Studie zur Industriearchitektur in Leipzig Plagwitz 1870-1914 am Beispiel ausgewählter Bauten vorgelegt von Magistra Artium Julia Susann Buhl aus Leipzig Von der Fakultät I – Geisteswissenschaften der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie – Dr. - Phil. – genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Vorsitzender: Prof. Dr. Claus Wiedemann Berichter: Prof. Dr. Wolfgang Wolters Berichter: Prof. Dr. Adrian von Buttlar Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 08. Mai 2003 Berlin 2003 D 83 INHALTSVERZEICHNIS Präambel 4 I. Industrialisierung und Industriearchitektur I.1. Die Industrialisierung I.1.1. Die Industrialisierung in Sachsen I.1.2. Die Industrialisierung in Leipzig I.2. Die Industriearchitektur I.2.1. Die Industriearchitektur in Sachsen I.2.2. Die Industriearchitektur in Leipzig 5 6 7 9 14 18 27 II. Plagwitz II.1. Die natürlichen Bedingungen II.2. Die historische Entwicklung II.3. Karl Heine - Der Erschließer des Leipziger Westens II.3.1. Kurze Biografie II.3.2. Drei Jahre im Reichstag – Karl Heine als Politiker II.3.3. Karl Heine und die Westendbaugesellschaft II.3.4. Refugium auf der Schleußiger Halbinsel – Die Heine-Villa II.4. Die Entwicklung der Infrastruktur II.4.1. Trockenlegung und Flussbegradigungen 35 37 38 44 44 II.4.2. Die Straßen II.4.3. Das Gleissystem, die Bahnhöfe und Verladestationen II.4. 4. Der Elster-Saale-Kanal II.4.5. Die Brücken II.4.6. Die öffentlichen Verkehrsmittel – Straßenbahn, Dampfer und Stadtbahn II.5. Die Industrialisierung des Vorortes 59 51 53 55 56 57 60 62 65 67 69 III. Die Plagwitzer Industriearchitektur III.1. Frühe Bauten / Die Anfänge III.2. Bebauungschronologie und Strukturen der Firmenareale III.3. Anforderungen unterschiedlicher Industriezweige und ihre bauliche Umsetzung III.4. Funktionale Elemente III.4.1. Anbindung an Gleise, Straßen und Wasserwege III.4.2. Gebäudebrücken III.4.3. Souterrain- und Dachgeschosse III.5. Gestalterische Elemente III.5.1. Materialien III.5.2. Fassadengestaltung III.5.3. Dächer III.5.4. Freizeitbereiche III.6. Der neue Machtanspruch der Industrie III.7. Plagwitzer Industriearchitektur im Kontext 73 78 81 90 92 93 98 101 103 104 116 135 140 143 150 IV. Strukturwandel in Plagwitz IV.1. Probleme und Potentiale der Mischstruktur IV.2. Umnutzung der Fabriken von einst IV.3. EXPO 2000 und URBAN II- Vehikel auf dem Weg in die Zukunft? IV.4. [K]eine Zukunft für unsere Vergangenheit? 157 160 163 Danksagung 182 171 176 Anhang Katalogteil zu den einzelnen Betriebe Dambacher & Mügge (1865) Rudolph Sack (1867) Mey & Edlich (1869) Meier & Weichelt (1870) Tittel & Krüger (1875) Brehmer (1879) Unruh & Liebig (1880) Swiderski (1888) Konsumbäckerei (1889) Schlothof (1898) Törpsch (1901) Weithas & Nachfahren (1910) 183 186 192 199 206 209 218 222 226 230 235 238 242 Die Architekten und Baumeister Brömme, Carl & Felix; Händel & Franke; Heym, Lothar; Hülssner, Theodor; Jummel, Ottomar; Löbe, Louis; Mosenthin, Julius; Pfefferkorn, Friedrich Wilhelm; Pfeiffer & Händel; Pommer, Max; Ranft, Paul; Röthig, Robert; Schelle, Franz; Walter Schneider; Steib, Otto und Julius; Steyer, Eduard; Voigt, Otto; Winkler, Louis 247 Gleisanschlüsse in Plagwitz um 1900 254 Abbildungen 265 Abbildungsnachweis 416 Bibliographie 418 4 Präambel Zu Beginn sollen und müssen dieser Untersuchung zwei grundsätzliche Hinweise voran gestellt werden. Zum einen handelt es sich bei der Auswahl der zwölf untersuchten Objekte in keiner Weise um eine Wertung des vorhandenen Baubestandes. Das heißt, die zwölf Objekte wurden hauptsächlich nach inhaltlichen Kriterien ausgewählt, so dass am Ende eine höchstmögliche Bandbreite an alternativen Bautypen, Erhaltungs- und Sanierungsgraden, historischen Entwicklungen und Umnutzungskonzepten vorgestellt werden konnte. Ausschlaggebend für die letztendlich getroffene Auswahl war dabei häufig die teilweise sehr unterschiedliche Quellenlage zu den Objekten. Grundsätzlich ist festzustellen, dass diese Auswahl in keiner Form eine qualitative Bewertung des Bestandes darstellt. Viele der hier nicht behandelten ehemaligen Industriebauten Plagwitz’ sind architektonisch, historisch und bautechnisch ebenso interessant und schützenswert wie die hier vorgestellte Bausubstanz. Zum anderen hat es das, bereits im Entstehungsprozess dieser Arbeit auch aus anderen Fachbereichen signalisierte, große Interesse an diesen Untersuchungen nahegelegt, den Ausführungen einige allgemeine und einführende Abschnitte zur Seite zu stellen, die lediglich als lockere Hinführung zum Untersuchungsgegenstand – unter Berücksichtigung der relevanten Literatur zum Thema – gedacht sind und in keiner Weise Anspruch auf Vollständigkeit oder nachhaltige Profundität erheben. Hierzu zählen besonders die Einstiegsabschnitte zur Industrialisierung allgemein und in Sachsen sowie die zur Industriearchitektur allgemein und in Sachsen. Sie sind ausschließlich als „Landmarken“ zum Abstecken des UntersuchungsTerrains gedacht und wollen nicht mehr als eine atmosphärisch einstimmende Bedeutung haben. 5 I. Industrialisierung und Industriearchitektur Da die Entwicklung der Industriearchitektur, und zwar nicht nur die der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in direktem Zusammenhang mit der Entfaltung der Industrialisierung selbst stand, soll zu Beginn dieser Untersuchung auf das Verhältnis dieser beiden Komponenten eingegangen werden. Zum einen ermöglichten die neu entwickelten Materialien und Methoden wie Gusseisen, Stahl und später Stahlbeton eine ganz neue Art der Konstruktion. Zum anderen änderten sich mit der Art der Produktion auch deren Anforderungen an die Funktionalität der Gebäude, die sie beherbergten. Das sind jedoch nur die beiden augenfälligsten Komponenten, aus denen eine Wechselwirkung der beiden Seiten entstand. Die Verflechtungen zwischen der Industrialisierung und der sich daraus entwickelnden Architektur sind damit jedoch noch nicht hinreichend beschrieben. Nicht unerwähnt bleiben sollte an dieser einführenden Position die Schlüsselstellung, die die Industriearchitektur vom Ende des vorigen Jahrhunderts in Bezug auf die Entwicklung der modernen Architektur einnimmt. Der Internationale Stil der Moderne hat sich – aus verschiedenen Gründen – an der Funktionalität industrieller Ästhetik des ausgehenden 19. Jahrhunderts wesentlich stärker orientiert als an irgend einem anderen historischen Baustil: “Die industriellen Konstruktionen waren auch in symbolischer Hinsicht geeignete Vorbilder, die historischen Bauten nicht.”1 Die „... Betrachtung des Symbolischen in der Architektur und der Ikonographie der städtischen ...“2 Konzeption im zweiten Teil des Buches Venturis haben dementsprechend – zumindest im übertragenen Sinne – auch auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit Anwendung gefunden. Der Gedanke der industriellen Ästhetik innerhalb der Architektur, die durchaus auch auf Funktionalität verzichtet, wenn es nur „modern“ aussieht, taucht in der Literatur häufiger auf. Beispielsweise bei Reyner Banham, der diese Idee in seinem 1990 bei Birkhäuser veröffentlichten Werk Das gebaute Atlantis an verschiedenen Beispielen – wie etwa absolut unfunktionalen, ja sogar undichten Flachdächern oder auch „schmuck“ verhüllenden Klinkerverkleidungen vor Betonfassaden etc. – genauer ausführt.3 1 Robert Venturi u.a.: “Lernen von Las Vegas”; Braunschweig/Wiesbaden 1979; S.163. A.a.O.; S.8. 3 Reyner Banham: „ Das gebaute Atlantis - Amerikanische Industriebauten und die Frühe 2 6 Die partielle Zurückhaltung der großen Nachschlagewerke der Architektur und der Kompendien über ihre historische Entwicklung gegenüber der “gewöhnlichen”, namenlosen Industriearchitektur des vergangenen Jahrhunderts scheint unter diesem Gesichtspunkt nicht ganz gerechtfertigt. Zwar hat man sich mehrfach eingehend mit der Ausstellungsarchitektur der großen Weltausstellungen und einigen herausragenden Paradebeispielen der Ingenieurarchitektur auseinandergesetzt, aber die Kontinuität der Entwicklung gerade beim Bau von Produktionsstätten verschiedenster Couleur ist in den meisten Abhandlungen eher zu kurz gekommen. Die Architektur Amerikas scheint nach den Ausführungen der Literatur die treibende und maßgebliche Kraft bei der Entwicklung der neuen Ausdrucksformen der modernen Architektur gewesen zu sein. Und so übersieht man geflissentlich die “Meilensteine der Moderne” vor der eigenen Haustür. Der Gedanke, dass synchron zur Entwicklung der “großen” Architektur auch die “gewöhnliche” Architektur den Schritt in die Moderne tat – und das vielleicht sogar als erste von beiden – ist darum bisher allenfalls vereinzelt vertreten worden. Der Schritt der Architektur hin zur neuen Ästhetik des Funktionalismus hat sich parallel zu den künstlerischen Höhenflügen des beginnenden 20. Jahrhunderts durchaus auch auf der Ebene der gewöhnlichen Baukunst selbständig und vollkommen vollzogen. Darum ist diese “gewöhnliche” Architektur ebenso interessant und schützenswert wie die Highlights der Architektur auf dem Weg zur Moderne. I.1. Die Industrialisierung “Die industrielle Revolution, die plötzliche Produktionssteigerung, die im 18. Jahrhundert durch die Einführung des Fabriksystems und der Maschine ausgelöst wurde, änderte das gesamte Bild der Welt gründlicher als die soziale Revolution in Frankreich. Ihre Auswirkung auf Denken und Gefühl war so groß, daß wir heute noch nicht zu ermessen vermögen, wie tief sie in die innerste Natur des Menschen gedrungen ist, und was für große Veränderungen sie dort hervorrief. Niemand konnte diesen Auswirkungen entgehen, ... sie [nahm] Besitz vom ganzen Menschen und seiner ganzen Welt. ... das Gleichgewicht hingegen, das dem menschlichen Leben mit der industriellen Revolution verlorenging, wurde bis heute nicht wieder hergestellt. Die Zerstörung der inneren Ruhe und Sicherheit des Menschen bleibt die auffallendste Folge der industriellen Revolution. Das Individuum geht verloren in dem Drang nach Produktion, es wird von ihm verzehrt.”4 4 Moderne in Europa“ ; Basel, Berlin, Boston 1990. Sigfried Giedion, “ Raum, Zeit, Architektur. Die Entstehung einer neuen Tradition ”; 7 Dieses Zitat aus Sigfried Giedions “Raum, Zeit, Architektur” hat in seiner psychologisierenden Polemik zwar etwas Überspanntes, Übertreibendes, aber einige der angesprochenen Gedanken sind auch für diese Arbeit durchaus interessant und bedeutend. So beispielsweise die Aussage, dass jeder Bereich des menschlichen Lebens durch die industrielle Revolution betroffen war und durch sie verändert wurde. Das ”Bild der Welt” änderte sich tatsächlich grundlegend, ebenso wie das “Bild der Arbeitswelt” des Menschen. Dies hatte natürlich auch Auswirkungen auf Sachsen. Dabei waren die Erfahrungen aus England – das zu Beginn des Zeitalters der Industrie eine Vorreiterrolle in Europa einnahm – sowohl für die Technik als auch im Bereich der formalen Gestaltung der Produktionsgebäude, die wohl wichtigste Orientierungshilfe für viele deutsche Unternehmen. I.1.1. Die Industrialisierung in Sachsen “In der Zeit von der Reichsgründung bis zum Ersten Weltkrieg entwickelte sich Deutschland zum Industriestaat, d.h. die Industrie bekam die beherrschende Stellung innerhalb der deutschen Volkswirtschaft, so daß von ihr die gesellschaftlichen Verhältnisse entscheidend beeinflußt wurden.“ 5 “Sachsen verfügte für den Start ins industrielle Zeitalter über außergewöhnlich positive Voraussetzungen, die sich in ihrer vielleicht einmaligen Verbindung glücklich auswirkten.” 6 Zu diesen positiven Voraussetzungen gehörten zunächst einmal die zentraleuropäische Lage, die Tradition in der Rohstoffgewinnung und in der handwerklich manufakturellen Fertigung sowie günstige Voraussetzungen der Energiegewinnung wie zahlreiche Flussläufe und Braun- beziehungsweise Steinkohlevorkommen. Außerdem kam es hier zu einer bedeutenden Akkumulation von technischem Wissen, wobei man sich auch nicht zu schade war, dies durch Abwerben englischer Ingenieure und Fachkräfte zu erreichen. So wurde beispielsweise Evan Evans (1765 - 1844) gewonnen, der auch gern als Basel, Boston, Berlin 1996; S.128. Friedrich-Wilhelm Henning: “ Die Industrialisierung in Deutschland 1800-1914” ; Paderborn 1973; S.203. 6 “ Industriearchitektur in Leipzig”; S.59. 5 8 “Vater der Sächsischen Baumwollspinnerei” bezeichnet wird und der maßgeblich am maschinellen Aufschwung in Sachsen beteiligt war. Ab 1802 wurde die bereits 1799 begonnene, erste wasserbetriebene Baumwollspinnerei in Hartau bei Chemnitz unter seiner Führung errichtet. In den darauffolgenden Jahren gründeten sich allein im Chemnitzer Raum beinahe 30 ähnlich konzipierte Maschinenspinnereien entlang der Flussläufe. Außerdem kam es zu einem ausgesprochen florierenden Außenhandel, der Sachsen im beginnenden 19. Jahrhundert zu einem der bedeutendsten Exportländer machte. Auf der Basis dieser geeigneten Vorbedingungen konnte sich im Königreich Sachsen im 19. Jahrhundert eine stabile und aufstrebende Industrie entwickeln.“Das Königreich Sachsen entwickelte sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr zu einem führenden Zentrum der Textilindustrie und des Textilmaschinenbaus.” 7 Des weiteren war auch der Maschinenbau und der Eisenbahnbau im sächsischen Königreich von großer Bedeutung. Rund um die bereits weiter oben erwähnten „Massengründungen“ von Maschinenspinnereien im Chemnitzer Raum kam es in der Folge auch zu Gründungen von diversen Maschinenbauunternehmen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die die erforderlichen Spinnerei- und Dampfmaschinen hierfür herstellten und warteten. Aber auch andere Bereiche des Maschinenbaus konnten schnell Fuß fassen. Bereits 1837 begann die Firma Hartmann, in Chemnitz Maschinen zu bauen und wurde zu einem Weltunternehmen. 1848 verließ hier – zehn Jahre nachdem die erste deutsche Andreas Schubert Lokomotive, die Saxonia, von in der 8 Maschinenbaugesellschaft Dresden-Uebigau gebaut worden war – die erste Chemnitzer Lokomotive das Werk. Diesen zahlreichen Gründungen verdankt Chemnitz, in dem damals ein Großteil des sächsischen Reichtums produziert wurde, seinen Beinamen „Das sächsische Manchester“ .9 Sachsen ist aber auch für die Entwicklung des Eisenbahnwesens von entscheidender Bedeutung gewesen. Friedrich List wirkte nach seiner Rückkehr nach Deutschland von Leipzig aus für den Fortschritt des Eisenbahnbaus. Am 08. April 1839 wurde die erste deutsche Langstreckenverbindung zwischen Leipzig und Dresden in Betrieb genommen. Knapp vier Jahre zuvor war am 07. Dezember 1835 der erste von einer Lokomotive gezogene Zug von Nürnberg 7 Rudolf Rübberdt: „ Geschichte der Industrialisierung“ ; München 1972; S.72. „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.7. 9 „Industriearchitektur in Chemnitz“ , S.55. 8 9 nach Fürth gestartet. Die Strecke war jedoch nur 6,1 km lang. Auf Grund der guten wirtschaftlichen Erfolge in Franken war man nun bereit, in Sachsen eine weitaus höhere Investition im Zusammenhang mit dem Bau der Verbindung Leipzig-Dresden zu wagen. Dabei wurde auch der erste deutsche Eisenbahntunnel angelegt. Nur wenige Jahre später entstand auf der Strecke von Chemnitz nach Bayern, bei Mylau, einer der weltweit größten Backsteinbauten: die Göltzschtalbrücke.10 In vier Bogenreihen, mit einer Gesamthöhe von 78 Metern und einer Länge von beinahe 600 Metern, dient dieses Viadukt noch heute der Verbindung der beiden Seiten des Göltzschtales und dem Eisenbahnverkehr. (Abb.1) Auch der Bergbau spielte bei der zeitlich etwas verzögert einsetzenden Industrialisierung in Sachsen, wie auch in Deutschland allgemein, eine wichtige Rolle. Da er aber für die Region Leipzig zunächst ohne Bedeutung war, soll hier auf ein näheres Eingehen auf diesen Bereich verzichtet werden.11 Neben dem Ruhrgebiet wuchs Sachsen zu einem der höchstentwickelten und produktivsten Industriezentren Deutschlands, ja sogar ganz Europas heran. Neben den Städten Chemnitz und Dresden, von denen sich letztere auf Grund rigider städtebaulicher Verordnungen zu einem Zentrum der Fein- und Luxusindustrie entwickelte,12 konnte sich damals vor allem Leipzig als prosperierende Gewerbe- und Industriestätte entwickeln und behaupten. I.1.2. Die Industrialisierung in Leipzig “Leipzigs Bedeutung in früherer Zeit wurde begründet durch den Ruf seiner Messen ... Daß Leipzig auch als Industriestadt von hervorragender Bedeutung ist, dürfte weniger bekannt sein.” 13 Leipzig nahm innerhalb Sachsens und auch innerhalb Deutschlands – zumindest im Bereich einiger Industrien – eine herausragende Stellung ein. In diesem Zusammenhang ist natürlich zu allererst das polygrafische Gewerbe zu nennen, welchem in der “Stadt des Buches”, wie Leipzig damals auch genannt wurde, 10 „Industriearchitektur in Chemnitz“ , S.56. A.a.O., S.73ff. 12 „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.7. 13 Karl Juckenburg: „ Das Aufkommen der Grossindustrie in Leipzig“ ; Leipzig 1912.; S.1. 11 10 eine Sonderrolle zukam. Auch in diesem Fall hatte der Handel mit Büchern eine wichtige Rolle bei der Ansiedlung von Druckereien sowie von Fabriken zur Papierherstellung, zur Produktion von Druck- und Buchbindereimaschinen und ähnlichen Betrieben geführt. 1825 hatte sich in Leipzig der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gegründet und damit sowohl der Leipziger Buchmesse als auch dem nationalen Buchhandel über Leipzig als Dreh- und Angelpunkt einen gewaltigen Auftrieb verschafft. Begünstigt durch den Handel konnte sich ab dem 18. Jahrhundert eine grafische Industrie entwickeln, die im Vergleich zu anderen Städten und Regionen als außergewöhnlich bezeichnet werden muss: “Vergleichen wir die Ergebnisse der Betriebszählungen in Leipzig mit denen Sachsens und Deutschlands, so zeigt sich die große Überlegenheit Leipzigs in diesem Industriezweige. 70,9 % der Betriebe Sachsens und 20,3 % der Betriebe Deutschlands sind in Leipzig, der Anteil der gewerbetätigen Personen ist noch größer, er beträgt 78,5 % und 23,2 %. Von den 12 Großbetrieben in Sachsen und den 30 in Deutschland entfallen 10 auf Leipzig.” 14 Ein sehr beeindruckendes Ergebnis, das ganz deutlich die damalige Bedeutung Leipzigs im grafischen Gewerbe herausstreicht und die Verwendung des Beinamens “Stadt des Buches”, die Ansiedlung der “Deutschen Bücherei” als Nationalbibliothek Deutschlands im Jahre 1912 am Deutschen Platz sowie das Vorhandensein eines “Grafischen Viertels” in dieser Stadt erklärt. 15 Beinahe alle namhaften deutschen Verlage der damaligen Zeit waren hier ansässig: So zum Beispiel Breitkopf & Härtel16, Brockhaus17, Teubner18, Reclam jun., Meyer und viele andere mehr. Ein ganz wesentliches Merkmal der Industrie Leipzigs war jedoch ihre Vielseitigkeit. Diese Mannigfaltigkeit hat die Leipziger Industrie vor so manchem Zusammenbruch durch periodische Branchenkrisen bewahrt, der vielen anderen, eingleisig spezialisierten Industriestädten widerfahren ist. Es findet sich hier Textilindustrie neben Maschinenbau, Metallverarbeitung neben Papier- und Lederindustrie, Bekleidungsgewerbe, Nahrungs- und Genussmittelindustrie, Holzbearbeitungsgewerbe neben chemischer Industrie und außerdem noch 14 Juckenburg, S.124. Vgl. Carl B. Lorck: “Die Druckkunst und der Buchhandel in Leipzig durch vier Jahrhunderte” ; Leipzig 1879 sowie Alfred Heller: “Das Buchdruckgewerbe, die wirtschaftliche Bedeutung seiner technischen Entwicklung“; München 1911. 16 Oskar von Hase: “Breitkopf & Härtel 1719 - 1875” ; Leipzig 1883. 17 “Das 100jährige Jubiläum der Firma F.A.Brockhaus” ; Leipzig 1905. 18 “B. G. Teubner 1811 - 1911” ; Leipzig 1911. 15 11 Reinigungs-, Bau- und künstlerisches Gewerbe – soweit führt es die Aufzählung in Karl Juckenburgs Buch “Das Aufkommen der Großindustrie in Leipzig” 19 auf. Diese 1912 eingereichte Dissertation muss als Standardwerk für die Entwicklung der Industrie Leipzigs für die Zeit von 1860 bis 1910 gelten. Denn auch wenn Juckenburg den zeitlichen Rahmen sehr viel weiter spannt und die einzelnen Gewerbe beziehungsweise Industriezweige bis zu ihren Anfängen zurückverfolgt, so liegen doch – nach seiner eigenen Aussage – erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zuverlässige und aussagekräftige statistische Daten zu einer auswertenden Analyse der Entwicklung der Industrie Leipzigs vor. (Abb.2) Wichtig bei der Bewertung der für die Entwicklung repräsentativen Daten ist auf jeden Fall auch der Umstand, dass Leipzig Ende der 1880er und Anfang der 1890er Jahre sein Stadtgebiet durch zahlreiche Eingemeindungen enorm erweiterte. Auch Plagwitz, das im nächsten Kapitel genauer vorgestellt werden wird und das Gegenstand dieser Untersuchung ist, war ein kleiner Vorort Leipzigs, der zum 1. Januar 1891 eingemeindet wurde und dadurch zu einem Anstieg des Industriepotentials in Leipzig beitrug. Aber ungeachtet dessen lässt sich in sehr vielen der oben aufgezählten Bereiche des Gewerbes und der Industrie ein immenser Zuwachs vor allem für die Zeit der 1880er und 1890er Jahre konstatieren. Dabei nimmt nicht nur die Zahl der Betriebe und der in ihnen Beschäftigten zu. Auch in Bezug auf innerbetriebliche und produktionsabhängige Strukturen, ist ein deutlicher Trend zu Großbetrieben und eine weitestgehende Motorisierung und Maschinisierung der Firmen festzustellen. Die meisten der entstandenen Großbetriebe hatten zwischen 200 und 1000, einige jedoch sogar mehr Beschäftigte. Diese Entwicklungstendenzen sind in jener Zeit für ganz Deutschland symptomatisch. Zahlenvergleiche belegen aber auch die bedeutsame Stellung, die Leipzig im Vergleich mit anderen Städten beziehungsweise im Landesdurchschnitt einnimmt: “Für die gewerbetätigen Personen ergab sich als Anteil Leipzigs an denjenigen Sachsens 1875 4,61 %, 1907 11,5 % und an denjenigen Deutschlands 1875 0,47 % und 1907 1,35 %.” 20 und “[1907] ... betrugen die Betriebe mit Motoren ... 8,17 % der Gesamtzahl der Betriebe. In Sachsen betrugen 1907 die Motorenbetriebe 8,12 % der gesamten Betriebe, in Deutschland 10,03 %.” 21 19 Karl Juckenburg: „ Das Aufkommen der Grossindustrie in Leipzig“ ; Leipzig 1912. Juckenburg; S.16. 21 A.a.O.; S.15. 20 12 Im Bereich des Maschinen- und Apparatebaus sind es natürlich vor allem Maschinen für das polygrafische Gewerbe, deren Herstellung in Leipzigs Industrie eine Vorreiterrolle zukommt. Zu erwähnen sind hier besonders die Firmen von Karl Krause22 sowie Schelter & Giesecke23. Bedeutung erlangte auch der Bau von Drahtseilbahnen, denn die Firma Bleichert & Co24 wurde durch mehrere Erfindungen und Neuerungen zu einer der wichtigsten Firmen in diesem Bereich. Bleichert exportierte “... in alle[n] Weltteile[n] ... von Spitzbergen bis Südafrika” 25 Auch die erste Nähmaschine Deutschlands kam aus einer Leipziger Firma – der von Christian Mansfeld26, welcher für diese Entwicklung firmierte. Die Herstellung von Musikinstrumenten27, namentlich von Pianoforti, hat in Leipzig berühmte Blüten getrieben: zum Beispiel mit der Firma von Breitkopf & Härtel28 aber auch mit der Pianofortefabrik von Julius Blüthner29. Im Bereich der Textilindustrie konnte Leipzig sich ebenfalls sehen lassen. Die beiden größten Wollspinnereien Sachsens – die Pfaffendorfer beziehungsweise später dann Leipziger Kammgarnspinnerei30 und die Kammgarnspinnerei Stöhr & Co A.-G., welche darüber hinaus auch der größte industrielle Betrieb der Stadt war – hatten ihren Sitz in Leipzig. Die Lederwarenindustrie hat zur damaligen Zeit zumindest einen berühmten Namen hervorgebracht, nämlich den Kofferfabrikanten Moritz Mädler. Das von ihm gegründete Unternehmen existiert heute noch, wenngleich auch nicht mehr in Leipzig. Berühmt wurde sein Name allerdings vornehmlich durch den von Mädler initiierten und finanzierten Bau des Messehauses Mädlerpassage: “...[es] markiert den Höhepunkt der Messehausentwicklung vor dem I. Weltkrieg ... [und] ...gehört zu den bedeutenden erhaltenen deutschen Passagenbauten aus der Spätzeit dieses Bautyps.” 31 22 Theodor Goebel: “Karl Krause und sein Werk” ; Leipzig 1905. “75 Jahre des Hauses Schelter & Giesecke in Leipzig” ; Leipzig 1894. 24 Max Bleichert: “Die Entwicklung und das Arbeitsgebiet der Firma Adolf Bleichert & Co, Leipzig-Gohlis” ; Vortrag; Leipzig 1908.; zitiert nach Juckenburg; S.37. 25 Juckenburg; S.38. 26 “Festschrift zum 50jährigen Geschäftsjubiläum” , Leipzig 1911. 27 Küppers: “Ein Beitrag zur Geschichte des Musikinstrumentenmachergewerbes mit besonderer Rücksicht auf Leipzig” ; Leipzig 1886 und O. Neumann: “Die Centren der sächsischen Musikinstrumentenindustrie” ; Leipzig 1895. 28 Vgl. Anm.16! 29 “Julius Blüthner in Leipzig 1853 - 1903” ; Leipzig o. J. [1903?] 30 “Zur Feier des 50jährigen Bestehens der Aktiengesellschaft Kammgarnspinnerei zu Leipzig” , Leipzig 1886. 31 Wolfgang Hocquél: “Leipzig - Baumeister und Bauten. Von der Romanik bis zur Gegenwart”, Berlin und Leipzig 1990; S.230. 23 13 Das erste Dampfsägewerk Deutschlands wurde 1845 in Leipzig gegründet. Im Bereich der Lebens- und Genussmittelindustrie sind vor allem die Kakao- und Schokoladenfabrikation der Firmen Felsche und Riquet32 zu erwähnen, sowie die Kaffeebrennerei der Firma Richard Pötzsch, welche der größte Betrieb dieses Zweiges in ganz Sachsen war. Das gleiche gilt für den Städtischen Schlachthof im Süden Leipzigs, dessen Gebäude nach Umbaumaßnahmen auf dem weitläufigen Areal seit Frühjahr 2000 die Sendezentrale des Fernsehens des Mitteldeutschen Rundfunks beherbergen. Auch diverse Brauereien, so zum Beispiel die Riebeck & Co A.G. als größte sächsische Brauerei33, und Bäckereien34 von Rang fanden sich um die Jahrhundertwende in Leipzig. Die Rauchwarenindustrie hatte in Leipzig zur selben Zeit eine ähnliche Relevanz wie das Buchgewerbe erlangt. Und ähnlich wie dort ist auch hierbei die Messe und der Handel ein entscheidender Standortfaktor gewesen, der diese Entwicklung begünstigt hatte. Als Drehscheibe zwischen Ost- und Westeuropa war Leipzig schon frühzeitig zum Zentrum des Rauchwarenhandels geworden. Es war deshalb nur naheliegend, die damit zusammenhängenden Industrien wie Fellfärberei, Kürschnerei etc. vor Ort anzusiedeln. Etwa 2/3 der in diesem Zweig arbeitenden Bürger Sachsens waren in Leipziger Firmen beschäftigt. “Von der Gesamtzahl der Pferdestärken Deutschlands entfallen 2/3 auf Sachsen und 1/3 auf Leipzig.35 Der Boom im Baugewerbe der damaligen Jahre ist in Anbetracht der eben geschilderten Fakten nur allzu leicht vorstellbar, jedoch ist in diesem Bereich auf Grund der Art des Gewerbes nicht von Industrialisierung zu sprechen. Die Papierindustrie mit ihrer Kartonagefabrikation und der Buchbinderei. In letztgenannter hat sich der oben bereits erwähnte Karl Krause mit seinen weiterentwickelten Buchbindereimaschinen einen Namen gemacht. Die Gebrüder Brehmer, die mit ihrer Produktion von Drahtheftmaschinen aus Philadelphia nach Leipzig-Plagwitz kamen, werden im Folgenden noch näher vorgestellt werden.36 Die Kartonagefabrikation hatte vergleichsweise dazu nicht im entferntesten die Bedeutung für Leipzigs Industrie. Erwähnt werden soll sie aber an dieser Stelle dennoch, um eine Überleitung zum nächsten Kapitel der 32 “150 Jahre des Bestehens der Firma Riquet & Co” ; Leipzig 1895. “Die Riebeck-Brauerei” , in: “Deutsche Industrie, Deutsche Kultur” ; Jg. IV, Nr. 16. 34 Vgl. auch Abschnitt Konsumbäckerei des Katalogs im Anhang der Arbeit! 35 Juckenburg; S.109. 36 Vgl. auch Abschnitt Brehmer des Katalogs im Anhang der Arbeit! 33 14 Arbeit zu schaffen, denn eine der bedeutendsten Firmen aus diesem Bereich war die von Mey & Edlich. Dieses Unternehmen schaffte es, mit seiner Produktion von Papierwäsche zu Weltruf zu gelangen. Mit dem daran angegliederten Versandhandel erreichten Mey & Edlich 1904 sogar die Weltspitze.37 Der Bezug zum nachfolgenden Kapitel hängt mit der Lage des Etablissements zusammen, denn die Firma ließ sich nach ihrer Umsiedlung von Paris 1870 in LeipzigPlagwitz nieder.38 Abschließend lässt sich feststellen, dass Leipzig in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Industriezentrum von europäisch relevantem Format wurde und dadurch dazu beitrug, dass auch in Sachsen endgültig der Übergang vom Agrar- zum Industriestaat gelang. I.2. Die Industriearchitektur “Die Rauchfahnen [der Fabrikschlote] galten in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts, beim Durchbruch der ersten Industrialisierungswelle, als Symbol und Zeichen, als “Fahnen” des Fortschritts ... Wo Fabrikschlote rauchten und industrielle Arbeitsstätten ausgebaut wurden, begann die neue Zeit.” 39 Dieses Zitat ist nicht nur sozio-historisch oder gesellschaftlich zu verstehen. Vor allem auch im Bereich der Architektur begann eine neue Zeit. Es entwickelte sich ein völlig neues Aufgabenfeld für die Architekten und damit auch ein ganz neuer Zweig innerhalb des Bauwesens: Die Industriearchitektur. Hierzu rechnet man gemeinhin alles, was eine umbaute Produktionsstätte mit serieller Maschinenproduktion darstellt. Die Industriearchitektur hat in der Zeit von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts eine gewaltige Entwicklung durchgemacht. „Als wichtigste strukturelle Veränderung erwies sich die räumliche Trennung der Arbeits- und Wohnräume der Beschäftigten vom Wohnbereich des Besitzers. Baugeschichtlich bildete sich mit der Errichtung selbständiger Produktionsstätten die eigentliche Fabrik heraus.“ 40 37 Juckenburg; S.80f. Vgl. auch Abschnitt Mey & Edlich des Katalogs im Anhang der Arbeit! 39 Wolfgang Ruppert: “ Die Fabrik. Geschichte von der Arbeit und Industrialisierung in Deutschland”; München 1983, S.20. 40 „Industriearchitektur in Chemnitz“ ; S.55. 38 15 Es ist nicht nur faszinierend, dass die Industriearchitektur mit Werken wie der von Farnolls Pritchard nur aus Eisen konstruierten Coalbrookdale-Bridge über den dort 30 Meter breiten Severn (1778/79)41, dem ersten konsequenten SkelettGeschossbau Englands, dem Boat Store’s von Godfrey Greene in Sheerness (1858/60)42 oder dem ersten Skelett-Geschossbau auf dem Kontinent, der Schokoladenfabrik Menier in Noisiel-sur-Marne von Jules Saulnier (1871)43 eine neue Ära in der Architekturgeschichte einläutete; mindestens ebensosehr fasziniert, dass sie als erster Bereich der Architektur die Kunst des Baumeisters wieder mit der Kunst des Ingenieurs beziehungsweise des Technikers vereinte. (Abb.en 3, 4 und 5) Durch die Notwendigkeit, möglichst viele der neu entwickelten Maschinen mit einem zentralen Antrieb zu betreiben, bildete sich ein völlig neuer Gebäudetyp heraus: die Fabrik. Dafür waren zum Teil ebenso völlig neue Konstruktionslösungen erforderlich. In England begann man bereits anfangs des 19. Jahrhunderts, gusseiserne Dachbinder im Fabrikbau einzusetzen. Ein nächster entscheidender Schritt in der Entwicklung der Industriearchitektur war die Erfindung des Beton und des Eisen- beziehungsweise Stahlbeton als Baustoff durch Francoise Hennebique (1842-1921) und Ernest Leslie Ransome (18441917) um die Jahrhundertwende; später durch Louis Kahn (1901-1974). Auf diesen Baustoff wird noch eingegangen werden. Zunächst war jedoch von solchen Novitäten der Konstruktion nichts zu merken und vor allem nichts zu sehen. In Deutschland wurden kaum Gebäude errichtet, die technisch und formal zukunftsweisend waren. Ganz zu Beginn bedienten sich Baumeister und Architekten bei Altvertrautem und gaben den neuen Produktionsstätten das Aussehen von Wohnhäusern. Später, ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, waren die Fabrikgebäude vermehrt dem historischen Formenkanon der traditionellen Baukunst von Repräsentationsbauten verpflichtet. Auch als sich in ihrem Inneren eine atemberaubend neue Konstruktion verbarg, war davon äußerlich nichts zu bemerken. Alles Äußere – also vor allem die der Straße zugewandten Schaufronten – atmete den Geist der Historie und des Historismus. Insofern ist auch das Zitat Giedions zu verstehen: “Wo immer das 19. Jahrhundert sich unbeobachtet fühlt, wird es kühn: ... Man 41 Kurt Ackermann u.a.: „Industriebau” ; Stuttgart 1994; S.14. A.a.O.; S.24. 43 A.a.O.; S.27. 42 16 verdeckt nach Möglichkeit die neuen Gestaltungen [Konstruktionen, Anm. d. Verf.] ... langsam rücken die unbeobachteten Hinterfronten der Bahnhöfe, Fabriken, die unverdorbenen Formen von Eisen oder Beton an die sichtbare Oberfläche.” 