenzzentrums, eigenständig lösen. Hierfür wurde bereits in der Vergangenheit ein Qualifizierungskonzept entwickelt, welches im Rahmen des Projekts MELINDA aktualisiert und angepasst wurde. Die Anforderungen und die ent- wickelten Lösungen können ganz unterschiedlich sein: Zum einen treten im Rahmen der täglichen 216 Markus Kybart | Bernd Mahrin Lehrgangsgestaltung immer mal wieder neue Problemstellungen auf, die durch das Ausbildungsper- sonal gelöst werden müssen. Zum anderen werfen weitreichende Veränderungen wie die Digitalisie- rung und die Arbeit an Projekten vermehrt neue Fragestellungen auf, die die Projektmitarbeiter*in- nen ebenfalls fordern. Ziele und Erwartungen Die Projektmitarbeiter*innen der Bildungszentren nehmen an den Train-the-Trainer-Seminaren teil. Um sie schrittweise an den Umgang mit den digitalen Lernmedien heranzuführen, sollte ein mehr- stufiger Lehrgang konzipiert werden. Dabei sollten die Entwicklung und Integration digitaler Medien in Lehrgänge und die Entwicklung/Anwendung von Blended-Learning-Konzepten in den Mittelpunkt gestellt werden. Darüber hinaus sollten die Teilnehmenden grundlegende Kompetenzen zur Arbeit mit digitaler Medientechnik entwickeln. Hierzu zählt neben dem fachgerechten technischen Umgang mit dem bereitgestellten Autorensystem und dem Lernmanagementsystem (LMS) auch die professionelle Erstellung von Arbeitsunterlagen in handelsüblichen Office-, Grafik- und Multimedia-Programmen. Au- ßer diesen technischen Systemschulungen wurden in drei übergeordneten Bereichen Erwartungen an den Lehrgang zur Förderung der Medienkompetenz der überbetrieblichen Ausbilder*innen gerichtet: Integration digitaler Medien in vorhandene Lernumgebungen In Abhängigkeit von der Sozialform, den technischen Voraussetzungen und den Medientypen sollten deren vielfältige Anwendungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Dem Bildungspersonal sollte vermittelt werden, dass und wie digitale Medien auch ohne zentrale Computerräume im integrierten Lern- und Arbeitsumfeld der Ausbildungswerkstatt genutzt werden können. Ein Schwerpunkt war daher die Integration von digitalen Medien in vorhandene Ausbildungskonzepte. Dabei sollten die Akzeptanz der Medien beim Bildungspersonal gefördert und Ängste abgebaut werden. Entwicklung Methodenkompetenz der Ausbilder*innen Die moderne Berufspädagogik sieht den Einsatz vielfältiger Ausbildungsmethoden vor, denen der Bedarf nach einer ganzheitlichen, handlungsorientierten Ausbildung und das Bestreben nach der Optimierung der Lern- und Bildungsprozesse zugrunde liegen. Zu den übergreifenden Konzepten zählen u. a. das Lernen am Kundenauftrag, das selbstgesteuerte Lernen mit tutorieller Begleitung und die Anwendung von Blended-Learning-Konzepten, also einer abgestimmten Kombination von Präsenz- und medien- bzw. online-basierten Lernphasen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Das Seminar sollte daher über Methoden und Varianten informieren und dem Bildungspersonal Gelegenheit geben, deren Anwendung zu trainieren. Entwicklung Medienkompetenz des Bildungspersonals Die Projektmitarbeiter*innen sollen in der Lage sein, Ausbildungsmedien über moderne und einfach zu bedienende Autorentools oder Learning-Management-Systeme selbst zu entwickeln und zu pflegen. Das Kursangebot leitet dazu an, indem beispielsweise die einfache Erstellung von Info- und Arbeitsblättern mit gebräuchlichen Office- Programmen die Bearbeitung von Bildern und Grafiken mit gängigen Grafikprogrammen oder der Umgang mit Lernplattformen in Verbindung mit neuen 3 | Medienqualifizierung des Ausbildungspersonals 217 Kommunikations- und Kollaborationsformen, die für einen kooperativen Unterricht genutzt werden können, trainiert werden. Zielgruppe und Vorklärungen In den beiden Seminardurchläufen im Rahmen des Projekts MELINDA wurden Mitarbeiter*innen aus den vier beteiligten Berufsbildungszentren (Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade, Rutes- theim, Bundesbildungszentrum des Zimmerer- und Ausbaugewerbes, Kassel, Komzet Bau Bühl und BTZ Osnabrück) mit unterschiedlichen Kompetenzbereichen, medialen Projektschwerpunkten und Vorkenntnissen parallel weitergebildet. Die Ausbilder*innen der Bildungszentren haben in der Regel eine Meisterprüfung, mindestens aber eine Facharbeiterausbildung und eine Ausbildereignungsprü- fung (AEVO) erfolgreich abgeschlossen. Erfolgreiche Einzelbeispiele und systemische Ansätze zeigen, dass der Einsatz digitaler Anwendungen und Instrumente berufliche Lehr-Lernprozesse bereichern und wirksam verbessern kann. Dies hat unmittelbare Bedeutung für die Tätigkeit der Ausbilder*innen. Mehrwert und Zusatzaufwand müssen vorab mit ihnen geklärt und abgewogen werden. Dazu müssen einige Kernfragen zufriedenstellend beantwortet werden können, beispielsweise: › Was soll mit dem Einsatz der Medien erreicht werden, was nicht auch auf herkömmlichem Wege erreicht werden kann? › Welches Thema aus dem eigenen fachlichen Bereich eignet sich besonders für einen Einstieg in das medial unterstützte Lernen und Lehren? › Gibt es spezielle Inhalte, bei denen häufig Verständnisschwierigkeiten auftauchen und für die die mediale Darstellung einen neuen Zugang für die Lernenden bieten kann? › Können die Medien erforderliche Wiederholungen im Unterricht ersetzen und dadurch Freiräume schaffen? › Wird mit dem Medieneinsatz ein spezielles Ziel verfolgt, wie eine bessere Binnendifferenzierung bei heterogenen Lerngruppen, eine Erhöhung des Anteils von selbstgesteuertem Lernen oder eine effektivere Kooperation mit den Lernorten Berufsschule und Betrieb? › Können Lehrgänge verkürzt und dadurch die eigene Belastung verringert werden? › Können die Medien selbst und mit vorhandenen Mitteln hergestellt werden und/oder kann bei Bedarf professionelle Unterstützung in Anspruch genommen werden? Eine Reihe weiterer Fragen stellen sich abhängig von der Situation in der Bildungseinrichtung, vom Bildungsangebot und vom eigenen Interesse und dem der Lernenden im Umgang mit digitalen Me- dien und Online-Plattformen. Darüber hinaus sollten Fragen der bestehenden und zu ergänzenden hard- und softwaretechnischen Infrastruktur, der Lehrgangs-Organisation, der bestehenden Freiräu- me für die Entwicklung und Pflege der Medien, der vorhandenen oder zu erwerbenden Medien- und Methodenkompetenz usw. rechtzeitig geklärt werden. Abb. 1 stellt einen empfehlenswerten Ablauf und zu beachtende Aspekte für eine erfolgreiche Medienintegration dar. Die Reihenfolge kann je nach Situation etwas variieren. 218 Markus Kybart | Bernd Mahrin Abb. 1: Entwicklung multimedialer Unterstützung von Lehrgängen der überbetrieblichen Ausbildung (Darstellung: Mahrin/TU Berlin) 3 | Medienqualifizierung des Ausbildungspersonals 219 Organisation, didaktisches und methodisches Konzept Die durchgeführten Train-the-Trainer-Seminare basierten auf einem integrierten E-Learning-Konzept des BTZ Osnabrück, das alle Teilprozesse – auch Verwaltungsabläufe – von der Lehrgangsankündi- gung und -anmeldung über den gesamten Lehrgangsverlauf bis hin zur Erstellung von Teilnahmebe- scheinigungen und zur Nachbetreuung einschließt (Klostermann/Kybart 2015, 12–17). Die konkrete Ausgestaltung des Medienqualifizierungsangebotes für Ausbildungspersonal und die ersten Pilot- kurse erfolgten in Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Praxisnahe Berufsbildung (Prof. Dr. Manfred Hoppe, Bremen) und der ModernLearning GmbH, Berlin. Dieses Blended-Learning-Konzept wurde inzwischen mehrfach erfolgreich erprobt und für die Rahmenbedingungen des Projekts ME- LINDA gemeinsam mit der Technischen Universität Berlin optimiert. Das Konzept sieht die Definition und Bearbeitung eines individuellen Mikro-Medienprojekts durch die Seminarteilnehmenden vor. Ziel des Workshops ist neben der Erstellung von multimedialen Lernanwendungen auch die Integra- tion des im Workshop erstellten Mediums in den jeweils eigenen Unterricht. Das Konzept beinhaltet sowohl selbstgesteuerte E-Learning-, als auch durch Referenten betreute Präsenzphasen. Abb. 2 zeigt den groben Ablauf des Seminars. Den Auftakt bilden jeweils individuelle Vorgespräche mit den einzelnen Teilnehmenden. Darin wer- den die Grundlagen für das Medienprojekt gelegt, indem Problemstellungen innerhalb der überbe- trieblichen Ausbildung bzw. der Fort- und Weiterbildung diskutiert und dokumentiert werden, für die der Einsatz digitaler Medien Lösungen bzw. Verbesserungen verspricht. Aufbauend auf den so Abb. 2: Train-the-Trainer-Seminarkonzept zur Medienqualifizierung (Grafik: Mahrin/TU Berlin) 220 Markus Kybart | Bernd Mahrin gesammelten Erkenntnissen werden multimediale Lösungsansätze skizziert und die Konturen des später zu bearbeitenden Mikro-Medienprojekts zumindest grob umrissen. Zeitgleich werden auf der E-Learning-Plattform des BTZ Osnabrück drei mediale Online-Lernbausteine freigeschaltet (Abb. 3, 4 und 5). Der Medienbaustein Digitale Medien – E-Learning und Co. stellt allgemeine fachtheoretische Inhalte zum Themenbereich Lehren und Lernen mit digitalen Medien dar. Der Baustein Multimedia- recht gibt Antworten auf wesentliche Rechtsfragen, die Lehrende und Lernende beim Umgang mit medialen Produkten betreffen. Der Baustein Digitale Medien – Methoden und Konzepte gibt einen Überblick über moderne Methoden und Konzepte mit medienpädagogischem Bezug. Die Seminar- teilnehmenden sollen diese Lernmodule vor dem ersten gemeinsamen Workshop in ihrem individu- ellen Tempo durcharbeiten. Während des Workshops können und sollen sie ebenfalls auf die Inhalte der Lernmodule zurückgreifen, und auch im Anschluss an den Workshop bleibt der Zugang noch einige Zeit zur Nachbereitung freigeschaltet. Abb. 3 (oben links): Screenshot aus dem Lernbaustein Digitale Medien – E-Learning und Co. (© ModernLearning GmbH) Abb. 4 (oben rechts): Screenshot aus dem Lernbaustein Multimedia- recht (© ModernLearning GmbH) Abb. 5 (unten): Screenshot aus dem Lernbaustein Digitale Medien – Methoden und Konzepte (© ModernLearning GmbH) 3 | Medienqualifizierung des Ausbildungspersonals 221 Die Bearbeitung der Mikro-Medienprojekte wird in den Präsenz-Workshops begleitet durch bedarfs- geleitete Impulsvorträge und praktische Übungen, die den Teilnehmenden helfen, ihre Medien- und Methodenkompetenz zu erweitern und die notwendigen Fähigkeiten zur Erstellung und Bearbeitung ihres eigenen Medienprojekts zu erlangen bzw. zu vertiefen. Folgende Themenbeiträge werden auf diese Weise angeboten: › Entwicklungen und Trends der Mediennutzung zu Lernzwecken einschließlich der damit verbundenen Chancen und Risiken › Rechtliche Aspekte beim Einsatz von Medien in der beruflichen Bildung › Unterrichtskonzepte, Lernorganisation und Methodenwahl › Beispiele geeigneter, off- bzw. online verfügbarer medialer Lernanwendungen aus den fachlichen Arbeitsgebieten der Teilnehmenden › Lern- und Autorenplattformen für Lernprozessleitung, Inhaltsvermittlung, Dokumentenverwaltung, Kommunikation, Selbst- und Fremdtests › Erstellung, Gestaltung und Bearbeitung von Lernmedien (z. B. Bilder, Videos, Podcasts, Digital Stories, Mind- und Concept-Maps u. a.) › Tipps und Tricks für die Gestaltung und Bearbeitung digitaler Medien, Dateiformate und Konvertierungen Der Themenkanon kann jeweils nach den Anforderungen der Seminarteilnehmenden leicht variie- ren und abgestimmt werden. Aus Gründen der nachhaltigen Nutzungsmöglichkeit werden innerhalb des Seminars mehrheitlich kostenfreie Open-Source-Programme eingesetzt. Zwischen den beiden Präsenzworkshops findet eine gemeinsame Webkonferenz aller Teilnehmen- den und Betreuenden statt. Dort stellen die Teilnehmenden ihre bisherigen Projektstände vor und erhalten Feedback aus der Lerngruppe und von den betreuenden Experten. Außerdem werden im Rahmen der Konferenz Fragen beantwortet und Absprachen getroffen. Die Mikro-Medienprojekte sollen zum Ende des zweiten Workshops soweit fortgeschritten sein, dass die entstandenen medialen Produkte direkt einsetzbar sind oder im Anschluss von den Teilnehmenden selbstständig fertigge- stellt werden können. Eine Nachbetreuung der Teilnehmenden durch die betreuenden Experten erfolgt nach Absprache und Bedarf. Realisierung, Ergebnisse und Produkte Im Rahmen des Projekts MELINDA gab es zwei Durchläufe des Medienqualifizierungs-Seminars für Ausbildungspersonal, bei denen 16 Projektmitarbeiter*innen der beteiligten Bildungszentren in gemischten Gruppen erfolgreich qualifiziert wurden. Die Präsenz-Workshops fanden über den Projektzeitraum verteilt in Osnabrück, Kassel und Rutesheim statt. Organisiert, vorbereitet und betreut wurden die Seminare von Projektmitarbeiter*innen des BTZ Osnabrück, der Technischen Universität Berlin mit Unterstützung der Medienagentur ModernLearning. Die Bereitstellung der E-Learning-Module erfolgte über die Lernplattform des BTZ Osnabrück. Von den Teilnehmenden wurden sehr unterschiedliche Mikro-Projekte von den Teilnehmenden vorgeschlagen und bear- 222 Markus Kybart | Bernd Mahrin beitet. Im Folgenden werden einige davon kurz skizziert, um die Möglichkeiten in einem solchen Rahmen aufzuzeigen. Mikroprojekte mit konzeptionellem und methodischem Schwerpunkt (Auswahl) Blended-Learning-Angebot für die Zusatzqualifikation „Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten“ Der Weiterbildungslehrgang zur „Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten“ richtet sich an Fachkräf- te ohne Elektroausbildung, die bei der Ausführung ihrer Tätigkeiten mit elektrischen Betriebsmitteln in Berührung kommen, wie beispielsweise Anlagenmechaniker*innen, Feinwerkmechaniker*innen, Metallbauer*innen sowie Tischler*innen. Mit dieser Zusatzqualifikation zur „Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten“ dürfen die genannten Personengruppen in einem begrenzten Umfang Arbeiten zum Anschluss und zur Wartung von elekt- rischen Komponenten ihres Gewerkes durchführen. Um den Umfang des Präsenzkurses von 50 Stunden vor Ort zu verringern, wird dieser zukünftig als Blended-Learning-Kurs angeboten. Dazu wurden im Medienqualifizierungs-Seminar die konzepti- onellen und inhaltlichen Konturen eines E-Learning Moduls entwickelt. Die technische Umsetzung wurde bei einer professionellen E-Learning-Agentur in Auftrag gegeben. Das Selbstlernmodul steht auf der Lernplattform des BTZ Osnabrück zur Verfügung, so dass die Teilnehmenden in den Prä- senzphasen vergleichbare Eingangsvoraussetzungen mitbringen und mehr Zeit für fachpraktisches Training bleibt (vgl. Mahrin/Hoppe/Frenz 2015, 39 f.). Expertenteams an der Installationswand – medial unterstützte Gruppenarbeit Im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung läuft der Lehrgang IH 1/03 „Montagetechnik“ (http://www.hpi-hannover.de/bildung_uelu/pdf/IH1-03.pdf) mehrmals jährlich im Umfang von jeweils einer Woche. Schwerpunkt ist das Montieren und Demontieren von Rohrleitun- gen und Kanälen. In der Wahl der Methoden und der Medien sind die Lehrkräfte frei. Es wurde entschieden, den Lehrgang methodisch zu erneuern und die vorhandenen Materialien multimedial zu ergänzen. Die Lernenden haben die Aufgabe, an einer Installationswand eine dreiteilige Gesamtan- lage (Brauchwasser, Gas, Heizung) vollständig und fachgerecht zu planen und zu erstellen (Abb. 6). Zur Aufgabe gehören die begründete Auswahl der benötigten Komponenten und die Bestückung mit allen erforderlichen Bauteilen und Verbindungen (Absperreinrichtungen, Abb. 6: Vollständige Installation an der Übungswand Regelbauteile usw.). (Foto: Mahrin/TU Berlin) 3 | Medienqualifizierung des Ausbildungspersonals 223 Die Lernenden werden in drei Expertenteams mit jeweils vier Auszubildenden eingeteilt, die jeweils eigenständig einen der drei Installationsbereiche A, B und C anhand von Zeichnungen planen. Die benötigten Lernmaterialien stehen als pdf-Dateien, Videos, Fotos und Animationen auf der Lern- plattform zur Verfügung. Bei der Auswahl der benötigten Bauteile/Komponenten helfen fotografi- sche Abb.en und symbolische Darstellungen sowie eine multimediale Zuordnungsaufgabe. Haben die Teams für ihren jeweiligen Bereich eine korrekte Installationslösung erarbeitet, stellen sie sich diese gegenseitig vor – möglichst mithilfe selbst erstellter digitaler Medien wie Fotos, digitale Präsen- tation oder ähnlichem –, diskutieren sie und helfen sich bei Bedarf anschließend gegenseitig bei der Installation (ebd., 41 ff.) (Abb. 7). Abb. 7: Verlauf Lehrgang IH 1/03 Montagetechnik (Grafik: zweifrauwerk nach Manfred Hoppe) Mikroprojekte mit Schwerpunkt in der Medienentwicklung (Auswahl) Lernvideo zur Abwicklung bei der Fertigung von Blechbauteilen In der überbetrieblichen Ausbildung der Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer*innen führen bei der Herstellung von Ummantelungen die Übertragungen der mitunter komplexen geometrischen Formen von der Zeichnung auf das Blech immer wieder zu Verständnisschwierigkeiten. Am Beispiel eines schräg geschnittenen Ummantelungs-Rohrstücks hat deshalb ein Ausbilder des Komzet Bau 224 Markus Kybart | Bernd Mahrin Bühl (http://bildung.bauwirtschaft-bw.de/ausbildung/komzet_bau_buehl) in einem Mikroprojekt ein Video konzipiert und hergestellt, das den gesamten Prozess von der Situationsaufnahme an der Baustelle bis zur Montage des gefertigten Rohrstücks darstellt (Abb. 8 und 9). Das Video steht den Auszubildenden über eine Lernplattform frei zur Verfügung. Ausbilder*innen werden von wiederhol- ten Erklärungen entlastet und die Lernenden haben bedarfsgerechten, selbstgesteuerten Zugriff auf das Medium. Abb. 8 (oben links): Videoausschnitt: Abwicklungsskizze (© Herzog/KOMZET BAU BÜHL) Abb. 9 (oben rechts): Videoausschnitt: Übertragung der Skizze auf das Blech (© Herzog/KOMZET BAU BÜHL) Abb. 10 (unten): 3D-Darstellung eines echten Hexen- schnitts im Screenvideo (© Hielscher/KOMZET BAU BÜHL) Screenvideo aus einem CAD-System zum echten Hexenschnitt Ebenfalls aus dem Komzet Bau Bühl stammt ein Beispiel, das sich mit der Konstruktion und Ferti- gungsvorbereitung eines sogenannten echten Hexenschnitts befasst. Auch hier geht es um komplexe Geometrien, in diesem Fall im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung von Zimmer*innen. In einem Video wird in Kombination aus zwei- und dreidimensionalen technischen Zeichnungen und realitäts- nah aussehenden, gerenderten 3D-Darstellungen (Abb. 10) die Entstehung der fachgerechten zeich- nerischen Darstellung im CAD-System erläutert. Die schwer zu beschreibende Lage der Flächen und Kanten zueinander wird in Bild und Ton verständlich und einprägsam erläutert, damit die Auszubilden- den anschließend die erforderlichen Teilschritte bei der Fertigung dieses schwierigen Elements korrekt ausführen können. Auch auf dieses Medium können die Lernenden beispielsweise über mobile Endge- räte in der Werkstatt nach Belieben zugreifen. Das Video wurde ebenso wie das zuvor beschriebene im Seminar geplant, vorbereitet und teilweise produziert und im Nachgang zum Kurs selbstständig durch die teilnehmenden Ausbilder am eigenen Arbeitsplatz fertiggestellt. 3 | Medienqualifizierung des Ausbildungspersonals 225 Erklärvideo zur Steuerung eines Rührgerätes mit gezeichneten Standbildern Zur Erklärung des Steuerungs- bzw. Regelungsprozesses in einem Gerät zur Mischung von Flüssig- keiten hat ein Dozent des BTZ Osnabrück ein technisch einfach herzustellendes, aber sehr anschau- liches und lernwirksames Medium gewählt. Das Ausgabeformat ist ein digitales Video, das jedoch nicht aus dynamischen Szenen, sondern im Wesentlichen aus händisch gezeichneten, aneinander- gereihten Einzelbildern besteht. Anhand dieser Bilder werden die Prozessschritte des Mischvorgangs und die Funktionen der Sensoren, Anzeigesignale sowie die Schaltfunktionen erläutert. In die zu- nächst angefertigte und vervielfältigte Systemskizze (schwarz) wurden mit Farbstiften nacheinander die verschiedenen Systemzustände eingetragen, die entstandenen fünfzehn Bilder gescannt, in ein Videoschnittprogramm eingefügt und anschließend vertont. a) Einlauf Flüssigkeit 1 b) Einlauf Flüssigkeit 2 c) Rühr-/Mischvorgang d) Auslauf der Flüssigkeitsmischung Abb. 11: Ausgewählte Phasen des Mischprozesses im Erklärvideo (Bilder: Foth/BTZ Osnabrück) 226 Markus Kybart | Bernd Mahrin Weitere Mikroprojekte Außer den kurz vorgestellten wurden in den Medienqualifizierung-Seminaren weitere Mikro-Projekte realisiert. Abb. 12 gibt eine Übersicht über die dabei bearbeiteten Themenfelder. Abb. 12: Fachthemen der Mikroprojekte aus dem Workshop in Rutesheim (eigene Darstellung) Die entstandenen Produkte decken nicht nur ein breites inhaltliches Spektrum ab, sondern sie unterscheiden sich auch stark nach Medientypen und antizipierten Einsatzformen. So entstanden vertonte Diashows, dynamische Zeitleisten, Anwendungen zum Selbsttest und zur Prüfungsvorberei- tung mit verschiedenen Aufgabentypen, angelegte Lernarrangements in Lernmanagementsystemen, Apps für mobile Endgeräte sowie Animationen. Fazit und Ausblick Durch das gewählte Konzept konnte auf die individuellen Bedarfe der einzelnen Teilnehmenden einge- gangen werden. Das erfordert auf Seiten der Seminarleitung umfassende mediendidaktische und me- dientechnische Kompetenzen und eine gründliche Vorbereitung. Der Erfolg der Präsenzphasen hängt aber nicht zuletzt auch von der Vorbereitung der Teilnehmenden ab. Sie sind gefordert, das Angebot der Online-Lernbausteine vor Seminarbeginn zu nutzen und in den Online-Lernphasen am Medienkon- zept und an der Methodenwahl zu arbeiten und das Ton-, Bild- und Videomaterial zusammenzustellen, das sie für die Medienproduktion benötigen. Für diese Aufgaben müssen entsprechende Freiräume in der Arbeitszeit geschaffen und die (überschaubaren) technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden waren positiv. Es konnten neue Impulse für den Einsatz von digitalen Medien bei den Projektmitarbeiter*innen gesetzt und die Medien- und Methodenkompetenz nachhaltig gestärkt werden. Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse sind in die Weiterentwicklung des Qualifizierungskonzepts eingeflossen, wodurch die Qualität des Seminarangebots gesteigert und modifizierte Formate aus dem Basiskonzept abgeleitet werden konnten. 3 | Medienqualifizierung des Ausbildungspersonals 227 Literatur und Quellen Albert, M./ Hurrelmann, K./ Quenzel, G. (2015): 17. Shell Jugendstudie. Jugend 2015. Shell Deutschland Holding (Hrsg.), Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2016): Weiterbildung im digitalen Wandel. Sammlung betrieblicher Gestaltungsbeispiele. Berlin Dietrich, S. (2018): Digitaler Wandel und Unterstützungsbedarf aus Sicht des betrieblichen Ausbildungspersonals. In: BWP 47(2018)3, 29–31 Gensicke, M.; Bechmann, S; Härtel, M.; Schubert, T.; García-Wülfing, I. & Güntürk-Kuhl, B. (2016). Digitale Medien in Betrieben – heute und morgen. BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.). Wissenschaftliche Diskussionspapiere, Heft 177, 2. korr. Aufl., Bonn. Klostermann, R./ Kybart, M. (2015): E-Learning-Konzept des BTZ Osnabrück. In: BTZ Berufsbildungs- und TechnologieZentrum Osnabrück der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim (Hrsg.): Einbindung „Neuer Medien“ in Angebote der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Entwicklung, Durchführung und Transfer eines ganzheitlichen Konzepts im BTZ Osnabrück. URL: https://www.btz-osnabrueck.de/projekte/kompetenzzentrum_versorgungstechnik/fachtagungen. html (03.07.2019) Mahrin, B./ Hoppe, M./ Frenz, R. (2015): Multimediale Unterrichtskonzepte und Lernmaterialien. In: BTZ Berufsbildungs- und TechnologieZentrum Osnabrück der Handwerkskammer Osnabrück- Emsland-Grafschaft Bentheim (Hrsg.): Einbindung „Neuer Medien“ in Angebote der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Entwicklung, Durchführung und Transfer eines ganzheitlichen Konzepts im BTZ Osnabrück. URL: https://www.btz-osnabrueck.de/projekte/kompetenzzentrum_ versorgungstechnik/fachtagungen.html (03.07.2019) Mahrin, B. (2019): Medienqualifizierung des Berufsbildungspersonals. In: berufsbildung, 73. Jg., H. 177, 27–29 Mayrberger, K. (Hrsg.) (2017): Open Educational Resources (OER) 2017. Reihe Synergie Praxis. Online: https://uhh.de/eniqr (03.07.2019) Stoll, C. (2019): Reality. Virtual Reality und Augmented Reality – Aktuelle Entwicklungen und deren Einsatz in Industrie, Handwerk und der beruflichen Bildung. In Bildung und Beruf 2(2019), 166–172 Zinn, B./ Pletz, C. (2019). Virtual Reality – Virtuelle Lern- und Arbeitsumgebungen und deren Anwendung und Akzeptanz in technischen Berufen. In Bildung und Beruf 2(2019), 173–178 228 Michael Trommen | Jan Kutscha D.A.V.I.T. – DER MULTIMEDIALE ZUSATZ FÜR DIE BERUFSAUSBILDUNG Michael Trommen | Jan Kutscha d.a.v.i.t. steht für „digital audio video introduction toolkit“. Es handelt sich um ein portables multi- mediales Produktionsstudio, dass alle fundamentalen Hardware- und Software-Voraussetzungen für die digitale Videoproduktion bietet. In einer dazu passenden Schulung werden Grundkenntnisse in den Bereichen Datenschutz, Nutzungsrecht, Dateimanagement, Skripterstellung, mediale Gestal- tung und Inszenierung, sowie Videoschnitt und Vertonung vermittelt. Der d.a.v.i.t.-Koffer kann im Anschluss kostenlos ausgeliehen werden, um multimediale Inhalte zu generieren. Schlüsselbegriffe › Schulung › Digitalisierung › Videoproduktion › Medienkompetenz › Multimediale Inhalte › Nachwuchsgewinnung Einleitung Das Transfernetzwerk „vierpunkteins – digitales Lernen in der Aus- und Weiterbildung“ (BMBF-Pro- gramm DigiNet) bringt in drei Regionalclustern verschiedene Akteure der beruflichen Bildung the- matisch zusammen, entwickelt Fortbildungsformate und hilft Ausbildungsverantwortlichen bei der Implementierung digitaler Medien. Beim Bildungszentrum Handwerk in Duisburg ist die Transferstelle Nordrhein-Westfalen (NRW) an- gesiedelt. Im ständigen Austausch mit Handwerksbetrieben und Ausbilder*innen verschiedener Ge- werke werden bedarfsorientierte Aus- und Weiterbildungsangebote sowie Online-Tools im Themen- feld der Digitalisierung entwickelt. Darüber hinaus wirkt die Transferstelle als regionale Servicestelle für Digitalisierungsfragen. In diesem Zusammenhang werden gemeinsam mit Betrieben nützliche Konzepte für die Implementation digitaler Technik in Lern- und Arbeitsprozessen erarbeitet, die sich teilweise bereits bewährt haben. 3 | d.a.v.i.t. – der multimediale Zusatz für die Berufsausbildung 229 Im Rahmen des BMBF-geförderten Transferprojektes vierpunkteins wurden im ersten Schritt In- terviews mit Akteuren der beruflichen Bildung geführt, um konkrete Bedarfe zum Einsatz digitaler Medien in der Aus- und Weiterbildung zu ermitteln. Bei den Gesprächen mit Vertreter*innen von Betrieben, Berufsschulen und überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS) stellte sich heraus, dass nur wenige Beteiligte in der Lage sind, ihren Qualifizierungsbedarf konkret zu formulieren (vgl. IMBSE 2018, 4). Aus Sicht der Handwerksbetriebe sollte die ideale Schulung nach einem Tag einen ansatzweise kompetenten IT-Beauftragten für das eigene Unternehmen hervorbringen. Diese Vorstellung ist zwar nicht realistisch, zeigt aber sehr genau die Erwartungshaltung. Grundsätzlich sind die Unternehmen an Konzepten interessiert, die dem Personal helfen, sich mit neuen, digitalen Werkzeugen schnel- ler zurechtzufinden. Die Konzepte müssen praktikabel sein und die Arbeit sichtbar erleichtern. Auf Grundlage dieser Ergebnisse wurden der d.a.v.i.t.-Medienkoffer und das damit verbundene, eintägi- ge Schulungsformat entwickelt. Ausgangslage und Problemstellung Nach Aussagen von Betrieben und Bildungsträgern sind folgende Aspekte im Bereich der Digitalisie- rung vorrangig zu behandeln: › Unabhängig von Branche oder Abteilung benötigen Mitarbeiter*innen mehr allgemeines Technik- verständnis bzw. Computeraffinität (vgl. IMBSE 2018, 5). Reine Produktschulungen sind ausdrück- lich nicht erwünscht. Alle Beschäftigten sollen sich einfacher und effektiver als bisher mit den neuen Herausforderungen der digitalen Welt auseinandersetzen und sinnvolle Lösungen für ihren Arbeitsbereich entwickeln können. Abb. 1: Der d.a.v.i.t.-Medien- koffer (Foto: KH Qualifizierungs- und Vermitt- lungs-GmbH) 230 Michael Trommen | Jan Kutscha › Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) möchten die Möglichkeit haben, multime- diale Inhalte selbst zu erstellen. Im Fokus steht es dabei nicht, Profiqualität zu erreichen, sondern „[…] endlich mal konkret damit anzufangen und was Eigenes in der Hand zu haben“. Es sollen zudem Inhalte geschaffen werden, die für soziale Medien tauglich sind. Eine aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) bestätigt diesen Ansatzpunkt und nennt die Ansprache potenzieller Nachwuchskräfte auf digitalen Kanälen als Handlungsempfehlung für Handwerksbetriebe (vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung 2019, 33). › Die Unternehmen möchten durch die Nutzung digitaler Technologien ein breiteres bzw. neues Publikum ansprechen können. Dabei geht es weniger um Kundenakquise, als vielmehr um Fach- kräfte- und Nachwuchsgewinnung. Zusammengefasst ist das Ziel, ein Schulungskonzept zu entwickeln, mit dem Menschen aus nahezu jedem Fachbereich allgemein informations- und medientechnisch gebildet werden können. Dabei geht es um tatsächliche Bildung, die eigenständiges und eigenverantwortliches Handeln ermöglicht und nicht um die im Bildungssystem verbreitete Erziehung, die oft als Bildung dargestellt wird (vgl. Prange 2012, 52). Dieser Anspruch lässt sich nur erfüllen durch eine hohe intrinsische Motivation, die Teilnehmende nachhaltig dazu bewegt, sich mit Digitalisierungs-Themen kritisch-konstruktiv und kreativ auseinanderzusetzen. Ziele und Erwartungen Eine zentrale Zielsetzung des d.a.v.i.t.