44 welches den Kontrast zwischen modernen Konstruktionsweisen und nicht adäquater Formgebung zum Ausdruck bringt. Das hatte vor allem wirtschaftspolitische Ursachen: Der Staat als Förderer der Industrie und Eigner der großen Hütten war vor allem an Repräsentation wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und politischer Macht interessiert und nicht an der Vorführung bautechnologischen Fortschritts. An diesen architektonischen Maßstäben und Vorbildern orientierten sich auch private Unternehmer. “Dem aufstrebenden Besitzbürgertum bot sich so Gelegenheit, seine Leistungen für den wirtschaftlichen Aufbau darzustellen und die Forderungen nach Gleichstellung mit der alten Elite, dem Adel, zu demonstrieren.” 45 Neben dieser rückwärts gewandten Bestrebung in der Architektur entwickelte sich aber auch eine Gegenströmung, die eine funktionale Ästhetik propagierte. Hier finden sich die Vorläufer der Moderne, welche den “Schritt vor dem eigentlichen Schritt” taten. Die Frage: “Wie überwand die Moderne den Eklektizismus / Historismus / Jugendstil?” wurde dabei zunächst durch eine theoretische Auseinandersetzung mit diesen Problemen beantwortet. Die Architekten-Mitglieder des 1907 in München gegründeten Deutschen Werkbundes wie Walter Gropius, Peter Behrens oder Herrmann Muthesius setzten sich für eine nachhaltige Veränderung in der Grundhaltung sowohl der Auftraggeber als auch der bauausführenden Architekten ein, was beiden Seiten nur zum Vorteil gereiche: „Schließlich muß die Mitarbeit des Architekten auch vom Reklamestandpunkt aus gewürdigt werden. Gerade seine gestaltende Tätigkeit muß den Reklameabsichten des weitsichtigen Organisators entgegen kommen.“ 46 Dabei würde gute Architektur gegenüber dem Betrachter für gute Unternehmen bürgen – sogar besser als jedes Reklameschild.47 Der Weg zur Lösung dieses Grundkonflikts der Baukunst des beginnenden 20. Jahrhunderts – nämlich der Trennung von Kunst und Technik respektive Architekt und Ingenieur – könne nur über die Industriearchitektur realisiert 44 Giedeon, 1982; S.744. Ackermann, 1994; S.30. 46 Gropius in: „Der Industriebau“; Nr. 1; Jahrgang 1912; Berlin 1912; S.5f. 47 Ebd. 45 17 werden: „Die Industrie hat es in der Hand, durch das Zusammenführen von Kunst und Technik Kultur zu schaffen.“ 48 Die Industriearchitektur schlägt diesen Weg mancherorts bereits ab 1900 ein: „Ein Umdenken bei Architekten und Industriellen, insbesondere die Loslösung von konservativen Prestigevorstellungen, setzt verstärkt ... nach 1900 ein: die zeitgenössische Baukunst avancierte zum neuen Statussymbol.“ 49 Diese Entwicklung ist, wie bereits erwähnt, ohne die Industrialisierung in doppelter Hinsicht undenkbar: Zum einen war es die sich rapide entwickelnde und anwachsende Industrie, die gesteigerte und veränderte Anforderungen betreffs des Lichteinfalls, der Tragfähigkeit beziehungsweise Größe der Konstruktionen und der integrierten Kraftübertragungssysteme an die Architektur stellte. Zum anderen war sie es, die der Architektur durch industriell vorgefertigte Teile und neue, belastbarere Werkstoffe die Grundvoraussetzungen schuf, diesen Anforderungen gerecht zu werden. So konnten sich eine Vielzahl neuer architektonischer Möglichkeiten entfalten, welche die Kunst des Bauens nicht nur technisch, sondern auch ästhetisch revolutionierten oder, schlichter gesagt, um einen recht umfangreichen Formenkanon bereicherten. Ein Formenkanon, der in Teilen bereits wenig später weitestgehend als funktionalästhetisches Credo der Internationalen Moderne und des Bauhauses postuliert wurde: “Die Formen der Fabriken und Getreidespeicher waren als Ikonographie zur Hand, eine Formensprache, mit der Versprechen abgegeben, die Zugehörigkeit zum modernen Credo bekräftigt und der Weg gewiesen werden konnte zu einer Art technologischem Utopia” 50 Man sollte sich an dieser Stelle vergegenwärtigen, dass ein großer Teil der im vergangen Jahrhundert innerhalb der Industriearchitektur aufgrund funktionaler Notwendigkeiten entstandenen Formelemente unverändert, aber ohne weiterhin diese Funktionen erfüllen zu müssen, von der modernen Architektur übernommen wurde und diese weitgehend vom äußeren Eindruck her geprägt hat. Die Rezeption geschah dabei häufig ohne eine tatsächliche Kongruenz der Bedingungen, Ansprüche und Aufgaben, welche die Architektur zu erfüllen hatte. Das heißt konkret: es kam vor, dass ein Gebäude mit einer nicht 48 Peter Behrens: „Über die Beziehung der künstlerischen und technischen Probleme; in: Technische Abende im Zentralinstitut für Erziehung u. Unterricht; Berlin 1917; S.21. 49 „Industriearchitektur in Chemnitz“ ; S.57. 50 Banham; S.14. 18 produzierenden Funktion formell den Eindruck einer Produktionsanlage erwecken konnte oder wollte. Also war es möglich, dass eine Schule, wie beispielsweise das Bauhaus in Dessau, einer Fabrik, wie beispielsweise den Fagus-Werken in Ahlfeld, sehr stark glich. Ein sehr anschauliches Beispiel für diese Assimilierung “ bereichsfremder” Formensprache ist ein wesentliches Element moderner Architektur: das Flachdach. “Das selektive Verhalten gegenüber der Autorität des rationalen Industriebaus hat eine umgekehrte Entsprechung im Verhalten des Architekten zu einem der notorischsten unter allen Gegenständen in der Architekturdiskussion: dem flachen Dach. Es läßt sich durchaus begründet sagen, daß das Flachdach zu einem der bewußt ausgewählten Symbole der Moderne wurde. Auf der höchsten Ebene der architektonischen Auseinandersetzung wird die Frage: flaches Dach oder Giebeldach zu einer rein ästhetischen oder kulturellen, wenn auch explosiven Angelegenheit...51 Dass die meisten dieser “formellen” Flachdächer undicht und insofern unfunktional waren, liegt Banham zufolge daran, dass die Architekten lediglich die ästhetische Form rezipierten, ohne sich mit den konstruktiven Problemstellungen auseinanderzusetzen. Denn die Dächer der Fabriken, die als Vorlagen gedient hatten, waren natürlich dicht gewesen. Er spricht davon, dass der Internationale Stil die erste Architekturbewegung in der Geschichte der Kunst war, welche nahezu ausschließlich auf fotografischen Zeugnissen beruhte und nicht auf Erfahrung durch direkte Anschauung.52 Die Industriearchitektur entwickelte eine ganz eigene Ästhetik der Funktion. Eine Ästhetik, die intensiv und überzeugend genug war, auch andere Bereiche der Architektur zu formen und zu bestimmen. Um einen groben Überblick über die Entwicklungen innerhalb der Industriearchitektur im regionalen Umfeld zu Plagwitz zu geben, wird in den nächsten beiden Abschnitten ein kurzer historischer Abriss dieser Entwicklungen in Sachsen und Leipzig gegeben. I.2.1. Die Industriearchitektur in Sachsen “Amerika war nicht nur das Land der Zukunft, wie Generationen hoffnungsvoller Europäer angenommen hatten, sondern auch, und wieder ist es Gropius, der die treffende Formulierung findet, “das Mutterland der Industrie”... Wenn das Interesse und die Untersuchungen dieser Generation 51 52 A.a.O.; S.19. Banham; S.20. 19 etwas rationaler und weniger romantisch gewesen wären, hätten die europäischen Modernen fast alle Qualitäten und architektonischen Formen, die sie in Amerika bewunderten, in den Arbeiten ihrer unmittelbaren europäischen Vorgänger finden können...” 53 Nicht ohne Grund kam es Ende des 19. Jahrhunderts in der Nähe von Penig tatsächlich zu einer Ortsgründung mit dem hochtrabenden Namen Amerika. Bei diesem “Örtchen” handelt es sich um eine reine Industrieansiedlung an der Zwickauer Mulde, wo sich vorwiegend Textilindustrie niederließ. Es gibt heute noch eine Eisenbahnverbindung zum Ort, was damals eine optimale Anbindung an Zulieferindustrien und Endverbraucher beziehungsweise Abnehmer der Produkte gewährleistete. So konnte mitten im „Nichts“ ein solches Konstrukt entstehen und über Jahrzehnte hinweg hervorragend funktionieren. Heute ist der Ort bezeichnenderweise beinahe vollständig verlassen und bietet das eher traurige Bild vom Niedergang einer Epoche. (Abb.en 6 und 7) Was leider auch heute viel zu wenigen vertrautes Wissensgut zu sein scheint, ist die Tatsache, dass Sachsen im 19. Jahrhundert eine der bedeutendsten Industrieregionen gewesen ist, welche/s sich im deutschen Raum entwickelt hatte und das es diese Bedeutung auch auf europäischem Parkett durchaus besaß. Inzwischen gibt es jedoch glücklicherweise eine Reihe von Publikationen, die dabei helfen, diesem vergessenen Widerpart des Ruhrgebiets im östlichen Teil Deutschlands seinen verdienten Platz im Geschichtsbewusstsein zurück zu gewinnen. Stellvertretend sei hier auf die drei Publikationen des Gustav Kiepenheuer-Verlages, die vom Deutschen Werkbund Sachsen herausgegeben wurden, verwiesen.54 Interessant ist dabei, dass es der nach der politischen Wende 1992 neu gegründete Sächsische Werkbund übernahm, sich für die Industrie und ihre Architektur einzusetzen und in diesem Bereich auch Publikationen zu liefern. Bis auf einige Artikel in Fachzeitschriften und einige Dissertationen der letzten Jahre sind diese drei Neuerscheinungen die einzigen nennenswerten Bearbeitungen des Themas für die Region Sachsen. Die Entwicklung der Industrie – wie ihrer Architektur – setzte in Sachsen zum Teil bereits in den 1820er und ‘30er Jahren ein. Sie verlief dabei aber nicht in allen Teilen Sachsens synchron. Eines der ersten Industriezentren ist Chemnitz 53 54 A.a.O.; S.15. “Industriearchitektur in Chemnitz” ; Leipzig 1995; “Industriearchitektur in Dresden” ; Leipzig 1997 und “Industriearchitektur in Leipzig” ; Leipzig 1998. 20 gewesen.55 Begünstigt durch die Lage konnte sich hier bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein bedeutendes Zentrum herausbilden. Chemnitz taucht im Standardwerk der damaligen Zeit “Die Großindustrie des Königreich Sachsen” allein sechzehn Mal als Standort für Metallverabeitungsbeziehungsweise Textilfabriken auf.56 Das ist Rekord, was die Häufigkeit der Nennung unter den genannten sächsischen Standorten anbelangt. Diese rasante Entwicklung erfolgte hier beinahe 40 Jahre eher als beispielsweise in Leipzig. Analog zeitlich verschoben ist die Entwicklung der Industriearchitektur in den übrigen Regionen Sachsens verlaufen. Der Entwicklungsbeginn der Industrie in Sachsen lässt sich auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts datieren. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass man in der Anfangsphase zunächst auf bereits vorhandene Gebäude, beispielsweise des Handwerks, zurückgriff, um die neuen Maschinen unterzubringen. Erst nach und nach zwangen die rasante Entwicklung der Industrialisierung, der explosionsartige Anstieg der Arbeiterschaft und die neu entwickelten Maschinenparks dazu, auch die überkommenen Baustrukturen zu überdenken und neu zu konzipieren. “Die Veränderung in den “Baulichkeiten” wurde so zum signifikanten Merkmal einer wachsenden Industrie überhaupt” 57 Zunächst übernahm man bereits vorhandene Bauten oder es wurden eigens für die Produktion Gebäude errichtet, die weder in ihrem äußeren Erscheinungsbild noch in ihrer inneren Struktur von den tradierten Bauformen für das Wohnen oder das Handwerk abwichen. So zeigt zum Beispiel auch ein Entwurf für eine Spinnmühle bei Chemnitz von Johann Traugott Lohse aus dem Jahr 1804 noch ausschließlich die Formen eines größeren Wohnhauses. (Abb.8) Einige Jahre später jedoch, im Jahr 1812, setzte Lohse den Auftrag der Oelsnitzer Kaufmannsfamilie Meinert in ganz anderer Weise um. Er entwarf in Niederlugau eine dreigeschossige Baumwollspinnerei, in deren hohem Mansarddach die neuartigen Spinnsäle untergebracht sind und der er im äußeren Erscheinungsbild durch gigantische Kolossalsäulen, die er über die gesamte Höhe des Gebäudes bis zum Dachgesims an die Ecken des Bauwerkes einzog, den monumentalen Charakter von herrschaftlicher Repräsentationsarchitektur verleiht. (Abb.9)58 55 Vgl. dazu auch Abschnitt I.1.1! “ Die Großindustrie des Königreich Sachsen (in Wort und Bild)”; Hrsg. Eckert & Pflug; Leipzig 1893. 57 “ Industriearchitektur in Leipzig”; S.60. 58 „Industriearchitektur in Chemnitz“ , S.55 sowie in „Der Industriebau“ ; Jg.1910; 56 21 Die neue Aufgabe im Bauen wurde zu Beginn als solche nicht wahrgenommen. Vielfach kam es zu einer negativen Beeinflussung des Produktionsablaufes, da die Gebäude nicht auf die Bedürfnisse der Fertigung oder der Kraftübertragung zugeschnitten waren. „Die Transmissionen der zum Antrieb genutzten Wasserkraft bedingten bei den ersten Fabrikbauten - vor allem den Spinnereien - einen vertikalen also mehrgeschossigen Aufbau. Traditionelle Bautypen, wie z. B. der Schloßbau, konnten für Produktionsgebäude adaptiert werden.“ 59 Ein eindrucksvolles Beispiel solch einer traditionellen Hülle für einen modernen Industriebau bildet in Dresden das Gebäude der 1878 durch die DampfmühlenAktiengesellschaft in Auftrag gegebenen Königsmühle an der Tharandter Straße.60 Der viergeschossige Bau dehnt sich über zweiundzwanzig streng gereihte, jeweils paarweise zusammengefügte Fensterachsen entlang der Straße und integriert eine Souterrainfensterreihe entsprechend dem Straßengefälle. Pilaster aus gelben Klinkern gliedern das ansonsten mit roten Klinkern verkleidete Gebäude vertikal. Im Bereich des Sockelgeschosses sind die Klinker so angeordnet, dass der Eindruck einer Rustika hervorgerufen wird. Das erste Geschoss ist mit einer Sockelzone versehen aber ohne oberen Abschluss ausgeführt. Die beiden oberen Etagen werden durch Kolossalpilaster mit Basisund Kapitellzone zusammengefasst. Das Rundbogenmotiv wird durch Dopplung der Fenster – im Erdgeschossbereich mit Überfangbogen – durch Reihung und Variation stark betont und ergibt zusammen mit dem „wehrhaften“ Sockelbereich, den farblich nuancierten Kolossalpilastern und einem abgestuften, stark hervor kragenden Rundbogenfries unter dem wuchtigen Kranzgesims den Eindruck eines über die Alpen nach Nordeuropa „transponierten“, italienischen Renaissancepalazzo. (Abb.10) Ein weiteres Dresdner Beispiel, diesmal für die Adaption von Motiven aus der französischen Schlossarchitektur der Renaissance, ist der wenige Jahre zuvor, 1871, durch Stadtbaudirektor Gustav Theodor Friedrich (1829-1891) und Baurat Bernhardt Salbach (1833-1884) projektierte Bau des Städtischen Wasserwerkes Saloppe. Hier lässt sich Sempers Einfluss nicht verleugnen, denn Friedrich war Meisterschüler bei Gottfried Semper gewesen.61 Die breit S.23f. „Industriearchitektur in Chemnitz“ , S.55. 60 „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.57f. 61 „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.59. 59 22 gelagerte Anlage eines Klinkerbaus mit einem bossierten Werksteinsockel und Gebäudeecken, die mit glatten Natursteinquadern abgesetzt wurden, erhält sowohl durch die spitzen, zinnengeschmückten, walmdachbekrönten Ecktürme als auch durch die Wehrhaftigkeit der starken Mauern und die an der dreiachsigen Westfassade befindliche dreiläufige, zweiarmig ausschwingende Freitreppe gleichermaßen Schloss- wie Burgcharakter. (Abb.11) Nach und nach spielten die Ansprüche der Produktion an die Funktionalität der Gebäude eine immer wichtigere Rolle. Sie wurden zu einem entscheidenden Faktor bei der Konzeption. So bekamen etwa jene weiter oben zitierten, mehrgeschossigen Spinnereigebäude auf Grund des zunehmenden Gewichts und der ständig wachsenden Größe der Maschinen ab Mitte des 19. Jahrhunderts vornehmlich Gehäuse in Form weitläufiger Flachbauten, die zur optimalen Durchlichtung mit Sheddächern abschlossen. Diese horizontalen Hallenbauten waren die ersten Industriegebäude, für die es keine architektonischen Vorbilder in der Vergangenheit gab. Sie fallen auch heute noch durch eine betonte Schlichtheit auf, wie sich leicht durch überlieferte Abbildungen beziehungsweise anhand der heute noch erhaltenen Beispiele solcher Shedhallen der Textilindustrie in Sachsen nachprüfen lässt. Stellvertretend sei hier auf die Zusammenstellung in der bereits erwähnten, 1893 erschienenen „Großindustrie des Königreich Sachsen“ verwiesen, in deren erstem und zweitem Band sich jeweils über 20 Beispiele allein für abgebildete Shedhallen finden, die meisten davon tatsächlich aus dem Bereich der Textilindustrie.62 (Abb.12) Im Bereich des Maschinenbaus wurde von Anfang an – durchaus funktionell bestimmt – ein anderes historisches Vorbild als Gebäudetypus genutzt: die Basilika. Der traditionelle Kirchenbau bot durch seine dreischiffige Anlage mit unterschiedlichen Raumhöhen, Emporen, den flacheren Seitenschiffen und einer guten Durchlichtung des gesamten Raumes mittels der Fenster im Seitenschiffbereich, sowie durch die Obergadenfenster im Mittelschiff, ausgesprochen viele Vorteile, die sich für den Produktionsablauf des Maschinenbaus als günstig erwiesen. Die einzelnen Maschinenteile wurden in den flacheren Seitenbereichen gefertigt und in der höheren Mitte der Halle montiert. Dort konnte nicht nur die Endfertigung problemlos bewerkstelligt werden, sondern Kraft- und Hebevorrichtungen sorgten in diesem Mittelteil für 62 „Die Großindustrie des Königreich Sachsen (in Wort und Bild)“ ; 2 Bd.e; Leipzig 1893. 23 einen unkomplizierten [Ab]-Transport der zum Teil riesigen und tonnenschweren Maschinen. In Chemnitz-Kappel befindet sich ein einzigartiges Gebäude, das als technisches Denkmal geschützt ist: die 1872 errichtete Sächsische Strickmaschinenfabrik von F.M.A.Voigt. Sie wurde – außer in den Außenmauern – komplett in Holz ausgeführt. In der gesamten, 50 Meter langen Halle ist die 9 Meter hohe Sichtkonstruktion im Inneren aus Holz, lediglich das über die gesamte Länge verlaufende Drahtglasoberlicht im Mittelschiff bildet hiervon eine Ausnahme. Selbst der auf der Holzkonstruktion des Mittelschiffs laufende Kran hat sich bis heute erhalten und macht die Halle zu einem „...der letzten intakten Produktionsgebäude dieser Art in Deutschland.“ 63 (Abb.13) Bereits etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte man durch gusseiserne Stützen und etwas später auch Träger ganz neue Dimensionen des Bauens. Ein typisches Beispiel für eine solche, durch Eisenstützen getragene Halle ist die 1891 fertiggestellte, von Stadtbaurat Eduard Hechler projektierte Markthalle in Chemnitz. Die Halle misst bei 20 Metern Höhe für damalige Verhältnisse gigantische 4.500 m2. Aufgesetzt auf die steinernen Außenmauern tragen eine aus Eisenprofilen zusammengesetzte Konstruktion und 33 filigrane Stützen das Dach. Belichtet wird die Halle durch 7 Eingänge sowie 64 großflächige Stichbogenfenster. Im Äußeren ist von dieser konstruktiven Kühnheit nichts zu spüren: Über einem Werksteinsockel ist das aufgehende Mauerwerk in gelben und roten Klinkern ausgeführt, die Ecken der nach oben aus dem Dach springenden Giebelfelder werden scheinbar von Eckpilastern aus bossierten Quadern getragen, den oberen Abschluss der einzelnen Giebelfelder bildet ein von kanellierten Konsolen getragenes Kranzgesims und die Schlusssteine der Fensterbögen sind schneckenvolutige Kragsteine. Im Obergadenbereich bekommt das Ganze noch eine neue Dimension: Die Giebelecken werden hier scheinbar von jeweils gedoppelten, kanellierten Pilastern getragen, über denen sich ein dorischer Triglyphen-Metopen-Fries mit darüberverlaufenden Kranzgesims erhebt. Über den Ecken dieser Giebeldächer sind Akroterien aufgesetzt und dahinter erhebt sich über einem achteckigen Grundriss eine Kuppel, deren acht Segmente von je einem elliptischen Rundfenster durchbrochen sind und die durch einen weithin sichtbaren Fahnenmast bekrönt wird. Alles in allem eine für die damalige Zeit ganz typische Umsetzung der Bauaufgabe: eine moderne Konstruktion in historischer Verkleidung. (Abb.14) 63 „Industriearchitektur in Chemnitz“ ; S.56. 24 Es verwundert nicht, dass diese Auffassung von der Umsetzung der Bauaufgabe auch noch zu Beginn des „neuen“ 20. Jahrhunderts gerade in Dresden, der Stadt Sempers, dessen Einfluss hier laut Richter gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann,64 eine besonders wilde Blüte treiben konnte: „Der spektakulärste Fabrikbau unter den historischen Industriearchitekturen Dresdens ist zweifellos die 1909 erbaute Cigarettenfabrik Yenidze in der Weißeritzschstraße.“ 65 Der Unternehmer Carl Hugo Zietz wollte an auffälliger Stelle auf einem innerstädtischen Grundstück kein gewöhnliches Fabrikgebäude, sondern einen in jeder Hinsicht außergewöhnlichen und dadurch auf jeden Fall äußerst werbeträchtigen Bau errichten lassen. Dieses Vorhaben wurde bereits während der Grundstücksverhandlungen erkannt: „Herr Zietz will einen orientalischen Palast bauen mit Minaretts und allen möglichen feinen Sachen; das will er nachts elektrisch beleuchten und so will er alle, die bei Tag und bei Nacht mit der Eisenbahn dort vorüberfahren, darauf aufmerksam machen, daß die besten Zigaretten, die man überhaupt rauchen kann, die von Zietz sind.“ 66 Zietz bekam sein Wunschgrundstück an der Bahn 1907 und ließ den Architekten Dr. Ing. Martin Hammitzsch sofort mit der Projektierung des Gebäudes beginnen. Die Fabrik sollte das exotische Element des aus fernen Ländern stammenden Tabaks in orientalische – also ebenfalls exotische – Architektur umsetzen.67 Dabei dienten Hammitzsch vor allem Grabbauten und Moscheen aus spätmamelukkischer Zeit in Kairo als Vorbilder.68 „Der Fabrikschornstein hat große Ähnlichkeit mit dem Minarett der Moschee Quait Bay“ in Kairo.“ 69 Gegner sprachen bereits damals verächtlich von einem „ Pseudoindustriebau“, der Funktion hinter exotischen Maskierungen verstecke; und so ist tatsächlich in das mit 63 Metern höchste der Minarette der Schornstein der hauseigenen Kraftanlage gebaut worden.70 Das bereits thematisierte Grundproblem der modernen Konstruktion in historisierender Verkleidung wird bei diesem Bau insofern noch weiterhin zugespitzt, als die „Verkleidung“ der Yenidze nicht nur 64 „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.62. A.a.O.; S.64. 66 Zitiert nach „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.64f. - vgl. dort auch Anm.33. 67 „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.65. 68 Thomas Parade: „Reklame in Stein. Die orientalische Tabak- und Cigarettenfabrik Yenidze“ ; Diplomarbeit (unveröffentlichtes Manuskript); Dresden 1992; S.51. Zitiert nach „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.65, Anm.36. 69 Parade; S.52; zitiert nach „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.65. 70 Ehnert: „Die künstlerische Gestaltung von Industriebauwerken “; in „Der Industriebau“ ; Jg. 1929; S.30. Zitiert nach „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.65, Anm.34. 65 25 einen zeitlich-historischen, sondern auch einen räumlich-kulturellen Sprung impliziert. Jedoch war Zietz Fabrik durch ihren augenfälligen, architektonischen Ausnahmecharakter außerordentlich werbewirksam: „Die Illusion des Orients am Elbufer wurde über die Jahrzehnte aufrecht erhalten.“ 71 (Abb.en 15 und 16) Ursächlich hing diese Phase in der Entwicklung der Industriearchitektur jedoch natürlich mit der Negierung der neuen Bauaufgabe zusammen: lange Zeit galt der Fabrikbau als unattraktive Bauaufgabe. Beim Quellenstudium der einzelnen Bauten fällt auf, dass bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein vornehmlich Baumeister für die Pläne und Projekte der Industriebauten in Sachsen verantwortlich zeichneten. Erst ab den späten 1880er Jahren finden sich hauptsächlich Architekten als Urheber von Fabrikationsstätten in der Literatur und in den Bauakten. Trotz ihres Eingreifens blieb die rege Bautätigkeit der 1880er beziehungsweise 1890er Jahre – den sogenannten Gründerjahren – jedoch auch in Sachsen im wesentlichen dem Historismus verpflichtet, zumindest was die Gestaltung der Außenhaut der Fabrikationsgebäude anbelangt. Eine Abkehr vom Ideal des Historismus erfolgte zögerlich erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts. Auch hier lässt sich eine gewisse zeitliche Versetztheit innerhalb Sachsens beobachten. Vergleicht man die drei Zentren der Industriearchitektur – Chemnitz, Leipzig und Dresden – so kann man in der Reihenfolge ihrer Nennung eine zeitliche Verzögerung von jeweils zirka 5 bis 10 Jahren feststellen. Vorangetrieben wurde diese Veränderung von zweierlei Triebfedern. Zum einen wurden die Anforderungen des Produktionsablaufes an die neuen Gebäude immer konkreter: große Fensterflächen für eine, den ständig wachsenden Präzisionsanforderungen gerecht werdende Durchlichtung der Räume, höhere Tragfähigkeit der Geschossdecken für die Unterbringung immer größerer und schwererer Maschinen, immer sorgfältigere und diffizilere Auflagen der Feuersicherheit u.a.m. Zum anderen formierten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Architekten und Architekturtheoretiker, um für eine neue Ästhetik einzutreten. Als Resultat der 1906 in Dresden durchgeführten 3. Kunstgewerbeausstellung kann die, ein Jahr später in München vollzogene Gründung des Deutsche Werkbund gesehen werden.72 Etwa zeitgleich begann man, die von diesem geforderte Wiedervereinigung von Technik und Kunst, von 71 72 „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.65. „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.54. 26 neuentwickelten Baustoffen und Konstruktionsmethoden mit neu geformten, modernen Gebäudehüllen, von Ingenieur und Architekt, vor allem im Bereich der Industriearchitektur, umzusetzen. „Die ersten Jahre des neuen Jahrhunderts waren eine Zeit des Umbruchs - auch im Industriebau. Die Formensprache des Historismus wie auch des Jugendstils erwies sich als wenig geeignet, die moderne Industrie symbolisch zu verkörpern.“ 73 Die konstruktiven Voraussetzungen hatte das alte Jahrhundert geliefert, nun galt es, eine neue Formensprache für deren Verkleidung zu finden, die Walter Gropius wie folgt beschreibt: „Exakt geprägte Form, jeder Zufälligkeit bar, Ordnen der Glieder, Reihung gleicher Teile und Form und Farbe... Gerade der völlig neue Charakter der Industriebauten muß die lebendige Phantasie des Künstlers reizen, denn keine überlieferte Form fällt ihr in die Zügel.“ 74 Der Erlweinsche Gasometer in Dresden-Reick von 1907/08 verkörpert in Grundzügen die eben zitierten Ideale des Werkbundes. Zwar ist der gigantische Stahlbetonbau mit einer Klinkerhülle verkleidet worden, aber die sachliche Gestaltung des monumentalen Rundbaus offenbart sich vor allem bei einem Vergleich mit dem dreißig Jahre zuvor durch Theodor Friedrich errichteten „kleinen Bruder“ des Reickschen Riesen. Der nüchterne Zweckbau Hans Erlweins wird von fünf kubischen Treppenhaustürmen überragt. Der Grundkörper gliedert sich in ein geschlossen wirkendes, durch jeweils zehn kleinformatige Viereckfenster unterbrochenes Sockelgeschoss, darüber folgt der „ viergeschossige“ Hauptteil, den neben den jeweils fünf einfach gestalteten Fensterachsen dazwischenliegende, einfache Bandlisenen gliedern. Darüber folgt ein fast vollständig durchfenstertes „ Dachgeschoss“, das mit einer flachen Kuppel nebst Laternenaufbau abgeschlossen wird. Bei Friedrichs Gasometer von 1878 hingegen wird das enorme Raumvolumen durch Pilaster, aufgelegte Rundbogenblenden sowie einzelne oder gepaart angeordnete Rundbogenfenster akzentuiert gegliedert. Die Putzquaderung im Sockelgeschossbereich und das markante Kranzgesims tragen ebenfalls dazu bei, einen völlig anderen Eindruck als bei Erlweins Bau entstehen zu lassen. So zeigt sich hier in nächster Nachbarschaft die bereits stark gewandelte Architekturauffassung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. (Abb.en 17 und 18) 73 74 „Industriearchitektur in Chemnitz“ ; S.59. Walter Gropius zitiert aus „Industriebauten in Chemnitz“ ; S.59. 27 Ein Chemnitzer Beispiel aus dieser Zeit der Umorientierung stammt vom Architekturbüro Zapp & Basarke. Dieser 1912 entstandene Neubau für die weltweit erfolgreichen Wanderer-Werke in Schönau bei Chemnitz soll hier stellvertretend für viele Bauten dieser „Zwischenzeit“ erwähnt werden. Von „programmatischer Modernität“ kann man hier sicher nicht sprechen, jedoch fallen als erstes Sachlichkeit, Vereinfachung und Funktionalität der äußeren Form dieser monumentalen, dreiflügeligen Anlage auf. Der von Basarke eingesetzte Stahlbetonskelettbau ermöglichte den Einbau von ungeteilten Geschossflächen. Im Außenbereich wird ein Rückbezug lediglich an den turmartigen Eckrisaliten sichtbar. Ansonsten überzeugen die übrigen Gebäudeteile durch eine homogene, dekorationsfreie Modernität. Es entsteht trotz dieser Gegensätzlichkeit in der Bearbeitung der einzelnen Teile ein ausgewogener, moderner Gesamteindruck der Anlage. (Abb. 19) Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges bedeutete eine entschiedene Zäsur nach den ersten, vorsichtigen Schritten auf dem Weg zu einer modernen Architektur, die vor allem im Bereich der Industriebauten ausschließlich auf Funktionalität und Sachlichkeit rekurrierte. Im Jahr 1915 erfolgte in fast allen deutschen Städten im Zusammenhang mit dem kriegsbedingt verhängten Bauverbot ein Baustop beinahe aller größeren Bauvorhaben. Diese Zäsur dient auch als Schlußpunkt des Untersuchungszeitraums dieser Arbeit. Nach dem Krieg ging es zunächst einmal um Wiederaufbau von Zerstörtem und um sukzessive Akkumulation von Kapital für größere Bauaufgaben. Erst mit dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung der Weimarer Republik Mitte der 1920er Jahre begann ein „Neues Bauen“ nach den in der Zwischenzeit ausgereiften „Neuen Idealen“ des Funktionalismus des Bauhauses, des Art Déco, des Expressionismus und der neuen Sachlichkeit. I.2.2. Die Industriearchitektur in Leipzig In einem vorangegangenen Abschnitt der Arbeit wurde bereits auf die Bedeutung der Eisenbahn als neues und wichtiges Verkehrsmittel hingewiesen. Damit verbunden war eine der ersten Bauaufgaben von Rang im Bereich der Industriearchitektur: der Bahnhofsbau. Er präsentierte sich als architektonisches Problem von allgemein anerkannter Reputation, wenigstens was den Bereich des Empfangs, der Abfertigung und der Verwaltung anbelangte. Dieser Teilbereich 28 des Bahnhofs sollte entsprechend seiner großen Bedeutung von einem Architekten konzipiert sein. So lobte der Rat der Stadt Leipzig beispielsweise 1906 für das Empfangsgebäude des Hauptbahnhofes einen Wettbewerb aus, an dem sich seinerzeit 76 Architekten beteiligten.75 Als Beispiel für einen frühen Bahnhofsbau der Stadt Leipzig, die in engem Zusammenhang mit der Deutschen Eisenbahngeschichte gesehen werden muss, lässt sich hier der 1842 in Betrieb genommene, jedoch erst 1844 fertig gestellte, Bayrische Bahnhof des Architekten Christian August Eduard Pötzsch (18051889) anführen. “ Pötzsch, der bereits 1839 in Leipzig den Dresdner Bahnhof der Leipzig-Dresdner-Eisenbahn erbaut hatte, wählte auch für diesen Kopfbahnhof eine funktionelle Konzeption, die für die späteren deutschen Bahnhofsanlagen richtungsweisend wurde.” 76 Im Gleisbereich und bei den sich daran anschließenden, erforderlichen Nutzräumen funktionalen konzipiert, präsentiert sich der Bahnhof zur Stadt hin mit einer eindrucksvollen, klassizistischen Schaufront. Diese besteht im Wesentlichen aus einem vierbogigen Portikus, dessen Gesamteindruck durch Fortifikationsmotive im Mauerwerk (Rustika) und bei den Seitenteilen (Turmaufbauten) abgerundet wird und das Motiv des „Stadttores“ am seinerzeitigen Ortsausgang von Leipzig und dem Ausgangspunkt der Verbindung Leipzigs mit Bayern sinnbildhaft aufnimmt.77 (Abb.20) Leipzig war im 19. Jahrhundert jedoch zunächst vornehmlich für sein grafisches Gewerbe sowie für Maschinenbau und Textilindustrie bekannt. Vor allem im Bereich der grafischen Industrie mussten die Fabrikationsgebäude auch repräsentativen Aufgaben gerecht werden. So entstand ein Fabriktyp, den Ulrich Krüger in seinen Publikationen als den “ Palais-Typ” bezeichnet.78 Dieser “ Palais-Typ” findet sich aber nicht nur im Bereich der grafischen Industrie, wie beispielsweise bei den Gebäuden des Brockhausverlages, sondern auch in allen anderen Industriezweigen. Aus politischen, repräsentativen und Werbewirksamkeitsgründen war er – vor allem ab den 1880er Jahren – der 75 Wolfgang Hoquél: „Leipzig Architektur. Von der Romanik bis zur Gegenwart“ ; Leipzig 2002; S.129. 