-Konzeptes ist es, die bereits vorhandenen digitalen Kompe- tenzen der Auszubildenden mit den dringend benötigten, fachbezogenen digitalen und fachlichen Kompetenzen zu verbinden. Videobearbeitung ist für die meisten Jugendlichen ein ansprechendes und interessantes Thema. Oft sind schon durch den Konsum hochwertiger Youtube-Videos umfäng- liche Erfahrungen und Kenntnisse zu Möglichkeiten der Gestaltung audiovisueller Medien vorhan- den. Dieses vorhandene Wissen und diese Erfahrungen sind nun für den Beruf nutzbar zu machen und auf ein solides Fundament zu setzen. Die Einsatzmöglichkeiten der Videos im Arbeitsalltag sind vielseitig. So können beispielsweise Erklärvideos, Imagefilme oder Inhalte für Social-Media-Kanäle erstellt werden. Da zu einer guten multimedialen Inszenierung mehr gehört als einfach nur auf den Knopf einer Kamera zu drücken, entstehen eine ganze Reihe an Nebenprodukten während der Durchführung. Diese Zusatzkompetenzen liegen beispielsweise im Bereich Dateimanagement, Arbeitsorganisation und Drehskripterarbeitung. So sollen der allgemeine Umgang mit dem Computer trainiert und die allgemeinen EDV-Kenntnisse erweitert werden. Die Erfahrungen der bisherigen Schulungen zeigen, dass die anfängliche Skepsis der Teilnehmenden rasch in einen hohen Motivationsschub umschlägt und die Qualitätsansprüche an die eigenen Ergebnisse enorm steigen. 3 | d.a.v.i.t. – der multimediale Zusatz für die Berufsausbildung 231 Zielgruppe In erster Linie ist die d.a.v.i.t.-Schulung gerichtet an betriebliche Ausbildungsverantwortliche kleiner und mittlerer Unternehmen, Ausbilder*innen überbetrieblicher Berufsbildungszentren, Lehrkräfte aus Berufsschulen sowie Multiplikator*innen der beruflichen Bildung, aber auch direkt an Auszubil- dende. Sie kann als reine Azubi-Schulung, als Ausbilder-Azubi-Tandem oder als Train-The-Trainer- Schulung angeboten werden. Nach den bisher gemachten Erfahrungen liefert die Variante Ausbil- der-Azubi-Tandem qualitativ die hochwertigsten Ergebnisse. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Ausbildungspersonal die nötige Disziplin und Erfahrung mitbringt, um die Kreativität des Auszubil- denden in die richtigen Bahnen zu lenken. So entsteht eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten und die Implementierung der erworbenen Kenntnisse im eigenen Betrieb wird ermöglicht. Didaktisches und methodisches Konzept Für die Schulung steht jeweils einer Gruppe aus zwei bis drei Teilnehmenden ein d.a.v.i.t.-Koffer zur Verfügung. Auch wenn später eigene Hard- und Software benutzt werden kann, ist es wichtig, auf diese Weise allen Teilnehmenden während der Schulung die gleichen technischen Voraussetzungen zu bieten. Dadurch können Instruktionen vereinheitlicht werden und der Austausch zwischen den Gruppen ist reibungslos möglich. Abb. 2: Pilotschulung im Bildungszentrum Handwerk der Kreishandwerkerschaft Duisburg (Foto: KH Qualifizierungs- und Vermittlungs-GmbH) 232 Michael Trommen | Jan Kutscha Der Schulungsverlauf zeichnet sich durch einen hohen Praxisanteil aus. Alles, was besprochen oder gezeigt wird, kann sofort praktisch umgesetzt werden. Der schnelle Wechsel zwischen Theorie und Praxis erhält die Aufmerksamkeit, steigert die Motivation und ermöglicht eine rasche Elaboration der erlernten Inhalte (vgl. Sünkel 1998, 42). Der Schulungsverlauf Die Schulung beginnt mit einer Fragerunde nach den bisherigen Erfahrungen der Teilnehmenden im Bereich EDV und Videobearbeitung. Hier kristallisieren sich mögliche „Assistenten“ für verschie- dene Spezialbereiche heraus. Das Themenfeld Datenschutz und Nutzungsrecht wird in Form eines offenen Gesprächs behandelt. Rückfragen und Erfahrungsaustausch helfen, diesen eher trockenen, aber wichtigen Themenbereich mit Leben zu füllen. Grundsätzliche Fragen zum Dateimanagement werden geklärt. Beispielsweise: Warum ist es sinnvoll, einen Projektordner anzulegen? Wie lege ich eine geeignete Verzeichnishierarchie an? Weshalb sollten Dateien erst auf dem Computer kopiert und nicht auf der SD-Karte der Kamera bearbeitet werden? Anschließend werden Gruppen gebildet. Jede Gruppe bekommt etwas Zeit und entwirft eine Skizze, wie ein Video aussehen könnte. Es folgt eine gemeinsame Besprechung der geplanten Videoinhalte jeder Gruppe. Dabei werden verschiedene Techniken anhand von für diesen Zweck erstellten Beispielvideos gezeigt. Beispielvi- deos sind verfügbar unter https://vierpunkteins-nrw.de/schulungen/d-a-v-i-t/. Alle Teilnehmenden erhalten Instruktionen, welche Formalitäten es einzuhalten gilt (z. B. die Markierung von Regiean- weisungen oder die Nennung des*der Sprecher*in). Gemeinsam werden die Videovorstellungen schriftlich fixiert. Sprechtexte müssen wortwörtlich niedergeschrieben werden. Jede Gruppe macht sich mit der Kamera vertraut und dreht im Schulungsraum ein erstes Minivideo. Wenn eventuell aufkommende Fragen zur Handhabung der Geräte geklärt sind, wird ein Zeitpunkt festgelegt, an dem sich alle wieder im Schulungsraum einfinden und das geplante Video gedreht werden soll. Dieses erste Video dient vorrangig dazu, sich mit den verschiedenen Drehtechniken und Software-Produkten vertraut zu machen. Die Teilnehmenden haben für gewöhnlich schon eine abstrakte Idee welche Art von Video erstellt werden soll, allerdings spielt das Thema an dieser Stelle eher eine untergeordnete Rolle. Gängige Darstellungsformate sind: Interviews, Vorstellungsvideos für die Firma, Lehrvideos und Produktvorstellungen. Während des Videodrehs, stehen die Dozenten im Schulungsraum für Rückfragen zur Verfügung. Typische Fragen sind: › Wie kann ich ein Logo in die Ecke eines Videos setzen? › Kann ich zwei Übergänge kombinieren? › Warum sollte ich MP3-Dateien in WAV-Dateien umwandeln? 3 | d.a.v.i.t. – der multimediale Zusatz für die Berufsausbildung 233 1 Einführung und Entwicklung Postproduktion Vorvereitung 1,5 Std 2 und Produktion 2,5 Std 3 und Auswertung 2,5 Std • Projekt- und Ziel- • Skriptentwicklung • Video-Verwaltung vorstellungen im Projektordner • Handhabung • Vorstellung d.a.v.i.t. Kameratechnik • So…ware-Einweisung Medienkoer OpenShot, Audacity, Grafik • Dateimanagement • Datenschutzinfos • Video- und Audiobearbeitung • Videoaufnahmen • Anregung durch • Ergebnissicherung Beispielvideos • Aufgabenverteilung und Gruppenbildung Abb. 3: Verlauf der eintägigen d.a.v.i.t.-Schulung (eigene Darstellung) Das aufgezeichnete Videomaterial wird auf die d.a.v.i.t.- Laptops in die Projektordner kopiert und mit der Schnittsoftware bearbeitet. Die Einweisung in die Software kann dabei kurzgehalten werden, da die Teilnehmenden erfahrungsgemäß intuitiv mit der Oberfläche umgehen können. Spezielle Fragen nach Zeitlupen-/ Zeitraffereffekten, Überblendeffekten, etc. werden per Beamer an Beispielen für alle erklärt und von den Teilnehmenden direkt am eigenen Video umgesetzt. Je nach Videogestal- tung der Gruppen ist darauf zu achten, dass eventuell ein zusätzlicher Ruheraum für Audioaufzeich- nungen der Sprecher benötigt wird. Die vorletzte Phase der Schulung ist individuell gestaltet. Die gewünschte Art der Vertonung ist hierbei der entscheidende Faktor. Soll Hintergrundmusik zu hören sein? Ist ein Sprecher aus dem Off zu hören? Die ersten Videos werden nun gerendert und vorgeführt, dabei werden Verbesserungsvor- schläge gemacht und Probleme bei der Umsetzung besprochen. Alle Teilnehmenden beenden die Schulung mit einem ersten selbst erstellten Video. Durch den konsequenten Einsatz von Open-Source-Software wie OpenShot Video Editor, Audacitiy und Apache OpenOffice können die Teilnehmenden nach der Schulung sämtliche Software, die verwendet worden ist, auch weiterhin zu Hause oder im Betrieb nutzen, mit oder ohne d.a.v.i.t.-Koffer. Die Schu- lung hat anfängliche Skepsis und Berührungsängste überwunden. Im Anschluss haben die Teilnehmen- den die Möglichkeit, sich bei Bedarf selbstbestimmt mit der Materie zu beschäftigen, da das notwendi- ge Handwerkszeug bekannt ist. Das ist der Moment, in dem Bildung in der digitalen Welt beginnt. Realisierung Bei der Entwicklung des Lehrgangskonzepts war das Feedback von ausgewählten und interessierten Ausbilder*innen bereits in der frühen Konzeptionierungsphase ausschlaggebend für die weitere Aus- arbeitung und Modifikation des Konzeptes. Weckte ein Vorschlag das Interesse der Fachausbilden- den, flossen Kritik und Ideen direkt in die Entwicklung ein. Der unkomplizierte und schnelle Kontakt 234 Michael Trommen | Jan Kutscha zu den Fachausbildenden in den überbetrieblichen Lehrgängen und Umschulungsmaßnahmen ist eines der wichtigsten Mittel zur frühen, formativen Evaluation. In d.a.v.i.t.-Pilotfortbildungen wurde die Praxistauglichkeit des Schulungsformats in absichtlich sehr kleinen Gruppen von vier bis sechs Personen getestet, um konkret auf Fragen der Teilnehmenden eingehen zu können. Vertreten waren Auszubildende aus den Bereichen Sanitär-Heizung-Klima (SHK), Elektro, Straßenbau, Maler/Lackierer und aus dem kaufmännischen Sektor. In diesen ersten Schulungen entstanden bereits Videos, die die qualitativen Erwartungen des Teams übertroffen ha- ben. Die Teilnehmer*innen waren sehr motiviert und hatten nach anfänglicher Skepsis schnell hohe Ansprüche an ihre eigenen Leistungen. Die Erfahrungen aus den ersten Pilotschulungen ermöglich- ten eine zielgruppenorientierte Überarbeitung des Schulungsablaufs. Bereits in der frühen Pilotpha- se wurde festgestellt, dass für die praktische Phase bestehend aus Skripterarbeitung, Videodreh und Videobearbeitung besonders viel Zeit eingeplant werden muss (Abb. 3). Außerdem wünschten sich die Teilnehmenden Beispielvideos zur Veranschaulichung einzelner Video- und Drehtechniken. Die- se Kritikpunkte wurden in den obligatorischen Evaluationsphasen kontinuierlich in das didaktische Konzept der Schulung integriert. Weitere d.a.v.i.t.-Schulungen fanden ähnlich erfolgreich statt. Das Feedback der Teilnehmenden war durchweg positiv. Problematisch stellte sich einzig die Einschätzung der Zeit heraus, die die Auszu- bildenden von den Betrieben zur Verfügung gestellt bekommen, um ein Video zu produzieren. Hier sind die Betriebe sehr zurückhaltend, obwohl das Angebot von den Geschäftsführern auch aufgrund der vermittelten Kompetenzen im EDV-Bereich unabhängig von den Videos sehr positiv eingeschätzt wird. In den meisten Betrieben stehen nur geringe Ressourcen zur strategischen Entwicklung mit Blick auf Digitalisierungs-Knowhow zur Verfügung. Die Auszubildenden der KMU sind häufig besser über den Berufsschulunterricht und über die überbetriebliche Ausbildung zu erreichen. Im besten Fall fungieren die Auszubildenden anschließend als „digitale Botschafter“ und unterstützen den Ausbildungsbetrieb bei der Entwicklung neuer Lösungen in der digitalen Welt. Ergebnisse und Produkte Es ist zu unterscheiden zwischen dem d.a.v.i.t.-Koffer und der dazu gehörigen Schulung als Produkt – zum Beispiel für Bildungsträger, die selbst ähnliche Schulungen durchführen möchten, und den Ergebnissen in Form erstellter medialer Inhalte für Betriebe oder Schulprojekte. Die Ergebnisse und Nutzungsmöglichkeiten aus dem Fortbildungsformat sind vielfältig. Beispielsweise können konkrete Inhalte in den Bereichen Social Media, Erklärvideos und Homepage generiert werden. Neben den multimedialen Produkten sind ein wichtiger Output die neuen universell einsetzbaren Kompeten- zen im EDV-Bereich wie allgemeiner Umgang mit dem Computer, spezielle Kenntnisse über digitale Abläufe, Dateimanagement, Datenschutz und Informationssicherheit sowie rechtliche Grundlagen. Im Anschluss an jede Schulung besteht die Möglichkeit, den Medienkoffer auszuleihen. Er kann genutzt werden für die Erstellung von Erklärvideos, für die Content-Generierung für Social Me- dia Beiträge, für die Erstellung von Imagefilmen und für die Entwicklung zeitgemäßer Medien zur 3 | d.a.v.i.t. – der multimediale Zusatz für die Berufsausbildung 235 Ansprache potenzieller Nachwuchskräfte. Folgende Punkte sind Erfolgsindikatoren einer qualitativ hochwertigen Umsetzung: 1. Essenziell ist die Mitarbeit des Betriebs, der die nötigen Freiräume schaffen muss. 2. Eine klar formulierte Zielsetzung hilft den Durchführenden bei der Umsetzung. 3. Unterstützung erfahrener Mitarbeiter*innen hilft, klare Strukturen zu entwickeln. Das attraktive Medium des Videos kann helfen, die Zusammenarbeit zwischen der jüngeren Gene- ration (Auszubildende) und der älteren Generation (Ausbilder*innen, Geschäftsführer*innen) zu ver- bessern. Für beide Seiten besteht der Nutzen in einer zunehmenden Identifizierung mit dem Betrieb, wenn die Auszubildenden beispielsweise an internen Medien-Projekten mitwirken (dürfen). Da sich das Handwerk „mit einem gravierenden Mangel an Facharbeiternachwuchs konfrontiert sieht […]“, ist es wichtig für die personelle Zukunft der Betriebe die Ausbildung attraktiver zu gestalten (Fried- rich-Ebert-Stiftung 2019, 9). Erprobung, Empfehlungen und Transfer Die Videos, die in den Betrieben entstanden sind, waren qualitativ überwiegend sehr hochwertig (Abb. 4), so dass davon auszugehen ist, dass das Fortbildungsformat den gewünschten Lernerfolg erzielt. Für die Schulung wird ein Raum mit Beamer und Lautsprechern benötigt. Im besten Fall arbeiten zwei Teilnehmende zusammen mit einem d.a.v.i.t.