76 Hocquél, 1990; S.95. 77 Vgl. hierzu auch Manfred Berger: “ Historische Bahnhofsbauten 1.”; 2., durchgesehene Aufl. Berlin o. J. (1986?). 78 “ Industriearchitektur in Leipzig”, S.61. 29 beliebteste Bautyp, auch für Fabrikationsanlagen. Im Wesentlichen blieb dies bis zum Ersten Weltkrieg beziehungsweise bis zur Weimarer Republik unverändert. Durch ihn wurde ein klarer, fest umrissener Herrschafts- und Machtanspruch der Industriellen in der neuen, durch die Industrialisierung maßgeblich mitgeprägten und strukturell nachhaltig veränderten Gesellschaft manifestiert.79 Auch einige der für diese Arbeit ausgewählten Fabrikbauten entsprechen dem “ Palais-Typ” , so etwa der riesige Komplex der Baumwollspinnerei von Tittel & Krüger, das heute nur teilweise erhaltene Firmenareal der Papierkragenfabrik Mey & Edlich oder auch die Dampfmaschinenfabrik von Philip Swiderski. (Abb. 21) Die aus dem Erzgebirge und dem Vogtland stammenden tradierten Bautypen des Manufakturwesens wurden innerhalb dieser Entwicklung in Leipzig im wesentlichen übernommen und lediglich formal um einige Detaillösungen bereichert.80 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann dann eine weitflächige Bebauung der Leipziger Vorstädte in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum. Besonders augenfällig war diese Entwicklung im Graphischen Viertel, wo sich Verlagshäuser wie Brockhaus, Reclam und andere, sowie die entsprechenden Zulieferindustrieen ansiedelten. Aber auch in den westlichen Vorstädten – wie Lindenau, Plagwitz, Gohlis oder im Waldstraßenviertel – entstanden zahlreiche Fabrikbauten mittelständiger Unternehmen, die sich zunächst formal am Charakter der sie umgebenden Wohnhäuser orientierten. In zumeist recht planloser und ungeordneter Manier wurden Gartenland und kleinere Architekturen überbaut. Die Integration in die Stadtbebauung stellte aber nicht nur ein formales Problem der Entwicklung der Fabrikarchitekturen dar, sie zeigt auch schon ein Handikap für die Weiterentwicklung dieser gewerblichen Strukturen in den stadtnahen Vororten auf. Durch den Integration in bereits vorhandene städtebauliche Strukturen mussten die Fabrikanten häufig in Kauf nehmen, dass ihre Unternehmen – zumindest an den stadtnahen Standorten – nicht expansionsfähig waren. Die meisten Unternehmen vollzogen darum ab zirka 1880 einen Standortwechsel und siedelten in den etwas weiter außerhalb gelegenen Industrie- und Mischvierteln wie Plagwitz.81 79 Vgl. hierzu den Abschnitt III.6. Der neue Machtanspruch der Industrie dieser Arbeit! Vgl. dazu “ Industriearchitektur in Leipzig”, S.64. 81 Vgl. dazu im Katalogteil der Arbeit die Abschnitte zu Unruh & Liebig sowie zu Swiderski! 80 30 Formal unterscheidet Krüger für diesen Zeitraum drei Hauptströmungen. Zum Ersten eine der klassizistischen Tradition Leipzigs folgende Architektur in der Fortführung des Schaffens Carl Johann Friedrich Dauthes (1749-1816) und Albert Geutebrücks (1800-1868). Einer der Hauptvertreter dieser Strömung ist Christian August Eduard Pötzsch mit einem seiner repräsentativsten Bauten, dem bereits erwähnten Bayrische Bahnhof von 1844. Zum Zweiten gab es auch in Leipzig Anhänger des von Heinrich Hübsch (1795-1863) aus Karlsruhe bevorzugten und auch theoretisch verteidigten Rundbogenstils82, der sich an frühchristlich-byzantinischer sowie italienisch-romanischer Architektur orientierte. (Abb.en 20 und 22) Der Rundbogen bot enorme Vorteile und Möglichkeiten beim Überspannen großer Weiten und fand häufig Verwendung bei großen Fensteröffnungen: „Das kassettierte Rundbogenfenster wurde zu einem der wichtigsten Motive der Fabrikarchitektur bis ins 20. Jahrhundert hinein.“ 83 Zum Dritten bildete sich eine regional geprägte Gestaltungsweise als eigene Stilvariante im Industriebau heraus. Merkmale sind die Verwendung von regional vorkommenden Materialien, wie zum Beispiel Rochlitzer Porphyrtuffgestein, Granitporphyr-Bruchstein aus den Steinbrüchen des nahegelegenen Beuchas oder rote und gelbe, gebrannte Ziegel aus den die Stadt umgebenden Lehmgruben. Diese natürlichen Baustoffe wurden in den aufgehenden Mauern mit naturweißen Bändern und Ornamenten aus Glattputz gestalterisch kombiniert. (Abb. 23) Doch das bereits angesprochene Problem der Expansionseinschnürung durch urbane Bebauung wurde immer drängender. Als Gegenmaßnahme wurden einige Standorte auf dem freien Feld beziehungsweise nahe der Leipzig umgebenden Dörfer erschlossen. Zu diesen Standorten gehören auch Reudnitz, Eutritzsch und Plagwitz. Die Bebauung des für diese Arbeit zur genaueren Untersuchung ausgewählten Vorortes Plagwitz bildete hierbei in gewisser Hinsicht eine Ausnahme. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fand hier eine umfassend geplante, infrastrukturelle Erschließung durch Dr. Karl Erdmann Heine (18191888) statt, auf die in den folgenden Kapiteln ausführlich eingegangen werden wird. Sie ermöglichte Plagwitz ein optimiertes Gedeihen. Aber auch die übrigen Standorte entwickelten sich aufgrund ihrer Expansionsfreiräume hervorragend. 82 83 Heinrich Hübsch: „In welchem Style sollen wir bauen“ ; Karlsruhe 1828. „Industriearchitektur in Leipzig“ ; S.64. 31 Es waren vorwiegend Unternehmen der Maschinenbaubranche und der Textilindustrie, die sich in diesen neuerschlosssenen Gebieten niederließen. Während letztere hauptsächlich aus Platzgründen die neuen Vorortstandorte den beengten Verhältnissen im stadtnahen Bereich vorzogen, trieb es erstere zunächst vorwiegend aus Kostengründen in die neuerschlossenen Außenbezirke. Krüger beschreibt die Situation der Maschinenbauindustrie Mitte des 19. Jahrhunderts folgendermaßen: „Während erfolgreiche graphische Unternehmen schon mehrgeschossige ansehnliche Gebäude beziehen konnten, mußten sich die geschäftlich noch nicht konsolidierten Maschinenfabriken mit behelfsmäßigen Räumen und anspruchslosen Werkstattschuppen begnügen. Meist erst in den 1870er Jahren konnten sich Maschinenfabrikanten auf eigenen Grundstücken in neuen Fabrikgebäuden, oft auf „grüner Wiese“ in den Vororten, einrichten.“ 84 Zu Beginn der 1870er Jahre erlebte auch Leipzig eine wahre „ Gründerzeitblüte“. Wie überall in Deutschland machte sich die aus den französischen Kontributionszahlungen resultierende Kapitalakkumulation nicht nur in zahlreichen Firmengründungen, sondern auch im Entstehen zahlreicher Industriebauten bemerkbar. Das führte neben einer umfassenden Erschließung der neuen Vororte für teilweise regelrecht flächendeckende Wohnungsbauprojekte dazu, dass – wie der Stadthistoriker Gustav Wustmann es 1892 beschrieb – „...die letzten zwei Jahrzehnte dem Stadtbild Leipzigs eine so tiefgreifende Umgestaltung gebracht [haben], wie die vorausgegangenen zwei Jahrhunderte nicht.“ 85 Das Leipziger Baugeschehen machte im gesamten Kaiserreich von sich reden. Im Jahr 1887 wurde die Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure in Leipzig abgehalten, und 1892 fand hier die X. Wanderversammlung des Verbandes Deutscher Architekten- und IngenieursVereine statt. Diese Wanderversammlung war der Anlass für die Herausgabe der eben zitierten Schrift, welche noch heute das Standardwerk des Baugeschehens bis zum Ende der 1880er Jahre darstellt. In diesen Jahrzehnten ließ auch die Stadt als Auftraggeberin zahlreiche repräsentative Industriebauten für die stadteigenen Betriebe errichten. Dazu zählten Bauaufgaben wie die Projektierung von Wasserwerken, Wassertürmen, 84 85 „Industriearchitektur in Leipzig“ ; S. 69. „Leipzig und seine Bauten“ ; Hrsg. Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure, Leipzig 1892; S. 182. 32 Gaswerken, Gasspeichern, Kraft- und Umspannwerken der Städtischen Elektrizitätsgesellschaft, der städtische Vieh- und Schlachthof sowie die leider im Zweiten Weltkrieg zerstörte Markthalle am Roßplatz. (Abb.en 24, 25 und 26) Näher eingegangen werden soll an dieser Stelle kurz auf den 1888 eröffneten Städtischen Vieh- und Schlachthof. Hier findet sich in zwei Gebäuden des Areals eine Besonderheit in der Konstruktionsweise. Neben der von Arwed Roßbach (1844-192) gebauten Leipziger Alberthalle (1886/87) gelten die von Hugo Licht (1841-1924) konzipierte Börse und die Talgschmelze des Schlachthofes als die ersten Bauwerke der Stadt, die – zumindest im Bereich der Geschossdecken – in der damals neuentwickelten Monierbauweise errichtet wurden, welcher man in jenen Jahren landläufig noch das allergrößte Misstrauen entgegengebrachte.86 Eine andere konstruktive beziehungsweise bautechnologische Neuheit wurde etwa ein Jahrzehnt später von Max Pommer (1847-1915) an einer privaten Firma im Grafischen Viertel zum ersten Mal für Leipzig verwirklicht: „Das 1898 errichtete Druckereigebäude der Firma C.G.Röder am Gerichtsweg mit dem Schnellpressen-Maschinensaal war der erste Stahlbetonbau Sachsens.“ 87 (Abb.27) Nach außen hin wurde das Gebäude nach herkömmlichem historistischen Geschmack verblendet. Jedoch kam es in der Folgezeit zu zahlreichen Anwendungen dieses neuen bautechnischen Verfahrens, weil gerade die in Leipzig prosperierende Polygrafie mit ihren gewichtigen Maschinen immer höhere Anforderungen an die Tragfähigkeit der Bausubstanz stellte. „Auf der Tagung des Deutschen Betonvereins 1902 in Leipzig wurde der Bauinspektor Bastine mit besonderer Aufmerksamkeit gehört, weil die Leipziger Baupolizei damals schon „eine ganze Anzahl von Eisenbetonbauten beaufsichtigt hatte“.“ 88 Hatte man bis Mitte der 1870er Jahre kaum planerisch vorgedacht, so begann am Ende des 19. Jahrhunderts die Konzeption von Fabriken, die nicht nur da angesiedelt wurden, wo sie nach Belieben expandieren konnten, sondern die bereits in der planerischen Phase auf Zuwachs ausgelegt wurden. Stilistisch kamen diese Bauten ohne Schmuckelemente respektive überkommene Gebäudestrukturen aus. Krüger spricht in diesem Zusammenhang 86 Hoquél, 2002; S.275. „Industriearchitektur in Leipzig“ ; S.74. 88 Vgl. hierzu auch den Abschnitt zur Firma Tittel & Krüger im Katalogteil der Arbeit bzw. ” Acten des Rathes...Sächs. Wollgarnfabrik vorm. Tittel & Krüger, Holbeinstaße. 14; Bd.II ... ergangen: 1905“ ; o.A. 87 33 von einer “ versachlichten Architekturauffassung” und führt als Beispiel die Naumann‘sche Brauerei in der Zschocherschen Straße in Leipzig-Plagwitz an.89 Ein Gebäude, das lediglich seinem Zweck dienend, über einem simplen, rechteckigen Grundriss ohne jegliche Dekoration aufgemauert wurde. (Abb. 28) Nichtsdestotrotz überwogen in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Leipzig eindeutig die rückwärts gewandten Tendenzen in der Architektur. Auch wenn bisweilen aus Kostengründen die Entscheidung für eine mehr oder minder unkaschierte Konstruktion fiel, war eher nichts von einem Aufbruch ins neue Jahrhundert zu spüren, wie das in Frankreich oder etwa in England mit seiner Arts & Crafts-Bewegung bereits ab den 1870er Jahren der Fall gewesen war. „... deutsche Architektur [wurde] weiterhin vom Historismus geprägt. Die Bezugnahme auf das Nationale und Regionale, was dem Gedanken des Kaiserreichs ideologisch entsprach, verringerte wesentlich die internationale Akzeptanz. In Leipzig als einer der wichtigsten Städte des deutschen Reiches war der Drang zur national orientierten Repräsentation besonders groß.“ 90 Diese Haltung bei Auftraggebern und Architekten wirkte sich bis zum Ersten Weltkrieg prägend auf die Industriearchitektur in Leipzig aus. Jedoch ist es nicht möglich, aus dieser regionalen Verbundenheit einen konkret umrissenen, klar zu definierenden „Leipziger Stil“ historistischer Architektur abzuleiten. Am Ende dieses Abschnitts sollen noch zwei herausragende Bauwerke Leipzigs Erwähnung finden, die schon wegen der Einmaligkeit ihrer Größenordnungen beziehungsweise wegen ihrer architekturhistorischen Bedeutung in diesen kurzen Überblick gehören, auch wenn beide außerhalb des untersuchten Zeitraumes liegen. Da wäre zum einen der Hauptbahnhof, der nach insgesamt dreizehn Jahren Bauzeit im Oktober 1915 eingeweiht wurde. “Bis heute bilden Empfangsgebäude und Bahnsteighalle einen der größten Personenbahnhöfe der Welt ... [hier] verbindet sich kühnes ingenieurtechnisches Denken mit meisterhafter baukünstlerischer Gestaltung.” 91 Auch hier wieder eine Unterteilung in den “ ingenieurtechnischen” Bereich der Längsbahnsteighalle und den “ baukünstlerischen” des Eingangsgebäudes. Umgesetzt durch zwei Teams, die für den Empfangs- beziehungsweise den Bahnsteigbereich 89 „Industriearchitektur in Leipzig“ ; S.65. A.a.O.; S.76. 91 Hocquél; S.116. 90 34 verantwortlich zeichneten. Den pompösen historisierenden Empfangs- und Querbahnsteigsbereich im Hauptbahnhof entwarfen die Dresdner Architekten William Lossow (1852-1914) und Max Hans Kühne (1874-1942), deren “Licht und Luft” geheißener Entwurf den 1906 ausgeschriebenen Wettbewerb gegen 75 andere Projektvorschläge gewann. Dagegen stammt der Längsbahnsteigsbereich und seine mächtigen, bogenförmigen Stahlbinder mit einer Spannweite von 45 Metern von den Ingenieuren Eilers und Karig. (Abb.en 29 und 30) Eine ähnlich kühne und bis zum damaligen Zeitpunkt nie dagewesene Leistung stellt auch die Konzeption und Umsetzung der gewaltigen Kuppelkonstruktion der Großmarkthalle von 1928/29 dar. Sie verdient es als avantgardistisches Monument der Entwicklung der Industriearchitektur aufgenommen zu werden. Der damalige Stadtbaurat Hubert Ritter (1886-1967) und der Statiker Franz Dischinger (1887-1953) entwarfen die beiden Stahlbetonrippenkuppeln mit der Rekordspannweite von je 75 Metern Durchmesser. Ein kühner Vorstoß in der Entwicklung des Stahlbetonbaus: auf acht Eckpfeilern und dazwischen gespannten Stahlbetonbögen von 30 Meter Breite und 13 Meter Höhe sind die beiden Kuppeln aufgelagert. Die nur 9 Zentimeter starke Betonschale der Kuppeln wird durch vier Lagen Stahlbewehrung verstärkt – ein imposanter Ausblick in die weitere Entwicklung der Industriearchitektur. (Abb.en 31 und 32) „War anfangs davon zu sprechen, daß die Leipziger Industriebauten stark von der stilistischen Ausprägung der Fabriken im ostsächsischen Raum beeinflußt waren, so ist jetzt [ab den 1880er Jahren] festzustellen, daß die sich mehr und mehr zur Eigenständigkeit ausprägenden Leipziger Bauformen auf andere sächsische Industriestandorte zurückwirkten.“ 92 Diese Entwicklung wurde dadurch gefördert, dass Leipziger Architekten, die sich im Industriebau durch Leipziger Projekte einen Namen machen konnten, auch in andere Orte der Region gerufen wurden, um dort ähnliche Bauvorhaben umzusetzen. Das führte zwangsläufig zu einer regionalen Verbreitung ihrer formalen Ideen über die Stadtgrenzen hinaus. Beispielhaft für diesen Prozess sei an dieser Stelle ein Verweis auf das Architekturbüro Pfeiffer & Händel, ab 1893 Händel & Franke, gestattet, dessen Werksverzeichnis ein beispielhaftes und unmissverständliches Zeugnis dieser Entwicklung abgibt.93 92 93 „Industriearchitektur in Leipzig“ , S.70. „Architekten Händel u. Franke Leipzig. Verzeichnis ausgeführter Bauten“ , Hrsg. Händel & Franke; Leipzig o.J. 35 II. Plagwitz In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand auf den Plagwitzer Fluren eines der bedeutendsten und gleichzeitig auch interessantesten Zentren Leipziger Industrie. Durch das unternehmerische Genie eines Leipziger Juristen, Dr. Karl Erdmann Heine, geschaffen, konnte sich hier ein europaweit einzigartiges Industrie- und Wohn-Mischgebiet mit einer außergewöhnlichen Infrastruktur entwickeln, das sogar Industrielle aus Europa und Übersee anzog und in seiner durchdachten Konzeption auch in der Folgezeit einmalig blieb. Dank der infrastrukturell ausgereiften Grundlagen entwickelte sich Plagwitz sehr schnell zu einem der wichtigsten sächsischen Maschinenbaustandorte, der durch einen regen Exportaustausch schon bald eine europäische Dimension bekam. ”Infolge einer immensen Innovationskraft wuchsen die Unternehmen in einem schier unglaublichen Tempo , und mit ihnen das Dorf Plagwitz...”1 Hatte Plagwitz im Jahr 1861 lediglich 832 Einwohner, so war diese Zahl 1910 bereits auf 20 000 angewachsen.2 ”So entstand in kurzer Zeit ein industrieller Kern, dessen enorme wirtschaftliche Leistungskraft entschieden dazu beigetragen hat, daß Leipzig nicht mehr nur Handels- und Messemetropole blieb, sondern auch zu einer Industriestadt von europäischem Format wurde.”3 Aus heutiger Sicht besticht im historischen Kontext betrachtet vor allem die planvolle, städtebauliche Anlage des Quartiers und die beispiellose, bereits im voraus geschaffene, verkehrstechnische Infrastruktur. Aber auch die einzelnen Objekte ausgesprochen bemerkenswerter Industriearchitektur stellen ein sehr weites und lohnendes, bisher jedoch vor allem aus kunsthistorischer Sicht nur bruchstückhaft erforschtes Feld dar. In den folgenden Abschnitten der Arbeit soll der Boden, auf dem die Objekte der 1 Ulrich Krüger: ”Vom Dorf zum Industriestandort in Leipzig – Frühe Umweltschäden in Plagwitz ”, in: Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz e.V. Nr. I; Dresden 1994. S.31. 2 Einwohnerzahlen z.B. in: ”Im Leipziger Elsterland. Von Plagwitz bis Hartmannsdorf“, Leipzig 1997, S.48ff; ”Statistischer Jahresbericht der Stadt Leipzig” (div. Jg.e) und ” Lindenau-Plagwitz, eine neue Industriestätte. Reisebild für die Geschäftswelt von einem Industriellen ” ; Leipzig 1882, S.14. Aber ebenso Abschnitt II.2. dieser Arbeit. 3 Vgl. Anm.1 dieses Kapitels! 36 Untersuchung historisch und materiell gewachsen sind, beschrieben werden, um deren kontextuelle kulturhistorische Bedeutung herauszustreichen und einen hilfreichen Rahmen für ihre detaillierte Untersuchung zu schaffen. Nicht unberücksichtigt soll innerhalb dieser vor allem baugeschichtlich orientierten Untersuchung die heutige Auseinandersetzung mit diesem wertvollen kulturgeschichtlichen Erbe bleiben. Immer wieder wird die Frage, in welcher Form eine behutsame Umnutzung der Bauhüllen des ausgehenden 19. Jahrhunderts möglich ist, gestellt und – soweit eine solche Umnutzung bereits erfolgt sein sollte – auch beantwortet werden. Denn die jüngere Vergangenheit hat sich bereits einschneidend und augenfällig in Plagwitz bemerkbar gemacht. Das gilt sowohl im negativen wie auch im positiven Sinne: ”Die Wiedervereinigung hat auch für Plagwitz einen tiefgreifenden Einschnitt in die Geschichte des gesamten Stadtteils und seiner Bevölkerung bedeutet: es verlor mit der politischen und wirtschaftlichen Wende sein Gewicht als Arbeits- und Industriestandort.” 4 So sind einige kunst- und kulturhistorisch interessante und wertvolle Zeugnisse vergangener Tage durch Verfall oder Abriss bereits unwiderruflich verloren. Es muss jedoch eingeräumt werden, dass sich die Stadtplanung bereits seit der ersten Hälfte der 1990er Jahre intensiv um die Revitalisierung des Viertels, unter Beibehaltung der historisch gewachsenen Wohn- und Gewerbemischstruktur, einsetzt. Einen treibenden Faktor bildete dabei auch die Aufnahme des Umnutzungskonzeptes in den Katalog der dezentralen EXPO-Projekte: ”Das Projekt ” Plagwitz auf dem Weg ins 21. Jahrhundert” ... nutzt auch den Schwung der EXPO als Motor und Katalysator für eine neue Gründerzeit im Sinne wirtschaftlicher Impulse und Innovationen.” 5 Auf den heutigen Umgang mit der städtebaulich interessanten Substanz unter denkmalpflegerischen und praktischen Gesichtspunkten und auf die Zukunft dieses Quartiers wird am Ende der Arbeit noch näher eingegangen werden.6 4 ”Kurzfassung und Zusammenfassung der Ergebnisse der vorbereitenden Untersuchungen. Leipzig – Plagwitz”, Hrsg. Amt für Stadtsanierung und Wohnungsbauförderung Leipzig in Zusammenarbeit mit der Entwicklungs- und Planungsgesellschaft Leipzig-Plagwitz-GmbH; Leipzig 1994. S.8. 5 ” Plagwitz: ein Stadtteil im Wandel” ; Hrsg. PRO LEIPZIG[Konzeption und Red.: Karen Hiort und Thomas Nabert]; Leipzig 1999; S.5. 6 Vgl. am Ende der Arbeit Kapitel IV. Strukturwandel in Plagwitz! 37 II.1. Die natürlichen Bedingungen Der heutige Stadtteil Plagwitz liegt im Westen der Stadt Leipzig. Mit einer Gesamtfläche von 1,7 Quadratkilometern – das entspricht heute einem Anteil von 1,07 % der Gesamtfläche – ist es ein relativ kleiner Stadtteil Leipzigs. (Abb.en 33 und 34) Bis zur Eingemeindung am 01. Januar 1891 ist Plagwitz jedoch eine eigenständige Gemeinde gewesen. Das gesamte Plagwitzer Gebiet ist durch einen leichten Anstieg gen Westen geprägt. Ausgehend von der östlichen Begrenzung des Stadtteiles durch die Elster kommt es dabei zu einem spürbaren Gefälle in den Straßen mit ostwestlicher Ausrichtung. Trotz dieses Anstieges ist Plagwitz bis zu den stadtplanerischen Eingriffen im Bereich der Flussregulierung in weiten Flächen Sumpfgebiet gewesen. Die im östlichen Teil befindlichen Flussauen verhinderten eine direkte Verbindung zur Leipziger Innenstadt, so dass zum Beispiel für den Warenaustausch mit den Leipzigern häufig ein erheblicher Umweg über das nördlich gelegene Lindenau und den aufgeschütteten Weg der ”Frankfurter Wiesen“ , im Verlauf der heutigen Jahnallee, in Kauf genommen werden musste. (Abb.35) Dieser stellte bis 1858 die einzige, ganzjährig befahrbare Verbindung der westlich gelegenen Dörfer und Weiler mit Leipzig dar. In jenem Jahr hatte Karl Heine einen Weg, entsprechend dem heutigen Verlauf der Käthe-Kollwitz- und der Karl-Heine-Straße direkt von Plagwitz nach Leipzig durchs Ratsholz schlagen lassen und den Bau der heutigen Plagwitzer-Brücke veranlasst.7 (Abb.36) Bis dato hatten die mehrmals jährlich über die Ufer tretenden Flussläufe von Elster und Pleiße dauerhafte Überschwemmungen verursacht und den Leipziger Westen zum Sumpf- und Malariagebiet gemacht. Heine setzte gegen großen Widerstand im Stadtrat eine umfassende Flussregulierung durch.8 (Abb.37) Die geologischen, morphologischen und hydrografischen Verhältnisse sowie andere geografische Forschungskriterien wie Böden, Vegetation und Klima sind 1963 im Rahmen einer Diplomarbeit von Edith Liebeskind untersucht und erfasst worden.9 Wichtig zu erwähnen erscheint an dieser Stelle nur, dass 7 Friedrich Hoffmann: ”Leipzigs Wasserpionier. Ein Industriebild” ; in: ”Die Gartenlaube” ; Leipzig 1864. 8 ”Im Leipziger Elsterland” , S.50. 9 Edith Liebeskind: ”Studien zur Siedlungsgeographie Leipzig und seiner Umgebung. Vom Dorf zum Stadtteil Plagwitz.” ; Masch.-Schrift; Leipzig 1963; S.6-13. 38 die beschriebene Erhebung aus einem ”mächtigen Culmgrauwackerücken ... [besteht, dem] ... nur eine dünne Diluvialdecke ...” aufliegt.10 Dieser ”Bergrücken” ist insofern von Bedeutung, als dass hier vorgefundene und im Zusammenhang mit dem späteren, durch Karl Heine initiierten Kanalbau ausgegrabene, äußerst feste Gesteinsgemisch aus Grauwacke und Rotliegendem auch zur Aufschüttung der Plagwitzer Sumpfgebiete diente und so die Entwicklung dieses Viertels nachhaltig mitbeeinflusste. Durch die oben erwähnte neue Verbindung zur Stadt Leipzig über den Weg durchs Ratsholz, vor allem aber durch die Schaffung einer beinahe allumfassenden verkehrstechnischen Infrastruktur wurde aus dem verschlafenen Weiler Plagwitz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer der beststrukturierten Vororte, seit der Eingemeindung 1891 dann Stadtteile Leipzigs. (Abb.38) Die lange Jahre als ausgesprochen nachteilig bewertete dichte Bebauung, die einen extremen Mangel an Grünflächenbereichen innerhalb des Quartiers zur Folge hatte, ist heute im nachhaltigen Umbruch begriffen. So kommt es zur Zeit zu einer umfassenden Umstrukturierung im Stadtviertel Plagwitz.11 II.2. Die historische Entwicklung Die ältesten archäologischen Funde aus dem Raum des heutigen Plagwitz werden von der Forschung auf 250 000 vor unserer Zeit datiert. Es handelt sich dabei um Artefakte aus dem Gelände des heutigen Karl-Heine-Kanals. Aus dem 12. Jahrhundert vor unserer Zeit kommen Funde bronzezeitlicher Urnengräberfelder im Gebiet der heutigen Alten Straße hinzu. Die sorbische Besiedlung in diesem Bereich wird auf das 8. Jahrhundert datiert, und auch der Name Plagwitz wird mit der sorbischen Zeit in Verbindung gebracht: abgeleitet von dem altsorbischen ” placht” , was soviel wie ”abgeteiltes Feld” bedeutet und ”... auf Ackerbau in wasserreicher, fruchtbarer Gegend schließen läßt”. 12 Im 12. Jahrhundert entwickelte sich entlang der heutigen 10 Liebeskind; S.11. Vgl. am Ende der Arbeit Kapitel IV. Strukturwandel in Plagwitz und [K]Eine Zukunft für unsere Vergangenheit! 12 ”Im Leipziger Elsterland” , S.48. 11 39 Alten Straße ein Gassendorf. (Abb.39) Etwa seit dieser Zeit war das Dorf Plagwitz dem Rittergut Kleinzschocher im Süden dienstpflichtig und im Zuge der Christianisierung der Sorben auch dorthin gepfarrt. Im Jahre 1468 wurde zum ersten Mal der Name ” Plochtewitz” erwähnt, 1628 ” Plachwitz” , aber erst ab 1752 bleibt es dann endgültig bei der Bezeichnung ” Plagwitz” . Während des Dreißigjährigen Krieges wurde Plagwitz 1637 von schwedischen Truppen niedergebrannt. Nach dem Wiederaufbau 1648 wurde es bereits zur damaligen Zeit ein beliebtes Ausflugsziel für die Leipziger. Diese Popularität verdankte es der leichten Anhöhe, auf der sich Plagwitz gegenüber Leipzig befindet, was einen malerischen Blick auf die Stadt erlaubte. Ein Blick der heutigentags durch die umfassende Bebauung des Quartiers während des 19. Jahrhunderts nahezu überall komplett versperrt ist. An der Beliebtheit des Ausflugsziels änderte sich jedoch zunächst einmal auch nach der zweiten Feuersbrunst und dem zweiten Wiederaufbau von 1702 nichts. Eine Quelle aus späterer Zeit gibt bekannt, dass den Brand ”...ein Einwohner durch leichtfertigen Umgang beim Pfeiferauchen...” 13 verursachte. Es sei am 2. Oktober geschehen, der ein sehr schöner Tag war, wodurch beinahe alle Einwohner sich draußen aufgehalten haben ”... und als man ans Löschen dachte, war bereits das halbe Dorf abgebrannt.” 14 Nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 und dem daraus resultierendem Verlust sächsischer Gebiete nach dem Wiener Kongress 1815 wurde Plagwitz, das seit 1578 zum Amt Lützen zählte, jedoch als verbleibender Teil des Hochstifts Merseburg dem Amt Leipzig angeschlossen. Die Einwohnerzahlen veränderten sich in diesen frühen Zeiten der Dorfentwicklung kaum: zählte man im Jahr 1562 etwa 75 Einwohner, so waren es 1764 lediglich 20 mehr und im Jahr 1821 rund 150, 1837 etwa 187 Personen. Diese allmähliche Entwicklung wurde erst durch die infrastrukturelle Erschließung und die daraus resultierende Industrialisierung des Gebietes durch Karl Heine15 in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abrupt von einem sprunghaften Wachstum der Einwohnerzahlen abgelöst. 13 ”Zur Geschichte der Leipziger Vororte. VII. Plagwitz” ; in: ”Der Leipziger” , Leipzig 1919; S.245. 14 Ebd. 15 Vgl. dazu auch Abschnitt II.5. dieser Arbeit! 40 Im Jahr 1883 wurde bereits der Grundstein für den Bau eines eigenen, 1884 fertiggestellten Rathauses gelegt und Plagwitz bekam eine eigene Postfiliale. (Abb.40) 1885 kamen eine eigene Kirchgemeinde sowie ein eigener Friedhof dazu. Im Jahr 1888 wurde die Heilandskirche nach Plänen des Charlottenburger Architekten Johannes Otzen (1839-1911) gebaut (Abb.41) und ein Jahr später konnte das Schulgebäude an der heutigen Erich-ZeignerAllee fertiggestellt werden. (Abb. 42) Zu dieser Zeit war aus Plagwitz bereits eine in sämtlichen wichtigen Institutionen autarke Gemeinde geworden, die jedoch am 1. Januar 1891 als Stadtteil Leipzigs eingemeindet wurde und damit ihre Autonomie endgültig verlor.16 Bereits seit 1872 verkehrte die Pferdebahn als öffentliches Verkehrsmittel zwischen Leipzig und Plagwitz – sie wurde 1896 von der ”Elektrischen” abgelöst.17 Lediglich ein Jahr später, 1873, erhielt Plagwitz im Zusammenhang mit der Eröffnung des Plagwitzer Bahnhofs als Haltestation der Strecke Leipzig-Zeitz zusätzlich zu dem Personen- einen Güterbahnhof.18 (Abb.en 43 und 44) Es war der erste Industriebahnhof Europas. Doch auch hier ging Heine in seiner Planung noch einen Schritt weiter. Er ließ Industriegleisanschlüsse auf jedes einzelne Grundstück des Viertels legen und für Anrainer, die ”... auf Grund ihrer Lage keinen eigenen Gleisanschluß erhalten konnten, wurden öffentliche Ladestellen eingerichtet.” 19 (Abb.45) Außer diesen beiden wichtigen öffentlichen Verkehrsmitteln verfügte Plagwitz zusätzlich über eine direkte Schiffs- beziehungsweise Bootsverbindung zur Leipziger Innenstadt und zu anderen Vororten. Diese Verbindung wurde vor allem für den Materialtransport verwendet, diente an den Wochenenden aber mit verschiedenen Ausflugsdampfern auch der Personenbeförderung.20 (Abb.46) Als Plagwitz um die Jahrhundertwende Teil der Stadt Leipzig wurde, war der Erschließer des Leipziger Westens, Dr. Karl Erdmann Heine, bereits tot. Als bleibendes Resultat seines unermüdlichen Wirkens verfügte Plagwitz damals 16 „Im Leipziger Elsterland“; S.55. Vgl. Abschnitt II.4.6. dieser Arbeit! 18 Vgl. Abschnitt II.4.3. dieser Arbeit! 19 Ulrich Krüger und Herbert Pötzsch: „Plagwitz - Industriestandort mit Zukunftschancen. Leipzigs ältestes Industriegebiet in der Umgestaltung“; in: „Industriebau“ Nr.6; Leipzig 1991.S. 426. 20 Vgl. Abschnitt II.4.4. dieser Arbeit. 17 41 über eine überdurchschnittlich gute Infrastruktur, sowohl was die Verkehrsanbindung, die strukturelle Durchmischung des Viertels als auch die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen anbelangte. In der Folgezeit durchlebte das Viertel das Auf und Ab des ganzen Landes: die Wirtschaftskrise vor dem Ersten Weltkrieg, den Krieg selbst, die Zeit der Weimarer Republik, die Weltwirtschaftskrise der späten 1920er Jahre, die Ära des Nationalsozialismus mit der in den frühen 1940er Jahren erfolgenden Umstellung weiter Teile der Plagwitzer Industrie auf die Kriegsproduktion und die Nutzung der Arbeitskraft von Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen während des Zweiten Weltkrieges. In den Kriegsjahren kam es infolge der schweren Bombardierungen bei den Luftangriffen auf ganz Leipzig, und nach 1943 vor allem auf dessen industrielle Produktionsstätten, auch in Plagwitz zu zahlreichen Schäden an Industrie- und Wohngebäuden. Dabei wurden zum Beispiel das Gebäude des Felsenkellers, die Färberei der Firma Stöhr & Co. (Abb.47), das Atelier des Leipziger Künstlers Max Klinger und vieles andere mehr zerstört.21 Auf dem Gelände der Firma Mügge & Dambacher ”... soll [nach dem Krieg] die Gußputzerei wieder instand gesetzt werden ...” , die einen Brandbombentreffer abbekommen hatte.22 Die Nachkriegsjahre brachten zunächst einmal die Enteignung zahlreicher Großbetriebe in Plagwitz – wie auch anderswo – und deren Umwandlung in Sowjetische Aktiengesellschaften beziehungsweise Volkseigene Betriebe,23 ein Schicksal, das ausnahmslos alle hier untersuchten Firmen in der einen oder anderen Weise teilten.24 Bereits Anfang der 1960er Jahre begann man an einigen Stellen des Viertels mit dem Abriss von Wohngebäuden aufgrund bautechnischer Missstände und Schäden sowie wegen hygienischer Mängel. ”Ziel ist offensichtlich, Plagwitz als Industrie-, nicht aber als Wohnstandort zu erhalten.” 25 Eine Politik, die in den 1970er Jahren weiterhin fortgesetzt, teilweise sogar noch forciert wurde, um der damals geförderten Kombinatsbildung und deren ungeheurem Platzbedarf zuzuarbeiten. 21 ” Im Leipziger Elsterland” ; S.58ff. Bauakten der Stadt Leipzig bezüglich der Firma Dambacher; Band ab 1944. 23 Vgl. dazu Auflistung ”Im Leipziger Elsterland” ; S.58ff. 24 Vgl. dazu den Katalogteil ”Zu den einzelnen Betrieben” im Anhang der Arbeit! 25 ”Im Leipziger Elsterland” ; S.59. 22 42 Als dann Ende der 1980er Jahre die Wende kam, waren große Teile des Viertels inzwischen ” leergewohnt”. Plagwitz hatte etwa ”... 37 000 Einwohner, über 800 Betriebe (davon fast 40 Großbetriebe) mit 18 000 Beschäftigten.” 