-Medienkoffer. Für Sprachaufnahmen sollte ein weiterer ruhiger Raum zur Verfügung stehen, in den sich einzelne Gruppen zum Einsprechen von Text zurückziehen können. Grundsätzlich sollte die Schulung von zwei Lehrenden durchgeführt wer- den, von denen sich einer mehr auf die technischen Details spezialisiert und einer mehr auf Fragen zur Methodik und Inszenierung. Abb. 4: Bilder aus einem Video von Teilnehmenden zur Darstellung ihres Betriebes im Anschluss an eine d.a.v.i.t-Schulung (Bilder: eepos GmbH) 236 Michael Trommen | Jan Kutscha Bei dem besonders in diesem Bereich wichtigen Thema Datenschutz kommen, vor allem bei der Arbeit mit Auszubildenden, selten Rückfragen. Jüngere Teilnehmende gehen erfahrungsgemäß unbedarft an diese Thematik heran. Hierzu sollten einige Fragen an die Teilnehmenden gerichtet werden, um die Auseinandersetzung mit der Thematik aktiv zu fördern. Die Hauptfunktionen der verwendeten Programme sind durch eine intuitiv gestaltete Oberfläche selbsterklärend, und die meisten Teilnehmenden finden sich rasch damit zurecht. Oft entstehen Fragen zu speziellen Funktionen, die sehr im Detail liegen. Obwohl es sich ausdrücklich nicht um eine Produktschulung handelt, sollten die Lehrenden mit den Möglichkeiten und Grenzen der jewei- ligen Software gut vertraut sein. Manche Detailfragen können jedoch nicht im Rahmen der Schulung geklärt werden. Hier hilft unter Umständen ein Verweis auf externe Quellen wie Youtube, Wikipedia, usw., die dieses Problem ausreichend behandeln und eine gute Möglichkeit zum selbstgesteuerten Lernen im digitalen Umfeld bieten. Nach der Schulung sind die Teilnehmenden sehr motiviert und möchten ihr erstes Projekt häufig schnell realisieren. In dieser Phase ist eine weitere Betreuung wichtig. Ausbilder*innen bzw. Be- treuer*innen sollten hier die Teilnehmenden begleiten und ihre Kreativität in die richtigen Bahnen lenken. Wenn die Vorbereitung des Videos nach der Schulung nur unzureichend erfolgt und Teilneh- mende auf Kosten der Qualität direkt loslegen, erzeugen die Ergebnisse zumeist eher Enttäuschung als weitere Motivation. Ausbilder*innen sollten zumindest am Anfang mit den Auszubildenden eine klare Arbeitsstruktur vorgeben und Zwischenergebnisse (z. B. Skript, Einzelaufnahmen) einfordern. Im besten Fall wird auch im Betrieb eine kleine Projektgruppe gebildet, die ausreichend Reflexions- fläche und Kritik bietet, um die erwünschte Qualität zu erzielen. Fazit und Ausblick Zusammenfassend ist der d.a.v.i.t.-Medienkoffer ein erster konkreter Schritt, multimediale Technolo- gien direkt in die Betriebe zu bringen und dem Personal allgemeine digitale Kompetenzen zu vermit- teln. Das Erfolgsrezept, das Nachhaltigkeit garantiert, besteht darin, bei den jüngsten Mitgliedern des Betriebes anzusetzen und zugleich erfahrenes Personal einzubinden. Um dieses Konzept zu verbreiten, werden berufliche Ausbildungszentren und Berufsschulen mit einbezogen. Mit der Handwerkskammer Dortmund wurden bereits Gespräche geführt und konkre- tes Interesse wurde dort von den Verantwortlichen der überbetrieblichen Ausbildung im Berufsfeld „Kaufleute für Büromanagement“ geäußert. Darüber hinaus besteht bereits eine Kooperation mit dem Projekt „Fit in Ausbildung; Perspektive 4.0!“ der IHK Köln, die regelmäßig positives Feedback liefert. Für die Zukunft ist unter dem Arbeitstitel GOLIATH ein weiteres Schulungsformat geplant, das auf d.a.v.i.t. aufbaut. Vorgesehen sind darin Zusätze wie Wärmebildaufnahmen, Drohnenflüge und 360-Grad-Videos. 3 | d.a.v.i.t. – der multimediale Zusatz für die Berufsausbildung 237 Literatur und Quellen IMBSE Institut für Modelle beruflicher und sozialer Entwicklung GmbH (2018): Bestandsaufnahme zur Digitalisierung im beruflichen Lernen. Eine empirische Standortbestimmung der vierpunkteins-Verbundpartner mit 75 Berufsbildungsakteuren. Online: www.vierpunkteins.net/ bestandsaufnahme-zur-digitalisierung-im-beruflichen-lernen/ (25.04.2019) Friedrich-Ebert-Stiftung – FES (Hrsg.) (2019): Das Handwerk wird digital – Bedeutung für Betriebe, Beschäftigte und Marktstrukturen. Bonn Prange, K. (2012): Die Zeigestruktur der Erziehung – Grundriss der operativen Pädagogik. Paderborn, Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG Sünkel, W (1998): Phänomenologie des Unterrichts. Weinheim/München, Juventa Verlag 238 Cim corum aut fugitat iorporporia sum quo odici vid untur TRANSFER, VERBREITUNG UND VERNETZUNG Cim corum aut fugitat iorporporia sum quo odici vid untur 239 Vernetzung und Transfer für digitales bauberufliches Lernen und Arbeiten (DigiBAU) Stefan Krümmel | Franz Ferdinand Mersch | Hannes Ranke Expertenstatus? Nicht vergeben. vierpunkteins begleitet KMU im digitalen Wandel Tarek Lababidi 240 Stefan Krümmel | Franz Ferdinand Mersch | Hannes Ranke VERNETZUNG UND TRANSFER FÜR DIGITALES BAUBERUFLICHES LERNEN UND ARBEITEN (DIGIBAU) Stefan Krümmel | Franz Ferdinand Mersch | Hannes Ranke Mit der Weiterentwicklung und überregionalen Verfügbarmachung ausgewählter digitaler Bildungs- ressourcen und Qualifikationsangebote zielen Partner im Kompetenznetzwerk Bau und Energie e. V. im Verbundprojekt „DigiBAU“ darauf ab, den großen Digitalisierungsbedarfen mit Beratung und Qualifizierung der Baufachkräfte in den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) nachzukommen. Konzepte für einen Wissenstransfer im Netzwerk und darüber hinaus sind dazu zu verstetigen, zu erneuern und auszuweiten. Schlüsselbegriffe › Kompetenznetzwerk Bauen und Energie e. V. › Überbetriebliche Ausbildung › Digitalisierung des Lernens, Lehrens und Arbeitens › Digital gestützte Lernangebote in einem virtuellen Schaufenster › Digitalisierungstendenzen in überbetrieblichen Ausbildungszentren und in KMU Herausforderungen in der Baubranche Betrachtet man die Planungs- und Ausführungsprozesse kleinerer und mittlerer Bauunternehmen wird deutlich, dass die Digitalisierung hier bisher kaum Einzug gehalten hat. Herausforderungen für KMU liegen u. a. in personellen und infrastrukturellen Investitionen und den damit verbundenen unternehmerischen Risiken. Diese werden nur sehr zögerlich von den KMU – zumal allein – ein- gegangen. Verglichen mit größeren Unternehmen und Betrieben IT-affiner Branchen sind auch deshalb Umfang und Tiefe der Digitalisierung in den baubezogenen KMU heute eher gering. Nicht förderlich für die Digitalisierung der kleinen und mittleren Bauunternehmen scheinen insbesondere die Besonderheiten der Baubranche zu sein. Eine kleinteilige Betriebsstruktur, die Vielfalt der am Bau beteiligten Gewerke, verschiedene Bauaufgaben bei einer weitgehenden Auftragsproduktion an wechselnden Orten, aber auch starke saisonale Einflüsse sind Umstände, 4 | Vernetzung und Transfer für digitales bauberufliches Lernen und Arbeiten (DigiBAU) 241 die eine „Top-Down-Digitalisierung“ – wie sie beispielsweise in größeren Industrieunternehmen möglich ist – erschweren. Dennoch haben sich heute auch in Betrieben des Bauwesens Geräte mit Internetzugang flächendeckend verbreitet. Allerdings werden diese hauptsächlich für die Recherche und Kommunikation und seltener in der betrieblichen Ausbildung verwendet (vgl. Gensicke u. a. 2016, 27; 46). Gründe für die vergleichsweise geringe Anwendung digitaler Technik im Lernmedienbereich liegen zumeist in den arbeitsorganisatorischen Besonderheiten von KMU und in engen zeitlichen Freiräu- men von Selbstständigen und Fachkräften. Nicht gesehen werden häufig die zahlreichen Potenziale digitaler Technik und digitaler Lernangebote im Baubereich (vgl. Kölzer/Ranke 2014) – etwa auch zur Optimierung von Unternehmens-, Organisations- und Arbeitsprozessen. Unterschätzt wird zudem vielfach die hohe Bedeutung zukünftiger digitaler Technologien wie etwa BIM (Building Information Modeling) (vgl. Jehle u. a. 2011 und 2013), 3D-Druck oder VR/AR (Virtual/Augmented Reality) im Bau- handwerk, welche voraussichtlich die Arbeit und Technik sowie die Wettbewerbsfähigkeit in KMU in naher Zukunft maßgeblich beeinflussen werden. Durch die fortschreitende Digitalisierung der Baufacharbeit einerseits, andererseits durch die Tatsa- che, dass Baubetriebe und Fachkräfte diese Entwicklungen wenig beobachten und nur begrenzt An- gebote entsprechender Fort- und Weiterbildung wahrnehmen, ergeben sich weitreichende Bedarfe für Aufklärung, Beratung und Qualifizierung der Baufachkräfte in den KMU. Mit Blick auf diese Überlegungen wird deshalb nachfolgend ein Ansatz erörtert, mit dem im Ver- bundprojekt DigiBAU (Digitales Bauberufliches Lernen und Arbeiten, www.digibau.eu) die Digitalisie- rung bauberuflicher Arbeits- und Lernprozesse befördert werden soll. Darin sind die Ausgangslage und die grundlegenden Intentionen im Projektzusammenhang beschrieben, die auf Abstimmung und Vernetzung bestehender Kompetenzen, Bildungsangebote und Unterstützungsleistungen im DigiBAU-Verbundnetzwerk abzielen. Besonders berücksichtigt werden dabei die Maßnahmen zur aktiven und kontinuierlichen Einbindung adressierter Betriebe. Im dritten Kapitel werden Ziele und Methoden zur Erhebung der Digitalisierungstendenzen im Forschungsfeld Digitales Arbeiten aufgezeigt sowie Ansatzmöglichkeiten zum Transfer der gewonnenen Erkenntnisse in die Baufirmen, überwiegend kleine und mittlere Unternehmen, vorgestellt. Der Teil schließt mit einem ersten kon- kreten Beispiel aus einem Ausbildungszentrum in Hamburg, das digitales Arbeiten in überbetriebli- chen Bildungsprozessen mit digitalen Arbeitsprozessen in Baufirmen verbinden möchte. Abschlie- ßend resümieren die Verfasser den bisherigen Projektstand auch mit kritischem Blick. Digitalisierung bauberuflicher Arbeits- und Lernprozesse befördern Zielsetzungen des Verbundprojekts DigiBAU Mit Blick auf die Herausforderungen in der Baubranche wird das übergeordnete Ziel verfolgt, die Kooperationsbeziehungen, den Austausch und den Transfer mit Blick auf die Digitalisierung bauberuf- lichen Arbeitens und Lernens im Kompetenznetzwerk Bau und Energie zu verstetigen, zu vertiefen und zu innovieren. Das Kompetenznetzwerk Bau und Energie e. V. (www.komzet-netzwerk-bau.de) ist ein 242 Stefan Krümmel | Franz Ferdinand Mersch | Hannes Ranke bundesweiter Zusammenschluss anerkannter Kompetenzzentren der Berufsbildung im Baubereich mit dem Ziel, durch Kooperation und Bündelung von Kräften Standards zu etablieren und Bildungsan- gebote weiterzuentwickeln, insbesondere bei den Querschnittsaspekten wie etwa Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Entsprechende Umsetzungen im genannten Projektzusammenhang stellen sich als aufeinander abgestimmte Maßnahmen von Digitalisierung, Bildung und Vernetzung dar. Sie bauen auf bestehende Strukturen und Inhalte des Kompetenznetzwerkes auf. Beabsichtigt werden im Einzelnen › das Erheben von Stand und Bedarf digitaler Ressourcen und Qualifizierung in KMU und im Netz- werk, um Bildungsmaßnahmen passgenauer zu entwickeln, Transferstrukturen gezielter anzule- gen und Anstöße für zukünftige Maßnahmen zu gewinnen, › die Verbreitung bauspezifischer digitaler Bildungsangebote (bei Wahrung von Urheber- und Nut- zungsrechten sowie Datenschutz), um sie ortsunabhängig und überregional nutzbar zu machen, › der Ausbau von Qualifizierungsangeboten für Baubetriebe zur Digitalisierung ihrer Arbeitswelt und Arbeitsprozesse, was die Beratung und Unterstützung der KMU zum Einsatz digitaler Techni- ken und technischer Infrastruktur im Bau einschließt, › das Erarbeiten umsetzbarer, offener Standards für digitale Bildungsangebote und Vorgänge digi- talen Transfers, um Transferprozesse zu vereinfachen und Kompatibilität und damit die Nachhal- tigkeit von Bildungsangeboten im Bauwesen zu gewährleisten, › die Weiterentwicklung bestehender digitaler Transfer- und Lerninfrastrukturen im Netzwerk, um das Übertragen und die Verbreitung bauberuflicher Bildungsangebote und Expertise in Koopera- tion mit KMU zu beschleunigen, › das Erhöhen der Sichtbarkeit und Transparenz existenter und zukünftiger Angebote, um die Auf- merksamkeit und das Bildungsinteresse innerhalb des Kompetenznetzwerkes Bau und Energie e. V. und damit verknüpfter Partner-Netzwerke zu steigern, › die Entwicklung von Lernangeboten für die Aus-, Fort- und Weiterbildung zur Vorbereitung der digitalen Berufswelt im Bau, › der Ausbau der Verknüpfungen zu benachbarten Netzwerken, um die Partizipation und das Von- einander-Lernen der Partner innerhalb der Netzwerke zu stärken und › die Steigerung der Wahrnehmung des Netzwerkes mit seinen digitalisierten Lernmedien und sonstigen Angeboten im öffentlich-politischen Raum und bei den Zielgruppen im regionalen Umfeld der Partner. Grundlegende Intention des DigiBAU-Verbundes ist es damit, bisherige Tätigkeiten und Kooperationen im Gesamtzusammenhang digitaler Lern- und Arbeitsprozesse im Bauwesen weiter auszubauen, zu systematisieren und zu vertiefen. Diese Absichten zielen insgesamt darauf, den Transfer und Aufbau von Wissen und digitaler Expertise in KMU des Baubereichs zu erweitern und wirkungsvoller zu gestalten. Abstimmung und Vernetzung bestehender Kompetenzen, Bildungsangebote und Unterstützungsleistungen im DigiBAU-Verbundnetzwerk Motivationale Grundlage der Kooperationen im Verbundnetzwerk ist die langjährige Zusammenar- beit der Partner im Kompetenznetzwerk Bau und Energie e. V. Deren Kooperationserfahrungen füh- ren auf gemeinsame Tätigkeiten in unterschiedlichsten Projektkonstellationen bereits ab Mai 2008 zurück. Im Netzwerk haben die bauberuflich und fachdidaktisch agierenden Hochschuleinrichtun- 4 |Vernetzung und Transfer für digitales bauberufliches Lernen und Arbeiten (DigiBAU) 243 gen als assoziierte Partner beratende und unterstützende Funktion. In den gemeinsamen Projekten sind sie von gleichrangiger Bedeutung. Übergeordnetes Ziel im DigiBAU-Projektverbund ist der Aufbau eines Mehrebenen-Strukturkonzeptes für digitales bauberufliches Lernen und Kooperieren im Netzwerk. Diese Innovation besteht aus aufeinander abgestimmten Maßnahmen von Digitalisierung, Bildung und Vernetzung, was die Kooperationen im Verbundnetzwerk wesentlich prägt. Sie gewinnen inhaltlich und organisational insbesondere durch die Einbeziehung und durch die kollaborative Zusammenarbeit mit den be- teiligten KMU. Deren gemeinsame Tätigkeiten und Projektbeiträge erfolgen in Präsenztreffen sowie in digitalen Formaten unter Begleitung und Moderation bzw. Leitung von DigiBAU-Experten in den jeweiligen Projektregionen. Insbesondere die DigiBAU-Experten gewährleisten den engen Kontakt zu den Fachkräften und Ausbilder*innen in den Baubetrieben. Die Experten sind zudem Mittelpunkt der „Community of Practice“ (CoP), welche wiederum übergreifend den kooperativen Verbund aller Ebenen im Mehrebenen-Strukturkonzept garantieren. Kollaborativ eingebunden sind auf diese Weise die KMU, die Kompetenzzentren als Verbundpartner sowie die Vernetzungs- und Transferstelle. Die Vernetzungs- und Transferstelle initiiert, koordiniert, moderiert und überprüft Kooperationen zwischen allen Partnern des Vorhabens. Das erfolgt durch den stetigen Austausch mit den Projekt- partnern und in der CoP mit den DigiBAU-Experten. In einem übergeordneten kollaborativen Sinn sind auch administrative Aufgaben der Vernetzungs- und Transferstelle zu verstehen, welche die Planung, Umsetzung und Darstellung der Aktivitäten im DigiBAU-Verbund betreffen. Dazu gehört es, zwischen Partnern zu vermitteln und gemeinsame Lösungen zu finden. Übergeordnet werden in der Vernetzungs- und Transferstelle die Aufgaben und Funktionen der Projektleitung und Koordination