26 Die Wiedervereinigung brachte für Plagwitz zunächst nur negative Folgen mit sich: fast alle Fabriken und Betriebe wurden geschlossen, die Produktion, die weder weltmarktadäquat noch nach allgemein anerkannten ökologischen Richtlinien ausgerichtet war, wurde nahezu komplett stillgelegt; viele der Gebäude mussten und müssen auch heute noch aus baupolizeilichen und bautechnischen Mängeln geräumt und zum Teil auch abgerissen werden.27 (Abb.en 48 und 49) Ein Prozess, der sich erfreulicherweise in den letzten Jahren deutlich verlangsamt beziehungsweise positiv gewandelt hat – jedoch immer noch fortdauert. Das ehemalige Ziel der 1960er und 1970er Jahre, zwar den Industrie-, nicht aber den Wohnstandort Plagwitz zu erhalten, hat sich in der Zwischenzeit grundlegend verändert. Heute strebt die Stadt nach einer umfassenden Lösung für das Viertel. Zum einen sollen die Wohnbauten saniert, restauriert, zum Teil sogar rekonstruiert werden. Zum anderen entstanden und entstehen Neubauten, die teilweise behindertengerechten Wohnraum – integriert in diesem alten gewachsenen Viertel – anbieten. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien wurden bereits ab Anfang der 1990er Jahre einige Häuser am Ufer der Weißen Elster an der südwestlichen Ecke der Kreuzung mit der Industriestraße und in der Alten Straße entsprechend ausgestattet. (Abb.en 50 und 51) Die industrielle Struktur soll jedoch nicht gänzlich verloren gehen. Als geförderte Ansiedlung von Kleingewerbe will man den Mischcharakter des Quartiers erhalten. Der städtische Gründer- und Gewerbehof Plagwitz28 im Gebäude der ehemaligen Firma Unruh & Liebig an der Naumburger Straße 28 (Abb.52) sowie das Business Innovation Center an der Ecke der Karl-Heine-Straße zur Gießerstraße (Abb.53) sollen dabei stellvertretend für viele vergleichbare Objekte als Beispiele stehen. Bei letztgenanntem handelt es sich um einen Neubau auf dem Abrissgelände der 1854 gegründeten und 1863 in Plagwitz angesiedelten Fabrik für Bodenbearbeitungsgeräten von Rudolf Sack.29 26 ”Im Leipziger Elsterland” ; S.60. Vgl. dazu den Katalogteil ”Zu den einzelnen Betrieben” im Anhang der Arbeit! 28 Vgl. dazu den Katalogteil ”Zu den einzelnen Betrieben” im Anhang der Arbeit! 29 Ebd. 27 43 Was bei der planerischen Konzeption der Stadt bei der Gestaltung beziehungsweise Umgestaltung des Quartiers vom historisch gewachsenen, herkömmlichen Charakter des Viertels auffallend und grundlegend abweicht, ist die Schaffung und Integration von Naherholungsgebieten, Jugend-, Freizeit- und Kulturzentren sowie von alternativen Wegesystemen zur Abrundung der Infrastruktur. Neben dem herkömmlichen Straßenverkehr soll – unter Nutzung der ehemaligen Gleistrassen – ein Netz von Fuß- und Radwegen weiter ausgebaut werden, das den Bewohnern die Möglichkeit bietet, sich schnell, ruhig und autonom vom Autoverkehr im Viertel und darüber hinaus fortzubewegen.30 (Abb.54) Als Beispiel eines seit 1993 bereits verwirklichten Projektes sei an dieser Stelle der Rad- und Wanderweg entlang des Karl-Heine-Kanals angeführt.(Abb.55) Ein komplexer Wandel soll herbeigeführt werden, der dieses Viertel trotz der Mischbebauung und nutzung auch heutigentags zu einer gleichermaßen attraktiven Zone zum Wohnen wie zum Arbeiten entwickeln hilft. Am Ende dieses Abschnitts soll noch einmal kurz auf die Aufnahme des Projektes ” Stadtteilsanierung in Leipzig-Plagwitz” als eines der dezentralen Projekte der EPXO 2000 verwiesen werden. Etwas genauer wird darauf zum Abschluss der Arbeit in einem Abschnitt des IV. Kapitels eingegangen.31 Entsprechend dem EXPO-Motto ” Mensch-Natur-Technik” ist Plagwitz mit seiner individuellen Aufgabenstellung: „Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert – Strukturwandel in Plagwitz” angetreten und als repräsentatives Beispiel eines gelungenen Miteinanders von Mensch, Natur und Technik nach zeitgemäßen Verhältnisstrukturen aufgenommen worden. Wie dieses doch recht idealisierte Konzept der Stadtplanung sich in der Realität bewähren wird, muss die Zukunft erst noch zeigen. Die ersten Schritte in diese Richtung sind jedoch bereits erfolgreich gegangen worden. Dieser einschneidende Strukturwandel wäre für sich genommen ebenfalls ein reizvolles Thema für eine umfassende städtebauliche Untersuchung. Da der Ansatz dieser Arbeit jedoch der Strukturwandel in Plagwitz zwischen 1860 und 1914 ist, sei den heutigen Veränderungen an dieser Stelle lediglich mit einem solchen, kurzen Ausblick auf Zukünftiges genüge getan. 30 Hermann Grub und Petra Lejeune: „ Leipzig Plagwitz – Industriebrache mit Zukunft. Das Grünkonzept im Rahmen der Gesamtplanung“ , in: Ars arcus; Köln 1994. S 42f. 31 Vgl. Abschnitt IV.3. ”Strukturwandel in Plagwitz” ! 44 II.3. Karl Heine – Der Erschließer des Leipziger Westens ” Plagwitz ist nicht durch die Gunst naturgegebener Bedingungen zum Industriestandort geworden, sondern durch eine zielstrebige und weitsichtige Erschließungsarbeit, die vor allem das Lebenswerk von Dr. Karl Heine (1819-1888) war.” 32 (Abb.en 56 und 57) Bei diesem Mann handelt es sich um eine der interessantesten Leipziger Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Engagiert in Politik, Stadtplanung und -erneuerung sowie Visionär einer komplex durchdachten und geleiteten Industrialisierung seiner Heimatstadt, hat Heine maßgeblich an der Entwicklung Leipzigs zu einem der führenden sächsischen Industriezentren und damit zum Aufstieg der Stadt zu einer der wichtigsten deutschen Großstädte beigetragen. Denn von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieg beziehungsweise bis zur Wiedervereinigung Deutschlands 1990 ist die Industrie neben der Messe d a s wirtschaftliche Standbein der Stadt gewesen. II.3.1. Zur Person – eine kurze Biografie Karl Heines ”Homo sum et nil humanum a me alienum puto” 33 Dies sei wohl die treffendste Äußerung, wenn es um die Beschreibung des Menschen Karl Heine gehe, der auch nicht ohne Schwächen gewesen sei – meint Dr. Ferdinand Goetz in seinem Werk über diesen Pionier der Stadt Leipzig und verweist in diesem Zusammenhang auf dessen Sturheit, wenn es um die Durchsetzung seiner Ideen ging, die bei vielen Zeitgenossen zunächst nur auf nachsichtiges Lächeln, kurzsichtiges Unverständnis und unverhohlen ablehnendes Kopfschütteln stießen. Geboren am 10. Januar 1819 war Ernst Carl Erdmann Heine zunächst einmal das Kind reicher Eltern. Sein Vater, Johann Carl Friedrich Heine, war Besitzer der Rittergüter in Gundorf und in Neuscherbitz, die sich nordwestlich von Leipzig befanden. Seine Mutter, Christiana Dorothea 32 Ulrich Krüger und Frank Dietze: „ Plagwitzer Industriebauten“ ; in: „Leipziger Blätter“ Nr. 20; Leipzig 1992; S.18. 33 Dr. Ferdinand Goetz: ”Dr. Carl Erdmann Heine. Sein Leben und Schaffen” ; Leipzig 1897; S.13. 45 Heine, war eine geborene Reichel, die Tochter des vermögenden Leipziger Kaufmannes Erdmann Traugott Reichel, dem unter anderem auch ” Reichels Garten” in der westlichen Vorstadt gehörte. Dabei handelt es sich um den vormals ” Apels Garten” geheißenen Grund um den heutigen Dorotheenplatz – seinerzeit einer der schönsten und berühmtesten Barockgärten der Stadt. Unter diesem älteren Namen ist er auch heute noch wesentlich bekannter. Anfangs besuchte Karl Heine die Thomasschule. [Im weiteren Verlauf des Textes wird, der Einfachheit und Verständlichkeit halber, die heute in der Literatur übliche Form des Namens von Ernst Carl Ermann Heine, Karl Heine verwendet werden.] Nach dem Schulbesuch studierte er an der Universität Leipzig Rechtswissenschaft sowie Staats- und Volkswirtschaft. Er hörte aber auch ”... Mathematik und Feldmessen unter Hohlfeld ...” 34. Außerdem ”... gehörte er dem Corps Saxonia an und war mit seiner Heldengestalt und seinem frischen, geistvollen Gesicht damals der schönste Student in Leipzig...” 35. Nach Abschluss des Studiums, im Jahr 1843 ”... verheiratete [er] sich ... mit Fräulein Doris Trinius, Tochter des Kauf- und Handelsherren Trinius in Leipzig und Weißenfels.” 36 und ließ sich als Rechtsanwalt nieder. Schon 1844 gab er diese Tätigkeit zu Gunsten freien Unternehmertums auf. Sein Hauptaugenmerk galt dabei vor allem dem Anund Verkauf beziehungsweise der Vermietung und Verpachtung von Grund und Boden sowie die städtebauliche Erschließung des Leipziger Westens. Ausgangspunkt seiner Grundstückskäufe und Bemühungen war das Grundstück von Reichels Garten, welches durch Erbfolge über die Mutter in seinen Besitz gelangte. Von diesem Stück Land ausgehend, konnte Karl Heine weite Ländereien westlich davon zu ausgesprochen günstigen Bedingungen erwerben, da das gesamte dort angrenzende Areal alljährlich mehrmals starken Überschwemmungen ausgesetzt und dadurch ein unberechenbarer Herd für Seuchen jeglicher Art war. So war beispielsweise Malaria bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine weit verbreitete Seuche in Leipzig, die erst durch die Trockenlegungen Heines wirksam bekämpft werden konnte: ”Von dem erschlossenen Areal waren 200 000 qm Wiesen 34 Friedrich Hoffmann: ”Ein Leipziger Bürger” ; in:” Die Gartenlaube”; Leipzig 1856; o.A. 35 Goetz; S.4f. 36 T. Koch: ”1888-1938. Leipziger Westendbaugesellschaft” ; Leipzig 1938; S. 12. 46 und Lachen, die die Keime der Malaria aushauchten, an der jährlich mehrere Tausende in Leipzig und der Umgebung erkrankten – seit 1865 ist das Wechselfieber aus Leipzig verschwunden.” 37 Parallel zu den Grundstücksankäufen begann Heine auch sehr bald mit Flussregulierungen sowohl der Elster als auch des Elstermühlgrabens. Im Jahr 1844 ließ er die Elsterstraßenbrücke über die Pleiße bauen und erschloss das Areal hinter derselben durch den Bau der Weststraße für die weitere Bebauung. Seine Aktivitäten hatten das Ziel, das unmittelbar westlich an die Stadt Leipzig angrenzende Gebiet bis hin zum heutigen Verlauf des Elsterflutbettes trocken zu legen und zu bebauen beziehungsweise zur Bebauung zu verkaufen. Diese Veränderung bedeutete eine enorme Wertsteigerung für diesen stadtnahen Grund, welcher bislang aufgrund seiner Einstufung als Sumpfgelände auf dem Immobilienmarkt ein ausgesprochen unattraktives Gelände dargestellt hatte. Dies brachte Heine einen gewaltigen Profit ein, mit dem er sofort daran ging, seine weiteren Ideen umzusetzen. ”[Er] ... erschloß damit ein zu Leipzig gehörendes Areal von fast 350 000 qm der Bebauung mit einem nach Herstellung der Straßen und Schleußen damaligen Bauplatzwert von über 1 1/2 Millionen Mark, während der Erwerb des rohen Areals mit Sümpfen und Löchern ihn ungefähr 130 000 Mark gekostet hatte.” 38 Im Verlauf dieser erfolgreichen Erschließung der Westvorstadt ging Karl Heine noch weiter. Er ließ nicht nur Straßen anlegen, sondern auch Brücken bauen. Das waren für ihn Investitionen, die sich lohnten. Er handelte nicht als edelmütiger Philanthrop, sondern als kühl berechnender Geschäftsmann, der sich den entsprechenden Gewinn seiner zum Teil heftig umstrittenen Visionen im Vorfeld ganz genau ausrechnete. Da seine Grundstücksgeschäfte sich als lukrativ erwiesen, ging er ab 1854 in seinen Ankäufen noch über die bisher als Endmarke Richtung Westen respektierte Flussgrenze der Elster hinaus und kaufte im weiteren Verlauf das gesamte, landwirtschaftlich genutzte Areal der Gemeinde Plagwitz bis zum heutigen Standort des Plagwitzer Bahnhofs auf. Auf diesem Gelände zeigte sich nun der ganze Umfang von Heines Visionen. Hier begnügte er sich nicht mehr nur mit Straßen und Brücken, die das Gebiet für den Straßenverkehr 37 ”Dr. Carl Heine, der Schöpfer der Leipziger Westvorstadt. Zu seinem 100. Geburtstag” ; [unterschrieben: E.W.] in: ”Der Leipziger” , Leipzig 1919; S.108. 38 Goetz; S.5. 47 erschlossen und eine bessere Anbindung an die Stadt Leipzig gewährleisteten, sondern er förderte auch neue Verkehrsmittel, indem er von 1856 bis 1864 einen Kanal nebst Brücken und ab 1873 ein Gleisanschlussnetz vom Plagwitzer Bahnhof auf die einzelnen Grundstücke anlegen ließ. ”Diese Industriegleisanschlüsse waren zu dieser Zeit wohl einmalig in Europa.” 39 Der Kanal sollte die Elster mit der Saale schiffbar verbinden und so einen Anschluss Leipzigs über Kanal und Saale an die Elbe und mittels dieser auch an die Nordsee schaffen. Der Leitslogan dieses Projektes hieß damals zugkräftig und verheißungsvoll: ”Von der Elster an die Alster”. 40 Zur Verwirklichung dieses Projekts gründete Karl Heine den Elster-Saale-Verein. Das beim Aushub gewonnene Material, den damals im Volksmund sogenannte ” Heinesche Knack” ,41 verwendete Heine – wie bereits erwähnt – zum Auffüllen der Straßenanlagen sowie zur Aufschüttung der Flussbegrenzungen in den sumpfigen Gebieten seines Besitzes. Dieser Heinesche Knack bestand entsprechend den geologischen Gegebenheiten der Gegend vorwiegend aus Grauwacke, bestehend aus Quarz, Feldspat und Rotliegendem.42 Der Kanal war von Heine nicht nur als Materialquelle, sondern auch als Transportweg für selbiges geplant. Zum Transport des Gesteins fuhren unter der Woche mehrere verschieden große Transportschiffe43, die bis zu 3000 Zentnern Last befördern konnten, auf dem Kanal. Dabei handelte es sich um Lastkähne, die von Dampfschiffen gezogen wurden. Sonntags ruhte der Lastenverkehr; statt dessen verkehrten Ausflugsdampfer von der Anlegestelle in der Thomasiusstraße 12 bis nach Plagwitz, denn es befanden sich dort verschiedene beliebte Vergnügungslokale44 wie zum Beispiel der ”Alte Felsenkeller”, der sich seit 1844 in Plagwitz auf einer Anhöhe befand. Wegen der guten Fernsicht nach Leipzig wurde auch dieses Etablissement zu einem beliebten Ausflugsziel. “Neben traditionellen Gewerbebetrieben wie Mühle, Ziegelei, Zementfabrik u.a. entstand 1858 durch Karl Heine eine “Landwirtschaftliche Ökonomie” an der Zschocherschen Straße zwischen der heutigen Industrie- und 39 Heinz Voigt: Eine Wanderung durch Leipzig-Plagwitz; Hrsg. Sächsisches Wirtschaftsarchiv in Zusammenarbeit mit dem Geschichtsverein Leipzig e.V.; Baalsdorf 1997; S.24. 40 Andreas Mai und Henning Steinführer: „ Leipzigs Drang zum Meer“ ; in: Wasserspiele; Hrsg. Stadtgeschichtliches Museum der Stadt Leipzig; Leipzig 1994; S.83. 41 ”Im Leipziger Elsterland” , S.51. 42 ” PLAGWITZer Stadtteilzeitung für Plagwitz und Schleußig” , Nr.17, Leipzig 1995; S.2. 43 ”Im Leipziger Elsterland”; S.50f. 44 A.a.O.; S.51. 48 Eduardstraße. Sie umfasste umfangreiche Viehställe, Getreidespeicher, einen Geflügelhof, eine Brennerei, Schmiede und Ziegelei.” 45 Die Ziegelei nutzte Lehmgruben, die bei ihrem Bau erschlossen worden waren.46 Und die von Heine gegründete Ökonomie war so vorbildlich, dass der Direktor der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Lützschena, Dr. Vogeley, nachdem er sie in Augenschein genommen hatte, dafür sorgte, dass dieses wichtige Leipziger Lehrinstitut, das etwa dreißig Jahre zuvor durch Maximilian Speck von Sternburg gegründet worden war,47 nach Plagwitz verlegt wurde (Abb.58). Später wurde die Lehranstalt in Plagwitz vom Staat für die Leipziger Universität übernommen, jedoch später “... nach dem Kuhturm verlegt.” 48 Das oben angesprochene Projekt des Elster-Saale-Kanals wurde weder zu Heines Zeiten (1854-1895) noch in einem späteren Anlauf (zwischen 1933 und 1938 beziehungsweise 1943) fertig gestellt.49 Der Elster-Saale-Verein trieb die Arbeiten in der ersten Bauphase bis zur Höhe der heutigen Lützener Straße voran. Unter Adolf Hitler wurde ab 1933 ein weiteres, 12 Kilometer langes Kanalstück von Leipzig nach Zöschen vollendet. Zeitgleich wurde damals auch der Bau der Großsilos am Lindenauer Hafen initiiert. Die Schleusentreppe bei Merseburg/Wüsteneutzsch blieb jedoch eine ” Investruine auf dem Trockenen”, und der Kanalbau wurde nie abgeschlossen, so dass es heute schwer fällt darüber zu mutmaßen, was tatsächlich gewesen wäre, wenn... Sicher ist, dass im Zusammenhang mit den ursprünglichen Kanalarbeiten durch Karl Heine in Plagwitz 12 Brücken über den ausgehobenen Kanal gebaut werden mussten, um den übrigen Verkehr nicht zu behindern. Dies waren nicht die ”einzigen” Brücken, die er bauen ließ. An einen regelrechten Husarenstreich erinnert beispielsweise der Bau der bereits erwähnten heutigen Plagwitzer Brücke, die Heine 1858 in einer Nacht- und Nebelaktion aus Holz bauen ließ, weil der Rat der Stadt auf die wiederholt vorgetragene Bitte der Plagwitzer, einen direkten Zugang zur Stadt für sie zu schaffen, stets abschlägig reagiert hatte.50 (Abb.59) 45 U. Herrmann und H. Bachmann: Plagwitz. Aus der Geschichte des Vorortes und seiner Industrie, Leipzig 1986; S.16. 46 Leisering; S.7. 47 Wolf-Dietrich Speck von Sternburg und Peter Guth: “Der Speck von Sternburgsche Schlosspark Lützschena” ; Leipzig 1999; S.11. 48 Goetz; S.8. 49 ”Im Leipziger Elsterland” , S.57 aber: ”Eine Wanderung durch Plagwitz...” , S.24. 50 ” PLAGWITZer..” , Nr. 17 Leipzig 1995; S.2. Vgl. auch S.47 und 69 dieser Arbeit! 49 Was sich deutlich manifestiert, ist die Um- und Weitsicht, mit welcher Karl Heine in Plagwitz eine komplexe und zukunftsorientierte Infrastruktur für die industrielle Nutzung des Terrains durch Unternehmen ganz unterschiedlicher Größe und Couleur anlegen ließ, die auch Jahre nach ihrer Schaffung noch ihresgleichen suchte. Im Mai 1888 wurde auf seine Initiative die WestendBaugesellschaft gegründet, welche die von ihm begonnene Erschließung des Leipziger Westens auch nach seinem Tode in diesem Sinne fortführte. Zum Zeitpunkt der Konzeption durch Karl Heine jedoch war diese ausgefeilte infrastrukturelle Erschließung eine in jeder Hinsicht einmalige Erscheinung. Karl Heine war alles in allem ein Mensch, der, wenn er einmal von der Richtigkeit einer Überlegung und dem Erfolg ihrer geplanten Verwirklichung überzeugt war, kein Halten mehr kannte. Dabei hat er sich und seinen Projekten sehr oft durch seinen undiplomatischen, glühenden Enthusiasmus mehr geschadet als genützt: ”... er konnte auch aufbrausen, wenn man seine Wege durchkreuzte und nicht Verständnis für das hatte, was er für richtig befunden hatte und was er im allgemeinen Interesse erstrebte. Dann saß das harte Wort nicht fest in seinen Lippen ... Wäre er diplomatisch gewesen, und hätte seinen Groll verschwiegen, er wäre oft besser gefahren.” 51 Im Laufe der Zeit setzte sich jedoch die Meinung durch, dass diese ”Sturheit” für die Projekte durchaus förderlich war, und dass diejenigen, die sich seinem leidenschaftlichen Engagement in den Weg stellten, lediglich den Fortschritt zu hemmen versuchten, den sie doch nicht aufhalten konnten. ”Hätte Heine weiter nichts zu überwinden als die Schwierigkeiten der Natur, so würden wir sein Werk schon bedeutend weiter gediehen sehen.” 52 Auch in der Politik war Heine ein aktiver Mann. In den späteren Jahren hatte er neben seinen Ambitionen als Geschäftsmann verschiedene, vorwiegend kommunalpolitische Ämter inne. Er war Hauptmann der Kommunalgarde und Stadtverordneter in Leipzig, Gemeindevertreter in Plagwitz und Mitglied der Zweiten Kammer der Sächsischen Ständeversammlung (1869-1888), außerdem Mitglied des Reichstages (1874-1877). Dabei achtete er vornehmlich darauf, dass die wirtschaftlichen Interessen seiner Person, seiner Geschäftspartner und seiner ”Stadt”, womit sowohl Leipzig als auch 51 52 Goetz; S.13. Hoffmann, ”Leipzigs Wasserpionier...”; o.A. 50 Plagwitz gemeint sind, gewahrt blieben: ”Dr. Heine äußerte sich in der Ständeversammlung und im Reichstag meist zu Wirtschaftsproblemen. ” 53 Zu Beginn des Jahres 1888 reiste Heine nach einem schweren Herzanfall noch einmal nach Italien – in der Hoffnung, sich dort auskurieren zu können. Die Reise gereichte ihm jedoch nicht zum gesundheitlichen Vorteil, obgleich er sich nach der Heimkehr noch einmal erholte. Einige Zeit später verfiel er einem ”längeren Siechtum” 54. Am 25. August 1888 starb Karl Heine in seiner Villa auf der Schleußiger Halbinsel an einem Herzleiden. Seine Hoffnungen in Karl Heine junior gingen nicht in Erfüllung, denn sein Sohn folgte ihm ein knappes Jahr später in den Tod. Allein die von ihm noch am 24. Mai seines Sterbejahres gegründete Westend-Baugesellschaft trat längerfristig an, seine Pläne auch nach seinem Tode zu verwirklichen. Bereits 8 Jahre später ließen Freunde ihm zu Ehren ein Denkmal am Eingang zum Palmengarten errichten.55 (Abb.60) Die bronzene Statue wurde von dem bekannten Leipziger Bildhauer Carl Seffner geschaffen, welcher einige Jahre später auch das Goethe- und das Bachdenkmal in der Leipziger Innenstadt künstlerisch gestaltete. Zur Einweihung des Denkmals sprach Dr. Ferdinand Goetz, der treue Freund aus Jugendtagen und nun Vorsitzender des ”Ausschusses für das Heine Denkmal” über Karl Heine: ”Überall ragen jetzt die hohen Schlote empor, ..., erzählen davon, daß Heine hier eine neue Welt, eine mächtige Industrie für Leipzig geschaffen hat, daß er Leipzig zum alten Charakter einer großen Handelsstadt den neuen eines großen Industriecentrums aufgeprägt hat.” 56 In den Kriegsjahren wurde das Denkmal 1940 als ” freiwillige ... Metallspende des Deutschen Volkes an den Führer...” 57 ”ausgewiesen als 1230 kg Buntmetallschrott.” 58 eingeschmolzen. (Abb.61) Das Denkmal war bis vor kurzer Zeit, ebenso wie der legendäre Palmengarten, verschwunden. 53 Eckhardt Leisering, ”Der Erschließer des Leipziger Westens: Carl Heine (1819-1888); in: Landtagskurier Sachsen Nr. 5; Dresden 1992, S.7. 54 Goetz; S.15. 55 ”Verschwundene Denkmale Leipzigs” ; Leipzig 1994, S.50ff. Außerdem zu diesem Denkmal der Artikel von Stefan Voerkel: ”...wo einst stand Dr. Heine da sieht man nur Natur. Ein Industriepionier und sein Denkmal“; in: „ Leipziger Blätter“ 32/1998. 56 ”Verschwundene Denkmale...” ; S.52. 57 A.a.O.; S.88. 58 A.a.O.; S.54. 51 Lediglich der Sockel mit Heines Namenszug blieb erhalten. Er hatte zusammen mit dem damals noch existierenden Denkmal bereits 1937/38, zum Jahreswechsel, auf der gegenüberliegenden Seite der Karl-Heine-Straße Aufstellung gefunden. Im Juni 2001 konnte nun endlich der Plan der Stadt Leipzig, dieses Denkmal im Zusammenhang mit der umfassenden Wiederbelebung des Viertels nach alten Vorlagen neu gießen zu lassen, verwirklicht werden. (Abb.62) II.3.2. Drei Jahre im Reichstag – Karl Heine als Politiker Es verwundert nicht, dass man Karl Heine auch für verschiedene politische und Ehrenämter vorsah. Sein Eintreten für öffentliche und gemeinnützige Interessen prädestinierte ihn für eine Berufung zu solchen Aufgaben. Zunächst ”... wirkte [er] ... als Hauptmann der Communalgarde und später im Stadtverordnetencollegium, überall gleich geschätzt und geliebt.” 59 Neben seiner Tätigkeit als Stadtverordneter in Leipzig war Heine auch Gemeindevertreter in Plagwitz. Außerdem saß er 18 Jahre lang, in der Zeit von 1869 bis zu seinem Tod 1888, in seiner Funktion als Mitglied der zweiten Ständeversammlung als Abgeordneter im sächsischen Landtag. Eine Legislaturperiode, nämlich von 1874-1877, vertrat er seine Heimatstadt darüber hinaus im Reichstag. ”Dabei schloß er sich zeitlebens nie fest einer Partei an.” 60 In den Jahren 1869, 1875 und 1881 kandidierte er für die Fortschrittspartei, 1887 hingegen für die Konservative Partei. 1869 und 1875 wurde er im 23. ländischen Wahlkreis, dieser umfasste den Südosten der Amtshauptmannschaft Leipzig – also Plagwitz und Umgebung, in den Landtag gewählt. 1881 und 1887 zog er dort für den 3. städtischen Wahlkreis von Leipzig ein, der die innere Südvorstadt umfasste. Bei den beiden Wahlen von 1869 und 1886 gewann er mit überwältigender Mehrheit: 1869 waren es 538 von insgesamt 568 Stimmen und 1886 mit 3 949 gegen 1492 Stimmen ”nur” knapp die doppelte Anzahl. Dabei lässt sich generell feststellen, dass mit den Jahren die Gegnerschaft der Sozialdemokraten, vor allem in den Arbeiterbezirken wie Plagwitz, immer stärker wurde. Das war 59 60 Goetz; S.5. Leisering; S.7. 52 auch der Grund, warum Heine ab 1881 in Plagwitz nicht mehr gewählt wurde: er verlor ”seinen” Wahlkreis an den Sozialdemokraten August Bebel. Die Wahl in den Reichstag 1874 konnte Heine nur deshalb erfolgreich für sich entscheiden, weil sein stärkster Gegenkandidat – der Sozialdemokrat Dr. Johann Jacoby aus Königsberg – die Wahl ablehnte. Er begründete seinen ”Rücktritt” mit der im Voraus gefassten Überzeugung ”...von der Unmöglichkeit ... auf parlamentarischem Wege eine Militairstaat in einen Volks-Staat umzugestalten”. 61 In der Nachwahl gewann Heine vor dem neu aufgestellten Braunschweiger Sozialdemokraten Brake. In all seinen politischen Ämtern war Karl Heine jedoch zuförderst Ökonom und Wirtschaftspragmatiker. Goetz ging sogar soweit zu postulieren: ”... ein wirklicher Politiker war er nicht ... der Geist des heutigen Parteilebens war ihm zuwider ... er war ein zu praktischer und realer Kopf, um hinter einem starren Parteiprogramm zu marschieren.” 62 Bei Leisering ist zu erfahren, dass Heine sich besonders zu Wirtschaftsfragen äußerte: ”Seine bevorzugte Aufmerksamkeit galt der Infrastruktur insbesondere dem Eisenbahnwesen, sowie Steuer-, Währungs- und Grundstücksfragen. Er blieb auch in seiner politischen Tätigkeit vor allem Wirtschaftspragmatiker.” 63 Doch trotz dieser sachlichen Einstellung hatte Heine durchaus auch Gegner in seinen verschiedenen politischen Ämtern. Das ist vielleicht weniger befremdend, bedenkt man, mit welcher Vehemenz er bereit war, für seine Überzeugungen einzutreten: ”Als Politiker wurde Heine vielfach bekämpft. An höchster Stelle wußte man aber sein Wirken zu schätzen, König Johann besuchte ihn und seine Werke 1863 ... dadurch fingen eigentlich die guten Leipziger erst an, zu merken, was sie an Heine hatten.” 64 Bereits ein Jahr zuvor, 1862, war Heine während eines Besuchs des Königs Johann von Sachsen in Leipzig ins Palais zur königlichen Tafel eingeladen und mit dem Ritterkreuz des Albrechtsordens ausgezeichnet worden. 61 Zitiert nach Leisering; S.7. Goetz; S.12. 63 Leisering; S.7. 64 Goetz; S.13. 62 53 Was verblüfft, ist die Tatsache, dass er – als Inbegriff eines kapitalistischen Unternehmers, einer der ” thatkräftigsten Geister unserer Nation” ,65 der er war und als der er gesehen wurde – auch von der Arbeiterschaft mit so überwältigender Mehrheit gewählt wurde. Dieser Umstand lässt sich wohl am ehesten mit seiner verdienstvollen Erschließung des Leipziger Westens und dem Vertrauen in das Charisma und die Energie dieses Mannes erklären. II.3.3. Die Westend-Baugesellschaft – Karl Heine als Unternehmer Zum Zeitpunkt ihrer Gründung am 24. Mai 1888 wurde für diese Aktiengesellschaft der Name Heinesche Baugesellschaft gewählt. Dabei traten sechs Herren als Gründungsmitglieder und Aktionäre auf: Dr. Carl Ernst Erdmann Heine, der Leipziger Rechtsanwalt Alexander Zinkeisen, der Kommerzienrat Wilhelm Decker aus Mittweida, der Niederlangenauer Rittergutsbesitzer Otto Braun, der Sohn Heines, Karl Heine junior, der damals in Berlin studierte, sowie der Zeitzer Mühlenbesitzer Hermann Roßner. Da das Amtsgericht die Anmeldung wegen des ”persönlichen Anklanges” 66 beanstandete, wurde der Name in Leipziger WestendBaugesellschaft umgewandelt. Die Nähe zu ihrem Begründer Karl Heine senior fand auch räumlich ihren Ausdruck, denn zu Beginn ihres Wirkens logierte sie in dem Mietshaus vis à vis der Heineschen Villa.67 Die Westend-Baugesellschaft wurde gegründet, um die Projekte Karl Heines in den Jahren nach seinem Tode in seinem Sinne weiter zu führen. Es handelt sich um „ ... eine aus Familien- und Gesundheitsrücksichten veranlaßte Umwandlung des bisher allein von Herrn Heine betriebenen Geschäftes in Immobilien in eine Aktiengesellschaft, durch welche die Fortsetzung der begonnenen Straßen-, Eisenbahn- und Kanal-Bauten des Herrn Heine gesichert... werden sollen.” 68 So wurden beispielsweise in den folgenden Jahren mit Mitteln aus dem Kauf und Verkauf von Bauland und aus dem eingebrachten Grundkapital viele 65 Hoffmann: ”Wasserpionier...” ; o.A. Koch; S.11. 67 ”Hommage an eine Hundertjährige” ; in: „ Leipziger Blätter“ Nr. 32; Leipzig 1998; S.56. 68 Koch; S.25. 66 54 Straßen, Brücken und Eisenbahngleise vornehmlich in den Stadtteilen Schleußig, Lindenau und Plagwitz verwirklicht. Um die einzelnen Projekte des für diese Untersuchung relevanten Raumes etwas genauer zu beschreiben, seien hier im folgenden stellvertretend für alle Bereiche einige Aufzählungen aus dem Bereich des Straßenbaus zitiert. (Abb.63): ”1888 die Elisabeth-Allee [heute Erich-Zeigner-Allee] von Jahn[heute Industrie-] bis Nonnenstraße. 1889-95 die Naumburgerstraße, etappenweise. 1892 die Lauchstädter Straße. 1893 die Gießerstraße. 1894 die Nonnenstraße zwischen Kanal u. Jahnstraße [Industriestr.]. 1899 die Klingen und Zollschuppenstraße.” 69 Für den Brückenbau und die Erweiterung des Gleisnetzes in Plagwitz und Lindenau sei hier auf das bereits mehrfach zitierte, detailreiche Kompendium Kochs zum Wirken der Westend-Baugesellschaft ”1888-1938. Leipziger Westend-Baugesellschaft” 70 verwiesen, das minutiös die einzelnen Vorhaben der Gesellschaft mit genauen Namen, Zahlen und Fakten aufführt. Trotz einiger Rückschläge war die Gesellschaft sehr darum bemüht, den Kanalbau weiter voran zu treiben beziehungsweise zum Abschluss zu bringen. Nach Heines Tod wurden bis in die späten 1930er Jahre drei Anläufe gestartet, um dieses Projekt zur Vollendung zu bringen. Sie waren allesamt nicht von endgültigem Erfolg gekrönt. So konnte zwar im Jahr 1920 ein Staatliches Kanalbauamt in Leipzig eingerichtet werden, aber bereits 1924 wurde es wieder aufgegeben. Auch die Wiedereröffnung 1927 brachte nur für drei Jahre ein Weiterwirken an diesem Projekt zustande. Erst 1933 wurde das Vorhaben in größerem Umfang aufgegriffen und teilweise in die Tat umgesetzt. In Fortsetzung des Kanals wurde in Lindenau ein Hafen angelegt und bebaut, und der weitere Verlauf des Kanals kam erheblich voran. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges setzte allerdings den vorläufig endgültigen Schlussstrich unter diese Bemühungen.71 Die Gesellschaft setzte aber nicht nur die wirtschaftlichen Unternehmungen Heines fort, sondern war ebenso dazu angetreten, die von Heine ins Leben 69 Koch; S.33f. T. Koch: ”1888-1938. Leipziger Westendbaugesellschaft” ; Leipzig 1938. 71 Vgl. dazu auch Abschnitt II.4.4. zur Entwicklung der Infrastruktur! 70 55 gerufenen karitativen Einrichtungen weiter zu betreiben und auszubauen. Die ”Arbeiterhäuser” mit Werkswohnungen beziehungsweise Unterkünften und Versorgung für Pensionäre, Witwen und Waisen aus den Heineschen Betrieben wurden gepflegt, weiter betrieben und ausgebaut. ”1895 wurde ein Fonds mit der Bezeichnung ”Spezialfonds” errichtet und jährlich bis 1923 durch neue Zuweisungen erhöht, aus dessen Zinsen zusätzliche und laufende Unterstützungen an alte, kranke oder erwerbsunfähige ehemalige Arbeiter und Angestellte des Betriebes gezahlt wurden.” 72 Neben den allgemeinen Versicherungen wurden für Beschäftigte an ”Gefahrenstellen” des Betriebes zusätzliche Versicherungen von Seiten des Betriebes abgeschlossen und nach dem Ersten Weltkrieg wurden alle heimkehrenden ehemaligen Betriebsangehörigen wieder in den Betrieb integriert. Die Westend-Baugesellschaft übernahm im karitativen Bereich, neben den gesetzlichen Schutz- und Versicherungsleistungen, ein von Heine in der frühen Industrialisierungsphase eingeführtes, humanistisch geprägtes, frühkapitalistisch-patriarchalisches Vorbild und führte es als zusätzliche Absicherung der Betriebsangehörigen weiter. II.3.4. Refugium auf der Schleußiger Halbinsel – Die Villa Heine Zwischen dem Lauf der Rödel und der Elster, malerisch auf der sogenannten Schleußiger Halbinsel situiert, steht heute noch die 1874 fertiggestellte Villa Karl Heines. (Abb.64) Lediglich der Begriff ”Halbinsel” erklärt sich heutigentags nur noch aus der Geschichte, denn mit dem Bau der Elster- und Pleißeflutbecken wurde der Lauf der Rödel verfüllt, und so fehlt inzwischen ein entscheidendes Element des malerischen Eindrucks von einst. Nichtsdestotrotz bilden der Lauf der Weißen Elster und die Eisenkonstruktion der Könneritzbrücke noch heute einen pittoresken Rahmen für dieses im Stil der italienischen Renaissance errichtete herrschaftliche Gebäude. 1860 war Heine nach Plagwitz in seine Villa auf dem Gelände der Landwirtschaftlichen Ökonomie an der Zschocherschen Straße gezogen. Bis 72 Koch; S.49. 56 zu diesem Zeitpunkt hatte er in der Poniatowskistraße in der inneren Westvorstadt, in dem von ihm selbst gebauten sogenannten Hufeisen73 gewohnt. Seit 1874 lebte Heine nun an diesem beschaulichen Ort, auch wenn sein Leben in weniger beschaulichen Bahnen verlief. Die nun folgenden Jahre zählten zu den erfolgreichsten seines Lebens. Allerdings forderte sein unermüdlicher Einsatz einen hohen Preis: Heines physische Beschwerden vermehrten sich im letzten Lebensjahr zusehends. Er starb 1888 in seinem Palazzo auf der Halbinsel. Nach seinem Tode wohnte zunächst weiterhin seine Familie in diesem Haus. In der Folgezeit hat es jedoch eine ausgesprochen vielfältige Nutzung erfahren. Zu DDR-Zeiten war hier ein Kinderheim untergebracht, das nach der Wende allerdings bald ausziehen musste. Lange Zeit stand die Villa leer. Diese Periode war von verheerenden Auswirkungen auf die Bausubstanz geprägt. Seit Sommer 1999 hat Heines Villa endlich wieder einen neuen Besitzer, der das Gebäude restaurieren lässt. Die Arbeiten konnten jedoch immer noch nicht [Frühjahr 2002] abgeschlossen werden. (Abb.65) Im Stadtteil Plagwitz, dem Kerngebiet Heinescher Aktivitäten, erinnern neben diesem illustren Bauwerk noch heute einige Straßen-, Platz-, Flussund Brückennamen, wie die Karl-Heine-Straße, der Karl-Heine-Platz, die Erdmannstraße, der Karl-Heine-Kanal oder die Karl-Heine-Brücke an den ”Erbauer des Leipziger Westens.” 74 II.4. Die Entwicklung der Infrastruktur Heine erkannte sehr schnell, dass eine Erschließung des sumpfigen Geländes um Plagwitz herum nur dann Erfolg und Gewinn versprechen würde, wenn seine Trockenlegungsmaßnahmen auch von einem forcierten Ausbau im infrastrukturellen Bereich begleitet werden würden. Dazu gehörten neben zahlreichen Entwässerungsschleusen das Anlegen von Straßen und Brücken. Aber Heine ging noch einige Schritte weiter. Er band in dieses Programm auch den Bau eines Kanals und – damals besonders aufsehenerregend – die 73 74 Goetz; S.6. ”Verschwundene Denkmale” ; S.55 und ”Lexikon Leipziger Straßennamen” , S.56, 63f., 84, 117 und 190. 57 Schaffung eines flächendeckenden Industriegleisnetzes in seine Pläne ein. Er sorgte dafür, dass auch die öffentlichen Verkehrsmittel ”sein” Plagwitz mit Leipzig verbanden. Dieses umfangreiche und wohldurchdachte Programm ließ Industrielle aus aller Welt aufhorchen und führte dazu, dass es hier neben der Ansiedlung von Leipziger Unternehmen auch zu Niederlassungen von Firmen aus ganz Deutschland, Europa und sogar Amerika kam. II.4.1. Trockenlegungen und Flussbegradigungen ”‘In der großen Seestadt Leipzig...’ So beginnt ein altes Scherzlied, welches ohne Zweifel die ausgedehnten Sümpfe verherrlicht, mittels derer es einst ... gelungen war, hier Osten und Westen unnahbar zu trennen.” 75 Mit ”Westen” sind die westlichen Vororte Leipzigs gemeint, die bis zur Flussregulierung der Pleiße und der Elster in der Mitte des 19. Jahrhunderts, regelmäßig von der Stadt abgeschnitten waren. Lediglich im Norden der Stadt gab es im Bereich der heutigen Jahnallee eine Verbindung zwischen Lindenau und Leipzig, die ”Frankfurter Wiesen”, die das ganze Jahr über passierbar war. Zwangsläufig musste irgendwann die Frage nach direkten Verbindungen zur Stadt sowie nach Trockenlegung und Begradigung der den Auenwald durchfließenden Flüsse aufgeworfen werden. (Abb.66) Für Karl Heine war dieser Bereich kein Neuland, als er 1854 begann, Plagwitzer Gelände zu erwerben. Im Bereich der Trockenlegung von Gelände konnte er bereits auf einige Erfahrung zurückblicken. Er hatte im Bereich der Westvorstadt durch das Aufschütten von Fremdmaterial auf sumpfige Wiesen und Lachen, die Einbringung von Entwässerungsschleusen in den feuchten Boden und den Bau eines Kanals unter dem Bett der Elster hindurch bereits circa 350 000 m2 für die Bebauung vorbereitet. Mit dieser Unternehmung und der damit verbundenen enormen Wertsteigerung des Geländes war er in den Besitz eines ansehnlichen Vermögens gelangt, das er jedoch gleich in neue Unternehmungen investierte. In Plagwitz begann er nun, die durch Hochwasser gefährdeten Bereiche mit dem Aushubmaterial des Kanals aufzuschütten und insgesamt annähernd ”... 75 Hoffmann: ”Leipzigs Wasserpionier...” ; o.S. 58 9 000 laufende Meter Schleußen...” 76 zur Entwässerung zu legen. Außerdem ließ er unter der Plagwitzer Brücke einen ” ... eisernen Ducker” 77 zur Regulierung des durchfließenden Wassers einbauen. Aber seine Pläne sahen viel größere Maßnahmen vor. In mehreren Eingaben an den Rat der Stadt Leipzig bat Heine Anfang der 1860er Jahre um die Genehmigung, den Lauf der Elster und der Pleiße durch in aufgeschüttete Dämme gefasste Flutbecken und den Bau von Teilungswehren regulieren zu dürfen. Als Gegenleistung forderte er von der Stadt die unumschränkte Abtretung der Nutzungsrechte der an den Wehranlagen gewonnenen Energie. Die Stadt holte sich im Oktober 1863 Rat beim ”königlichen Commissar für die Regulierung der Elster I. Strecke” 78, einem Herrn Oberingenieur Dr. Künzel, in Dresden. Dieser antwortete nicht einmal einen Monat später, dass die Pläne Heines nicht weitgreifend genug seien und vor allem dessen private Interessen berücksichtigten. In diesem Schreiben schlug er der Stadt auch gleich ein Konzept für die entsprechend notwendigen umfangreicheren Maßnahmen vor. Allerdings machte er am Ende noch folgende Einlassung: ”... dass es aber in jeder Beziehung rathsam und wünschenswert genannt werden muss, den Theil des mittleren Sectionsplanes, welcher die Endziele des Doctor Heine’schen Projectes erreichen lässt, ohne andere Interessen zu verletzen, vorgreifend und unverweilt zur Ausführung zu bringen.” 79 Natürlich war es Karl Heine, den man ins Auge fasste, um dieses Projekt zur ”unverweilten” Ausführung zu bringen. Partiell konnte er also auch in diesem Bereich mit Hilfe des Eingreifens Dresdens seine Pläne – gegen die Vorbehalte des Stadtrates – umsetzen. Es mag am Umfang seiner hochgreifenden Plänen liegen, dass es Karl Heine auch im Bereich der Flussbegradigung und Hochwasserregulierung nicht vergönnt war, die vollständige Verwirklichung seiner Ideen mitzuerleben. Das sollte den nachfolgenden Generationen vorbehalten bleiben. (Abb.67) 76 Goetz; S.5. Ebd. 78 Dr. Carl Heine: ”7 Briefe den Kanalbau betreffend 1855-1863” ; masch. Abschrift in einer Sammelmappe im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig (Signatur: I O 464 b); 5.Brief; S.1. 79 A.a.O.; 7. Brief, S.3. 77 59 II.4.2. Die Straßen ”Die ehemalige Dorfstraße in Plagwitz, ... , ist heute noch in der Alten Straße vorhanden. An dieser stehen auch noch einige alten Bauernhäuser, darunter die bekannte Gastwirtschaft ”Zum Gosenschlößchen”.” 80 Plagwitz, als historisch gewachsenes Gassendorf, gruppierte sich bis zu Heines Engagement ausschließlich um diese Straße. Die typische Struktur lässt sich heute noch hervorragend anhand alter Pläne belegen. (Abb.68) Neben der Trockenlegung waren die Straßen als herkömmliches Wegenetz zunächst das drängendste Anliegen des Heineschen Erschließungsgedankens. Die wichtigste Straße, die Karl Heine dabei anlegen ließ, war die bereits erwähnte direkte Verbindung zwischen Plagwitz und Leipzig durch das Ratsholz.81 Der durchgängige Verlauf der Plagwitzer Straße – im Verlauf der heutigen Käthe-Kollwitz-Straße von Leipzig aus in Richtung Plagwitz – und der damaligen Leipziger Allee – im Verlauf der heutigen Karl-Heine-Straße von Plagwitz in Richtung Leipzig – wurde durch den Lauf der Elster und den dichten Wald des Ratsholzes verhindert. Da Heine beim Leipziger Rat mit seinem Vorhaben einer direkten Verbindung auf strikte Ablehnung stieß, ließ er 1858 kurzerhand und unerlaubterweise eine Holzbrücke über die Elster bauen und durch seine Arbeiter die ”störenden” Bäume entlang des ” Ritterspürchens” fällen, wobei ihn das verhängte Bußgeld wenig störte, da sein Vorhaben von Erfolg gekrönt war und der ”verbotene” Weg rasche und extensive Nutzung fand. (Abb.36) ”Da kam Heine als Pionier mit seinen Leuten und schlug kühn den Weg, durch den Wald – nur seinen Leuten streng befehlend nichts von dem Holz zu nehmen. So brachte es der energische Mann ... zu der Fahrverbindung...” 82 1885 wurde die damalige Kanalstraße – die spätere Elisabethallee und heutige Erich-Zeigner-Allee – zusammen mit der damaligen Kanalbrücke – der heutigen Elisabeth-Brücke – gebaut.83 Nach dem Tod Karl Heines 1888 übernahm die durch ihn gegründete Leipziger Westend-Baugesellschaft die 80 Koch; S.16. Vgl. auch S.47 und 58 dieser Arbeit! 82 Goetz; S.7. 83 Koch; S.15. Zu Straßen- und Brückenbezeichnungen vgl. jeweils: „ Lexikon Leipziger Straßennamen“ ; Hrsg. Stadtarchiv Leipzig; Leipzig 1995. 81 60 Aufgabe, seine noch nicht verwirklichten Pläne in die Tat umzusetzen: ”Zur Aufschließung der von Dr. Carl Heine übernommenen Grundstücke für die Bebauung bzw. Vorbereitung zum Verkauf als Bauland wurden ... im Laufe der Jahre die geplanten Straßen nach Ratsvorschrift fertiggestellt, dem Verkehr übergeben und vom Rat der Stadt unentgeltlich übernommen.” 84 Die Straßen in Plagwitz bilden heute ein altvertrautes und darum beinahe unbemerkt als selbstverständlich verbuchtes infrastrukturelles Element der Erschließung dieses Quartiers. Doch auch sie waren damals ein wichtiger Baustein bei der Vorbereitung des Areals auf seine nachfolgende, historisch so bedeutsame Industrialisierung. (Abb.69) Sie geben durch ihre Namen noch heute Auskunft über den ursprünglichen Charakter des Viertels und seine ersten Nutzungen, so zum Beispiel die Ziegeleistraße, die Gleisstraße oder die Gießerstraße. (Abb.63) II.4.3 Das Gleissystem, die Bahnhöfe und Verladestationen Einer der wichtigsten Standortfaktoren für die Entwicklung der Großindustrie in Leipzig war die hervorragende Anbindung an das neue Verkehrsmittel ”Eisenbahn”. 85 Dies erkennend, engagierte sich Karl Heine zunächst in den 1850er und 1860er Jahren für einen Kanalbau, der Plagwitz, streckenweise auch die natürlichen Flussläufe der Stadt nutzend, mit dem Mitte der 1840er Jahre neu erbauten Bayrischen Bahnhof verbinden sollte, um Bahn- und Wasserwege gleichermaßen zu nutzen. Später führte diese Erkenntnis bei Karl Heine dazu, dass er sich im Stadtrat dafür einsetzte, dass der 1873 eingeweihte Plagwitz-Lindenauer Bahnhof im Westen der Stadt als Haltestelle auf der Strecke Zeitz-Leipzig Anschluss an das Fernbahnnetz erhielt. (Abb.43) 1871 war der erste Spatenstich für eine Bahnlinie vom preußischen Zeitz in Richtung Plagwitz erfolgt. Bereits anderthalb Jahre später fuhr am 08. März 1873 die erste Lokomotive auf dem Plagwitzer Bahnhof ein. Im Anschluss an diesen Bahnhof entstand in Plagwitz, wie bereits erwähnt, der erste Industriebahnhof Europas.86 Schon 84 Koch; S.30f. A.a.o.; S.144. 86 ”Im Leipziger Elsterland” , S.51f. 85 61 im Jahr der Bahnhofseinweihung begann Heine, auf eigene Kosten ein Netz von Gleisen anzulegen, das die Verbindung vom neuen Bahnhof zu den einzelnen Grundstücken und Fabriken herstellte. (Abb.38) Die Heineschen Gleise wurden zwischen parallel liegenden Straßen so verlegt, dass sie jeweils die Rückseite der Fabrikgrundstücke berührten, mit Abzweigungen auf die Fabrikgelände führten oder sogar in manchen Fällen bis in die Fabrikhallen hinein reichten. ”Die Idee der direkten Gleisverbindung nach der Fabrik war dabei völlig neu...” 87 Heines umfangreiche und flächendeckende Planungen sahen dabei vor, dass ausgehend vom Plagwitzer Güterbahnhof jedes Industriegrundstück einen eigenen Gleisanschluss erhielt. Für diejenigen Grundstückseigner, bei denen das nicht möglich war, wurden von ihm vier öffentliche Verladestationen gebaut. Zwei davon lagen in Lindenau: die Verladestation III befand sich an der heutigen Endersstraße kurz vor der Gutsmuthstraße, Nummer IV in der Schomburgkstraße an der Ecke zur Merseburger Straße. Die beiden anderen lagen auf Plagwitzer Grund: Ladestelle I befand sich in der Industriestraße 72 – zumindest ihre bauliche Hülle ist im neu entstandenen Stadtteilpark als ”Denkmal” erhalten – und Ladestelle II lag in der Gleisstraße etwa auf Höhe der Ecke zur Erdmannstraße.88 Durch diese Anbindung an das Verkehrsmittel Bahn konnte der Standort Plagwitz auch rohstoffunabhängig entwickelt werden, denn sämtliche für die Produktion benötigten Rohstoffe und Energieträger konnten per Bahn bis an die Fertigungshallen der Unternehmen herangefahren werden. Der Abtransport der hergestellten Güter gestaltete sich ebenfalls ohne das Umladen auf dem Bahnhof entsprechend kostengünstig. ”Heine legte die großen Gleisanlagen in genialer Weise an, ... und schuf daher für Industrieanlagen durch die Möglichkeit direkten Transportes von Kohlen und Materialien ohne Umladung bis in die Fabrik die günstigsten Bedingungen für einen billigen Betrieb.” 89 Schon ein Jahr nachdem der erste Zug auf dem Plagwitzer Bahnhof eingefahren war, hatten die Industriegleisanschlüsse eine Länge von insgesamt 1.900 Metern und ermöglichten 37 Fabriken den direkten 87 Koch; S.19. Heinz Voigt: ”Aus der Plagwitzer Eisenbahngeschichte” ; in: PLAGWITZer; Nr. 18; Leipzig 1995; S.1. 89 Goetz; S.10. 88 62 Gleisanschluss. Als Heine das Gleisnetz Mitte der 1880er Jahre an die Sächsische Staatsbahn verkauft hatte, wurde es auf 130 Gleise erweitert und ließ den Plagwitzer Bahnhof dem Güterumschlag nach zu einem der größten Bahnhöfe Deutschlands werden. Nach dem Ankauf am 1. April 1886 begann die Sächsische Bahn sofort mit dem Bau einer direkten Verbindung nach Leipzig, so dass noch im selben Jahr nicht mehr der Umweg über preußisches Gebiet genommen werden musste. Außerdem wurden von nun an Lokomotiven für den Fahrbetrieb auf den Firmengleisen eingesetzt. Karl Heine hatte diesen Verkehr bis zum Verkauf der Anlagen durch Pferde abwickeln lassen. II.4.4. Der Elster-Saale-Kanal Der Lauf der Weißen Elster ist nur bis Leipzig schiffbar. Aus diesem Grund soll es bereits seit dem späten 13. Jahrhundert Pläne gegeben haben, die Stadt Leipzig durch artifizielle Anbindung an andere, in der Nähe befindliche, schiffbaren Flüssen für den Transportweg Wasser zu erschließen. Die Quellen zu diesen frühen Plänen gelten jedoch als ”...wenig gesichert” .90 Der 1587 fertiggestellte Floßgraben stellt gleichwohl einen ersten praktischen Ansatz in dieser Richtung dar. Im Jahr 1610 wurde dann sogar ein schon seit längerer Zeit geforderter Stichkanal fertiggestellt, der die erste künstliche Wasserverbindung von Leipzig zur Saale darstellte. Schon wenige Jahrzehnte später wurden die ersten Pläne des Kaufmanns Heinrich Kramer zu einer direkten Verbindung Leipzigs mit der Elbe bekannt, und am Ende des 17. Jahrhunderts gab der sächsische Kurfürst Friedrich August III. die Planung einer Leipziger Kanalverbindung in zwei Richtungen – nach Westen zur schiffbar gemachten Unstrut und Saale sowie nach Osten in Richtung Torgau zur Elbe – in Auftrag. Die napoleonischen Kriege und die Teilung Sachsens nach dem Wiener Kongress 1815 machten diese Pläne jedoch endgültig hinfällig, da es sich von Stund an um ein länderübergreifendes Projekt handelte, was wiederum zusätzliche Probleme aufwarf.91 Erst im 19. Jahrhundert wurde der fehlende Wasserstraßenanschluss als wirkliches Manko empfunden, und man versprach sich von der 90 91 Mai: „ Leipzigs Drang zum Meer“ ; S.83. A.a.O.; S.83ff. 63 Wiederaufnahme des Kanalprojektes einen spürbaren Aufschwung für Handel und Industrie. Die ersten praktischen Schritte in diese Richtung sind auch hier dem Wirken Karl Heines zu danken. Dabei war das Kanalprojekt zunächst aus einem ganz anderen Beweggrund entstanden. Das Elster-SaaleKanalprojekt Heines begann 1856 nicht ausschließlich als Projekt einer künstlichen, schiffbaren Wasserstraße zur Verbindung zweier Flüsse und der Einrichtung eines neuen und billigen Transportweges. Der Kanalbau im Westen der Stadt Leipzig bediente noch ein zweites Anliegen: ”Um das zu den Straßenauffüllungen nötige gewaltige Material zu bekommen, erwarb der weitblickende Mann von 1854 ab nach und nach alle Plagwitzer Güter und begann 1856 die Ausschachtung früher zuerst von der Luppe aus die Carl-Heine-Straße (damals Leipziger Allee) mit einer Schleuße durchschneidenden Canals. So schuf er zugleich eine Wasserstraße nach Leipzig bis zur Pleiße, auf der er die Millionen von Cubikmetern Material zum Auffüllen all der Straßen, die er anlegte ... herbeischaffte.” 92 (Abb.70) Allein circa 1 Million Kubikmeter Ausfüllmaterial nutzte Heine für sein eigenes Projekt bei der Aufschüttung der Weststraße und noch einmal circa 1 Million Kubikmeter Füllmaterial für die Waldstraße, durch den Rat der Stadt 1856 erschlossen und finanziert.93 Das Material des Kanalaushubs wurde aus diesem Grund – wie bereits erwähnt – im Volksmund bald nur noch als ” Heinescher Knack” bezeichnet.94 Und obwohl die Gewinnung von Auffüllmaterial ein wesentlicher Beweggrund Heines gewesen war, trug der durch ihn initiierte Bau des Elster-Saale-Kanals zu einer optimalen Infrastruktur des Quartiers im Bereich Verkehr bei.95 ”Jedoch musste sich Heine 1887 eingestehen, daß er die Kosten für einen Kanalausbau im großen Stil nicht allein tragen konnte. Er übertrug sein restliches Vermögen, die Grundstücke und die Kanalanlagen an die von ihm gegründete Leipziger Westendbaugesellschaft.” 96 Zeitgleich zu Heines Aktivitäten hatte man sich von Seiten der Stadt zahlreiche Gedanken zur Weiterführung des Kanalprojektes gemacht. Es gab dabei zwei Schwierigkeiten: die eine bestand nach wie vor in der 92 Goetz; S.6. A.a.O.; S.5. 94 Vgl. dazu auch S. 57 dieser Arbeit! 95 Heine: ”7 Briefe...“; 1. Brief, S.9. 96 Mai; S.83. 93 64 Notwendigkeit, eine Genehmigung des Königreichs Preußen oder aber des Herzogtums Anhalt für das Bauprojekt auf deren Grund zu erhalten, und die andere war eine gewisse Uneinigkeit in den eigenen Reihen, denn in Leipzig existierte neben dem ” Elster-Saale-Verein” seit 1912 auch ein ”Kanalverein Leipzig-Berlin” , der einen Anschluss des projektierten Kanals an den Dessauer Wallwitzhafen vorsah. Die beiden Projekte, die schon ab den 1870er Jahren existierten, hatten zahlreiche und durchaus potente Befürworter, so dass es zu keiner Bündelung der Kräfte kommen konnte. Ganz im Gegenteil wurde, auf Grund der Schwierigkeiten eine Einverständniserklärung Preußens beziehungsweise Anhalts zu erhalten, eine dritte Variante entwickelt, die einen Kanalbau ausschließlich in Sachsen vorsah: ”Die einzige geplante Kanalstrecke innerhalb Sachsens von Leipzig nach Riesa hätte im Vergleich zu den anderen Projekten sehr hohe Kosten erfordert und überdies den Nachteil viel längerer Fahrzeiten bedeutet.” 97 Nachdem es 1893 eine endgültige Entscheidung Preußens gegen die direkte Verbindung zur Elbe gegeben hatte, konzentrierte man sich nun allein auf die Verbindung zur Saale. Nach zahlreichen Verträgen und gesetzlichen Festschreibungen, nach noch zahlreicheren Problemen und Schwierigkeiten kam es jedoch erst 1937 zu einer endgültigen Genehmigung des Projektes durch das Reichsverkehrsministerium. Im darauffolgenden Jahr erfolgte der erste Spatenstich am Hafen durch den damaligen Oberbürgermeister Walter Dönicke. Doch nun gab es ein fundamentales historisches Ereignis, das der Vollendung des Projektes entgegenstand. Der Zweite Weltkrieg mit seinem Material- und Arbeitskräftemangel führte 1942 zur Einstellung der Arbeiten am Kanal und an der Saale, 1943 zum Abbruch der Arbeiten am Leipziger Hafen und an der Schleusentreppe bei Wüsteneutzsch. (Abb.en 72 und 73) Nach dem Krieg hat es mehrere Anläufe gegeben, das Kanalprojekt erneut aufzugreifen. Vor allem der damalige Bürgermeister Leipzigs, Erich Zeigner, machte sich dafür stark: ”Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland nahm jedoch gegenüber den Leipziger Plänen eine ablehnende Haltung ein, ... Am 24. Januar 1949 teilte der Präsident der Deutschen Wirtschaftskommission, Heinrich Rau, Zeigner mit, daß keine Möglichkeit bestünde, die Fertigstellung des Kanals in Angriff zu nehmen.” 98 97 98 Mai; S.85. A.a.O.; S.87. 65 Der Traum vom Hafen und der ”Seestadt Leipzig” jedoch blieb erhalten, denn auch nach der Mitte der 1960er Jahre vom DDR-Verkehrsministerium erteilten Weisung, alle Vorbehaltsflächen für Kanal und Hafen aus den Flächennutzungsplänen zu streichen und vorbehaltlos zu veräußern beziehungsweise anders zu nutzen, erfolgten weiterhin Flächenfreihaltungen in Leipzig. Seit 1999 gibt es in Leipzig einen ”Förderverein für den Durchstich des Karl-Heine-Kanals an den Elster-Saale-Kanal” . Ziel dieses Vereins ist die Anbindung von Leipzig an das europäische Wasserstraßennetz in drei Schritten. Zunächst soll die Verbindung des Karl-Heine-Kanals an das Hafenbecken (circa 250 Meter) hergestellt werden. Danach will man das Hafenbecken mit dem Elster-Saale-Kanal verbinden (circa 50 Meter). Als letzten Schritt hat der Verein den Anschluss des Elster-Saale-Kanals an die Saale vorgesehen, wozu noch etwa 2 bis 3 Kilometer Kanal fertiggestellt werden müssten. Für das Jahr 2005 wurde jedenfalls schon die erste Sportbootsdurchfahrt zur Saale angekündigt. (Abb.74) II.4.5. Die Brücken Insgesamt ließ Karl Heine allein in Plagwitz 14 Brücken bauen (Abb.63). Die Kosten für den Brückenbau waren jedoch erheblich und standen für Karl Heine nicht immer in einem günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die erste und wichtigste Brücke, die Karl Heine errichten ließ, war die bereits erwähnte, 1858 angelegte Holzbrücke an Stelle der heutigen Plagwitzer Brücke. (Abb.59) Sie verband Plagwitz über den Lauf der heutigen Käthe-Kollwitz-Straße zum ersten Mal direkt mit Leipzig, auch wenn der Stadtrat damals das sogenannte ” Ritterspürchen” noch nicht offiziell für den öffentlichen Verkehr freigegeben hatte. 99 1869 wurde sie durch den Bau der heutigen steinernen Plagwitzer Brücke ersetzt (Abb.75) und ihr abgebautes Konstruktionsmaterial nur ein Jahr später, 1870, im Bereich der heutigen Könneritzbrücke, wieder aufgebaut. Endgültig verschwand sie 1898, als die nach dem in Paris geborenen Freiherrn LéonceRobert von Könneritz benannte, heute noch existierende Brücke errichtet wurde. Damals ersetzte man die inzwischen nicht mehr den Ansprüchen 99 Goetz; S.7. 66 genügende ”alte” Holzbrücke durch eine damals hochmoderne Eisenkonstruktion, die fortan die Plagwitzer Ernst-Mey-Straße mit der Schleußiger Könneritzstraße verband.100 Die Könneritzbrücke steht heute als technisches Denkmal unter Schutz und bildet mit ihrer auffälligen Fachwerkträger- und Bogenkonstruktion aus genieteten Eisenträgern ein außergewöhnlich markantes Bild. (Abb.76) Im Jahr nach der ersten hölzernen Plagwitzer Brücke baute Heine eine andere wichtige Brücke zunächst ebenfalls aus Holz. Dabei handelte es sich um die einige Jahre später als neunbogige Steinbrücke ausgeführte KönigJohann-Brücke (Abb.77), zu deren Einweihung der sächsische König anreiste: ”Bereits 1862 konnte in Anwesenheit von König Johann die Brücke über die Zschochersche Straße dem Verkehr übergeben werden.” 101 Aber nicht nur zu dieser Brückeneinweihung war ein namensgebende rsächsische König anwesend. 1875 weilte König Albert in Leipzig, um beim feierlichen Einweihungsakt der nach ihm benannten Brücke (Abb.78) im Verlauf der heutigen Karl-Heine-Straße dabeizusein, und zehn Jahre später kam Prinz Friedrich August, um selbiges bei der nach ihm benannten Brücke an der Lindenauer Engertstraße zu tun. Insgesamt wurden für den ungehinderten Straßenverkehrsfluss allein über den Lauf des Kanals in Plagwitz zwölf Brücken notwendig: ”1898 wurde die letzte der zwölf Brücken über den Kanal, und zwar die steinerne Prinzessin-Luisen-Brücke im Zuge der Lützener Straße...” 102 ”... durch die Westendbaugesellschaft errichtet, die den Kanalbau seit dem Tod Karl Heines fortgesetzt hatte.” 103 Viele der damals errichteten Brücken können wir noch heute in ihrem ursprünglichen Zustand vorfinden. Einige Sanierungsmaßnahmen waren in den vergangenen Jahren jedoch auch in diesem Bereich nötig geworden. So bietet die König-Johann-Brücke seit Beginn 1999 einen veränderten Anblick. (Abb.79) Die ursprünglich neunbogige Brücke wurde in einem sehr aufwendigen Verfahren saniert und präsentiert sich heute als dreibogige, mit Hausteinen aus verschiedenen Natursteinmaterialien und rotem Klinker 100 Speziell dieser Brücke widmet sich der Artikel: ”Hommage an eine Hundertjährige” in: „ Leipziger Blätter“ ; 32/1998; S.56. 101 Mai; S.83. 102 Koch; S.28. 103 Mai; S.83. 67 verkleidete Betonbrücke. Trotz dieses völlig veränderten Äußeren – die Brücke hatte vor der Sanierung nicht nur sechs Bögen mehr, sondern war eine komplett verputzte, massiv gemauerte Brücke gewesen – wurde der Grundcharakter der Brücke bewahrt. Auch vor den Sanierungsarbeiten gab es drei Durchgänge unter der Brücke: einen in der Mitte für den Lauf des Kanals, einen für den 1994 eingeweihten Fuß- und Radweg und auf der gegenüberliegenden Uferseite eine Gleisdurchfahrt, die bereits seit den 1870er Jahren existierte und die etwas weiter abgelegenen Firmen, wie etwa Tittel & Krüger, mit dem Güterverkehrsnetz der Eisenbahn verband. Einige der heute vorhandenen Plagwitzer Brücken sind erst in den vergangenen Jahren entstanden. Zu ihnen gehört auch der Karl-Heine-Bogen im Bereich des entstandenen Stadtteilpark an der Industriestraße. (Abb.80) II.4.6. Die öffentlichen Verkehrsmittel – Straßenbahn, Dampfer und Stadtbahn Ein wichtiges Kriterium für die weitere Entwicklungsfähigkeit des prosperierenden Ortes war seine gute Anbindung an die nahegelegene Stadt Leipzig und die anderen wichtigen Industriezentren und Vororte. Dabei ging es nicht nur um günstige Transportmittel für die Industrie und ihre Güter, sondern auch für die Industriearbeiter, die zur Arbeit und wieder nach Hause kommen mussten. Denn obwohl Plagwitz von Beginn an als Wohn- und Industrie-Mischgebiet geplant und entstanden war, bot es nicht für alle Beschäftigten genügend Platz. Darum musste baldmöglichst eine rasche und günstige Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln geschaffen werden. Auch in diesem Bereich war Karl Heine einer der ersten Initiatoren: ”Ebenso vermittelte er die Omnibusverbindung, 1872 die Pferdebahn, nach Leipzig. Seit 1861 war Dr. Heine Mitbegründer und Vorsitzender der ehemaligen Omnibusgesellschaft, die mit 72 Pferden und 26 gelben Wagen den Betrieb führte. Die Wagen fuhren auch nach Zwenkau, Markranstädt, Lützen, Merseburg, Delitzsch, Schkeuditz und Liebertwolkwitz.” 104 104 Koch; S.18f. 68 Bereits ein Jahr zuvor, am 23. Juli 1860, hatte der Unternehmer Heuer einen Pferdeomnibusbetrieb eröffnet, der vom Naschmarkt in der Innenstadt sowohl nach Plagwitz im Westen als auch nach Reudnitz im Osten fuhr. Auf dieser zweiten Strecke passierte er das Grafische Viertel, so dass als erstes die Vororte Leipzigs, die in jener Zeit als wichtigste Industriezentren entstanden waren, mit den Mitteln des öffentlichen Nahverkehrs bedient wurden. Wie in obigem Zitat bereits angedeutet, wurde dieses privat gegründete Unternehmen kurz darauf in die ”Leipziger OmnibusGesellschaft” umgewandelt. Doch in diesem neuen Unternehmen lief das Geschäft nicht gut genug, so dass es 1869 vollständig zum Erliegen kam. Kurze Zeit später, 1872, wurden die Pferdebahnen auf den beiden bereits genannten Strecken eingeführt. Die Strecke nach Plagwitz führte vom heutigen Augustusplatz in der Innenstadt über die Friedrich-Ebert-Straße und die Käthe-Kollwitz-Straße bis zum Felsenkeller an der Zschocherschen Straße. Sie war 4 137 Meter lang, eingleisig, und es wurden täglich 27 Fahrten durchgeführt. Am 27. April 1896 fuhr die erste ”Elektrische” in Leipzig. Auf der Strecke von Volkmarsdorf nach Plagwitz mit Endbahnhof Königlich Sächsische und Königlich Preußische Staatsbahn begann der elektrische Verkehr erst im Oktober desselben Jahres. Zu dieser Zeit entstand einige Verwirrung durch das Auftreten zweier konkurrierender Straßenbahnunternehmen – ”die Blaue” und ”die Rote” – so dass diverse Firmen sich genötigt sahen, auf ihrem Briefkopf jeweils beide Bahnen berücksichtigend Aussagen zu ihrer Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu machen. Da beide Bahnen laut Vertrag nur auf maximal 400 Metern eine gemeinsame Streckenführung haben durften, entstanden in der folgenden Jahren recht abenteuerliche und häufig parallel zueinander verlaufende Routen. Dieser Zustand endete erst, als im Jahr 1916 beide Unternehmen zusammengeführt wurden.105 In diese Zeit fällt auch der Bau der ”Außenbahn” genannten Stadtschnellbahn nach Plagwitz: ”Im Jahre 1891 wurden die Vororte Plagwitz Schleußig und Lindenau von der Stadt Leipzig einverleibt und 1896 elektrischer Straßenbahnbetrieb eingeführt, die Außenbahn 1913 bis Gundorf gebaut. Zum Bau der Außenbahn leistete die Leipziger Westend-Baugesellschaft einen namhaften Beitrag.” 106 105 106 Herrmann; S.38. A.a.O.; S.36. 69 Der in Plagwitz allgegenwärtige Karl Heine betrieb zwischen der Leipziger Innenstadt und Plagwitz an den Wochenenden einen Nahverkehrsbetrieb. Seit 1851 verkehrten seine Dampfer auf der Elster und dem immer weiter ausgebauten Kanal, um Leipziger Ausflügler von der eigens für diese ”Linie” eingerichtete Anlegestelle in der Thomasiusstraße Nr. 12 in der Stadt nach Plagwitz mit seinen beliebten Ausflugslokalen zu befördern. Im Oktober des Jahres 1862 schaffte Heine den ersten kleinen Schleppdampfer – den ” Columbus” – an und etwas später kam der größere, eigens für die Personenbeförderung ausgelegte Dampfer ”Neptun” hinzu.107 So kam es aufgrund der rasanten industriellen Entwicklung, der oben geschilderten Problematik der dringend notwendigen unkomplizierten „Arbeitskräftezuführung“ und dem entsprechend agilen Bemühen Karl Heines zu einer raschen Anbindung des Vorortes und späteren Stadtviertels Plagwitz an die Leipziger Innenstadt mittels öffentlicher Verkehrsmittel. II.5. Die Industrialisierung des Vorortes Plagwitz ”Besondere Würdigung bedarf die Tätigkeit eines Mannes, dem der ganze industriereiche Westen Leipzigs, insbesondere Plagwitz, seine Entwicklung verdankt. ... Dr. Carl Erdmann Heine ist der bedeutendste Förderer der Leipziger Industrie gewesen”. 108 Auch im Zusammenhang mit der Industrialisierung Plagwitz’ ist zuallererst Karl Heine zu nennen. Zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich, ganz ähnlich der im Abschnitt I.1.2. geschilderten Vielseitigkeit der Leipziger Industrie, auch in Plagwitz eine ausgesprochen vielfältige Fächerung der Industriezweige. Die deutlichen Schwerpunkte liegen hier jedoch auf der Textilindustrie und dem Maschinenbau. Das polygrafische Gewerbe nimmt keinen dominierenden Raum ein, wie das in Leipzig ansonsten allgemein der Fall war. Das ist jedoch vor allem eine historisch-chronologisch bedingte Standortfrage, denn schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts hatte sich südöstlich der Innenstadt das Grafische Viertel mit Verlagshäusern, Druckereien, Papierlagern, Buchbindereien und 107 108 Koch; S.17. A.a.O., S.150f. 70 dem Hauptsitz des Börsenvereins des deutschen Buchhandels herausgebildet. Nur wenige Firmen dieses Industriezweiges siedelten sich danach noch außerhalb des Grafischen Viertels an. Eine ganz bedeutende ließ sich dennoch in Plagwitz nieder: 1879 kamen die Brehmer Brothers mit ihrer Produktion von Faltschachtel- und Drahtheftmaschinen aus Philadelphia nach Plagwitz.109 Bis 1912 ” ... hat [das Unternehmen] ... als erstes und größtes der ganzen Welt in seinem Fabrikationszweig seinen Rang zu behaupten gewußt.” 110 (Abb.80) Außer dieser Maschinenbaufabrik aus dem polygrafischen Gewerbe gab es noch eine Zweigstelle Schriftgießereimaschinenfabrik von Schelter & Giesecke in Wachsmuthstraße in Plagwitz.111 der der Innerhalb des Maschinenbaus als Fabrikationszweig war die Vielseitigkeit in Plagwitz enorm. Neben Maschinen für die grafische Industrie gab es hier noch viele andere bedeutende Firmen ähnlicher Spezies: abgesehen von den Zulieferbetrieben des Maschinenbaus, wie beispielsweise den Gießereien wie Dambacher & Mügge112 (Abb.81) oder Meier & Weichelt113 (Abb.82) gab es verschiedene Blechverformungswerke, allen voran die Firmen Grohmann & Frosch und Ferdinand Kunad.114 Es gab außerdem einige Betriebe, die sich ganz der Herstellung von Maschinen verschiedenster Art verschrieben hatten. Eine davon war die Firma Unruh & Liebig (Abb.83), welche Handaufzüge und Kranausrüstungen aller Art fertigten.115 Eine andere Maschinenbauanstalt war die Firma Swiderski (Abb.84), wo man seit 1888 Dampfmaschinen herstellte.116 Darüber hinaus existierte noch die Firme Schumann & Koeppe, welche Elektromotoren und Industriearmaturen baute,117 das Pumpen- und Gebläsewerk Jäger & Co., welches Maschinen für die Berg- und Hüttenindustrie produzierte118 sowie für die Kerzengießerei das Kerzengießereimaschinenwerk Reinhold & Wünschmann119. Nicht zuletzt 109 Vgl. dazu den Abschnitt Brehmer im Katalogteil im Anhang dieser Arbeit! Juckenburg, S.32. 