verbundübergreifender Aktivitäten (z. B. Synergieforen realisieren, Fristeinhaltungen sicherstellen, Information verteilen) wahrgenommen. Im Rahmen einer berufswissenschaftlichen Analyse, die insbesondere auch die Qualifizierungs- und Kooperationsstrukturen im Netzwerk fokussiert, werden die Qualifizierungsbedarfe von Ausbil- der*innen und Fachkräften in den Kompetenzzentren und den KMU identifiziert und detailliert erhoben. Es ist davon auszugehen, dass berufsübergreifende betriebliche Qualifizierungsbedarfe zunächst insbesondere in Themenfeldern technisch-digitaler (z. B. Bring Your Own Device [BYOD], Datenschutz, Datenspeicherung) und rechtlicher (z. B. Urheberrecht, Nutzungs- und Verbreitungs- fragen) Sicherheit bestehen. Vor allem werden in den Erhebungen auch gewerblich-technische und berufsbildungsspezifische Anforderungen berücksichtigt, die sich aus der Digitalisierung der Bauarbeit für die Qualifizierung des betrieblichen Ausbildungspersonals in Baubetrieben ergeben. Entsprechende Weiterbildungsangebote für betriebliche Ausbildende – soweit diese bereits an einzelnen Kompetenzzentren bestehen – werden im Netzwerk durch die CoP jeweiligen Aus- und Weiterbildungssujets, Lernvoraussetzungen und -umgebungen digitalen Lernens angepasst. Sind zusätzliche, weiterführende Angebote erforderlich, werden diese kollaborativ (weiter-)entwickelt. Bevor bestehende Leistungen, Angebote und Expertisen abgestimmt und vernetzt werden können, werden diese bei den Partnern und Betrieben erhoben und analysiert. Mit Blick auf digitale Lern- prozesse in den jeweiligen Partnereinrichtungen wird beispielsweise festgestellt, welche digitale 244 Stefan Krümmel | Franz Ferdinand Mersch | Hannes Ranke technische Lerninfrastruktur Verwendung findet. Ferner wird erhoben, welche Kursangebote mit online-Anteilen bei den Partnern bestehen, welche digitalen Lernmedien eingesetzt werden, was besonders intensiv genutzt wird oder wo Erfolgsfaktoren liegen und vor allem, wo sich Hemmnisse für eine intensivere, breitere und betriebspraktische Nutzung ausmachen lassen. Was die Qualifizie- rung für digitale Technik in der Bauarbeit betrifft, wird bestimmt, welche Bildungsangebote speziell für die Digitalisierung in bzw. von Arbeitsprozessen qualifizieren. Vergleichend analysiert werden beispielsweise Optionen der Durchführung in separaten Weiterbildungskursen und in der Aus- und Fortbildung. Vorhandene Informations- und Beratungsangebote für KMU zum Einsatz digitaler (Lern-)Techniken, aber auch zu den damit verbundenen weiteren Veränderungsprozessen wie Personal-, Organisationsentwicklung und Marketing werden kriterienbezogen bewertet. Das strukturelle Ergebnis ist eine Gesamtschau vorhandener Bildungsangebote und Unterstützungs- leistungen, die es ermöglicht, Doppelarbeiten zu vermeiden, Synergieeffekte zu veranschaulichen, aber auch nicht besetzte Themenfelder oder inhaltliche Redundanzen zu identifizieren. Sie ist damit eine bindende Grundlage für die Abstimmung und Vernetzung bestehender Kompetenzen. Inhaltlich angestrebt wird eine ausgewogene Verteilung partnerspezifischer Profilthemen (z. B. elementiertes Bauen, Versorgungstechnik, Restaurierung, Holz und Ausbau) sowie insbesondere auch partnerübergreifender Querschnittsthemen (Arbeitssicherheit, Ökologie und Nachhaltigkeit, Gewerke-Kooperation), die Abstimmung und Vernetzung zugleich voraussetzen und fördern. Die Ergebnisse einer solchen Erhebung sind strukturiert und für alle Partner leicht recherchierbar im Netzwerk anhand eines virtuellen Schaufensters darzustellen (siehe Abb. 1). Abb. 1: Virtueller Arbeitsraum der Community of Practice und Angebote des bauberuflichen Lernens und Arbeitens in einem virtuellen Schaufenster (Grafik: Mersch/TU Hamburg) 4 |Vernetzung und Transfer für digitales bauberufliches Lernen und Arbeiten (DigiBAU) 245 Darin präsentieren und finden Netzwerkpartner digitale Lernangebote, Lösungen und Unter- stützungsleistungen. So lassen sich Themennachbarschaften und Vernetzungsoptionen einfach hervorheben. Anhand des virtuellen Schaufensters sind ferner Interessengruppen unter den Netzwerkpartnern und Akteuren gut zu identifizieren und aufeinander aufmerksam zu machen. Das wiederum lässt sich durch virtuelle Kommunikationsstrukturen befördern. Es erleichtert Personen aus dem Netzwerk anhand individueller Profile die Kontaktaufnahme und das Aufteilen von Arbeitspaketen. Baubetriebe profitieren von einem auf diese Weise präsenten, überregionalen vernetzten Fort- und Weiterbildungsangebot für digitales bauberufliches Lernen. In der Zusammenstellung verschiedens- ter Angebote können z. B. betrieblich Ausbildende in den KMU und auch Fachkräfte eigeninitiativ nach Lernangeboten recherchieren und Kontakte in Erfahrung bringen. Maßnahmen zur aktiven Einbindung adressierter Betriebe Übergeordnete Ziele des Projektes liegen darin, die Weiterbildungsangebote systematischer und nachhaltiger auf gegenwärtige und zukünftige Bedarfe von Baubetrieben abzustimmen sowie hierfür erforderliche Transferstrukturen zu optimieren bzw. – falls erforderlich – zu schaffen. Bereits vor Projektbeginn konnten mehr als fünfzig KMU für die Teilnahme an Erhebungen und Workshops sowie zur Erprobung und Evaluation digitaler Arbeit und Weiterbildungsangebote gewonnen werden. Mit Unterstützung betrieblicher Ausbilder*innen können sowohl eigene zukunftsorientierte Qualifizierungsbedarfe als auch jene der Mitarbeiter*innen aus baubetrieblichen Umfeldern erhoben werden. Erfasst werden dabei auch aktuelle und zukunftsträchtige digitale Techniken für Kommu- nikations- und Transferprozesse wie Baustellen-Tablets oder vernetztes Arbeiten in der Werkhalle. Erkenntnisse aus der Einbindung von Baubetrieben bilden die Grundlage der in der Community of Practice zu diskutierenden Themenbereiche im Vorfeld von Entwicklungs- und Transfertätigkeiten. Im Ergebnis eines auf diese Weise überregionalen Austausches der DigiBAU-Expert*innen in der CoP und unter Moderation der Vernetzungs- und Transferstelle kristallisiert sich eine Rangfolge von Themen zu Qualifikationsbedarfen sowie Kommunikations- und Transfertechniken heraus, zu denen betriebsgerichtete Maßnahmen entwickelt und zugeordnet werden können. Dies erfolgt in regionalen Tandems oder Tridems, bestehend aus Ausbilder*innen beteiligter KMU und den DigiBAU-Expert*innen jeweiliger regionaler Kompetenzzentren. Damit wird zum Auf- und Ausbau der Zusammenarbeit in der Community of Practice beigetragen. Bezugnehmend auf das fünf-Phasen-Model der Arbeit einer Community of Practice (vgl. Wenger/ McDermott/Snyder 2002) beginnen die Beteiligten mit dem Start des Projektes auch ihre Arbeit in der CoP, indem sie die Digitalisierung von Lernen und Arbeiten im Baubereich zu ihrem Thema machen. In der zweiten Phase werden Probleme, Ziele und Kommunikationsstrukturen eingegrenzt, was zur Strukturbildung beiträgt. Mit Beginn des Wissensaufbaus und Austausches werden Beschäf- tigten der Betriebe auf die zunehmenden Aktivitäten der CoP aufmerksam und als neue Mitglieder integriert. In dieser dritten Phase geht es darum, die gebildeten Strukturen fortlaufend an die Bedürfnisse anzupassen. Um einen virtuellen Raum für die Kollaboration bereitzustellen, wird auf die vorhandene Netzwerk-Webpage www.komzet-netzwerk-bau.de aufgebaut. 246 Stefan Krümmel | Franz Ferdinand Mersch | Hannes Ranke Weiterbildungsmaßnahmen für berufsübergreifende Digitalisierungsanforderungen werden unter Einbindung der Community of Practice durch das Berufsbildungs- und TechnologieZentrum (BTZ) Osnabrück unter Mitwirkung der Technischen Universität Berlin realisiert. Das Umsetzen von Wei- terbildungsangeboten erfolgt grundsätzlich kollaborativ, d. h. unter Einbeziehung der betrieblichen Ausbilder*innen selbst. Bezug genommen wird dabei auf bestehende Ansätze (vgl. Mahrin 2019), wobei sowohl die kontinuierliche Beteiligung der Betriebe als auch eine intrinsisch motivierte Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund stehen. Das Qualifizieren von Berufsbildner*innen der beteiligten KMU und Kompetenzzentren wird dann auf die Anforderungen einer sachgemäßen Nutzung digitaler Technologien angepasst sein. Dabei soll den Betrieben die Qualifizierung ihres eigenen haupt- und nebenamtlichen Ausbildungsper- sonals insbesondere durch etablierte und praxiserprobte Konzepte des Lernens durch Lehren (Cau 2015, 20) ermöglicht werden. Diese werden mit einem Multiplikatorenansatz (Kuglstatter 2012) kombiniert, um eine große Breitenwirkung zu gewährleisten. Das Weiterbildungsangebot richtet sich an eine größere Gruppe betrieblicher Ausbilder*innen aus dem überregionalen Einzugsgebiet des Verbundnetzwerkes. Nach der Qualifizierung sind sie in ihrer Region – etwa in ihrem Betrieb und dem direkten betrieblichen Umfeld – als Multiplikatoren tätig. Unterstützung erhalten sie während des gesamten Prozesses durch die CoP. Besonders effizient wird das Vorgehen durch die Nutzung virtueller Lernangebote, was durch die Reduzierung von Präsenzphasen außerhalb der Betriebe diese auch entlastet. Schulungen nach dem Blended-Learning-Konzept sind nicht nur einer größe- ren Zielgruppe zugänglich, sondern auch leichter in die Community of Practice einzubringen. Damit tragen die betrieblichen Partner durch ihre Arbeit im Projekt auch zum Aufbau relevanter Inhalte in der CoP bei und regen aktiv zum Austausch darüber an. Weil die CoP durch den Inhalt, den die Mitglieder einbringen, lebt und fortbesteht, wird die Intention verfolgt, KMU zu einem konstruktiv-partizipierendem Handeln und intrinsisch motiviertem Mitgestal- ten im Netzwerk zu bewegen. Adressieren der Baufirmen durch überbetriebliche Ausbildungszentren Ein zentraler Bestandteil des Projekts DigiBAU ist es, die Tendenzen der fortschreitenden Digitalisierung in den überbetrieblichen Ausbildungszentren (ÜAZ) und den Baufirmen zu erheben. Dadurch sollen Anknüpfungspunkte für den Transfer der Projektergebnisse in die Baufirmen gefunden werden. Situation in den überbetrieblichen Ausbildungszentren Zu Beginn des Projekts wurden alle beteiligten ÜAZ einmal besucht. In Gesprächen mit den Ge- schäftsführungen und den Aus- und Weiterbildungsleitungen konnten Informationen über den strategischen Umgang mit der Digitalisierung und zur Organisation des digitalen Wandels in den Lern-, Lehr- und Arbeitsumgebungen gewonnen werden. Zudem ermöglichten Betriebsführungen umfassende Einblicke in die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Zentren. Mehrere Monozentren konzentrieren sich eher auf einen Werkstoff (z. B. Holz), während andere Zentren das gesamte Spekt- rum der Bauhauptberufe abdecken oder sogar zahlreiche weitere Handwerksberufe bedienen. 4 |Vernetzung und Transfer für digitales bauberufliches Lernen und Arbeiten (DigiBAU) 247 Mit leitfadengestützten Expertengesprächen (vgl. Hopf 2007, 349 ff.) konnte im Rahmen einer Feld- ordnung (vgl. Hildenbrand 2007, 32 ff.) herausgefunden werden, welche Erwartungen die Befragten vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Berufserfahrung an den digitalen Wandel haben und mit welchen Herausforderungen sie sich in diesem Zusammenhang konfrontiert sehen. Zentral scheint ihnen die Frage, wie die Veränderungen im Arbeitsalltag auf der Baustelle aufgegriffen werden und in eigene Lehrkonzepte einfließen können. Insgesamt kristallisierte sich heraus, dass die bisher gekannten Zuständigkeiten der Lernorte Berufs- schule für theoretische Grundlagen, ÜAZ für die handwerkliche Grundlagenpraxis in der Laborum- gebung und Baufirmen für die berufliche Alltagspraxis in der Produktionsumgebung zumindest in der ersten Phase des Wandels nicht trennscharf abgegrenzt und separat bearbeitet werden können: Es ergeben sich für alle Beteiligten neue Lern- und Lehrzusammenhänge, die nicht vom Lernort abhängen, sondern von der Verfügbarkeit von Hard- und Software sowie von individuellen Wissens- beständen und der allgemeinen Affinität zur Digitalisierung. Die Befragten vermuten, dass sich ausgehend vom Arbeiten auf der Baustelle die Bereiche Lehren (durch das ÜAZ) und Lernen (durch die Teilnehmenden der Erstausbildung bzw. der Aufstiegsfortbil- dung) wandeln werden. Die ÜAZ können dabei das Scharnier zwischen der Theorie und der Praxis bilden. Als Katalysator werden der technische Fortschritt im Allgemeinen und im Einzelnen die Verfügbarkeit von Technologie und Technik angesehen. Aber insbesondere die fehlende Auseinan- dersetzung mit der Digitalisierung und die noch nicht flächendeckende, aber notwendige Investiti- onsbereitschaft in den Baufirmen wird von den Befragten derzeit als zentrales Hemmnis für weitere Innovationen angesehen. Das führt u. a. zu dem Problem, dass die Baufirmen ihre Präferenzen noch nicht definiert haben und die ÜAZ vor diesem Hintergrund die Bedarfe der Baufirmen nicht passgenau einschätzen können. Dadurch wird den ÜAZ die Entwicklung konkreter Bildungs- und Beratungsangebote erschwert. Das Forschungsfeld liefert hierfür zwar grundlegende Erkenntnisse, die vor Ort auch bestätigt werden. Es fehlen den Zentren derzeit jedoch konkrete Ideen für Herange- hensweisen, wie sie ihre regionalen Baufirmen erreichen können. Studie zum digitalen Wandel in den Baufirmen In einer Studie zu Digitalisierungstendenzen im Bau (vgl. Krümmel 2019) soll im Rahmen von DigiBAU herausgefunden werden, wie die Baufirmen mit dem digitalen Wandel umgehen (vgl. zu den techniksoziologischen Grundlagen Rammert 2007 und Latour 1998). Befragt werden Akteur*innen aus den Berufen des Bauhauptgewerbes über die jeweiligen Partner- zentren im Hinblick auf das eigene Berufsbild und die handwerkliche Tradition, auf die Situation und die Erwartungen an Organisation und Prozesse der Arbeit auf der Baustelle sowie auf die Einbettung des Handwerks in größere Arbeitszusammenhänge wie zum Beispiel dem immer mehr aufkommen- den Building Information Modeling (BIM). Die Studie besteht aus drei miteinander verzahnten und aufeinander abgestimmten Teilstudien: Zum einen werden Baufirmen direkt per Online- oder Papier-Fragebogen angeschrieben (zur Konstruk- tion von Fragebögen vgl. Porst 2008). Zum anderen werden Teilnehmende der Aufstiegsfortbildung 248 Stefan Krümmel | Franz Ferdinand Mersch | Hannes Ranke (Meister*innen, Polier*innen, Werkpolier*innen) und Auszubildende direkt befragt. Die beiden letz- teren Gruppen sind relativ leicht zu erreichen: Die Befragungen sollen per strukturiertem Online-Fra- gebogen nach und nach innerhalb der in den Zentren angebotenen Kurse stattfinden. Parallel dazu werden auch die Haltungen des Ausbildungspersonals in den Zentren ebenfalls mit einem strukturier- ten