111 Herrmann; S.84ff.. 112 Vgl. dazu im Katalogteil den Abschnitt zu Dambacher & Mügge im Anhang dieser Arbeit! 113 Vgl. dazu im Katalogteil den Abschnitt zu Meier & Weichelt im Anhang dieser Arbeit! 114 Herrmann; S.78ff. 115 Vgl. dazu im Katalogteil den Abschnitt zu Unruh & Liebig im Anhang dieser Arbeit! 116 Vgl. dazu im Katalogteil den Abschnitt zu Swiderski im Anhang dieser Arbeit! 117 Herrmann; S.65ff. 118 Herrmann; S.65ff. 119 Juckenburg; S.43. 110 71 sei als Beispiel die Firma von Rudolph Sack (Abb.85) genannt. Er entwickelte Geräte zur Bodenbearbeitung, die er in seinem Werk bauen ließ, um sie hernach in alle Welt zu exportieren.120 Sack hatte, aus kleinsten Verhältnissen kommend, ”... ein Unternehmen geschaffen, welches in seiner Art nicht nur das größte in Deutschlands, sondern des ganzen Kontinents ist, ...!121 Andere metallverarbeitende Unternehmen, die für diese Untersuchung ausgewählt wurden, waren die Firma Törpsch (Abb.86), wo man hauptsächlich mit Eisen und Maschinen handelte, einige Produkte zum Teil aber auch selbst weiter verarbeitete122 und die Firma Weithas & Nachf. (Abb.87), welche sich im Laufe der Jahre auf Stahlbau beziehungsweise die Verwendung von Gusseisen und Stahl in der Architektur spezialisierte123. Die Textilindustrie war mit zwei großen Spinnereien beziehungsweise Färbereien in Plagwitz beheimatet. Auf der Grenze zum benachbarten Lindenau kommt noch ein weiterer Großbetrieb, die Sächsische Baumwollspinnerei, dazu. Von diesen beiden Plagwitzer Textilbetrieben wird der von Tittel & Krüger (Abb.88) innerhalb dieser Arbeit noch genauer untersucht werden.124 Heute stellt dieser Gebäudekomplex eines der größten innerstädtischen Industriedenkmale Deutschlands dar; damals war er die größte Wollgarnfabrik in Leipzig.125 Ähnlich stand es um die an der Zschocherschen Straße befindliche Kammgarnspinnerei Stöhr & Co A.-G. (Abb.89), welche der größte industrielle Betrieb Leipzigs überhaupt war.126 Im Bereich der Lebens- und Genussmittelindustrie haben sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Plagwitz zwei überaus wichtige Unternehmen angesiedelt: Zum einen die Großbäckerei der Konsum Genossenschaft Leipzig127 (Abb.90), welche damals ”...die größte [Leipzigs]...” 128 und ”... der zweitgrößte Bäckereibetrieb in Deutschland.” 129 war. Zum anderen ließ sich die Brauerei C. W. Naumann130 (Abb.91) an der 120 Vgl. dazu im Katalogteil den Abschnitt zu Rudolph Sack im Anhang dieser Arbeit! Juckenburg, S.33. 122 Vgl. dazu im Katalogteil den Abschnitt zu Törpsch im Anhang dieser Arbeit! 123 Vgl. dazu im Katalogteil den Abschnitt zu Weithas & Nachf. im Anhang dieser Arbeit! 124 Vgl. dazu im Katalogteil den Abschnitt zu Tittel & Krüger im Anhang dieser Arbeit! 125 Juckenburg, S.70f. 126 A.a.O., S.70. 127 Vgl. dazu im Katalogteil den Abschnitt zur Konsumbäckerei im Anhang dieser Arbeit; sowie Herrmann; S.71ff. 128 Juckenburg, S.90. 129 Herrmann; S.71. 130 A.a.O.; S.43ff. 121 72 Zschocherschen Straße in Plagwitz nieder. Sie war nach der Riebeck‘schen Brauerei in Reudnitz131 die zweitgrößte Leipzigs.132 Was sich in Plagwitz hingegen überhaupt nicht findet, sind Vertreter der für Leipzig so wichtigen Rauchwarenindustrie. Das mag auch damit zusammenhängen, dass sich eine Konzentration im benachbarten Lindenau herausgebildet hatte. Zwei weitere Betriebe, die Industriezweigen angehören, welche im vorigen Abschnitt keinerlei Beachtung fanden, die aber für diese Arbeit von einigem Interesse sind, waren zum einen die Seifenfabrikation von Kratzsch & Pozzi [auch Schlothof genannt]133 (Abb.92) sowie zum anderen die Gummiwarenfabrik Phil. Penin A.-G. (Abb.93) an der Nonnenstraße, welche ”Der bedeutendste Betrieb am Platze [Leipzig]...” 134 war. Überhaupt zeigt sich hier, dass die Gummiwarenindustrie ein recht wichtiger Industriezweig Leipzigs gewesen ist, denn: ”... mehr als 2/3 sämtlicher in diesem Industriezweig [in Sachsen] beschäftigten Personen entfallen auf Leipzig.” 135 Zum Abschluss sei nochmals auf die Firma Mey & Edlich (Abb.94) verwiesen, die schon am Ende des vorangegangen Kapitels Erwähnung fand136 und die einen der wichtigen Großbetriebe in Plagwitz darstellte. Diese Papierwäschefabrik mit angegliedertem Versandhandelsgeschäft, welches ”1903 ... den 1. Platz im Weltmaßstab ein[nahm].” 137, war neben Rudolph Sack, Tittel & Krüger, Phil. Penin und anderen einer der bedeutendsten Großbetriebe, die sich in den 1880er und 1890er Jahren in Plagwitz entwickeln konnten. Diese allgemeine Tendenz hin zu komplexen Großbetrieben, lässt sich innerhalb der gesamten Wirtschaftsentwicklung der damaligen Zeit in Leipzig, in Sachsen und auch in Deutschland gleichermaßen beobachten. In Plagwitz wurde sie durch die vorausschauende Planung und die tatkräftige Umsetzung dieser Pläne von Dr. Karl Heine in diesem Teil Leipzigs jedoch besonders begünstigt. 131 Vgl. dazu auch den vorangegangenen Kapitel der Arbeit. Juckenburg; S.96 133 Vgl. dazu im Katalogteil den Abschnitt zum Schlothof im Anhang dieser Arbeit! 134 Juckenburg; S.84. 135 Ebd. 136 Vgl. dazu im Katalogteil den Abschnitt zu Mey & Edlich im Anhang dieser Arbeit! 137 Herrmann; S.52. 132 73 III. Die Plagwitzer Industriearchitektur Abgesehen von der für Leipzig sonst so wichtigen grafischen Industrie, die sich vorwiegend im nach ihr benannten Grafischen Viertel ballte, finden sich in Plagwitz alle wichtigen Produktionszweige der Stadt auf engstem Raum vereint. Das ist nicht sehr verwunderlich, wenn man den Umstand berücksichtigt, dass im Jahr 1895 allein 30 % der gesamten Leipziger Produktion aus Plagwitz kamen.1 Beinahe ein Drittel des städtischen Industriepotentials war also damals auf engstem Raum in diesem kleinen Stadtteil konzentriert. Das ist auch einer der Gründe, warum dieses Viertel als außergewöhnlich gelten muss. Die im vorangegangenen Kapitel vorgestellte, weit entwickelte Infrastruktur des Quartiers und die daraus resultierenden städtebaulichen Lösungen haben zu dieser Besonderheit beigetragen. Besieht man hingegen die formale Umsetzung der Bauaufgabe im Bereich der Industriearchitektur genauer, stellt man schnell fest, dass die gestalterischen Lösungen, die in diesem Viertel umgesetzt wurden, als repräsentativ für ganz Leipzig betrachtet werden können. Eine ausgesprochen wichtige Rolle bei der Realisierung der Bauaufgabe im industriellen Bereich spielte die Repräsentation der Unternehmen. Die gewählten Ausdrucksmittel waren dabei zum Teil regionalen Gegebenheiten verbunden – so zum Beispiel die Wahl der Materialien – zum Teil handelte es sich um Zitatensammlungen aus der Geschichte der Architektur, wie es für die Baukunst des 19. Jahrhunderts in ganz Deutschland und darüber hinaus allgemein üblich war.2 Ein allmählicher Wandel dieser Stilelemente ist erst ab Ende des 19. Jahrhunderts zu beobachten. ”Auch unter einigen Industriellen war erkannt worden, daß die Formen des 19. Jahrhunderts der wirtschaftlichen und zivilisatorischen Bedeutung von Technik und Industrie in keiner Weise entsprachen. Sie suchten nach neuen, eigenständigen Ausdrucksmöglichkeiten, die dem erwachten Sendungsbewusstsein der Industrie entgegenkamen.”3 Diese Entwicklung hin zum funktionalen Bauen in der Industriearchitektur, die in Deutschland Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, spätestens aber seit der Gründung des Deutschen Werkbundes 1907 in München an 1 U.Herrmann und H. Bachmann: „Plagwitz. Aus der Geschichte des Vorortes und seiner Industrie“, Leipzig 1986; S.22. 2 Vgl. dazu auch vor allem die Abschnitte III.5., III.6. und III.7. dieses Kapitels! 3 Hermann Kreidt: „Die baulichen Anlagen der Berliner Industrie seit 1895“; Berlin 1967. Diss. TU Berlin (F. f. Archit., Diss. v. 2. Nov. 1967); S.55f. 74 verschiedenen Orten sichtbar wird, findet in Leipzig nur sehr zögerlich und mit einer gewissen Zeitverschiebung zu anderen deutschen Städten eine Umsetzung in der Industriearchitektur. Auf einzelne Ansätze die diesen Wandel einläuten, wird im Folgenden noch genauer eingegangen werden. Generell muss innerhalb der chronologischen Betrachtung im strukturellen, aber auch stilistischen Bereich der Industriearchitektur zunächst von der Nutzung herkömmlicher Wohn-, Verwaltungs- oder aber auch kleingewerblicher Architekturen für die Aufstellung der neuen Maschinen und Produktionsverfahren ausgegangen werden. Erst nach und nach erfolgte die Unterbringung dieser maschinellen Abläufe und Produktionsketten in technologisch und konstruktiv innovativen Gebäuden, denen aber immer noch eine ”altmodisch ästhetische” Fassade meist historisierenden Charakters vorgeblendet wurde. Diese Entwicklung mündete in einer Architektur, die zeigte, was sie war, die nicht mehr ”so tun musste als ob”, die selbstbewusst eine neue Ästhetik proklamierte. Eine Ästhetik der Funktionalität setzte sich durch, welche das Gebäude auch über seine Fassade erzählen ließ, wie es funktionierte und wofür es als Gehäuse diente. Sie verwirklichte einen theoretischen Anspruch, der nicht neu war in der Geschichte der Architekturphilosophie. Erinnert sei zum Beispiel an die Ideen der französischen Revolutionsarchitektur, vertreten durch Boullèe oder Ledoux: ”Dem Abzielen auf Effekt nahe verwandt war das Verlangen, daß der Bau sprechen, von seiner Bestimmung Kunde geben sollte.” 4Jedoch erst durch die konsequente Weiterführung der ingenieurtechnischen Entwicklungen in der Industriearchitektur und deren Umsetzung in fixierte formal-ästhetische Termini durch den Internationalen Stil der Moderne konnte dieses Anliegen tatsächlich verwirklicht werden. Wie bereits eingangs angedeutet, ist diese Entwicklung im Vergleich zur Entwicklung der Industriearchitektur Englands, Frankreichs und Amerikas im untersuchten Gebiet als zeitverzögert einsetzend zu betrachten. Das Besondere des Untersuchungsgegenstandes ist nicht eine historische Vorreiterrolle, die eingenommen wurde, sondern die absolut optimale infrastrukturelle Erschließung und deren städtebaulich geleitete Umsetzung in Plagwitz. In dieser sehr den damaligen „modernen Zeiten“, ihren technischen Möglichkeiten und 4 Emil Kaufmann: „Von Ledoux bis LeCorbusier. Ursprung und Entwicklung der Autonomen Architektur“ ; Unveränd. Nachdruck der Ausgabe Wien, Leipzig 1933; Stuttgart 1985; S.30. 75 neuen Verkehrsmitteln verpflichteten Atmosphäre nimmt es hingegen vielmehr wunder, dass eine Umsetzung der Ideen der neuen Ästhetik und des neuen Bauens erst so spät erfolgte. Es erstaunt, dass man sich ausgerechnet dort, wo die gesamte Erschließung auf modernen Verkehrsmitteln und modernen Verfahren fußte, soviel Mühe gab, die Modernität der Produktionsanlagen hinter einer konservierten Ästhetik des Historismus zu verstecken. Die Anpassung an die perfekte, durch Karl Heine geschaffene Infrastruktur des Viertels manifestierte sich auch in baulicher Form: so fanden sich, wie oben erwähnt, Laderampen an den Gebäuden mit direktem Gleisanschluss oder aber Anlegestellen bei Firmen mit Wasserkontakt. Im Bereich dieser Detaillösungen befanden sich teilweise richtungweisende Vorläufer für die Entwicklung der Industriearchitektur der Moderne. Davon abgesehen, folgte deren Entfaltung in Plagwitz bis in die Zeit der Weimarer Republik hinein fast ausnahmslos den bereits genannten, konservativen Entwicklungslinien. Da zu jenem Zeitpunkt jedoch die Bebauung des Stadtteils bereits weitestgehend als abgeschlossen betrachtet werden muss, hat man heute glücklicherweise ein nahezu intaktes, durch den Krieg kaum beschädigtes und durch spätere Bauten kaum verändertes, gründerzeitliches Mischensemble aus Wohn- und Industriebauten. Typisch für Plagwitz war dabei zusätzlich die sehr dichte Parzellierung innerhalb der Firmengelände. Zunächst lag meist ein offenes, weitläufiges Grundstück zur Bebauung mit den Firmengebäuden vor, und es konnten je nach Bedarf Gebäude für verschiedenste Nutzungen und in verschiedensten Größenordnungen gebaut werden. Nach und nach wurde der Platz eng. Nachbargrundstücke konnten nur in den seltensten Fällen hinzu gekauft werden, und so waren prosperierende Unternehmen gezwungen, das Problem des Platzmangels durch An- und Aufbauten zu lösen. Bei einigen Industriezweigen war das jedoch nicht ohne weiteres möglich, da die Produktion in ihren Abläufen – vor allem bei der Endmontage großer Stücke oder aber auf Grund des Gewichtes der für die Fertigung benötigten Maschinen – an eingeschossige Gebäude gebunden bleiben musste. Dadurch kam der Geschossbau als Alternative nicht in Frage. Je nach den Erfordernissen der Produktion an die Gebäude entwickelten sich drei wesentliche Grundtypen von Industriebauten: der Hallenbau, der Flachbau und der Geschossbau. Man konnte in manchen Industriezweigen nur eine, maximal zwei dieser Varianten nutzen. So waren beispielsweise die 76 Produktionsvorgänge innerhalb der eisen- und metallverarbeitenden Industrie so strukturiert, dass die Form des basilikalen Hallenbaus bevorzugt Verwendung fand. Mit seinen flachen Seitenräumen für Herstellung und Bearbeitung der Einzelteile und einem hohen, von oben zusätzlich durchlichteten Mittelschiff mit teilweise integrierten Galeriebereichen für die Endmontage der zum Teil enormen Maschinen – was häufig sowohl Größe als auch Gewicht derselben anbelangte – avancierten sie als produktionsadäquateste Form zum meist gebauten Typus in diesem Bereich. Der einfache Flachbau setzte sich in der Textilindustrie und hier vor allem für die Unterbringung von Webereien durch: ”[Der Flachbau] ... kann schwerste Belastungen und jede Art dynamischer Beanspruchung durch Maschinen aufnehmen, er gestattet große Stützweiten, weil die Stützen nur die Dachlasten zu tragen haben, er paßt sich durch ausgedehnte Grundflächen und weitgehende Stützenfreiheit wechselnden Maschinenaufstellungen und Fertigungsmethoden elastisch an, er ist nach allen Richtungen erweiterungsfähig."5 Diese zumeist mit nach Norden ausgerichteten Sheddächern ausgestatteten Flachbauten wurden in Leipzig nur sehr selten gebaut, da sich die Textilweiterverarbeitung hier nicht als bestimmender Industriezweig durchsetzten konnte. Letzteres ist insofern von Interesse, als es in Plagwitz keine einzige dieser weitläufigen Anlagen gab, was vor allem damit zusammenhing, dass Platz in Plagwitz immer eine Mangelware darstellte. Die primäre Textilindustrie als solche siedelte sich aber auch in Plagwitz in umfänglichem Maß und recht beachtlichen Größenordnungen an. Sie blieb hier jedoch auf Spinnereikomplexe beschränkt, wodurch die Notwendigkeit für großflächige Flachbauten entfiel, da die Maschinen der Spinnereien ebenso gut in den Bauten der dritten Typologie untergebracht werden konnten: den Geschossbauten. ”Der Geschoßbau eignet sich für Branchen, in denen der Produktionsvorgang von oben nach unten verläuft .. oder für die Fertigungen, die ein ausreichendes Seitenlicht erfordern. Dagegen ist er für große Deckenlasten und rüttelnde oder stoßende Maschinen weniger geeignet.” 6 Geschossbauten sind – zumindest was Plagwitz anbelangt – die am häufigsten umgesetzten Bauten der Industrie. Das 5 Siegfried Nagel und Siegfried Linke: „Industriebauten“ ; Hrsg. v. d. Deutschen Bauzeitung; Gütersloh 1969; S.39 zitiert nach Fruehauf; S.22. 6 Anne Fruehauf: „Fabrikarchitektur in Hamburg“ ; in: „Arbeitshefte zur Denkmalpflege“ , Nr. 10; Hamburg 1991; S.21. 77 hängt sicher in gewissem Maße mit dem bereits angesprochenen Platzmangel zusammen. Aber es gibt noch zwei weitere Gründe, die für die Entscheidung für diesen Bautyp von entscheidender Bedeutung gewesen sein dürften. Zum einen handelte es sich bei diesem Stadtteil um ein von Beginn an als Wohn- und Industriemischgebiet angelegtes Quartier. Schon um eine von allen Seiten gewünschte optische Homogenität zu erreichen, passte man die Fabrikfassaden dem äußeren Erscheinungsbild der umliegenden Wohngebäuden, die allesamt Geschossbauten waren, an. (Abb.95) Zum zweiten kamen mehrgeschossige, anspruchsvoll gegliederte Fassaden dem Repräsentationsbedürfnis der Auftraggeber viel stärker entgegen als die schlichte Konzeption einer flachen Halle, deren Größe sich dem Betrachter eigentlich erst aus der Vogelperspektive präsentiert, wohingegen vier-, fünf- oder sogar sechsgeschossige, aufwendig gestaltete Bauten schon auf den ersten Blick imposant wirken. Außerdem waren Geschossbauten für eine Vielzahl von Nutzungen geeignet. In Plagwitz finden sich Beispiele für sehr divergierende Verwendungen. Die Firma Tittel & Krüger (Abb.88) verteilte ihre Spinnerei gleich auf einen ganzen Komplex von Geschossbauten, auch die Firma Philip Penin bediente sich für ihre Gummiwarenproduktion gleich mehrerer Vertreter dieses Gebäudetyps (Abb.93), die Konsumbäckerei ließ sich für eine der größten Bäckereien Deutschlands einen Geschossbau projektieren (Abb.90), Hermann Törpsch brachte ein Metallwarenlager in einem solchen unter (Abb.86) und die Kranbauspezialisten Unruh & Liebig ließen sich für ihren Konstruktions- und Verwaltungsbereich ein viergeschossiges Gebäude errichten (Abb.83). Diese Bautypologie nach Nutzung der Produktionsgebäude ist nur eines der Unterscheidungskriterien zur besseren Erfassung und Bewertung der entstandenen Industriearchitektur, aber eines der grundlegendsten und wesentlichen Hilfsmittel bei der Erstellung einer ersten, groben Systematisierung, wie sie beispielsweise auch Anne Fruehauf bei der Sichtung des noch erhaltenen Hamburger Bestandes an Industriearchitektur im Jahr 1991 verwendete, denn: “Die fortschreitende Industrialisierung drängte immer nachdrücklicher auf die durch keinerlei Erfahrung gesicherte, von rein technologischen Bedingungen bestimmte gattungsspezifische Entwicklung der Produktionsanlagen.” 7 7 Dieter Dolgner: “Architektur im 19. Jahrhundert. Ludwig Bohnstedt – Leben und Werk” ; Weimar 1979; S.137. 78 Einen anderen wichtigen Aspekt einer solchen Erfassung bildet natürlich auch die Chronologie der Entstehung der Bauten. Dieses Kriterium fand auch Eingang in den Katalogteil im Anhang der Arbeit, der die Firmen entsprechend ihrer Gründungsjahre beziehungsweise der zeitlichen Entstehung ihrer Gebäude behandelt. So eröffnet die älteste in die Untersuchung einbezogene Firma von Dambacher & Mügge die Reihe der untersuchten Objekte des Kataloges (Abb.81) und die erst kurz vor Ende des Untersuchungszeitraumes im Jahr 1912 gebauten Hallen der Firma C.F.Weithas & Nachf. & Nachf. beschließen ihn (Abb.87). Auch der nachfolgende Text versucht das Moment der zeitlichen Entstehung in Beziehung zur umgesetzten Bauform zu berücksichtigen. So beginnt der folgende Abschnitt dieses Kapitels auch sinnvollerweise mit den ersten Firmen, die sich in Plagwitz ansiedelten beziehungsweise mit den jeweils ersten Bauten der unterschiedlichen Firmen des Quartiers. III.1. Frühe Bauten – Die Anfänge der Unternehmen ”[An der] Alten Straße 27 ... vor 1864 gebaut [liegt die] vermutlich älteste Industriearchitektur in Plagwitz, [die] ehemalige Eisengießerei K. Dambacher. [An der] Alten Straße 29 [liegt das ehemalige] Fabrikanten Wohnhaus” 8 Diese vage Datierung der Bebauung des Dambacherschen Grundstücks von Kaspar Dambacher kommt nicht von ungefähr. Die Bauakte des Grundstücks beginnt mit Korrespondenzen aus dem Jahr 1865, etwas später folgen aber BauRevisions-Protokolle des Jahres 1864, die durch beigelegte Baupläne belegen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits Gebäude vorhanden waren. Später verwendete Briefköpfe der Firma Mügge & Co weisen diese als “gegründet 1865” aus.9 (Abb.81) Aus im Katalogteil näher bezeichneten Gründen soll hier im Folgenden von 1865 als Gründungsjahr der Firma ausgegangen werden.10 Da Rudolph Sack mit seiner 1863 nach Plagwitz übersiedelten Maschinenbauanstalt zunächst in gemieteten Räumen unterkam und die Bautätigkeit des Unternehmens erst im Jahr 1867 einsetzte, kann die Firma Dambacher & Mügge dennoch als erste Eisengießerei- und Maschinenbaufabrik, welche sich in eigenen Räumen auf Plagwitzer Boden ansiedelte, bezeichnet werden. 8 “Workshop Leipzig Plagwitz” ; in: “Beiträge zur Stadtentwicklung” , Heft 5, Hrsg. Stadt Leipzig; Leipzig 1992; S.10. 9 „Bauakten der Stadt – Mügge & Co“ ; o.S. 10 Vgl. auch im Katalogteil der Arbeit den Abschnitt zu Dambacher & Mügge! 79 Wie die meisten Unternehmen begann die Eisengießerei Dambacher auf einem wahrscheinlich bereits bebauten Grundstück11 mit dem Bau relativ kleiner, einfacher Gebäude. Zuerst wurden Baulichkeiten zur Unterbringung der Gießerei/en und Schuppen zu Lagerung von Brennstoffen und Material sowie das Wohnhaus für den Fabrikanten realisiert (Abb.en 96 und 97). “...die Fabrikantenvilla [diente] der Selbstdarstellung des Unternehmers ... Sie stand zunächst in der Nähe der Fabrikationsanlagen und wurde durch Gärten oder Bäume vom Schmutz und Lärm der Produktionsbereiche getrennt.” 12 In diesem Wohnhaus war, wie übrigens bei den meisten Firmen, auch die Verwaltung des Betriebes untergebracht, da es sich so kurz nach der Gründung bei vielen Unternehmen noch um einen eher kleinen Bereich der Firma handelte.13 Typisch für Plagwitzer Unternehmen verlief auch der Fortgang der Bauprojekte bei Dambacher & Mügge: Zu Beginn entfaltete sich eine sehr rege Bautätigkeit. In dieser Anfangsphase entstanden die für die Produktion wichtigen Gebäude wie Schmiede, Kesselhaus und Gießereigebäude (Abb.98). Nach dieser Grundbebauung und der allgemeinen Konsolidierung der Wirtschaftslage des Unternehmens begann mit Beginn der 1870er Jahre, nach Beendigung des Deutsch-Französischen-Krieges und dem damit einhergehenden allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung des Landes, eine neuerliche Bebauung des Grundstücks und wenn möglich eine Erweiterung des Firmenareals durch Zukauf von Nachbargrundstücken. Im Fall der Firma Dambacher war diese jedoch aufgrund anderweitiger Nutzungen nicht realisierbar und so mussten, um die neuerliche Bebauung zu ermöglichen, einige ältere Gebäude abgerissen werden. Auf diese Art wurde Platz geschaffen für größere, besser durchlichtete beziehungsweise funktionalere Fabrikbauten. Auf diese Taktik mussten in Plagwitz auf Grund des Platzmangels viele Betriebe zurückgreifen. Es gibt jedoch auch Beispiele für beinahe unglaubliche Expansionen einzelner Firmenareale in Plagwitz. Das wohl beeindruckendste Beispiel stellt die Entwicklung und Ausbreitung der Firma von Rudolph Sack dar. Im Jahr 1913 beziffert eine Firmenchronik das gesamte durch Firmengebäude bebaute Gelände auf circa 75 000 Quadratmeter (Abb.99). Sack hatte bereits 1854 im heimatlichen Löben bei Lützen mit dem Bau der von ihm selbst entwickelten 11 Vgl. auch im Katalogteil der Arbeit den Abschnitt: Dambacher & Mügge! Fruehauf; S.27. 13 Ebd. 12 80 landwirtschaftlichen Geräte begonnen und war 1863, auf persönliches Betreiben Karl Heines, zusammen mit fünf Beschäftigten nach Plagwitz, in die bereits erwähnten Mieträumlichkeiten gezogen. “Im Gegensatz zu den meisten als Großbetrieb gegründeten Textilfabriken entwickelten sich die Betriebe der eisen- und metallverarbeitenden Industrie vielfach aus kleinen Werkstätten.” 14 Erst 1867 beauftragte Sack den Maurermeister Friedrich Wilhelm Pfefferkorn mit dem ersten eigenen Bau an der damaligen Leipziger Allee, der heutigen KarlHeine-Straße (Abb.100). So entstand als Keimzelle des Unternehmens zunächst ein zweigeschossiges Wohn- und Fabrikgebäude. Bereits 2 Jahre später ließ sich Sack von Louis Winkler den Kern seines späteren Firmenimperiums – drei parallel liegende Produktionshallen, deren Zwischenräume mit Glas überdacht waren, sowie ein Pförtnerhaus, eine Gießerei und ein Kesselhaus – bauen (Abb.101). Die Firma beschäftigte zu diesem Zeitpunkt bereits sechzig Arbeiter. In den folgenden Jahren entstanden neben vielen völlig schmucklos ausgeführten ein- oder zweigeschossigen Putzbauten für die Produktion auch zahlreiche offene, halboffene und geschlossene Holzschuppen zur Lagerung der diversen Materialien, Produkte und Brennstoffe der Firma. (Abb.102) Diese etwas spätere Entwicklung einer Verschachtelung beziehungsweise Zusammenballung einzelner Gebäude und Schuppen für die verschiedenen Aufgabenbereiche der Produktion auf dem Firmengelände ist typisch für beinahe alle Unternehmen in Plagwitz. Später wurden die hölzernen Schuppen größtenteils durch solide und vor allem feuersichere Steingebäude ersetzt. Dabei wurden zunächst die Holzstützen und –träger durch Mauerwerk verfacht beziehungsweise später dann komplett ummantelt, ab Beginn der 1870er Jahre wurden die hölzernen Stützen durch gusseiserne ersetzt und ab Mitte bis Ende der 1870er Jahre führte man dieses Material auch im Bereich der Träger beinahe ausnahmslos ein. Der Einsatz dieser neuen Baustoffe brachte natürlich Vorteile mit sich: “Die Ablösung der Holzkonstruktion durch den Gebrauch von eisernen Stützen und Trägern gestattete nun in allen Stockwerken die Aufstellung von Maschinen.” 15 Eine chronologische Abweichung von dieser Übernahme des neuen Baustoffes bildeten lange Zeit die Dachaufbauten der Fabrikgebäude. Sie wurden zum Teil 14 15 Fruehauf; S.23. Fruehauf; S.20. 81 noch bis weit in die 1890er Jahre in Holz ausgeführt, da man in diesem Bereich auf die höhere Traglast des Gusseisens beziehungsweise Stahls verzichten konnte. Aber ab Beginn der 1890er Jahre setzte sich auch hier der neue Werkstoff auf Grund seiner höheren Feuersicherheit und der einfacheren Praktikabilität beim Bauen immer mehr durch. Im Außenbereich wurden diese neuen Konstruktionsmethoden zunächst aber nicht sichtbar gemacht: “Dieser Bautyp mit gußeisernem Innenskelett und massiven Außenmauern wurde zum Muster des Fabrikbaus im 19. Jahrhundert für die verschiedensten Branchen” 16 III.2. Bebauungschronologie und Strukturen der Firmenareale Nach und nach entstand auf den Firmenarealen eine neue Struktur. Die Fabrikanten bauten sich ihre Villen außerhalb der Fabrikgelände, zum Teil sogar außerhalb des durch die Industrie inzwischen stark geprägten Viertels. “Mit dem Ausbau der Industrieanlagen und den damit verbundenen Umweltbelastungen begannen die Unternehmer jedoch, die Gelände der Fabriken zu verlassen und vor die Stadt in repräsentative Villenviertel zu ziehen.” 17 In Plagwitz blieben allerdings verhältnismäßig viele Unternehmer ihrem Firmenstandort treu. Dabei entwickelte sich das Gebiet um den östlichen Teil der heutigen Karl-Heine-Straße (Abb.103) und entlang der heutigen Erich-ZeignerAllee (Abb.104) zu einer ausgesprochen beliebten und noblen Wohngegend. Überhaupt lässt sich verallgemeinernd im Verlauf der heutigen Zschocherschen Straße eine Art ost-westliche Teilung des Viertels erkennen. Der westlich dieser Gemarkung liegende Teil wurde prozentual wesentlich stärker mit Fabriken bebaut (Abb.105), und auch die Wohnhäuser unterscheiden sich von ihren Pendants im östlich gelegenen Teil von Plagwitz: die Geschosshöhen wurden deutlich flacher angelegt, der Fassadenschmuck wirkt serieller und wiederholt sich an verschiedenen Häusern in komplett identischer Ausführung (Abb.106). Im östlichen Teil wurden die Gebäude bis ins kleinste Detail in einem großzügigen Maßstab angelegt, alles zielt auf Repräsentation nach außen. In diesem Teil des Viertels ließen sich die Plagwitzer Unternehmer, aber auch die reichen Leipziger ihre Villen bauen. Die Lage an mehreren Flussläufen bildete 16 17 Fruehauf; S.20. A.a.O.; S.27. 82 eine idyllische Ideallandschaft für die Familiensitze der begüterten Kaufleute und großen Unternehmer. Sowohl die inzwischen sanierte und seit 1997 vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes genutzte Villa Sack an der Karl-HeineStraße 12 (Abb.107) als auch das einige Häuser weiter gelegene, ehemalige Domizil der Familie Klinger (Abb.108) oder die momentan noch in Restaurierung befindliche Villa Karl Heines an der Könneritzstraße 1 (Abb.65) legen davon noch heute beredtes Zeugnis ab. Bei vielen Unternehmen kristallisierte sich etwa ab Ende der 1880er bis Mitte der 1890er Jahre eine den teilweise sehr beengten Raumverhältnissen angepasste, entsprechend der Firmenstruktur optimierte Bebauung der vorhandenen Nutzfläche heraus. Dieses Entwicklungsstadium war bei vielen Firmen durch einen Verzicht auf angenehmes, aber für die Produktion nicht unbedingt erforderliches Beiwerk geprägt. So verschwand auf dem Areal der Firma Mügge & Co (vormals Dambacher) im Jahr 1888 der kleine Firmenpark (Abb.109) an der Alten Straße 25, um Platz für ein neues Kontorgebäude zu machen, das durch die Architekten Händel & Franke im gleichen Jahr vollendet wurde (Abb.110). Bei der Firma Mey & Edlich in der Nonnenstraße konnte man den Hauspark mit Gewächshaus bis zum Neubau eines Produktionsgebäudes (1906/07) im Jahr 1905 erhalten. Die Firma Sack bildete in gewissem Sinn eine Ausnahme von dieser Entwicklung hin zu einer optimal ausgenutzten, streng funktional durch deklinierten Gebäudestruktur auf dem Firmengelände. Das mag zum einen in der Größe und Vielseitigkeit des Unternehmens sowie in der Problematik der strikten Bauanforderungen an die Fabrikgebäude seitens der Produktion begründet sein. Ein zweiter, keineswegs zu unterschätzender Faktor ist die zur Verfügung stehende Nutzfläche des Unternehmens. Der Firmengründer Rudolph Sack hatte durch einen großzügigen Ankauf von Gelände kurz nach Beginn seiner Ansiedlung und Entfaltung in Plagwitz sowie durch eine kluge Ankaufspolitik umliegender Firmengelände bei entsprechenden Gelegenheiten die Voraussetzung für ein gigantisches Firmenimperium geschaffen. Dieses Imperium konnte es sich auf Grund der ihm zur Verfügung stehenden Raumbeziehungsweise Flächenkapazität leisten, eine teilweise sehr aufgelockerte Bebauung für das Gelände beizubehalten. Auch in Zeiten, in denen andere Unternehmen schon längst gezwungen waren, aus Platzmangel auf liebgewordene „Dreingaben“ zu verzichten, konnte die Firma Sack sich solchen 83 Luxus weiterhin leisten. So waren beispielsweise firmeneigene Kegelbahnen eine beliebte Einrichtung, die auch zu einer positiven Entwicklung des Betriebsklimas beitrugen. Die Firma Tittel & Krüger sah sich jedoch im Jahr 1897 gezwungen, ihre Kegelbahn für die Erweiterung eines Spinnereigebäudes an der Nonnenstraße zu „opfern“, wohingegen die Firma Sack noch auf einer 1913 angefertigten Gesamtdarstellung des Unternehmens stolz ihre firmeneigene Kegelbahn am Ufer des Karl-Heine-Kanals präsentierte (Abb.99). Auf dieser Ansicht beziehungsweise auf einer nur ein Jahr zuvor angefertigten schematischen Zeichnung des Firmenareals lassen sich sowohl die relativ lockere Bebauung als auch die immer noch vorhandenen Reserven an Flächenkapazität des Bodenbearbeitungsgerätewerkes deutlich erkennen (Abb.111). Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass einige Firmen in Plagwitz eine Abweichung von diesem geschilderten Modell der Bebauungschronologie teilweise oder sogar komplett aufweisen. Für letztgenannte gegenläufige Entwicklung einer Firmenbebauung steht im Rahmen dieser Untersuchung die Seifenfabrik der Firma Kratzsch & Pozzi an der heutigen Naumburger Straße 44. Die Bauakte dieses Grundstücks beginnt mit einem Schreiben des Herrn Wilhelm Kratzsch vom 15. August 1898, in welchem er den Rat der Stadt Leipzig um die Genehmigung für eine “.. Dampf-Seifen-Fabrikanlage” bittet.18 Die Bauvorhaben umfassten ein Vorderwohnhaus, ein Portiershaus, ein Fabrikgebäude, ein Kessel- und Maschinenhaus, einen Dampfschornstein, ein Werkstattgebäude, einen Pferdestall und einen Lagerschuppen – kurz, die Bebauung des gesamten Firmenareals mit allen wichtigen Gebäuden wurde in diesem Schreiben avisiert und nach der Genehmigung der Vorlagezeichnungen innerhalb eines reichlichen halben Jahres umgesetzt (Abb.112). Das abschließende Revisionsprotokoll stammt vom 27. März 1899. Für einen solchen Kraftakt war natürlich eine beachtliche pekuniäre Potenz der Unternehmer erforderlich. Nicht immer waren die damaligen Fabrikanten von Haus aus mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet, viele mussten im Kleinen beginnen und über allmähliches Wachstum zu „Großen“ werden. In einigen Fällen ergab sich über die Gründung von Aktiengesellschaften oder vergleichbaren Gesellschaftsformen die Möglichkeit, durch das so gebündelte Kapital, eine von vornherein aufeinander abgestimmte Bebauung des Firmengrundstücks zu gewährleisten. 