Online-Fragebogen untersucht. Die Teilstudien werden ausgewertet und miteinander kontrastiert. Die Befunde sollen die unterschiedlichen Gruppen vergleichbar machen und in ein Koordinatensys- tem aus Digitalisierungsgrad und zeitlichem Zustand einordnen. Daraus sollen mögliche Entwick- lungspfade identifiziert und Qualifizierungsanforderungen an zukünftige Ausbilder*innen abgeleitet werden. Im Ergebnis sollen strategische Ansatzmöglichkeiten zur Strukturierung und zeitlichen Umstellung auf digital gestützte Lernangebote der ÜAZ an die Baufirmen gefunden werden. Dazu gehören auch Beratungsangebote zu organisatorisch-technischen Lösungen der Umstellung auf di- gital unterstütztes Lernen, Lehren und Arbeiten sowie Beratungsangebote zu (außer-) betrieblichen Fortbildungsmöglichkeiten. Umstellung auf digitale Lehrkonzepte am Beispiel eines Ausbildungszentrums Im Kompetenzzentrum für zukunftsorientiertes Bauen Hamburg wird seit Beginn der Projektlauf- zeit intensiv mit digital gestützten Kursangeboten experimentiert. Die Geschäftsführung sieht die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung des Arbeitsalltags auf der Baustelle für die eigenen Angebote in der Aus- und Weiterbildung als Chance. So werden eine effizientere Organisation der Kursverläufe, eine bessere Betreuung von Teilnehmenden und eine optimierte zeitliche und inhalt- liche Strukturierung von Präsenzzeiten erwartet. Alle Ausbilder*innen sind zu einem früheren Zeitpunkt in einem anderen Zusammenhang als E-Learning-Tutoren geschult worden, so dass die notwendigen methodischen Grundlagen bereits vorhanden sind. Konventionelle E-Learning-Kurse, bei denen Auszubildende gemeinsam in einem Raum, aber jede*r mit einem Kopfhörer vor den eigenen Bildschirmen saßen, sind zwar ausprobiert worden, werden aber didaktisch als wenig zielführend eingeschätzt. Deshalb wird dieser Ansatz nicht weiterverfolgt, sondern der Weg soll in das vernetzte Arbeiten in der Werkhalle führen. Als Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umstellung auf vernetztes Arbeiten in der Lehre sind Hard- und Software-Ausstattungen und -Konfigurationen sowie die personelle Expertise zur er- folgreichen Installation und zur Beratung der eigenen Mitarbeiter*innen im Arbeitsalltag zwingend notwendig. Hard- und Software allein reichen also nicht, weil das Zeitbudget und/oder das Interesse an der Selbstaneignung dieser Geräte nicht aufgebracht werden und innerhalb des eng getakteten Arbeitsalltags keine groß angelegten Schulungen organisiert werden können. Aufgrund der zurzeit hohen externen Nachfrage nach Schulungsangeboten können Ausbilder*in- nen nur im Rahmen von Pilot-Projekten von ihrer eigentlichen Tätigkeit freigestellt werden, damit sie Konzepte und maßgeschneiderte Lösungen für die neuen Kunden erarbeiten. Diese Angebote werden intern aufwändig in mehreren Leitungsebenen begutachtet, überarbeitet und schließlich zur Umsetzung freigegeben. Es soll damit neue bzw. weitergehende Nachfrage ausgelöst werden. Auch in der Erstausbildung werden bereits digital gestützte Kurse ausprobiert. 4 |Vernetzung und Transfer für digitales bauberufliches Lernen und Arbeiten (DigiBAU) 249 Zentrales Instrument dafür ist ein mobiler Touchscreen mit 86-Zoll-Bildschirmdiagonale, der so mit Software ausgestattet ist, dass die Ausbilder*innen ihre ganz normale Desktop-Arbeitsumgebung benutzen können. Hier präsentieren sie ihre Inhalte, können Notizen und Skizzen einbauen und den Lernenden direkt zur Verfügung stellen. Diese sind über Laptops, Tablets oder Telefone mit dem Touchscreen vernetzt. Auf den eigenen Geräten sind relevante Apps, Datenbanken und Speicher installiert. Zusätzlich können Bild- oder Filmkameras, Messgeräte, etc. in den Arbeitsprozess einge- bunden werden. Die Lernenden bilden Kleingruppen, arbeiten allein oder mit direkter Betreuung und bewegen sich frei in einer Halle, in der unterschiedliche Haustypen als Anschauungsmodelle aufgebaut sind. Über den Touchscreen lassen sich vier Bildschirme gleichzeitig synchronisieren, um Aufgaben zu stellen, Arbeitsergebnisse zu präsentieren oder im Lernfeld Teilaspekte gleichzeitig miteinander zu betrachten. In der Durchführung wird das gleiche Werkzeug wie auf der Baustelle verwendet, und digital vernetzte Arbeitsabläufe werden zum Beispiel in der Problemanalyse und -behebung nach- gestellt bzw. trainiert. Als zentraler Arbeitsgegenstand soll den Auszubildenden in naher Zukunft das Smartphone dienen, weil praktisch alle eines besitzen und es in der (wenn auch zumeist nur privaten) Nutzung beherrschen. Technische und didaktische Unterstützung erhalten die Lerngruppen von den DigiBAU-Expert*innen, die die Erfahrungen auch in die CoP einbringen. Die Kurse werden durchgeführt, evaluiert, angepasst und weiter getestet. Erste Erfahrungen sind bereits vorhanden: Die Auszubildenden begrüßen das Verfahren, weil es als deutlich abwechslungs- reicher und gehaltvoller wahrgenommen wird als herkömmlicher Tafelunterricht. Insbesondere die Verknüpfung von theoretischen Grundlagen und sofortiger praktischer Anwendung wird als innova- tiv angesehen. Für die Lehrenden verlagert sich der Arbeitsaufwand in die Planung des Kurses. Dafür haben sie während des Kurses deutlich mehr Zeit für die Betreuung der Auszubildenden und erhal- ten durch eine intelligente Steuerung des Kursverlaufs neue Zeitbudgets: „Man schafft einfach mehr, weil man alles sofort greifbar und sichtbar hat. Alles andere kann ich mir in kürzester Zeit besorgen. Und wenn ich einen Lehrfilm brauche, kann ich ihn selbst drehen. Ich muss nur wissen, wie es geht und es einmal gemacht haben, bevor ich damit zu den Azubis gehe“ (Handwerksmeister). Diese praktische Erprobung solcher neuen Angebotsformate wird über Expertengespräche mit Do- zent*innen und Teilnehmenden der Aufstiegsfortbildung begleitet. Die Befunde daraus fließen in die Befragungen zu den Digitalisierungstendenzen des bauberuflichen Arbeitens ein. Diese werden mit Blick auf die Entwicklungen in den Baufirmen sowie in den ÜAZ miteinander verknüpft. Die Befunde aus den Vergleichen werden hilfreich sein, um dem Verwertungsanspruch des Projektes nachzu- kommen, indem Bedarfe bzw. Präferenzen der Baufirmen abgebildet und prototypische Kurse der ÜAZ daraufhin zu passgenauen Angeboten entwickelt werden können. Das Vorgehen soll in einem Kompetenzzentrum erprobt und dann auf alle Partnerzentren ausgeweitet werden. Fazit und Ausblick Sehr umfangreich und differenziert waren bereits die Planungs- sowie Entwicklungsarbeiten in der Phase der Beantragung des Verbundprojektes DigiBAU, was insgesamt eine geeignete planerische Grundlage bereits zu Projektbeginn darstellte. Das Schaffen dieser Voraussetzungen war auch des- 250 Stefan Krümmel | Franz Ferdinand Mersch | Hannes Ranke halb erforderlich, da das Vorhaben mit einer vierjährigen Laufzeit und dreizehn Projektpartnern aus dem ganzen Bundesgebiet eines der großen Projekte in der Förderlinie „Transfernetzwerke Digitales Lernen in der Beruflichen Bildung (DigiNet)“ des BMBF und in seinen Aufgaben und Intentionen entsprechend komplex angelegt ist. Als durchführbar und ertragreich zeigt sich nach eineinhalbjähriger Laufzeit auch die Projektstruktur. Es erweist sich zudem, dass wesentliche und projektbedingende Annahmen bzw. Voraussetzungen zutreffen. Hierzu gehören etwa der vorhandene Fundus existierender Bildungs- und Qualifizierungs- ansätze an den Partnerstandorten und auch zahlreiche Erfahrungen aus vergangenen Projektbe- arbeitungen und Projektkooperationen. Tatsächliche Abstimmungsbedarfe sind allerdings in aller Regel höher als angenommen. Insbesondere der Diskurs zu themenübergreifenden Projektinhalten wie Standards der Bearbeitung, Kollaboration und Dokumentation, Präsentationsinhalte und -for- men im beschriebenen virtuellen Schaufenster des Projektes sowie über die Möglichkeiten virtueller Kollaboration der Beteiligten nehmen zum Teil deutlich mehr Raum ein als erwartet. Gründe hierfür liegen aus heutiger Sicht etwa in unterschiedlichen Auffassungen eines gemeinsamen Herangehens oder zur Ausgestaltung noch vorhandener Freiräume bzw. sicherlich auch in der fachlichen und er- fahrungsbezogenen Heterogenität der Partner und ihrer Vorgehensweisen, was auch zu unterschied- lichen Bearbeitungsschwerpunkten und Bearbeitungsständen führen kann. Sichtbar werden jedoch auch Synergieeffekte, mit denen im Vorfeld nicht gerechnet wurde. Diese positiven Effekte ergeben sich aus vergleichbar gelagerten Zielen und Vorstellungen im Bereich beruflicher Qualifizierung auf der Ebene der aus- und weiterbildenden Projektbeteiligten. Mithin wird deutlich, dass eine Face-to-Face-Kommunikation und persönliche Kontakte in regelmä- ßigen Synergietreffen und Meetings an den Partnerstandorten zwar unverzichtbar sind, dass aber die gemeinsame Bearbeitung von Teilprojekten auch zwingend einer systematisch koordinierten Onlinekommunikation bedarf. Darüber hinaus verspricht das laufende Projekt DigiBAU schon aus heutiger Sicht zahlreiche Gewinne in der zukünftigen Kooperation und dem Wissenstransfer im bestehenden Kompetenznetzwerk Bau und Energie e. V. auch über das Projekt hinaus. Literatur und Quellen Cau, L. (2015): Lernen durch Lehren – ganz konkret. In: Pädagogik 2/2015 Weinheim: Beltz, 20–23. Gensicke, M./ Bechmann, S./ Härtel, M./ Schubert, T./ García-Wülfing, I./ Güntürk-Kuhl, B. (2016): Digitale Medien in Betrieben – heute und morgen. Eine repräsentative Bestandsanalyse. Bonn. Hildenbrand, B. (2007): Anselm Strauss. In: Flick, U./ Kardorff, E. v./ Steinke, I. (Hrsg.) (2007): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek, 5. Aufl., 32 ff. Hopf, C. (2007): Qualitative Interviews – ein Überblick. In: Flick, U./ Kardorff, E. v./ Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek, 5. Aufl., 349 ff. 4 |Vernetzung und Transfer für digitales bauberufliches Lernen und Arbeiten (DigiBAU) 251 Jehle, P./ Seyffert, S./ Wagner, S. (2011): IntelliBau. Anwendbarkeit der RFID-Technologie im Bauwesen. Wiesbaden: Springer Jehle, P./ Michailenko, N./ Seyffert, S./ Wagner, S. (2013): IntelliBau 2. Das intelligente Bauteil im integrierten Gebäudemodell. Wiesbaden: Springer Kölzer, T./ Ranke, H. (2014): Informatisierung in der Baufacharbeit. In: BAG-Report Bau-Holz-Farbe. Erweiterte Aufgabenfelder beruflicher Bildung. 02/2014 (16. Jg.), 38–43 Krümmel, S. (2019): Bauberufliches Lernen und Arbeiten: Zum Erstellen einer verwertungsorientierten Datenbasis für die präferenzgerechte Entwicklung digital gestützter Bildungsangebote in KMU. In: Kuhlmeier, W./ Meyser, J./ Schweder, M. (Hrsg.): Bezugspunkte beruflicher Bildung – Tradition, Innovation, Transformation. Ergebnisse der Fachtagung Bau, Holz, Farbe und Raumgestaltung 2019. Norderstedt: BoD Kuglstatter, R. (2012): Multiplikatoren – Mogelpackung oder Wunderwaffe? Was das Multiplikatorenprinzip in der betrieblichen Bildung tatsächlich leisten kann. Hamburg Latour, B. (1998): Über technische Vermittlung. Philosophie, Soziologie, Genealogie. In: Rammert, W. (Hrsg.): Technik und Sozialtheorie. Frankfurt/ New York: Campus, 29–81 Mahrin, B. (2019). Medienqualifizierung des Berufsbildungspersonals. In: berufsbildung 73. Jg., H. 177, 27–29 Porst, R. (2008): Der Fragebogen. Ein Arbeitsbuch. Wiesbaden: Springer Rammert, W. (2007): Technik-Handeln-Wissen. Zu einer pragmatischen Technik- und Sozialtheorie. Wiesbaden: Springer Wenger, E./McDermott, R. /Snyder, W. (2002): Cultivating communities of practice. A guide to managing knowledge. Boston Mass.: Harvard Business School Press 252 Tarek Lababidi EXPERTENSTATUS? NICHT VERGEBEN. vierpunkteins begleitet KMU im digitalen Wandel Tarek Lababidi Dieser Beitrag beschreibt den Ansatz des BMBF-geförderten Transferprojekts vierpunkteins und reflektiert die Erfahrungen zum Lernen mit digitalen Medien in der beruflichen Bildung. Ein Schwer- punkt liegt in der Auseinandersetzung mit Fragen zur Einstellung von Berufsbildungsakteur*innen zu neuen Ausbildungsmethoden sowie zum Rollenverständnis zwischen Lernenden und Expert*in- nen. Denn beim digitalen Wandel handelt es sich nicht bloß um technologische Veränderungen, sondern auch um kulturelle Entwicklungsaspekte. Jungen Menschen das Vertrauen auszusprechen, jene betrieblichen Organisationen, in die sie gerade erst aufgenommen werden, aktiv mitzuprägen, erfordert Mut, Zuversicht und Offenheit. Ausgangssituation Familienunternehmen sehen im fehlenden Knowhow ihrer Mitarbeitenden zumeist das größte Inno- vationshemmnis, um den zukünftigen Herausforderungen der Digitalisierung mit Erfolg zu begegnen (vgl. IfM/BDI 2017, 11). Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) erkennen die Notwendigkeit, in die Fortbildung und in die organisatorische Entwicklung zu investieren. Jedoch sind heute nur wenige Betriebe in der Lage, den Qualifizierungsbedarf konkret zu formulieren – kein Wunder, denn eine einheitliche „digitale Agenda“, was im Einzelnen nötig sein wird, fehlt gegenwärtig in der beruflichen Bildung (vgl. IMBSE 2018, 4) Der digitale Wandel in Wirtschaft, Arbeit, Bildung und Verwaltung verursacht auf der einen Seite vielerorts Unsicherheiten und Skepsis gegenüber den Veränderungen. Auf der anderen Seite sind Aufbruchstimmung und Neugier wahrzunehmen. Gerade im Handwerk sind die Auftragsbücher der- zeit gut gefüllt. Aber da gut ausgebildetes Fachpersonal immer knapper wird und bis 2030 branchen- übergreifend eine immense Eintrittswelle in die Verrentung bevorsteht, herrscht Einigkeit darüber, dass der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, im Besonderen auch vom Erwerb neuer Kompetenzen abhängt. Die große Sorge, auch weiterhin den qualifizierten Fachkräftenachwuchs sicherzustellen, bietet nun die Chance, neue Wege auszuprobieren und Ausbildungsprozesse nicht nur technolo- gisch, sondern auch mit Blick auf die Lernbeziehung neu zu gestalten. Das Transfernetzwerk „vierpunkteins – digitales Lernen in der Aus- und Weiterbildung“ (gefördert im BMBF-Programm Transfernetzwerke Digitales Lernen in der Beruflichen Bildung – DigiNet) bringt in drei Regionalclustern verschiedene Akteur*innen thematisch zusammen, testet Fort- bildungs- und Serviceangebote und begleitet Ausbildungsverantwortliche auf ihrer zunächst unbekannten Reise. 