18 „Bauakten der Stadt Leipzig ... Kratzsch & Pozzi“ ; o.S. 84 “Textilfabriken wurden häufig als Großbetriebe mit mehreren hundert ArbeiterInnen gegründet. Die hohen Kosten konnten nur von Aktiengesellschaften bezahlt werden, die genug Kapital besaßen, um die umfangreichen Produktionsanlagen und Maschinen zu finanzieren. Dies führte zu einer Änderung der Betriebsstrukturen und zu einem zunehmenden Umfang der Gebäude.” 19 Die Wollgarnfabrik der Firma Tittel & Krüger stellt innerhalb dieser Untersuchung ein typisches Beispiel für diese beschriebenen Strukturen dar. Zwar gründeten Carl August Tittel und sein im Jahr 1870 dazu gestoßener Kompagnon August Andreas Krüger im Jahr 1875 als Kleinunternehmer zunächst einmal eine kleine Dampffärberei am Ufer der Weißen Elster in Plagwitz an der heutigen Nonnenstraße 17 (Abb.113). Etwa zwölf Jahre später, im Jahr 1887, erfolgte jedoch die Umwandlung der Firma in eine Aktiengesellschaft, was eine ausgesprochen positive Veränderung des Unternehmens im ökonomischen Bereich auslöste. Zeitgleich mit dieser innerbetrieblichen Strukturveränderung setzte eine extrem rege Bautätigkeit auf dem bis dato zu großen Teilen noch fremdverpachteten Firmengrundstück ein. Im selben Jahr wurde der Baumeister Eduard Steyer beauftragt, ein neues Fabrikationsgebäude an der Elster zu errichten, und nur ein Jahr darauf projektierte er für die Sächsische Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger ein fünf- beziehungsweise sechsgeschossiges “Lager-, Pack- und Comptoirgebäude” 20 (Abb.en 115 und 116) Es handelt sich dabei um das heute an der Nonnenstraße 19 gelegene, bereits vollständig sanierte Gebäude mit den stark konkav ausschwingenden Walmdächern über den beiden, ursprünglich an den Ecken des Baus liegenden Treppenhausrisaliten (Abb.117). Noch im selben Jahr beauftragte man das im Bereich des Fabrik- und Industriebaus äußerst renommierte Architekturbüro Pfeiffer & Händel mit einem weiteren wesentlich größeren Neubau für die Produktion an der Nonnenstraße 21. Auch dieser Bau hat sich bis heute erhalten. Es handelt sich dabei um das vier- bzw. fünfgeschossige, räumlich wesentlich tiefere Fabrikgebäude, bei dem das vordere Treppenhaus mit dem über einem quadratischen Grundriss gelegenen Kuppelaufbau, der an seinen vier Grundecken durch Obelisken geschmückt und mit einer viereckigen Laterne sowie einer „Weltkugel“ bekrönt wurde (Abb.en 118 und 119). Der viereckige Tambour wird durch ein wuchtiges Kranzgesims belebt, das an den vier Seitenflächen halbkreisförmig in Gestalt eines 19 20 Fruehauf; S.22. Bauantrag vom 27. Juni 1888; in: „Bauakte zur Sächsischen Wollgarnfabrik, Vol. II, ergangen: 1886 in Leipzig“ ; o.S. 85 Segmentgiebels nach oben schwingt und jeweils eine runde Schmuckfläche betonend ins optische Zentrum rückt (Abb.120). An diese Stelle gehörte eine Uhr,21 so ist es zumindest auf den Bauzeichnung zu sehen. Es gab die Uhr in mindestens zwei Richtungen, wie man auf den beiden Bauzeichnungen zum Gebäude erkennen kann (Abb.en 118 und 119). Die Uhr als bestimmendes Fassaden- beziehungsweise Turmmotiv tauchte in Plagwitz auch bei anderen Unternehmen wie beispielsweise Mey & Edlich (Abb.121) oder Swiderski (Abb.122) auf. Die Sanierung des Treppenturmes der ehemaligen Fabrikanlage von Tittel & Krüger konnte inzwischen – wenn auch ohne Uhr im Sommer 2001 – abgeschlossen werden (Abb.120). Die Gesamtanlage der ehemaligen Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger besticht durch eine extreme Homogenität der gigantischen Baumassen (Abb.123). Die endlos wirkenden rot-weißen Fassadenschluchten vermitteln das Bild eines „aus dem Boden gestampften“ Imperiums (Abb.124). Hinter diesem optischen Ebenmaß stand von Anbeginn das Programm einer doppelten Täuschung des Betrachters. Er sollte zum einen glauben gemacht werden, dieses Reich sei aus einem Guss und am Stück gebaut worden, was wiederum natürlich die Konnotation einer unglaublichen wirtschaftlichen Potenz bedeutete. Zum anderen wollte man über die Jahrzehnte hinweg einer gewissen Kontinuität Ausdruck verleihen, denn die Anlagen entstanden in einem Zeitraum der mehr als 50 Jahre umfasste. Einzelne Teile – wie zum Beispiel das Kesselhaus – wurden erst in den 1920er Jahren projektiert (Abb.125), im sichtbaren Bereich der Fassaden jedoch völlig identisch zu der Firmenästhetik der 1880er Jahre umgesetzt (Abb.126). Auch hier wurde die Vielfalt der Fabrikgebäude durch strukturelle Elemente gegliedert und verbunden. Heute noch sichtbar sind zwei Brücken (Abb.127), die das Produktionsgebäude an der heutigen Holbeinstraße mit dem jenseits des Flusses gelegenen Firmengelände verbinden. Die zunächst als Steg geplante (Abb.128), ebenerdige Brücke sorgte für die Anbindung an das Plagwitzer Industriegleisnetz (Abb.129), bot die Möglichkeit der Überquerung mit Pferdefuhrwerken beziehungsweise später mit Lastwagen und gab natürlich auch den Arbeiterinnen und Arbeitern die Gelegenheit, auf kurzem Weg in das benachbarte Produktionsgebäude zu gelangen, ohne den Umweg über das öffentliche Straßennetz nehmen zu müssen (Abb.130). Die zweite Brücke im dritten und vierten Stockwerk diente zur 21 Zum Thema Uhr vgl. auch Abschnitt III.5.2. dieser Arbeit zur Fassadengestaltung der Unternehmen! 86 Abkürzung des Produktionsweges zwischen den beiden Fertigungsgebäuden. Beide Brücken sind heute noch erhalten – leider einerseits in unsaniertem, andererseits in stark verändertem Zustand. Auch heute noch unterstreichen sie das Malerische der Wasserlage der ehemaligen Wollgarnfabrik (Abb.131). Die Repräsentation der Stärke und Kontinuität der Firmenentwicklung war bei der ebenfalls in der Nonnenstraße ansässigen Papierwäschefabrik mit angegliedertem Versandhausbetrieb der Firma Mey & Edlich ebenso Hauptintention der aufwendig inszenierten Schauarchitektur. So finden wir auch hier die für Leipzig-Plagwitz typische Klinkerfassadenarchitektur, die spätestens seit der Umsetzung eines bereits 1903 projektierten Baus für ein neues Produktionsgebäude, das allerdings erst im Jahr 1907 ausgeführt wurden, zumindest im Kern als überholt angesehen werden muss. Bei diesem Bau handelt es sich genau genommen lediglich um die altmodische “Verkleidung” einer modernen Stahlbetonkonstruktion (Abb.en 132 und 133). Dieser Bau war damals – als einer der ersten Stahlbetonbauten des Viertels – im bautechnischen und konstruktiven Bereich das Modernste, was der interessierte Besucher in Plagwitz finden konnte, allerdings nur, wenn er sehr genau hinsah oder aber die Baupläne beziehungsweise das Innenleben des Gebäudes kannte. Sichtbar wurde das moderne Baumaterial im Fassadenbereich allein an den Sohlbänken und teilweise auch an den Stürzen der Fenster (Abb.en 134 und 135). Um diesen modernen Erweiterungsbau realisieren zu können, mussten auch Mey & Edlich eine liebgewonnene “Freifläche” – den Firmenpark nebst darauf befindlichem Gewächshaus – des Firmengrundstücks opfern: “Wir sind gezwungen unsere in Leipzig-Plagwitz, Nonnenstraße 5, gelegene Stoffwäschefabrik zu erweitern. Als einziger Platz, um einen Erweiterungsbau auszuführen, verbleibt das frühere, an der Elster gelegene Gartenareal (Abb.136), woselbst vor langen Jahren die Ufermauern zur Aufnahme größerer Fabrikbauten in genügender Stärke zur Ausführung gebracht wurden (Abb.137).” 22 Das Zitat macht deutlich, dass ein potentieller Neubau auf dieser Fläche von Anfang an Bestandteil der Erweiterungspolitik einer langfristigen Firmenstrategie gewesen war. Eine durchaus übliche Verfahrensweise, wie sich im Vergleich mit anderen Beispielen der Untersuchung wie auch mit anderen Untersuchungen leicht nachweisen lässt. So beschreibt auch Fruehauf am 22 Schreiben der Herren Mey und Edlich vom 16. Dezember 1903, in: „ Bauakte der Stadt Leipzig, Besitzer: Mey & Edlich; ergangen: 1886“ ; o.S. 87 Beispiel der Maschinenfabrik Nagel & Kaemp diese Strategie: “Die Anlage wurde von Anfang an im Hinblick auf eine mögliche Vergrößerung geplant...” 23 Der Widerspruch zwischen moderner Bautechnik und historisierender Fassade fand gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch eine weitere „Lösung“: “Für viele Unternehmen, die im kleinen Rahmen begonnen hatten, war die Errichtung eines Verwaltungsgebäudes zunächst nicht selbstverständlich. ... Erst mit der Vergrößerung der Firmen und der damit verbundenen innerbetrieblichen Bürokratie kam der industrielle Verwaltungsbau auf.” 24 Diese Verwaltungsgebäude konnten, da sie nur die diversen Büros der Firma ohne außergewöhnliche Traglasten aufnehmen mussten, nicht nur äußerlich, sondern auch von der Konstruktion her dem herkömmlichen Muster eines Wohnhauses folgen. Da sie innerhalb der Firmen den konkreten Anlaufpunkt für die Kunden darstellten, waren ihnen in hohem Maß repräsentative “Pflichten” impliziert. Es bot sich für einige Unternehmen vor allem im Bereich des Maschinenbaus an, das Verwaltungsgebäude als kaschierende Schaufront zur Straße hin vor den dahinter liegenden Produktionsgebäuden zu nutzen. Häufig waren diese funktional völlig getrennten Bereiche in räumlicher Hinsicht sogar auf das engste verbunden beziehungsweise bildeten im Grundriss ein einziges Gebäude. Dies war vor allem dort der Fall, wo im näheren Umfeld Produktionsgebäude direkt mit Wohnbebauung zusammenstießen.25 Als Beispiel für eine solche Strategie kann der 1896 begonnene und 1898 vollendete Bau der Firma Unruh & Liebig an der heutigen Naumburger Straße 28 dienen (Abb.52). Über einem zunächst „ L“-förmigen, später zum „U“ ausgeweiteten Grundriss wurde vom Baumeister Robert Röthig und dem “ Ingenieurbureau Paul Ranft” der Bereich für Konstruktion und Verwaltung mit großen, zum Teil von Schmuckbögen überfangenen Fenstern zur Straße hin (Abb.83) und der dahinter liegende Teil einer typisch dreischiffigen Galeriehalle für die Produktion ausgeführt (Abb.138). Diese Teile bilden konstruktiv betrachtet eine homogene Einheit, formal könnten sie allerdings kaum heterogener sein. Die ab 1888 entstandene Dampfmaschinenfabrik von Philip Swiderski an der heutigen Zschocherschen Straße 76 folgt einem ähnlichen Schema. Auf einem 23 Fruehauf; S.23. Fruehauf; S.27. 25 A.a.O.; S.25. 24 88 Areal von circa 15 000 Quadratmetern ließ Swiderski im Lauf der Jahre insgesamt etwa 6 000 Quadratmetern mit seinen Fabrikgebäuden bebauen (Abb.84): “Da das Etablissement hier über einen ausgedehnten Flächenraum verfügen konnte, so war es in der glücklichen Lage, sich bei der Disposition der Gebäude alle Freiheiten zu gestatten, und so sehen wir es denn als eine wirkliche Musteranstalt dastehen in schönen architektonischen Formen und im Inneren überall groß und hell gestaltet.” 26 Diesen vorhandenen Freiraum nutzt Swiderski, indem er den Baumeister Eduard Steyer im Januar 1888 mit dem Bau eines Fabrikgebäudes, eines Kesselhauses nebst Schornstein, eines Pissoirs, eines Portierhauses, eines Koksschuppens und einer Schmiede beauftragt. Das Fabrikgebäude bestand aus einem vorderen, zur Straße gelegenen Teil, der architektonisch durch einen zinnenbekrönten Phialenturm sehr deutlich vom übrigen Bau abgesetzt war und die Konstruktions und Verwaltungsräume beherbergte (Abb.139). Das Besondere an der gesamten Projektierung war jedoch die hinter diesem “Eingangsgebäude” liegende, circa 110 Meter lange und 20 Meter breite Montagehalle, die Swiderski so auf dem Areal anordnen ließ, dass es ihm ohne Probleme möglich war, vier Jahre später nach Bedarf parallel dazu von Steyer eine zweite, von den Abmessungen und der Anlage nahezu identische Halle in einem Abstand von etwa 20 Metern daneben zu setzen. Dieser Zwischenraum konnte auf dank der günstigen Auftragslage 1897 von Paul Ranft mit einer verglasten Metallkonstruktion überdacht werden (Abb.140). Ein Modell, das nicht nur in Leipzig Schule machte: “Endlich sei erwähnt, daß die Fabrik wegen ihrer musterhaften und zeitgemäßen Einrichtung häufig von Polytechnischen Gesellschaften, Techniker- und Ingenieur-Vereinen ..., sowie von Universitäts-Abteilungen und einzelnen Interessenten besichtigt wird und daß das Montagegebäude bereits fünfmal ohne wesentliche Änderungen kopiert worden ist.” 27 Bei zahlreichen Unternehmen beschränkte sich dieser Repräsentationsdrang jedoch auf die Straßenseite der Firmen. Die Fabrik für Drahtheftmaschinen der aus Philadelphia/USA nach Plagwitz gekommenen Brehmer Brothers, August und Hugo, und ihrer 1879 in der Karl-Heine-Straße 109-111 gegründeten 26 ”Die Großindustrie des Königreich Sachsen...” , Bd.II, Leipzig 1893. Dieses Werk wurde ohne Seitennummerierung gedruckt, der Abschnitt über die Firma Swiderski befindet sich jedoch nach eigener Zählung auf S.413ff. 27 Ebd. 89 Maschinenfabrik Gebrüder Brehmer ist ein gutes Beispiel dafür, wie auch 1913 in der Industriearchitektur Plagwitz‘ noch versucht wurde, zur Straße hin eine eindrucksvolle, teilweise auch historisierende Schaufront aufzubauen, wie aber bereits an der Rückfront desselben Gebäudes deutliche Abstriche im Bereich der dekorativen Elemente gemacht wurden und sich eine wesentlich sachlichere und im Grunde modernere Form durchsetzen konnte beziehungsweise gezeigt werden durfte (Abb.en 141 und 142). “Wenn überhaupt ein Wandel zu fortschrittlichen Bauformen in dem behandelten Zeitabschnitt zu beobachten ist, blieb er auf die Hofgebäude beschränkt.” 28 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass adäquat zur „ Brehmerschen Rückseite“ bei vielen Firmen, vor allem aus dem immer noch stärker handwerklich orientierten, metallverarbeitenden Bereich, die Rück- und Hofseiten ihres Firmenareals deutlich andere gestalterische Züge trugen als die Straßenfronten. Das gilt beispielsweise auch für die Firma C.F.Weithas & Nachf. Man ließ sich 1912 eine Werk- und Montagehalle nach modernsten Richtlinien und Bautechnologien errichten beziehungsweise errichtete diese hauptsächlich selbst und gab sich zur heutigen Gießerstraße 29 hin die größte Mühe, diesen “Ausbruch der Moderne” durch einen Schmuckgiebel in verhaltener Jugendstilmanier mit dem Namenszug des Unternehmens zu verblenden (Abb.en 143 und 144). Eine Taktik, die offensichtlich nicht regional beschränkt war, denn auch Fruehauf beschreibt beispielsweise das nahezu identische Vorgehen der Hamburg-Harburger Eisen- und Bronzewerke AG im Jahr 1910: “Die durch die Fachwerkbinder bestimmte Dachform jedoch verschwand hinter einem mit über das Dach gezogenen Pilastern verzierten Schmuckgiebel, der den Firmennamen aufnahm” 29 Diese eher konservative Haltung im architektonisch-gestalterischen Bereich ist – mit kleinen Auslassungen einzelner Detaillösungen – bei allen für diese Arbeit ausgewählten Objekten bis zum Ende des Untersuchungszeitraum grundsätzlich bestimmend gewesen. Sie schließt auch die in diesem Abschnitt bisher nicht erwähnten Bauten der Konsumbäckerei in der Naumburger Straße 26, des metallverarbeitenden Unternehmens von Meier & Weichelt an der Gießerstraße 8-10 sowie das Lagergebäude der Firma Törpsch an der Naumburger Straße 25 ein. Diese Haltung erweist sich im Vergleich mit anderen deutschen Städten 28 29 Fruehauf; S.35. Ebd. 90 durchaus als allgemein gängige Einstellung der Industrie und ihrer Auftraggeber zu ästhetischen Fragen und diversen Lösungsansätzen der damaligen Zeit. Lediglich einzelne Unternehmerpersönlichkeiten oder ein den modernen Ideen gegenüber allgemein förderliches Klima in sehr wenigen deutschen Städten – wie beispielsweise in Berlin oder Chemnitz – standen dieser Haltung entgegen.30 III.3. Anforderungen unterschiedlicher Industriezweige und ihre bauliche Umsetzung “Der im 19. Jahrhundert neu entstandene Bautyp Fabrik orientierte sich in der Anfangsphase an Vorläufern, deren beeinflussende Faktoren nicht im Bereich architektonischer Vorformen lagen, sondern in der innerbetrieblichen Organisation. ... Es entstanden typische, von den Produktionsabläufen abhängige Bauformen.” 31 Diese industriezweigorientierte Bautypologie wird in der Literatur häufig als hilfreiche und sinnstiftende Gliederung der Untersuchungen zur Geschichte der Industriearchitektur in einzelnen Städten eingeführt. Das Autorenteam um Andreas Beaugrand tut es bei der Auswertung des Herforder Bestandes; Anne Fruehauf folgt diesem Schema in ihrer Arbeit zur Hamburger Industriearchitektur und das Autorenkollektiv um Dieter Klein-Meyen verwendet es in der Arbeit zur “Kölner Wirtschaftsarchitektur” an.32 Auch Ulrich Krüger nimmt in “Industriearchitektur in Leipzig” eine vorsichtige Gliederung entsprechend der Industriezweige in Leipzig vor.33 Daneben schlägt er noch eine zweite bautypologische Dreiteilung analog zum grobformalen Äußeren der Fabriken in den “ Bürgerhaus-Typ” , den “ Palais-Typ” und den “ Baumeister-Bau” vor, nicht ohne sogleich anzumerken, dass diese simple Klassifizierung für Leipzig nicht schlüssig greife: “Entscheidend ist hier, daß die Fabrikgebäude im stadtnahen Raum nicht nur, wie anderenorts auch, in die vorhandene Ortsstruktur implantiert wurden, sondern sich als integraler Bestandteil des städtebaulichen Kontextes darstellen.” 34 30 Ebd. Fruehauf; S.19f. 32 Klein-Meyen, 1996; Fruehauf; 1991 sowie Andreas Beaugrand, Jörg Borström, Theodor Helmert-Corvey: „ Der steinerne Prometheus - Industriebau und Stadtkultur. Plädoyer für eine neue Urbanität“ ; Berlin 1989. 33 “Industriearchitektur in Leipzig” ; S.59ff. 34 A.a.O.; S.61. 31 91 Der zuerst eingeführten Bautypologie – entsprechend der Nutzung durch verschiedene Industriezweige – lässt sich beispielsweise für den Bereich der Textilindustrien und hierbei vor allem bei den Spinnereien beobachten, dass durch die ständig größer und schwerer werdenden Maschinen eine immer durchdachtere statische Konstruktion erforderlich wurde. Was sich am Beispiel der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger sehr anschaulich nachexerzieren lässt: Hatte im Jahr 1881 Friedrich Ottomar Jummel (Abb.145) noch den statisch einigermaßen unkomplizierten Auftrag ein 16-achsiges Speichergebäude an der Nonnenstraße 17 zu errichten, waren Pfeiffer & Händel 1888 bereits gezwungen, etwas mehr statische Finesse beim Bau eines ebenfalls 16-achsigen und fünfgeschossigen, jedoch etwa 50 Meter tiefen Fabrikneubaus walten zu lassen (Abb.118); und im Jahr 1906 nutzen Händel & Franke für den Erweiterungsbau an der heutigen Holbeinstraße bereits den quasi als statisches „Wunder- und Allheilmittel“ eingeführten neuen Baustoff Stahlbeton für die Konstruktion der neuen Spinnerei (Abb.en 146 und 147). Es versteht sich, dass sie diese im Außenbereich natürlich formadäquat zur übrigen Firmengestaltung mit rotem Backsteinklinker und naturfarbenen Glattputzbändern „verkleideten“. Auch die heute als so malerisch empfundene Wasserlage verschiedener Unternehmen – wie beispielsweise bei Mey & Edlich oder Tittel & Krüger – brachte erschwerte statische Anforderungen bei der Konstruktion der Uferbefestigung mit sich (Abb.en 137, 148 und 149). Ebenso durfte die Verteilung der Antriebsenergie innerhalb der teilweise flächenmäßig großen Unternehmensareale nicht außer acht gelassen werden, da sie noch geraume Zeit über simple Antriebsstangen und -riemen erfolgte (Abb.en 150 und 151). Neben den neuen Anforderungen an die Statik spielte der Einfall von Tageslicht eine immer drängendere Rolle. So verlangten die Auftraggeber vor allem in der Herstellung von Präzisionsmaschinen nach überdurchschnittlicher Durchlichtung der Produktionsräume. Um mehr Tageslicht in die Gebäude zu bekommen, brauchte man größere Fenster, diese wiederum stellten höhere Anforderungen an die Tragfähigkeit des verbleibenden Mauerwerkes. Je kleiner die Flächen der Mauer wurden, desto größer war folglich die Kraft der auf sie wirkenden Last. In der Vergangenheit hatte es im Grunde nur zwei Möglichkeiten gegeben, diese zusätzliche Last auszugleichen: Die erste bestand darin, die Mauerstärke zu steigern, die zweite war die Umverteilung beziehungsweise Umleitung der Lasten auf ein wohlberechnetes Strebewerk beziehungsweise Pfeilersystem. Die 92 neuen Baustoffe boten nun eine dritte Variante, die sich sehr augenfällig bei der Konstruktion des Brehmerschen Neubaus von 1913 offenbart. Zur Karl-HeineStraße 107 hin wurde von Händel & Franke, auf Verlangen der Bauherren nach mehr Tageslicht,35 eine harmonisch perfekt gegliederte Fassadendurchfensterung vor die Stahlbetonkonstruktion gelegt (Abb.152). Im Gegensatz dazu rekurriert der 1901/02 umgesetzte Entwurf von Händel & Franke für das neue Lagergebäude der Firma Törpsch an der heutigen Naumburger Straße 25 auf das mittelalterliche System der stärkeren Mauertiefe als Ausgleich zum Einbau größerer Fenster (Abb.153). Es ist allerdings anzunehmen, dass bei diesem Entwurf die Mauerstärke vornehmlich als gestalterisches Fassadenelement genutzt wurde, denn obschon Törpsch für sein Eisenwarenlager enorm tragfähige Decken und Wände benötigte, gab es für eine extreme Öffnung der Wände zum Tageslicht keinerlei Bedarf. Auch fällt bei einer näheren Betrachtung der Fassade auf, dass das Spiel mit der Mauertiefe, ihre plastische Durchbildung in zahlreichen Höhungen und Vertiefungen hier künstlerisch formende Züge trägt (Abb.154). So haben Händel & Franke bei der Fassadengestaltung komplett auf das gliedernde Element der Putzbänder verzichtet, um die Mauerstärke noch deutlicher in den Vordergrund zu bringen. Da es dafür in dieser augenfälligen Form keine funktionale Rechtfertigung gibt, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei ihr ausschließlich um ein formales Ausdrucksmittel zur Repräsentation der Standfestigkeit des Unternehmens handeln sollte. Doppelt interessant wird in diesem Zusammenhang ein nie verwirklichter erster Entwurf des Architekten Alfons Berger, der eine Jugendstilfassade für das Gebäude zur Straßenfront hin vorsah (Abb.155).36 III.4. Funktionale Elemente Ein Teil der innerbetrieblichen Unternehmensstrategien bestand darin, die Wege zwischen den einzelnen Produktionsschritten möglichst kurz zu halten. Die Firmen waren aber mindestens ebenso sehr darauf bedacht, die Wege vom Rohund Brennstofflieferanten zum Unternehmen, sowie die Wege der fertiggestellten Endprodukte vom Unternehmen zum Abnehmer für alle Beteiligten möglichst praktikabel, preiswert und komfortabel zu halten und zu gestalten. 35 36 “Industriearchitektur in Leipzig” ; S.79. Vgl. dazu auch Abschnitt III.5.2. dieser Arbeit zur „Fassadengestaltung“! 93 Diesem Anliegen standen verschiedene Lösungen in Form der diversen Transportmittel und Wegeformen zur Verfügung. Wie bereits im Kapitel II. zur Entwicklung und infrastrukturellen Erschließung Plagwitz‘ durch Karl Heine ausgeführt wurde, verfügten die Anlieger dieses Quartiers über eine große Anzahl von Transportmöglichkeiten, die sie je nach Praktikabilität, Bedarf oder jeweiliger Preislage frei wählen konnten. Zu diesen bereits vorhandenen öffentlichen Verkehrs- und Transportwegen kamen andere, innerbetriebliche Wegesysteme hinzu, die im Laufe der teilweise jahrzehntelangen Bebauung der Firmenareale interessante Sonderformen herausbildeten. III.4.1. Anbindung an Gleise, Straßen und Wasserwege Alle wichtigen Plagwitzer Industrieanlieger haben spätestens zur Jahrhundertwende sowohl einen Straßen- als auch einen Gleisanschluss an beziehungsweise auf ihrem Grundstück, die meisten jedoch bereits ab den 1870er Jahren. In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf die “Eisenbahngleis- und Straßenkarte” der Westendbaugesellschaft von 1924 (Abb.63) sowie auf die im Anhang befindliche Zusammenstellung der im Jahr 1900 vorhandenen Gleisanschlüsse in Plagwitz und Lindenau verwiesen.37 Einige der Plagwitzer Firmen hatten darüber hinaus einen eigenen Zugang zum Lauf der Weißen Elster beziehungsweise zum Karl-Heine-Kanal. Einige Beispiele sollen nun an dieser Stelle stellvertretend für die vielen verschiedenen formalen Ausprägungen der diversen Verkehrsanbindungen der Plagwitzer Firmen etwas genauer vorgestellt werden. Als wahrer Fundus für diesen speziellen Bereich präsentiert sich das Firmengelände der Firma Sack. Schon allein die Größe des Unternehmens und seine räumliche Ausdehnung am Ende des Untersuchungszeitraumes im Jahr 1914 haben zu einer ungewöhnlichen Anzahl und Vielfalt der formalen Lösungsvorschläge im funktionalen Bereich beigetragen. Auf dem Areal der Firma lagen 1912 allein drei Hauptgleisstränge mit 13 abzweigenden Nebengleisen an, mittels derer beinahe zwanzig verschiedene Gebäude des Unternehmens direkt mit Güterwaggons angesteuert werden konnten (Abb.111). Die Gleise führten bei Sack, ebenso wie bei einigen anderen Unternehmen vor allem der 37 Vgl. im Anhang der Arbeit den Abschnitt Gleisanschlüsse in Plagwitz um 1900! 94 metallverarbeitenden Industrie, teilweise auch bis in die Werkshallen. So schrieb man zum Beispiel über die Fabrik von Philip Swiderski (Abb.en 156 und 157): “Sämtliche Gebäude sind durch Schienenwege miteinander verbunden, während das Werk selbst durch ein eigenes Gleis an die Königlich Sächsische Staatsbahn angeschlossen ist, das direkt in den erwähnten Montierraum führt und die dort zur Versendung gelagerten Maschinen aufnimmt.” 38 Bei Grundstücken, die den Gleisanschluss bereits vor deren Verkauf beziehungsweise Bebauung bekamen, waren die Gleise fast immer parallel zum Straßenverlauf ziemlich genau in der Mitte der Straßengevierte verlegt worden. Dies bedeutete, dass sich jeweils zwei Firmen den rückwärtig zu ihrer, zur Straßenfront hin orientierten Firma gelegenen Gleisanschluss teilten. Der 1884 gegründete Konsumverein Leipzig-Plagwitz hatte sich auf einem Grundstück in der heutigen Industriestraße 85/89 niedergelassen. Als nach kurzer Zeit, im Jahr 1889, der Bau einer eigenen Großbäckerei projektiert wurde, die benachbarten Grundstücke jedoch bereits nicht mehr zum Verkauf standen, entschloss sich der Konsumverein, das jenseits des von ihm genutzten Gleisstranges liegende Grundstück an der Naumburger Straße 26 zu kaufen und dadurch zumindest einen gemeinsam benutzbaren, quasi firmeninternen Gleisanschluss zu erhalten. Die Be- und Entladung der Waggons erfolgte gemeinhin über einfache, rückwärtig an die Produktions- beziehungsweise Lagerhallen angebaute Laderampen (Abb.158). Es handelte sich hierbei um einfache, etwa einen bis anderthalb Meter breite und circa einen Meter hohe aufgemauerte Vorsprünge des Gebäudes, die mit einer Holzbohlenauflage abgedeckt wurden, deren Kanten mit Eisenträgern verstärkt waren. Etwa ab Ende der 1880er Jahre ging man dazu über, diese Konstruktionen komplett aus Eisenzement beziehungsweise Stahlbeton zu fertigen (Abb.45). Mitunter wurde die Verbindung zwischen Bahn und Werkshalle aber auch auf eine noch direktere Art und Weise gelöst: die Bahngleise führten unmittelbar an die meist mehrgeschossigen Fabrikgebäude heran und mittels eines oft schwenkbaren Kranbalkens und eines daran befestigten Flaschenzuges konnten die Rohstoffe ohne Umweg in die verschiedenen Etagen der Fabriken angeliefert 38 ”Die Großindustrie des Königreich Sachsen...” , Bd.II, Leipzig 1893. Dieses Werk wurde ohne Seitennummerierung gedruckt, der Abschnitt über die Firma Swiderski befindet sich jedoch nach eigener Zählung auf S.413ff. 95 werden. Dafür bieten sich verschiedene Geschossbauten der Firma Sack auch heute noch als anschauliche Beispiele an (Abb.en 99, 159, 160 und 161). Aber nicht immer verliefen die Gleise parallel zu den angelegten Straßen. Rudolph Sack konnte, da er schon sehr frühzeitig umfangreiche “Geländereserven” für seine geplanten späteren Erweiterungen gekauft hatte – zum Teil noch vor der durch Heine beziehungsweise die von ihm 1888 gegründeten Westendbaugesellschaft initiierten Gleisverlegung – auf dem Sackschen Gelände in eigener Regie die Anlage der Gleise überwachen und festlegen. So ergab sich eine verhältnismäßig unregelmäßige Verteilung der Gleise auf dem Sackschen Firmenareal: immer je nach Anlage der Produktionsgebäude und deren jeweiligem Anschlussbedarf (Abb.111). Beinahe auf jedem Situationsplan der Firma Sack finden sich in den Bauakten die diversen Gleisanschlüsse verzeichnet – von der Pferdebahn auf dem Gelände der Vorbesitzer Götjes & Kästner Mitte der 1870er Jahre bis zum Ende des für die Arbeit gewählten Untersuchungszeitraumes sind die Gleise fester Bestandteil der Bebauungsstrategie des Unternehmens gewesen (Abb.en 162, 163 und 164). Auf dem Gelände fanden sich adäquat zu den Gleisanschlüssen an beziehungsweise in die Produktionshallen auch zahlreiche Laderampen in nahezu allen, weiter oben beschriebenen Ausführungen (Abb.165). Mit dem Verlust ihrer Funktion verschwinden seit 1990 nach und nach auch immer mehr Teile des Gleisnetzes im Viertel und, in natürlicher Folge dessen, ebenso die Laderampen der einstigen Unternehmen. In einigen Bereichen hat die Stadt sich die Aufgabe gestellt, zumindest die Gleise in verwandelter Form als Wegenetz für Fußgänger und Radfahrer zu erschließen und dadurch wenigstens implizit eine Erinnerung an alte Strukturen zu erhalten (Abb.en 166 und 167). Das Problem der meisten dieser Lösungen ist jedoch, dass ohne entsprechendes Hintergrundwissen ein Erkennen der immanenten Erinnerungswerte nicht möglich ist, bislang jedoch noch keine Möglichkeit geschaffen wurde, den Nutzern der Wege dieses Hintergrundwissen vor Ort – beispielsweise durch Schautafeln oder ähnliches – zugänglich zu machen. Im Kreuzungsbereich von Gleisen und Straßen werden die alten Gleisbetten wegen der Störung der ruhigen Durchfahrt und auf Grund des Kostenmehraufwandes, den ihre Erhaltung bei den Sanierungsarbeiten verursachen würde, leider ohnehin keine Überlebenschance bekommen und im Lauf der kommenden Jahre vollständig, ohne Spuren zu hinterlassen, aus dem Stadtbild verschwinden. 