4 | vierpunkteins begleitet KMU im digitalen Wandel 253 Ein Hauptanliegen des BMBF-Programms DigiNet besteht darin, den Umgang und Einsatz digitaler Medien in Ausbildungsunternehmen und beruflichen Einrichtungen möglichst flächenwirksam zu unterstützen. So war bei vierpunkteins zunächst die Ausgangsfrage, welche Qualifikationsbedarfe und Notwendig- keiten aus Sicht von Unternehmen (KMU) in den drei Regionen bestehen und inwieweit die Digitalisie- rung überhaupt von einem betrieblichen Interesse ist. Aus den qualitativen Befragungsergebnissen in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin/Brandenburg und Nordrhein-Westfalen konnten wir eine Reihe von Schlussfolgerungen ableiten und auf diesem Weg Fortbildungs- und Beratungskonzepte entwickeln, die über drei regionale Transferstellen hauptsächlich für Ausbildungsbetriebe angeboten werden. Drei Thesen aus der Bestandsaufnahme zur Digitalisierung Im Projekt vierpunkteins wurden 2018 in den drei Regionalclustern insgesamt 75 qualitative Fa- ce-to-Face-Interviews durchgeführt, um mithilfe von Betrieben (57) und Einrichtungen der Berufs- bildung (18) eine Situationsbeschreibung zum Lernen mit digitaler Technologie erstellen zu können. Ein zweites Anliegen war die Gewinnung von operativen und strategischen Regionalpartnern. Aus dem ausführlichen Bericht (IMBSE 2018) sind an dieser Stelle drei Thesen ausgewählt: 1. »Digitale Technologien sind bereits im Einsatz und unverzichtbar für die Kundenkommunikation.« Für über 50 Prozent der befragten Unternehmen gilt: Erklärfilme, Smartphones und Tablets sind be- reits ein fester Bestandteil des Arbeitsalltags und unterstützen berufliche Lernsituationen. Anlagen- mechaniker*innen für Sanitär- Heizung- und Klimatechnik nutzen vielfältige Apps zum Messen oder für technische Wartungsaufgaben. 80 Prozent aller befragten Unternehmen befassen sich intensiv mit den neuen Datenschutz-Herausforderungen und immerhin drei von vier Betrieben betrachten die Digitalisierung schon heute als unverzichtbar für die Kundenkommunikation. Im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit erklärt im Interview ein Geschäftsführer: „Wer nicht online ist, kann nicht Abb. 1: Zuständige Person für den Bereich Digitalisierung, Quelle: IMBSE 2018 (eigene Darstellung) 254 Tarek Lababidi gefunden werden und ist damit als Unternehmen nicht sichtbar. Bewertungen bei Google und an- deren Portalen beeinflussen die Kaufentscheidung des Kunden. Das Marketing ist damit unglaublich komplex geworden.“ (ebd., 16) 2. »Digitalisierung ist Chefsache!« Fragen zur Organisationsentwicklung, Weiterbildung, Personalgewinnung und Öffentlichkeits- arbeit liegen in der Hand der Geschäftsführenden und werden zentral durch die Unternehmens- leitung gesteuert. Annähernd alle Befragten sehen in der Sicherung und Gewinnung zukünftiger Fachkräfte ein Hauptanliegen. Für die Öffentlichkeitsarbeit und Rekrutierung von Auszubildenden in gewerblich-technischen Berufen werden jedoch junge Beschäftigte nicht einbezogen. Digitali- sierungsthemen, beispielsweise die zielgruppenbezogene Ansprache über soziale Medien, läuft gerade an jenen Berufseinsteigern vorbei, die altersbedingt über den besten kommunikativen Zugang zur Zielgruppe verfügen. 3. »Ja zu Fortbildung und Qualifizierung, bloß eine digitale Agenda fehlt!« Geschäftsführende der befragten KMU erkennen den Qualifizierungsbedarf beim Personal und sind bereit, durchschnittlich 400 Euro je Mitarbeitendem im Jahr zur Verfügung zu stellen. Laut einer aktuellen Bitkom-Studie stellen Unternehmen im Durchschnitt sogar 709 Euro und 2,3 Tage pro Mitarbeitendem für Weiterbildungen zur Verfügung (vgl. Bitkom Research 2018, 14 f.). Aus den Interviews wird allerdings deutlich erkennbar, dass eine Vorstellung des konkreten Qualifizierungsbedarfs fehlt. 75 Prozent der Unternehmen haben keine digitale Agenda, die Antworten bleiben deshalb sehr allgemein und unspezifisch. Die Aussagen werden darauf reduziert, dass die Mitarbeitenden in den Betrieben EDV-Kenntnisse benötigen. Auch an allgemein- und berufsbildenden Schulen und Bildungseinrichtungen fehlt es an einem einheit- lichen Verständnis bzw. einer Strategie, welche digitalen Kompetenzen wie erworben werden. Unternehmen wünschen sich indes eine bessere infrastrukturelle Unterstützung (Breitband) durch den Bund und fühlen sich schlecht beraten. Die tatsächlich vorhandenen Förderprogram- me bzw. Beratungsangebote von Bund und Ländern werden jedoch zu wenig genutzt, obwohl sie im Internet leicht zu finden sind. Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme sind als Bericht online unter www.vierpunkteins.net abrufbar. Pilotangebote und methodischer Ansatz von vierpunkteins Auf der Basis der regionalen Bestandaufnahme zum beruflichen Lernen mit digitalen Medien entwi- ckelten die Verbundpartner eine Reihe von Fortbildungskonzepten (siehe Infokasten), die seit Mitte 2018 als Pilotangebote getestet werden. Zum Portfolio der drei vierpunkteins-Transferstellen zählen Fortbildungen, Beratung und Service. Look- and Learn-Prinzip Die Materialien aus der Pilotphase werden im Laufe der Projektarbeit weiterentwickelt. Erste Schu- lungsaktivitäten wurden bereits durchgeführt und im Rahmen zahlreicher Netzwerkveranstaltungen 4 | vierpunkteins begleitet KMU im digitalen Wandel 255 Pilotkonzepte von vierpunkteins (Stand 11/2018) d.a.v.i.t. Der d.a.v.i.t.-Koffer ist ein mobiles Produktionsstudio, mit dem Auszubildende kurze Filmbei- träge über ihren Arbeitsplatz erstellen können. ART – Augmented Reality Technician (ART) bietet Mitarbeitenden im Außendienst die Möglichkeit, per Livestream Unterstützung zu erhalten. Betriebliche Medienmanager*innen Betriebliche Medienmanager*innen sind in der Lage, digitale Medien in Aus- und Weiterbil- dungsprozessen eigenverantwortlich einzusetzen. Fortbildung Ausbilder*innen-Azubi-Kommunikation Die Fortbildung unterstützt die Kommunikationsfähigkeit zwischen Ausbildenden und Auszu- bildenden und beschreibt Methoden des Onboardings für eine positive Lernbeziehung. Checkliste BB Digitales Berichtsheft für Unternehmen Hilfestellung für Betriebe, die auf die digitale Berichtsheftführung umsteigen möchten. Easy Documents Online-Assistenzsystem zur Erstellung von Arbeitszeugnissen und -verträgen. Corporate Designer Praktische Hilfestellungen, nach denen Betriebe unter geringem Kosteneinsatz ein einheitli- ches Erscheinungsbild (Branding) selbst erzeugen können. präsentiert. Die oben aufgeführten Praxiskonzepte werden flexibel je nach Bedarfssituation und Rückmeldungen der Teilnehmenden angepasst. Praxisrelevanz und Nutzenargumentation in Richtung von KMU Aus den Gesprächen und Erfahrungen in der Interaktion mit Betrieben wird deutlich, dass eine hohe Nutzenerkennbarkeit vorliegen muss, damit Betriebe und Überbetriebliche Ausbildungszen- tren (ÜAZ) überhaupt bereit sind, sich auf die schulungsbezogene Zusammenarbeit einzulassen. Produktschulungen mit hohem Praxisanteil werden bevorzugt. Die Fortbildungsteilnehmenden möchten etwas zum „Anfassen und Ausprobieren“, zum Beispiel indem sie das Handling einer App aus der Branche Sanitär-Heizung-Klima kennen lernen oder Filmbeiträge selbst erstellen (siehe App des Monats http://vierpunkteins.net/blog/). Die Projektteams üben sich insofern in der Nutzenargumentation. 256 Tarek Lababidi Ressourcenorientierter Ansatz Ein weiterer Ansatz besteht darin, durch den Aufbau von drei Regionalclustern externe Fachleute an der Entstehung sowie Realisierung der Transferstellen zu beteiligen und mithilfe von Strategieg- ruppen neue zielgruppenbezogene Zugänge zu schaffen, um den Verbreitungsgrad der Aktivitäten zu erhöhen. Zu unterscheiden sind hierbei „Fachpromotor*innen“ und „Machtpromotor*innen“: Identifizierung von Fach- und Machtpromotor*innen › Fachpromotor*innen sind Personen, die aufgrund ihrer Fachkenntnisse inhaltlich wie qualitativ die Arbeitsprozesse beeinflussen. › Machtpromotor*innen hingegen sind Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Position, z. B. in der Geschäftsführung, und ihrer relevanten Kontakte in die regionale Aus- und Weiterbildungsszene das Vorhaben strategisch unterstützen. Durch die Anbindung der Verbundpartner an die überbetrieblichen Ausbildungsangebote, Kreis- handwerkerschaften, Unternehmensverbände und Fachgemeinschaft Bau strebt das Projekt vierpunkteins eine Verstetigung einzelner tragfähiger Angebote in Regelangebote der beruflichen Bildung an. Dieses Unterfangen stellt eine große Herausforderung dar und kann nur in Kooperation mit den relevanten Institutionen gelingen. Derzeit (Stand: Januar 2019) prüft die Handwerkskammer Dortmund, ob das Konzept des digitalen Medienkoffers „d.a.v.i.t.“ zu einem Regelangebot innerhalb der kaufmännischen Handwerksausbil- dung in den ÜAZ werden kann. Regionale und bundesweite Transferaktivitäten Nicht nur auf regionaler Ebene sondern auch bundesweit unternimmt vierpunkteins Transferaktivi- täten, um mit externen Fachleuten austauschorientiert ins Gespräch zu kommen. Auf der Lernstatt Digitalisierung im September 2018 in Berlin trafen sich 120 Akteure der beruflichen Bildung und nahmen an Fachworkshops und Diskussionsrunden teil (Abb. 2). Verschiedene Entwicklungen und Sichtweisen auf die Ausbildungssituation im Kontext der Digitalisierung wurden thematisiert. In einem Showroom konnten neue Technologien (Virtual Reality, 360-Grad Videos, Medienproduktion, etc.) ausprobiert werden (Abb. 3). Unter https://vierpunkteins.net/tag/lernstatt-digitalisierung/ kann die Online-Dokumentation der Veranstaltung abgerufen werden. 4 | vierpunkteins begleitet KMU im digitalen Wandel 257 Beobachtungen aus dem Projektverlauf Zwischen mutiger Aufbruchstimmung und skeptischer Distanz Aus der Zusammenarbeit mit den Ausbildungsbetrieben ergibt sich ein ambivalentes Bild. Auf der einen Seite begegnen die Projektteams aufgeschlossenen und veränderungswilligen Unternehmen, Abb. 2: Panel-Diskussion auf der Lernstatt (Foto: DEKRA Media GmbH) Abb. 3: Show-Room auf der Lernstatt Digitalisierung (Fotos: DEKRA Media GmbH) 258 Tarek Lababidi die im digitalen Wandel und neuen Methoden vor allem einen positiven Nutzen erkennen. „Es ist schon ein Vorteil, wenn man auf der Baustelle ein Tablet hat, anstatt dass man mit einer riesigen Zeichnung rumläuft. Das macht mit dem Tablet mehr Sinn. Ich kann mir auf dem Tablet die Zeich- nungen Raum für Raum ansehen“, erklärt uns ein Ausbilder im Interview (vgl. IMBSE 2018, 5). Dem gegenüber stehen Betriebe mit Beschäftigten, die solche Veränderungen skeptisch betrachten. Viele Mitarbeitende fürchten sich davor, durch die Digitalisierung überflüssig zu werden oder den neuen Anforderungen nicht gerecht zu werden. Ein Befragungsteilnehmer der vierpunkteins-Bestandsauf- nahme aus 2018 bringt in seiner Aussage die Gefühlslage auf den Punkt: „Größte Herausforderung der Digitalisierung? Der Mensch und seine Gewohnheiten. Der Begriff künstliche Intelligenz jagt vielen Mitarbeitern Angst ein.“ (ebd.) In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Kommunikation im Projekt vierpunkteins. Nicht nur die technologischen Merkmale stehen im Fokus, sondern gerade auch die sozialen Interaktionsmus- ter. Aufgrund der demografischen Entwicklung müssen sich Betriebe auf neue Ausbildungssituati- onen einstellen. Digital ist nicht immer besser Die ersten Fortbildungsansätze zur Digitalisierung zeigen, dass sich die meisten Unternehmen mit stark online-basierten Formaten noch unsicher fühlen und klassische Schulungssettings eher präferieren. Die Integration von Filmbeiträgen oder etwa der Einsatz von Apps im Seminarverlauf ist durchaus willkommen. Passend hierzu beziehen sich die realen Erfahrungswerte zum digitalen Ler- nen in der Regel auf die Nutzung von Erklärvideos, welche bereits alltäglicher Bestandteil sind. Bei Webinaren hingegen liegen weniger Erfahrungen vor, hier zeigen sich die Interviewpartner ambiva- lent. Geschäftsführungen bringen vor allem das Argument der Kosteneinsparung ein, geben zugleich zu bedenken: „Onlinekurse kann man machen, aber nur wenn auch ein Mensch als Ansprechpartner da ist und nicht bloß eine elektronische Stimme. Man muss noch Fragen stellen können. Lernsoft- ware oder Apps ist mir zu einseitig, da hat man keine Kommunikation.“ (ebd., 6) Bei der Planung und Durchführung von Fortbildungen ist vor allem in Berufen des Baugewerbes Feingefühl gefragt. Die Bereitschaft, sich auf digitale Medien einzulassen, ist vorhanden, aber die Unsicherheit seitens der Beschäftigten dringt durch, wie ein Interviewpartner deutlich macht: „Wir haben einen Altersdurchschnitt der Mitarbeiter von 45–55 Jahren, da ist es schwierig, deren Ak- zeptanz zu bekommen. Dadurch, dass die Vorbereitungszeit jetzt so lange gedauert hat, haben wir den Effekt, dass die Mitarbeiter ungeduldig werden und sich darauf freuen. Aber man muss darauf achten, dass man ihnen keine Angst macht. Man kriegt aus Gesprächen raus, dass sehr viele Ängste vorhanden sind, ob sie das Neue auch beherrschen. Da haben wir reagiert, da werden wir uns auch enorme Schulungskosten ans Bein binden.“ (ebd., 14) Viele Unternehmen müssen sich wandeln, nicht nur technologisch Die Konkurrenz der Betriebe um junge Erwachsene mit mittleren und guten Voraussetzungen ist längst entfacht. Dies nehmen auch die Berufseinsteigenden wahr und zeigen sich wählerisch. Die Bewertungshoheit liegt inzwischen bei den Jüngeren – und zwar online. Mit wenigen Clicks machen sie sich ein Bild über das Image eines Unternehmens und ob es als attraktiver Arbeitgeber beurteilt 4 | vierpunkteins begleitet KMU im digitalen Wandel 259 wird. Unternehmen, die auf diesen Kanälen erst gar nicht erscheinen, werden von den Ausbildungs- interessierten kaum noch wahrgenommen. Angesichts einer sinkenden Ausbildungsbeteiligung von aktuell nur noch knapp 20 Prozent aller deutschen Unternehmen und dem Umstand, dass etwa jeder vierte Ausbildungsvertrag vorzeitig aufgelöst wird (vgl. BMBF 2018, 73; 83), ist Handlungsbedarf dringend angezeigt. Als Hauptgrund für Abbrüche werden eher Konflikte in der kommunikativen Beziehung zwischen Ausbildenden und Auszubildenden als rein fachliche Aspekte erkannt. Digitali- sierung kann hier eine Hilfestellung anbieten. Sie bietet eine besondere Chance. Digitalisierung als Chance für mehr Verantwortung im und Identifikation mit dem Betrieb Jugendliche sind nicht per se sogenannte digital natives, zumal Nutzung und Konsum von Medien nicht automatisch bedeutet, dass die individuelle Digitalisierungskompetenz stark ausgeprägt ist (vgl. Kirschner/ De Bruyckere 2016). Jüngere unterscheiden sich aber eindeutig von älteren in ihrem Zugang und in Form einer spielerischen Offenheit gegenüber neuen Medien. Sie bringen also im Vergleich eine höhere Veränderungsbereitschaft mit und finden sich schneller mit digitaler Techno- logie zurecht. Die Einbeziehung von jungen Beschäftigten und Auszubildenden in die betrieblichen Digitalisierungs- prozesse bedeutet insofern eine besondere Chance für das berufliche Rollenverständnis und die per- sönliche Beziehungsebene. Es entstehen neue Lernsituationen, in denen der klassische Expertenstatus auf der Basis von Erfahrung, Alter und Fachkenntnis nicht mehr klar vergeben ist. Die Möglichkeit, den Jüngeren einen Teil der Verantwortung zu übertragen, hat einen erheblichen Effekt auf die betriebliche Organisationsentwicklung: Transparenz und Mitbestimmungsformen können nachhaltig gefördert werden. Es unterstützt bei der Einführung einer neuen Technologie, bei der Nutzung einer Cloud, dem Einsatz neuer Apps, dem Außenauftritt der Firma und der Ansprache von Jugendlichen über soziale Medien oder in anderen firmeninternen Projekten, bei denen digitale Medien zum Einsatz kommen. Die Selbstwirksamkeitserfahrung der Jüngeren stärkt die Bindungsbereitschaft zum Betrieb und weicht in Teilkontexten klassische Hierarchiestrukturen auf. Entscheidend ist, dass Jung und Alt in einen offenen Dialog eintreten und bereit sind, voneinander zu lernen. Dass Hierarchien gerade in kleineren Betrieben weiterhin eine große Rolle spielen und Widerstände zu erwarten sind, zeigt exemplarisch die Aussage eines Interviewten: „Ein Meister, der kurz vor der Rente steht, wird kaum zum IT-Nerd, darf sich aber vor den Lehrlingen keine Blöße geben“. (IMBSE 2018, 26) Ausbildungskräfte von Überbetrieblichen Ausbildungszentren und Lehrkräfte von Berufsschulen signalisieren, dass sie offen für eine bessere Lernortkooperation und an engeren Kontakt zu den Ausbildungsbetrieben interessiert sind. Die Ausbilder*innen stufen die IT-Kompetenz der Auszubil- denden mit 7 von 10 Punkten höher ein, als ihre eigene (5 von 10). Die Lehrkräfte weisen eine höhere Affinität zu neuen Lernmedien auf und stufen ihre eigene Digitalkompetenz mit 6 von 10 Punkten etwas höher ein, als die der Schüler*innen (5 von 10). Die Digitalkompetenz der Jugendlichen wird eher als oberflächlich bewertet und geäußert, dass Gewöhnungseffekte dazu beitragen, dass die Auseinandersetzung mit Inhalten insgesamt „flacher werde“. „Wenn ich das Wort nicht gehört und geschrieben habe, ist es eine andere Auseinandersetzung als wenn ich ein Foto vom Tafelbild mache oder den Scan einer Vorlesung bekomme“ (ebd., 26), erklärt uns ein Berufsschullehrer und beschreibt die Schattenseiten der so genannten Device-Kultur: „Wir machen die Erfahrung, dass die 260 Tarek Lababidi Schüler*innen immer mehr mitbringen. Der klassische Smartphone-Einsatz ist Standard. Sie können gut kommunizieren und sind vernetzt. Aber der ständige Blick auf dieses Medium verkürzt den Blick auf andere Medien. Dann sind Schüler auch schnell abgenervt und fragen ‘Was soll ich denn mit einer Folie? Was soll ich denn mit ’nem Buch?‘“ (ebd., 25) Ebenso wie Lernerfolge von dem Verhalten der Schüler*innen abhängen, kommt es auch auf die Methodenkompetenz der Lehrenden an, etwa im richtigen Umgang mit einer Smart-Wall. Ein Praxis- beispiel einer Berufsschule aus Nordrhein-Westfalen unterstreicht, dass digitale Tools und Medien zu einem erhöhten Lernerfolg beitragen können. Ein digitales Lernkartensystem wurde im Unter- richt von einer Lehrkraft erprobt, die einen Zusammenhang zwischen Prüfungserfolg und digitaler Aufbereitung herstellt: „Bei uns haben in dem Jahr relativ viele die Prüfung bestanden. Laut Aussage der Schüler ist es aufgrund des Einsatzes dieses modernen Mediums erfolgt. Das macht ihnen auch Spaß. Die lernen dann länger damit und wiederholen öfter, als wenn sie sich noch mal ein Arbeits- blatt durchlesen. Die Motivation bei den Auszubildenden ist viel höher“ (ebd., 23). Fazit und Ausblick Unternehmen öffnen sich bereits Schritt für Schritt in Richtung des digitalen Wandels, nutzen Apps, Tablets und Smartphones im Alltag und kommunizieren online mit den Kund*innen. Sie erkennen die Notwendigkeit, in die Weiterbildung ihres Personals zu investieren. Die technologischen Verände- rungen gehen aber nicht nur mit einzelnen Fortbildungen einher, sondern sind mit einem „Update“ der Organisationskultur und der Haltungsfrage verknüpft. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es für Betriebe besonders wichtig, sich für junge Leute attraktiv machen. Attraktivität heißt vor allem, ihnen mehr Verantwortung für einzelne Prozesse zu übertragen. Nicht nur Medien und Methoden ändern sich, auch die Lernsettings – wenn Jung und Alt stärker als bisher gemeinsam lernen, birgt dies neue Potenziale für die Verbesserung der Ausbildungsbeziehung. Junge Leute sind nicht per se kompetent in der Bewältigung digitaler Herausforderungen. Sie zeigen jedoch eine höhere Veränderungsbereit- schaft und nähern sich den situativen Anforderungen in der Regel spielerisch. Im Kontext der Digitali- sierung betrieblicher Lern- und Arbeitsprozesse ist der Expertenstatus nicht vergeben, nicht allein dem Ausbildungspersonal zuzuschreiben. Vor dem Ziel, geeignete Auszubildende auf sich aufmerksam zu machen, erscheint es deshalb sinnvoll, jüngere Beschäftigte oder sogar Auszubildende selbst sprach- lich sowie medial in die Rekrutierungsaktivitäten mit einzubeziehen. Eine Qualifizierung zu betrieblichen Medienmanagern mit dem Auftrag, die digitalen Arbeitsprozesse im Unternehmen zu steuern, schafft nicht nur auf der individuellen Ebene gute Perspektiven. Sie bie- tet auch gute Gelegenheiten für die berufliche wie organisationsbezogene Personalentwicklung. Ein Unternehmen, welches seine Kommunikationsstrategie dahingehend weiterentwickelt und jüngere wie ältere Beschäftigte kooperativ einbindet, beugt einer hohen Fluktuation und Abbruchquote in der Berufsausbildung langfristig vor. Ein weiterer Schlüssel für den verbesserten Ausbildungserfolg liegt auch in der Gestaltung der Lernortkooperation zwischen Betrieb, Berufsschule und ÜAZ. Die zentralen Ausbildungspartner beklagen unzureichende Zusammenarbeit und sehen die Gründe dafür vornehmlich bei den jeweils anderen Beteiligten. Ein Kommunikationsmedium, mit dem diese 4 | vierpunkteins begleitet KMU im digitalen Wandel 261 Partner die Ausbildungsverläufe rationalisieren können, bietet die digitale Berichtsheftführung. Sie ist mehr als nur eine informationstechnische Schnittstelle, denn sie bietet Raum für Kooperation. Der Einwand, motorische Fertigkeiten würden immer weiter in den Hintergrund gerückt, scheint begründet. Aber es bestehen vielfältige weitere Möglichkeiten, in der Ausbildungspraxis das hand- werkliche Geschick zu fördern, Zeichnungen per Hand anzufertigen und analoge Rückmeldungen zum Fortschritt zu geben. Im Projekt vierpunkteins begegnen wir vielen Meinungen, Ansichten und Erfahrungen, wir erleben vor allem auch Unsicherheiten – und das ist gut so. Die Unsicherheit in Hinblick auf die geforder- ten Kompetenzbeschreibungen stellt eine Chance dar, Dinge einmal anders zu machen und neue Perspektiven auf die Ausbildungsqualität zuzulassen. Schon in wenigen Jahren wird die berufliche Bildungspraxis etwas genauer wissen, inwiefern digitale Expertise als allgemeine, hilfreiche Kultur- technik und Methodenkompetenz definiert wird. Digitalisierung in der beruflichen Bildung bleibt ein Mehrgenerationen-Projekt. Die wahrgenommene Gefahr, dass Fachlichkeit in den Hintergrund rückt, wird dann womöglich neue Korrektive und Anstrengungen mit sich bringen, um Qualitätsmaßstäbe zu erfüllen. Schon heute werden ältere Beschäftigte in ihren Betrieben als „Knowhow-Ressource“ erkannt, die mit dem Renteneintritt in ihrem Betrieb eine große Lücke zu hinterlassen drohen. Den Transfer in beide Richtungen mit Wertschätzung zu begleiten, bleibt eine wichtige Aufgabe für alle Akteur*innen der beruflichen Bildung. Literatur und Quellen Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn/ Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) (Hrsg.). Die größten Familienunternehmen in Deutschland, Unternehmensbefragung 2017 – Digitalisierung. Online: https://www.ifm-bonn.org/uploads/tx_ifmstudies/Chartbook_2017.pdf (23.02.2019) Institut für Modelle beruflicher und sozialer Entwicklung (IMBSE) GmbH (2018). Bestandsaufnahme zur Digitalisierung im beruflichen Lernen. Eine empirische Standortbestimmung der vierpunkteins-Verbundpartner mit 75 Berufsbildungsakteuren. Online: www.vierpunkteins.net/ bestandsaufnahme-zur-digitalisierung-im-beruflichen-lernen/ (23.02.2019) BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2018). Berufsbildungsbericht 2018. Online: https://www.bmbf.de/pub/Berufsbildungsbericht_2018.pdf (23.02.2019) Kirschner, P. A./ De Bruyckere, P. (2016). The myths of the digital native and the multitasker, Open University of the Netherlands: in Teacher and Teaching Education Vol. 67, S.135 bis 142 BITKOM – Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (Hrsg.) (2018). Weiterbildung für die digitale Arbeitswelt. Eine repräsentative Untersuchung von Bitkom Research im Auftrag des VdTÜV e. V. und des Bitkom e. V. Online: https://www.bitkom.org/ sites/default/files/2018-12/20181221_VdTU%CC%88V_Bitkom_Weiterbildung_Studienbericht.pdf (23.02.2019) 262 Cim corum aut fugitat iorporporia sum quo odici vid untur Cim corum aut fugitat iorporporia sum quo odici vid untur 263 LISTE DER AUTOR*INNEN 264 Liste der Autor*innen Bach, Alexandra Prof. Dr., Hochschullehrerin, Universität Kassel, Institut für Berufsbildung, Fachgebiet Berufspädagogik mit gewerblich-technischem Schwerpunkt/Technikdidaktik Elsholz, Uwe Prof. Dr., Hochschullehrer, Prorektor für Weiterbildung, Transfer und Internationalisierung, FernUniversität in Hagen, Lehrgebiet Lebenslanges Lernen Exner, Jan-Phillip Dr., wissenschaftlicher Mitarbeiter, August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse gGmbH Falk, Roland Dr., Rutesheim, Leiter Forschung und Entwicklung am Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade Rutesheim und Vorsitzender des Kompetenznetzwerk Bau und Energie e. V. Hilger, Tanja M. A., wissenschaftliche Mitarbeiterin, Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungs- schutz und Sport – VBS Jarosch, Jürgen Dr., Geschäftsführer, Elektro Technologie Zentrum Jenzen, Julia M. Sc., Dipl.-Ing., Projektreferentin für Digitalisierung und Berufspädagogik, Unternehmerverband Norddeutschland Mecklenburg-Schwerin e. V. Kirchner, Anja M. Sc., Projektreferentin für digitale Bildung, Unternehmerverband Norddeutschland Mecklen- burg-Schwerin e. V. Kölzer, Thomas Dipl.-Ing, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Technische Universität Hamburg, Institut für Baustoffe, Bauphysik und Bauchemie Liste der Autor*innen 265 Krümmel, Stefan Dr. rer. pol., Dipl.-Geogr., wissenschaftlicher Mitarbeiter, Technische Universität Hamburg, Institut für Angewandte Bautechnik Kureck, Rolf Dipl.-Ing., M. A., Unternehmensbereichsleiter, Elektro Technologie Zentrum Kuri, Norbert Dipl.-Ing., Projektleiter, Berufsförderungswerk der südbadischen Bauwirtschaft GmbH, Komzet Bau Bühl Kutscha, Jan B. A., Netzwerkkoordinator, Kreishandwerkerschaft Duisburg, Bildungszentrum Handwerk Duisburg Kybart, Markus B. Sc., Projektmanager, Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, Berufsbildungs- und TechnologieZentrum Osnabrück, Kompetenzzentrum Versorgungstechnik Lababidi, Tarek Dipl.-Päd., Projektleiter Transfernetzwerk vierpunkteins, IMBSE GmbH Lange, Axel Dipl.-Ing., Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, Berufsbildungs- und TechnologieZentrum Osnabrück, Kompetenzzentrum Versorgungstechnik Mahrin, Bernd Dipl.-Ing., wissenschaftlicher Mitarbeiter, Technische Universität Berlin, Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre, Fachgebiet Fachdidaktik Bautechnik und Landschaftsgestaltung Makhkamova, Alina M. Sc., Digitization Professional, August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse gGmbH 266 Liste der Autor*innen Menke, Felix B. Sc., Content Manager, Elektro Technologie Zentrum Mersch, Franz Ferdinand Prof. Dr., Hochschullehrer, Institutsleiter, Technische Universität Hamburg, Institut für Angewandte Bautechnik Merhout, Judith Dipl.-Päd., Netzwerkkoordinatorin, Berufsförderungswerk der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg Gemeinnützige GmbH Ottermann, Christian Elektrotechnikermeister, Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, Berufsbildungs- und TechnologieZentrum Osnabrück, Kompetenzzentrum Versorgungstechnik Piele, Alexander LL. M., wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Stuttgart, Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement Pietschmann, Martin Lernsystem-Analytiker, Projektleiter Qualitätsentwicklung, Berufsförderungsgesellschaft mbH Ranke, Hannes M. Ed., Oberingenieur, Technische Universität Hamburg, Institut für Angewandte Bautechnik Rugel, Daniel B. Ed., Projektleiter, eBusiness-KompetenzZentrum gUG, Digitale Geschäftsprozesse Schmidt, Mareike Dr., Senior Research Professional, imc Information Multimedia Communication AG Schopbach, Holger Dr.-Ing., Leiter Kompetenzzentrum, Bundesbildungszentrum des Zimmerer- und Ausbaugewerbes gGmbH Liste der Autor*innen 267 Schöllkopf, Frank Dipl.-Kfm., Geschäftsführer, FS|MEDIEN Spilski, Jan Dipl.-Psych., Scientific Coordinator (Human Machine Interaction), Center for Cognitive Science, Cognitive and Developmental Psychology, Technische Universität Kaiserslautern Trommen, Michael 1. Staatsexamen zum StR, Projektmitarbeiter zur Konzeptentwicklung und technischen Umsetzung, Kreishandwerkerschaft Duisburg, Bildungszentrum Handwerk Duisburg Werth, Dirk Dr., Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor, August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse gGmbH Verbundpartner im Projekt MELINDA Berufsförderungsgesellschaft des baden-württembergischen Stuckateurhandwerks m. b. H Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade (Projektkoordination) Siemensstr. 8, 71277 Rutesheim Berufsförderungswerk der Südbadischen Bauwirtschaft GmbH KOMZET BAU BÜHL Siemensstr. 4, 77815 Bühl Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim Berufsbildungs- und TechnologieZentrum (BTZ) Bramscher Straße 134–136, 49088 Osnabrück Bundesbildungszentrum des Zimmerer- und Ausbaugewerbes (Bubiza) Werner-Heisenberg-Straße 4, 34123 Kassel Technische Universität Berlin Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre Fachgebiet Fachdidaktik Bautechnik und Landschaftsgestaltung Marchstr. 23, MAR 1–4, 10587 Berlin Projektlaufzeit 01.05.2016 bis 31.10.2019 Das Projekt „Medienunterstütztes Lernen und Innovation in der handwerklichen Arbeit“ wurde im Rahmen des Programms „Digitale Medien in der beruflichen Bildung (DIMEBB)“ unter dem Förder- kennzeichen 01PD15015E gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds. Universitätsverlag der TU Berlin ISBN 978-3-7983-3100-6 (print) ISBN 978-3-7983-3101-3 (online)