96 Die Verbindung der Produktionsgebäude zu den Straßen war in vielen Fällen durch den Bau einer schlichten Einfahrt beziehungsweise Tordurchfahrt in den Hof gewährleistet. Häufig entstanden die Durchfahrten erst in späteren Jahren durch die Überbauung einer offenen Werkseinfahrt, so zum Beispiel durch den Bau eines Trockenbodens über der Einfahrt zum Hof der Firma Mügge & Dambacher 1871 durch Winkler (Abb.168). Eine Besonderheit stellen in diesem Zusammenhang die nicht öffentlichen Werksstraßen dar. Sie bildeten sich schon recht früh, etwa ab den 1870er Jahren, vor allem bei den großflächig angelegten Fabrikanlagen heraus. In Fällen, bei denen die Firmenstrukturen sich mit den Jahren über den Lauf öffentlicher Straßen hinweg ausbreiteten, wurden diese häufig in die Werksanlage integriert und für den öffentlichen Verkehr unzugänglich gemacht. An den Einfahrten zum Firmengelände wurden eiserne Torgitter installiert, die teilweise sogar von eigens abgestelltem Werkspersonal bewacht und bedient wurden (Abb.169). Überaus wichtig ist auch hier wieder die Firma Sack mit einem der längsten betriebsinternen Straßennetze Plagwitz‘. Die Weißenfelser Straße war im gesamten Verlauf zwischen dem Karl-Heine-Kanal und dem Plagwitzer Bahnhof komplett in das Firmengelände integriert, lediglich der kreuzende Verlauf der Gießerstraße blieb für den öffentlichen Verkehr passierbar (Abb.170). Auch die Aurelienstraße war zwischen Kanal und Gießerstraße Sacksche Werkstraße. Diese Werksstraßen hatten auch nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Bedeutung keineswegs verloren und wurden bis zur Stillegung der Firmen nach 1990 weiterhin ausschließlich für den nichtöffentlichen Werksverkehr genutzt. Manche von ihnen, wie beispielsweise der Teil der Naumburger Straße zwischen der Gießer und Zschocherscher Straße, wurden sogar erst nach dem Zweiten Weltkrieg, vornehmlich ab den 1970er Jahren, im Zuge der Kombinatsbildung in der DDR angelegt. Seit einigen Jahren gibt es keine dieser Werksstraßen mehr. Ähnlich den Gleisen und Laderampen verschwanden mit dem Verlust ihrer Funktion auch die geschlossenen Werksstraßen. Anlage, formale Gestaltung, System wie Bedeutung dieser Strukturen lassen sich heute nur noch anhand von Plänen, Zeichnungen, Fotografien und Beschreibungen rekonstruieren. Der Anschluss an einen Wasserlauf war trotz des absichtlich stark mäandrierenden Laufs des Karl-Heine-Kanals nicht für alle Plagwitzer Firmen zu ermöglichen. Auch stellte die Anbindung an einen der vorhandenen Wasserläufe 97 keinen allzu wichtigen Faktor dar, denn zu Wasser ließen sich seinerzeit ausschließlich Schüttgüter wirklich kostengünstiger als auf der Schiene transportieren. Nichtsdestotrotz nutzten die Firmen mit direktem Zugang zum Wasser diesen Vorteil für ihre Unternehmen. Allerdings haben nur zwei der in dieser Arbeit untersuchten Firmen tatsächlich den direkten Zugang zum Wasser. Nämlich die Firmen Mey & Edlich sowie Tittel & Krüger, die beide am Lauf der Weißen Elster situiert waren. Die Bodenbearbeitungsgerätefabrik Sack, deren Firmengelände über mehrere hundert Meter am Lauf des Karl-Heine-Kanals lag, konnte den Wasseranschluss wegen der extrem steilen Böschung des Kanals in diesem Bereich nicht nutzen. Vom Wasser aus beziehungsweise vom gegenüberliegenden Ufer kann man heute am sogenannten Hochbau Mitte der Firma Tittel & Krüger kurz über dem Wasserspiegel in der Mauer lediglich eine einzige Türöffnung in der Wasserfront des Gebäudes zum Souterraingeschoss sehen (Abb.171). Auch aus den Bauzeichnungen geht keine größere Anzahl an Türen auf den Lauf der weißen Elster für das gesamte Firmenareal hervor. Ob und wenn ja inwieweit diese Tür tatsächlich für die Annahme von Heizmaterial oder Rohwolle genutzt wurde, konnte nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Allerdings sind auf Briefköpfen um 1907 im Bereich der rechten, rückwärtigen Ansicht des Unternehmens vom Wasser aus zwei kleine auf Wasserhöhe angebrachte Schuppen zu erkennen, die eine Funktion als Be- und Entladehäuschen nahelegen (Abb.88). Aufgrund der Abmessungen und der Singularität muss eine quantitativ umfangreichere Nutzung jedoch wohl für eher unwahrscheinlich angesehen werden. Im Lauf der Firmengeschichte der Papierwäschefabrik Mey & Edlich kam es kurz nach der Jahrhundertwende zu einem Kuriosum am Lauf der Weißen Elster: Am 31. August 1906 beantragten die mit einem Fabrikneubau beauftragten Architekten Händel & Franke die Konstruktion eines provisorischen Transportsteges parallel zum Flusslauf über der Elster, um so einen möglichst direkten Zugang der Bauarbeiter beziehungsweise einen kurzen Transportweg der Materialien zur Baustelle zu ermöglichen. Diesem Anliegen wird stattgegeben, und der Bootsanlegesteg der Firma wird für die Dauer der Bauarbeiten mit einem wesentlich größeren Transportsteg aus Holz überbaut.39 39 ” Acten des Rathes ... Nonnenstraße 5 ... Mey & Edlich” ; Vol. III, o.S. 98 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Wasserläufe nur eine untergeordnete Rolle bei der Verkehrsanbindung der Unternehmen spielte. Die Beispiele für eine formale Gestaltung dieser Bereiche sind daher rar. Heute ist die Wasserlage der Fabrikbauten allerdings häufig ein nicht unerheblicher, positiver Faktor bei der Entscheidungsfindung für den Kauf beziehungsweise die Sanierung leerstehender Industriebauten in Plagwitz, da der direkte Zugang zum Wasser durch Bootsanleger sowie das malerische Element sowohl Investoren als auch spätere potentielle Nutzer immer wieder fasziniert. III.4.2. Gebäudebrücken Ein weiteres funktionales Element der Fabriken waren die Gebäudebrücken. Häufig erst eine Weile nach dem Bau zweier Gebäude, vor allem ab den 1880er Jahren, aber auch direkt beim Neubau eines Produktionsgebäudes von Anfang an mit projektiert, waren diese Brücken vor allem Abkürzungen von Wegstrecken in der Produktion. Seit der 1856 in Germantown in Pennsylvania geborene Frederik Winslow Taylor mit seinen Ideen von der Rationalisierung von Produktionsabläufen zur Kostenersparnis bei gleichzeitiger Produktionssteigerung angetreten war, ließ eine Übernahme seiner Konzepte für den Bereich der Produktionsbauten nicht lange auf sich warten: “Aus der wissenschaftlichen Betriebsführung entwickelte sich schließlich der >Taylorismus des Bauens<, die Fabrikanlage wird zu einer einzigen großen Maschine. >>Das Streben zur funktionellen Form äußert sich darin, alle Arbeitsstufen möglichst schnell aufeinander folgen zu lassen, die Hindernisse zwischen einzelnen Stufen auszuschalten oder durch mechanische Hilfsmittel wie Aufzüge, Eisenbahnen o.ä. auf ein Minimum zu reduzieren. In mathematischer Sicht hieße das, in einem Weg/Zeit-Verhältnis zur Erhöhung der Geschwindigkeit den Wegfaktor auf den kleinsten Grenzwert zu reduzieren<<” 40 Diese Reduzierung war häufig durch den Einbau einer Gebäudebrücke zu erreichen. Auf diese Weise konnten Arbeitsschritte in verschiedenen Gebäuden auf einfachstem und vor allem kürzestem Wege direkt verbunden werden und die räumlichen Gegebenheiten optimal an das „ FließSchema des Produktionsablaufes“ 41 angepasst werden (Abb.172). 40 41 Wolfgang Müller-Wiener: „ Die Entwicklung des Industriebaus im 19. Jahrhundert in Baden“ ; Masch. Diss. Karlsruhe 1955; S.48 zitiert nach Fruehauf; S.24. ” Acten des Rathes ... Tittel & Krüger” ; 1892, o.S. 99 Bereits relativ kurz nach Beginn der Bebauung der Firmenareale in Plagwitz lassen sich auch Gebäudebrücken bei verschiedenen Firmen nachweisen. Bei der Firma Mey & Edlich wurde beispielsweise im Februar 1887 durch die Architekten Pfeiffer & Händel ein “...Verbindungsgang zwischen Arbeitssaal und Streicherei...” 42 beantragt (Abb.173); im September 1895 projektierte die Firma von C.F.Weithas & Nachf. eine wellblechverkleidete Verbindungsbrücke auf dem Grundstück (Abb.174) und im Juli 1907 wurde eine Fachwerkbrücke durch das Duo Händel & Franke verwirklicht (Abb.175), die den eben errichteten Neubau an der Elster mit einem älteren Gebäude verbindet. Anhand dieser drei Gebäudebrücken lässt sich, stellvertretend für die Gebäudebrücken aller Plagwitzer Firmen, ausgesprochen anschaulich nachweisen, dass es den Unternehmern, Architekten und Baumeistern bei der formalen Umsetzung dieser “rein funktionalen” Bauteile weder um Firmenrepräsentation noch um architektonische oder konstruktive Finessen oder Neuheiten ging. Beim Bau der Gebäudebrücken wurden Kosten und Nutzen gegeneinander abgewogen, neue Konstruktionen ausprobiert aber nicht postuliert und keinerlei Ansprüche an ein einheitliches Aussehen der verschiedenen firmeneigenen Brücken gestellt. Wie das Beispiel der drei Gebäudebrücken bei Mey & Edlich zeigt, entwickelten sich verschiedene Bautypen für dieses funktionale Element heraus. Es gab freitragende wie abgestützte Brücken, verputze, fachwerkene wie Wellblechkonstruktionen, es gab sie in verschiedenen Höhen und Stockwerken – je nach Fabrikationsfluss und Bedarf in allen erdenklichen Formen und Weisen. Als im Jahr 1906 in der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger der Bau eines neuen Produktionsgebäudes anstand, wurde von Anfang an der Bau einer flussüberspannenden Gebäudebrücke mit eingeplant, um durch die Verbindung den bereits erwähnten Produktionsfluss zwischen „Vorspinnerei und „ Spulerei“ beziehungsweise „Ringspinnerei“ zu optimieren (Abb.172). Im dritten und vierten Geschoss verbindet sie noch heute den bereits 1888 von Pfeiffer & Händel projektierten und 1897 durch Händel & Franke mit einem Anbau erweiterten sogenannten Hochbau West an der heutigen Nonnenstraße 21 mit dem 1906 wiederum von Händel & Franke diesmal in Stahlbeton der Firma Züblin aus Straßburg ausgeführten Produktionsneubau, den an der heutigen Holbeinstraße 14 gelegenen sogenannten Hochbau Süd (Abb.176). 42 ” Acten des Rathes ... Nonnenstraße 3-5 ... Mey & Edlich” ; Vol.II, o.S. 100 Häufig ließen sich die Plagwitzer Unternehmen ihre Gebäudebrücken durch Firmen aus der “Nachbarschaft” bauen. Vor allem ab der Jahrhundertwende, als die Verbindungsbrücken als Eisenkonstruktionen mit Ziegelausfachung beziehungsweise Wellblechverkleidung angelegt wurden, finden sich vornehmlich die Firmen C.F.Weithas & Nachf. sowie Grohmann & Frosch als verantwortliche Bauausführendein den Bauakten. So auch bei der bereits erwähnten freitragenden Gebäudebrücke, die sich die Firma Mey & Edlich im Jahr 1895 durch die Firma C.F.Weithas & Nachf. bauen ließ (Abb.173). Gebäudebrücken gibt es heute leider schon fast überhaupt nicht mehr. Auch hier spielt der Funktionsverlust die entscheidende Rolle. An vielen Stellen kommt es jedoch schlichtweg durch Abriss eines der beiden verbundenen Gebäude gezwungenermaßen zu einem „ Mit-Abriss“ der Gebäudebrücke (Abb.en 170 und 177 sowie 178). Verschärfte Anforderungen der Bau- und Feuersicherheit nach 1990 sowie stärkere substantielle Zerrüttung der Brücken im Vergleich zu den durch sie verbundenen Gebäuden wegen der größeren Ausgesetztheit haben in der Vergangenheit häufig zusätzlich dazu beigetragen, dass die damaligen oder heutigen Eigentümer – in vielen Fällen ist das die gegenüber den Fragen des Denkmalschutzes ausgesprochen ignorante Treuhand-Liegenschafts-Gesellschaft gewesen – einen diskussionslosen Abriss der Brücken veranlasst haben. Neben dem Funktionsverlust trägt das sich daraus zwangsläufig ergebende, häufig nur äußerst schwierig zu lösende Problem, eine sinnvolle Umnutzung für die Brücken zu finden, eine gewisse Mitschuld an deren Verschwinden aus dem Stadtbild von Plagwitz. An einer einzigen, ausgesprochen exponierten Stelle hat man heute die Gewissheit, dass eine solche ehemals zwei durch die Elster getrennte Produktionsgebäude verbindende Gebäudebrücke erhalten bleiben wird. Es handelt sich um die bereits weiter oben besprochene Brücke der ehemaligen Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger über die Weiße Elster. Diese Brücke wurde im Zuge der Sanierungs- und Umbaumaßnahmen des sogenannten Hochbau West an der Nonnenstraße 21 im Jahr 2001 zu zusätzlichem Wohnraum der „ Elsterlofts“ ausgebaut (Abb.179). Nicht immer lässt sich jedoch eine solche Lösung finden beziehungsweise verwirklichen. Auch scheint es nicht ideal, eine so fremde Nutzung für diese Brücken umzusetzen, denn das bedeutet in der Regel auch einen extremen Eingriff und häufig hochgradige Veränderungen der vorhandenen Substanz 101 (Vergleiche Abb.en 175 und 179!). Eine wirklich überzeugende Lösung wird es im Bereich dieser Gebäudedetails wahrscheinlich auch in Zukunft nicht geben. III.4.3. Souterrain- und Dachgeschosse für die Produktion Sowohl die Souterrain- als auch die Dachgeschossnutzungen boten sich natürlich hauptsächlich im Bereich der Textilindustrie, der Lager- und Warenhäuser sowie für die Verwaltungsbauten der Firmen an. Gänzlich ungeeignet waren sie hingegen für die Eisenverarbeitung und -montage der metallverarbeitenden Industrien. Aus diesem Grund finden wir bei den hier untersuchten Beispielen aus dem Bereich der Metallverarbeitung wie Rudolph Sack, Meier & Weichelt, Philip Swiderski und der Firma C.F.Weithas & Nachf. keine Ansätze zum Ausbau ihrer Fabrikgebäude in dieser Richtung. Hingegen sind bei den Geschossbauten der Textilfabrik von Tittel & Krüger, des Versandhauses Mey & Edlich sowie des Lagergebäudes der Firma Törpsch sowohl Souterrain- als auch Dachgeschosse von Beginn an mit projektiert worden. Mit der Zeit wuchs ihre Bedeutung für die Firmen stetig an und als Mey & Edlich im Jahr 1906 ihren Erweiterungsbau an der Elster mit “... einem Kellergeschoss, einem Erdgeschoss, 3 Obergeschossen und einem Dachgeschoss.” 43 bei der Stadt Leipzig anmeldeten, wurde von seiten der Unternehmer ziemlich viel Aufhebens gemacht, als die Stadt den Einbau eines benutzbaren Kellergeschosses verweigerte. Und das, obwohl der Einbau eines Kellergeschosses in so direkter Flussnähe einen gehörigen Mehraufwand bei Projektierung und Bau des Gebäudes bedeutete. Chronologisch betrachtet, lässt sich ein Wandel in der Konstruktion vor allem der Dach- und Obergeschosse beobachten. Bis Mitte der 1880er Jahre führte man die tragenden Dachgeschossinnenkonstruktionenen – im Gegensatz zu den gusseisernen Trägern der unteren Geschosse – noch fast ausschließlich in Holz aus (Abb.en 180 und 181), da man an dieser Stelle des Baus keine großen Lasten außer dem Dach selbst abfangen muss. In späteren Jahren ging man jedoch dazu über, sowohl in diesem Bereich als auch generell in allen oberen Geschossen – wie bereits seit geraumer Zeit in den unteren tragenden Geschossen zur Norm 43 „ Acten des Rates der Stadt, Mey & Edlich, Vol. III, ergangen: 1906.“ ; o.S. 102 geworden – ausschließlich Gusseisen- beziehungsweise Stahlkonstruktionen zu verwenden (Abb.182). Teilweise wurden sogar aus feuerschutztechnischen Überlegungen diese gusseisernen Stützen und Träger ummauert (Abb.183). Bei heute anstehenden Projektierungen zur Umnutzung der ehemaligen Fabrikbauten sind sowohl die Dachgeschossausbauten von damals sowie die bereits von Anfang an integrierten Souterraingeschosse von nicht zu leugnendem Vorteil. Sie erleichtern mitunter die umbaufreie Umnutzung von ehemaligen Produktions-, Lager- und Verwaltungsgebäuden zum Beispiel zu Wohngebäuden mit ausgebauten Dachwohnungen und zusätzlicher Tiefgaragennutzung, wie zum Beispiel die Elsterlofts in zwei ehemaligen Produktionsgebäuden der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger an der Holbeinstraße 14 und der Nonnenstraße 21. Vor allem der Souterrainbereich hat sich bei diesen beiden Objekten als positiv für die Umnutzung erwiesen, denn diese bereits 1888, 1897 und 1906 mit Untergeschoss errichteten Bauten erwiesen sich als ausgesprochen solide und trotz Wassernähe bis zum heutigen Tag als zuverlässig trocken. Das ist nicht selbstverständlich bei einem heute wieder ansteigenden Grundwasserspiegel in Leipzig, denn im Südraum der Stadt werden in einem großflächig angelegten Renaturierungsprojekt die stillgelegten Tagebaue der Braunkohlegewinnung geflutet, wegen denen jahrzehntelang der Grundwasserspiegel künstlich abgesenkt worden war. In beiden Fällen konnte dieser Bereich für den Einbau einer Garage genutzt werden, was in der Folge wiederum ausgesprochen förderlich für die Vermietung der Gebäude war, da man den Mietern Parkplätze in ausreichender Anzahl anbieten konnte. Im Dachbereich kommt es wegen der Neunutzung der damals bereits für Lagerung beziehungsweise Produktion voll ausgebauten Geschosse in beinahe allen Fällen zu einem beträchtlichen Umbau der vorhandenen Substanz. So wurden beispielsweise beim sogenannten Hochbau West der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger an der heutigen Nonnenstraße 21 die Dachfensteraufbauten (Abb.en 184 und 185) komplett entfernt und das Gebäude, ebenso wie beim jenseits der Elster liegenden Hochbau Süd, insgesamt um ein weiteres Stockwerk erhöht, um mehr vermietbare Wohnfläche zu schaffen (Abb.en 186, 187 und 188). Diese Umbauten im Dachbereich führen dazu, dass die authentische Fabrikgestaltung im Dachbereich ebenso wie andere, bereits genannte, produktionstypische Bauteile nach und nach verschwindet. 103 III.5. Gestalterische Elemente Da in vielen der in dieser Arbeit untersuchten Objekte bereits umfangreiche Sanierungsmaßnahmen erfolgt sind, kommt eine fundierte Untersuchung der Gestaltung der Gebäude und der hierbei verwendeten Elemente nur noch für den Außenbereich, sprich für die Fassaden in Frage. Allerdings muss auch hier wegen bereits stattgefundener Veränderungen mit größter Vorsicht der heutige Zustand kritisch mit dem ursprünglich gebauten und dokumentierten Originalzustand der Gebäude verglichen werden, soweit das anhand von vorhandenen Plänen und historischen Abbildungen noch möglich ist. Eissenhauer geht von drei grundlegenden gestaltbestimmenden Faktoren aus, durch die eine Fassade definiert wird: dem Material, der Formgestaltung (Stil) und der Massenstrukturierung.44 In dieser Untersuchung werden die beiden letztgenannten Kriterien zusammen in einem Abschnitt zur Fassadengestaltung analysiert und das Material wird – ebenso wie bei Eissenhauer – in einem gesonderten Abschnitt behandelt. Für diese Untersuchung schienen jedoch noch zwei weitere Gestaltungselemente von ausschlaggebender Bedeutung für die endgültige Erscheinung eines Gebäudes zu sein. Dabei handelt es sich zum einen um die Dachgestaltungen, die in der Üppigkeit ihrer Ausbildung auch formal sehr häufig in krassem Gegensatz zur Gestaltung der im übrigen eher schlichten Gebäudefassaden stehen, zum anderen werden hier die Freizeit- und Sozialeinrichtungen der Unternehmen in einem separaten Abschnitt abgehandelt, da sie häufig in ihrer äußeren Gestaltung wieder ganz eigenen Mustern folgen und ursprünglich natürlich funktional in einem völlig anderen Kontext standen. Die Beweggründe für die Auswahl der gestalterischen Mittel bei den Architekten und Baumeistern auf der einen sowie bei den Auftraggebern auf der anderen Seite werden in Abschnitt III.6. dieses Kapitels: “Der neue Machtanspruch der Industrie” näher untersucht. Als allgemein typisch für den untersuchten räumlichen und zeitlichen Bereich können baugliedernde Elemente wie breite Traufe mit Konsol- und anderen Friesen und symmetrisch angeordnete Mittel- oder Eckrisalite für die Gesamtorganisation der Gebäude beobachtet werden. Pilaster mit und ohne 44 Michael Eissenhauer: „Die Hamburger Wohnstiftungen des 19. Jahrhunderts“ ; in: „Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Hamburg“, Nr. 9; Hamburg 1987. S.55. 104 Basis- beziehungsweise Kapitellausformung sowie einfache Lisenen wurden zur vertikalen Gliederung verwendet, wohingegen umlaufende Backsteingesimse oder farblich stark abgesetzte Putzbänder – welche durch die kontrastreiche Kolorierung des extrem betonten Materialunterschiedes optisch sehr stark hervortreten – für die horizontale Strukturierung der Baumassen allseits verwendete Formalia sind. III.5.1. Materialien “Das Material trägt aufgrund seiner spezifischen natürlichen oder auch zugeschriebenen Qualitäten, manchmal aber auch nur durch Unterscheidung vom benachbarten Material etwas zur Bedeutung des Bildes bei. Insofern ist das Material ikonologisch aussagefähig, es kann Informationsträger sein.” 45 Insofern diese Aussage Bandmanns als Postulat gesetzt wird, scheint es interessant und wichtig, die untersuchten Bauten unter dem Aspekt ihrer Materialität zu analysieren. Das an Plagwitzer Industriebauten am häufigsten sichtbar und unsichtbar verwendete Material ist der Backstein. Es legt unter diesem Gesichtspunkt eventuell bereits wichtige Grundaussagen über die Produktionsgebäude fest. Ein Backsteinrohbau, wie auch Michael Eissenhauer Bauten bezeichnet, die ausschließlich aus beziehungsweise mit diesem Baumaterial konstruiert und gestaltet wurden, sollte etwas generell anderes aussagen als ein Natursteinrohbau oder ein Putzbau. Und tatsächlich wurden diese Bauten sowohl vom Betrachter als auch vom Fachpublikum grundlegend unterschiedlich rezipiert. Um weiter mit Eissenhauer zu sprechen: der “Backstein [wird] als Bedeutungsträger” verwandt.46 ”Das Material determiniert durch seine technischen Möglichkeiten, seine Struktur, seine farblichen Qualitäten und insbesondere durch seinen Bedeutungskontext primär die ästhetische Wirkung und damit die ‚Botschaft‘ einer Fassade.” 47 45 Günter Bandmann: „Bemerkungen zu einer Ikonologie des Materials“ , in: „ StädelJahrbuch NF 2; Frankfurt am Main 1969; S.77. 46 Eissenhauer benennt ein Kapitel seiner Arbeit danach; S.56-67. 47 Eissenhauer; S.55. 105 Da es sich in der 1987 publizierten Untersuchung Eissenhauers jedoch um eine gänzlich andere Bauaufgabe – nämlich Die Hamburger Wohnstiftungen des 19. Jahrhunderts – handelt, ist die Aussage, die dort gemacht wurde nur teilweise identisch mit den Aussagen, die man durch die Industriebauten in LeipzigPlagwitz vermitteln wollte. Es gab jedoch auch bei diesen scheinbar grundlegend verschiedenen Bauaufgaben eine Art “kleinsten gemeinsamen Nenner”, eine sozusagen werkstoffimmanente Aussage, die in beiden Fällen durch die Verwendung von Backstein impliziert wurde. Im 19. Jahrhundert entbrannte eine grundsätzliche Debatte über die Art des Bauens. Ausgelöst durch Hübschs den “ Rundbogenstil” favorisierende Streitschrift “In welchem Style sollen wir bauen?” von 1828 formierte sich erstmals eine Gegenposition zum Klassizismus. Eine der grundlegenden Forderungen dieser Diskussion – das Postulat konsequenter Durchführung materialgerechten Bauens und entsprechender Formgebung – löste ab Beginn der 1870er Jahre eine lang andauernde Debatte in der „Deutschen Bauzeitung“ aus.48 Aus dieser nicht nur auf Zeitschriftenebene ausgetragenen Debatte wird zumindest eines ganz deutlich: Die Verwendung von Backstein wird im Zusammenhang mit bestimmten Bauaufgaben allgemein positiv bewertet, in Verbindung mit anderen jedoch beinahe generell abgelehnt. Für Wohnhausbauten beispielsweise wurde der reine Putz- beziehungsweise der Naturstein- und Putzmischbau gefordert, für Produktions-, Lager- und Geschäftshäuser hingegen gab es eine hohe Bereitschaft, Backsteinrohbauten zu favorisieren: “... Insofern ist auch die Umsetzung des Backsteinbaus in den Architekturformen ... [der Stiftungsarchitektur] ... eher nur ein zusätzliches Mittel zur Symbolisierung des gleichen Zwecks, der die Backsteinbauweise auch für Schulen, Verwahranstalten, Gefängnisse und insbesondere auch Fabriken geeignet erscheinen ließ: Ohne partiell erzieherische und regulative Eingriffe in das Persönlichkeitsgefüge seiner ‘Insassen‘ vermag keine dieser “totalen Institutionen” zu funktionieren.” 49 48 Zur Diskussion über den Einsatz des Backsteins und die beiden unterschiedlichen Grundpositionen der Debatte im 19. Jahrhundert vgl. Eissenhauer S.58ff! 49 Eissenhauer; S.79. Zur Definition des Begriffs “totale Institution” verweist Eissenhauer auf Erving Goffmanns Schrift “Asyle” von 1972 (Frankfurt am Main). 106 Alles in allem lässt sich eine gewisse Hierarchie der Baustoffverwendung feststellen. Häufig sollte durch den Einsatz unterschiedlicher Baustoffe vom Betrachter eine Rangfolge der unterschiedlichen Zweckbestimmungen der Gebäude gefolgert werden, die von Architekt und Bauherr bereits durch die Wahl unterschiedlicher Fassadenmaterialien veranschaulicht worden war. Das trifft im groben Stil auch auf die untersuchten Objekte in Leipzig-Plagwitz zu. Es muss jedoch angemerkt werden, dass ein allzu simples Entsprechungsmuster im Einzelfall nicht bei jedem Gebäude greift. So bedeutete die komplett verputzte Fassade des bereits vor 1869 fertig gestellten ehemaligen Fabrikantenwohnhaus von Dambacher & Mügge (Erweiterung durch Winkler 1873) an der heutigen Alten Straße 29 tatsächlich eine Nobilitierung dieses Gebäudes gegenüber den aus Holz und teilweise aus Backstein gefertigten Lagerschuppen auf dem Gelände der Eisengießerei (Abb.97). Gegenüber dem ebenfalls vor 1869 als kompletter Putzbau angelegten ehemaligen Arbeitsschuppen nebst Schmiede, inklusive des 1869 durch Mosenthin projektierten Erweiterungsneubaus, erfährt das Wohnhaus des Fabrikanten eine Aufwertung jedoch allein durch die wesentlich aufwendiger gestaltete Straßenfront. Während die Schmiede sich zur Straße hin mit einer einfach strukturierten 4-achsigen und zweigeschossigen Fassade präsentiert, bei der nur äußerst schlicht und flächig gestaltete Lisenen und Bandgesimse ein kastenförmiges Raster bilden (Abb.189), ist die Schaufront des Wohnhauses ausgesprochen auffällig strukturiert und gestalterisch sehr aufwendig profiliert (Abb.190). Sie ist zunächst einmal in doppelter Hinsicht, sowohl vertikal als auch horizontal, dreigeteilt und wird durch einen sowohl nach oben als auch nach vorn aus der Gebäudekubatur heraustretenden Risalit zur Mitte und somit zum Eingang hin gesteigert. Die Fenster dieser Fassade sind ausnahmslos Zwillingsfenster, diese wiederum wurden im ersten Obergeschoss im zentralen Teil durch einen stark profilierten Überfangbogen und in den beiden lateralen Bereichen durch eine ebenfalls stark profilierte sturzartige gemeinschaftliche Verdachung noch einmal gesondert als Einheit betont (Abb.191). Der Mittelrisalit ist zudem an den beiden Seiten, ebenso wie die Ecken des Gebäudes, durch Pilaster mit Basis, Kämpfer und Kapitell, die den Bereich des Erdgeschosses sowie den des ersten Obergeschosses durch eine kolossale Ordnung verbinden, zusätzlich gegliedert (Abb.192). 107 Allgemein lässt sich feststellen, dass außer bei geschlossenen oder teilweise offen angelegten Lagerschuppen sowie gänzlich offenen Überdachungen von Lagerflächen auf den Firmengeländen aller hier untersuchten Unternehmen der Baustoff Holz bestenfalls im Dachbereich sichtbar Verwendung fand. Die Schuppen hingegen wurden aus funktionalen und rationellen Gründen nahezu ausnahmslos in einfachster Bauweise aus Holz projektiert. Diese Entscheidung für den “ Billigbaustoff” Holz ist nur allzu verständlich, wenn man bedenkt, dass die Firmengelände aufgrund des Unternehmenswachstums gewissermaßen ständig in Umstrukturierung befindlich waren und die Lagerung keineswegs ein direkt in die Produktion eingebundener Bestandteil war, sondern eher eine notwendige Nebenaufgabe für die zweifelsfreie Gewährleistung kontinuierlichen Nachschubes an Rohstoffen und Energieträgern für die ununterbrochene Produktion der Firmen darstellte. Bei der Firma von Rudolph Sack wurden jedoch darüber hinaus auch fast alle Produktionsgebäude der frühen Jahre, also bis circa 1870, mit einer einfachen Holzfachwerkkonstruktion mit Ziegelausfachung und Glattputzüberzug konzipiert und umgesetzt, und bis Ende der 1890er Jahre hinein baute man bei Sack die Dachgeschosse komplett als Holzkonstruktionen (Abb.181). Diese Verwendung von Holz für den Dachbereich ist allerdings kein auf Sack beschränktes Phänomen (Abb.180), bei den meisten der anderen Firmen geht man jedoch bereits einige Jahre vorher dazu über, auch im Dachbereich zumindest die Stützen der Konstruktion aus Gusseisen zu bauen (Abb.182).50 Häufig wurde die Verwendung von Holz im Bereich der Dachkonstruktion auch im äußeren Bereich der Gebäude sichtbar gemacht. Weit auskragende Dächer bei Sack (Abb.102) oder auch bei dem oben beschriebenen Arbeitsschuppen nebst Schmiede der Firma Dambacher & Mügge von 1869, der als schlichter Putzbau von Mosenthin ebenfalls mit einem weit hervor kragenden Dach ausgestattet wurde (Abb.193). Jedoch verzichtete man beim Fabrikbau in Plagwitz beinahe komplett auf die Einbringung von Sichtfachwerk und Holzverkleidungen bestimmter Bauteile in der Gestaltung der Außenfassaden der Fabriken. Im Wohnungsbau hingegen waren diese formenden Elemente bei der Fassadengestaltung ab den 1880er Jahren äußerst beliebt (Abb.en 194 und 195). Meist im Bereich des obersten Geschosses wurde ein Teil der Fassade ganz im 50 Vgl. dazu auch Abschnitt III.4.3. Souterrain- und Dachgeschosse dieser Arbeit! 108 Stil der aus England bis nach Sachsen herüber wirkenden Arts & Crafts Bewegung mit spielerischem Ornamentalfachwerk ausgeschmückt. Eine Vorliebe, die sich vor allem an Häusern und Villen der großbürgerlichen Viertel der Stadt Leipzig, wie beispielsweise im Waldstraßenviertel, manifestiert, wo teilweise ganze Straßenzüge dergleichen Schmuckelemente aufweisen (Abb.en 196 und 197). Aber auch im „Arbeiterviertel“ Plagwitz befanden und befinden sich noch heute, zumindest was den Bereich der Wohnhausbauten anbelangt, mehrere Beispiele dieses gestalterischen Elements (Abb.en 198 und 199). Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass sowohl Holz als auch Putz bei der Gestaltung der äußeren Erscheinung der Fabriken und Firmengelände eine stark untergeordnete Rolle spielten. Aber auch ein weiterer, am Ende des 19. Jahrhunderts ansonsten äußerst beliebter Baustoff – der Naturstein – fand bei der Projektierung und endgültigen Ausformung der Plagwitzer Fabriken kaum Berücksichtigung. Im Gegensatz zu den beiden anderen Metropolen der sächsischen Industrie – Chemnitz und Dresden – wurde in ganz Leipzig, vor allem aber in Plagwitz auf die Verwendung von Naturstein beim Industriebau fast vollständig verzichtet. Wie in Kapitel I.2.1. Industriearchitektur in Sachsen bereits an einigen repräsentativen Beispielen ausgeführt, erfreute sich der bossierte, glatt behauene und gequaderte oder auch nur einfach behauene Feldbeziehungsweise Naturstein in der Fabrikarchitektur ausgesprochener Beliebtheit.51 Häufig sollte dem Industriebau durch einen solchen Natursteinsockel beziehungsweise durch die Gestaltung der Gebäudeecken mit unterschiedlich bearbeitetem Naturstein eine historische Beständigkeit einverleibt werden. Dieser ideologische Impetus arbeitet dabei auf zweierlei Ebenen: zum einen vermittelt solch ein wuchtiger Sockel die Aussage eines ungeheuer stabilen Fundaments nicht nur bezüglich des Gebäudes selbst, sondern natürlich auch im Hinblick auf das Unternehmen; und zum zweiten stellen die hierbei gemachten vielfältigen formal-gestalterischen Anspielungen auf verschiedene historische Architektur- und Bauvorlagen auch eine Verwurzelung in der Architektur- und Menschheitsgeschichte dar, die wiederum die Dauerhaftigkeit und Beständigkeit sowohl des Baus als auch des Unternehmens im weiteren Geschichtsverlauf repräsentieren soll. Da die Verwendung von Naturstein als Baustoff aus ideologischen Gründen vorgenommen wurde, ist die Entscheidung gegen diesen Baustoff gleichermaßen im ideologischen Bereich zu suchen. 51 Vgl. dazu außerdem die beiden Publikationen „Industriearchitektur in Chemnitz“ und „Industriearchitektur in Dresden“ ! 109 Der hauptsächliche Beweggrund bei der Materialentscheidung für den Backstein ist bereits ausgeführt und belegt worden. An dieser Stelle soll lediglich noch einmal unterstrichen werden, dass diese materialimmanente Aussage offensichtlich von höchster Bedeutung für die Auftraggeber war, denn einmal abgesehen von den Fabrikbauten mit direkter Wasserlage, wie beispielsweise die Uferaufmauerung des sogenannten Hochbaus Mitte der Firma Tittel & Krüger (Abb.200) oder auch die direkt am Lauf der Weißen Elster gelegenen Gebäude der Firma Mey & Edlich (Abb.201), findet sich Naturstein in den Fassaden der Firmengebäude in Plagwitz nur sehr spärlich, und wenn, dann als gestalterisches Schmuckelement an den repräsentativen Bauteilen der Unternehmen wie beispielsweise an der Fabrikantenvilla, den Verwaltungsund Konstruktionsgebäuden oder den Schaufronten der Firmen zur Straße hin. Für die Verwendung von Naturstein in der eben beschriebenen Weise seien hier lediglich zwei Plagwitzer Gebäude, nämlich das Verwaltungsgebäude von Unruh & Liebig an der heutigen Naumburger Straße 28 (Abb.en 202 und 203) und die ehemalige Fabrikantenvilla der Firma Rudolph Sack an der heutigen Karl-Heine Straße 101 (Abb.204) als stellvertretende Beispiele genannt. Interessant ist bei beiden gleichermaßen die offenkundige Rücknahme der Bedeutung beziehungsweise Wertigkeit des Natursteins durch die ausgesprochen ungebräuchliche Art der Verwendung. Während Robert Röthig an der Straßenfront von Unruh & Liebig den in Sachsen so beliebten und typisch gelben, sächsischen Sandstein zur Fenstergestaltung einsetzte, gestaltete Pfefferkorn die Villa auf dem ursprünglich der Firma Götjes und Kästner zugehörigen, später dann von Sack übernommenen Grundstück mit Klinker und Granithausteinen. In beiden Fällen ist jedoch nicht so sehr die Wahl des Materials, sondern vielmehr die Art und Weise seines Einsatzes von Interesse. Während bei der 1896/97 durch Röthig errichteten Fassade von Unruh & Liebig – adäquat übrigens zur von Carl Brömme 1899 beim Bau des Fabrikantenwohnhauses und des Verwaltungsgebäudes der Firma Kratzsch & Pozzi verwirklichten Gestaltung (Abb.205) – zwar die Verwendung von Sandstein für die Gestaltung der Fensterlaibung beziehungsweise der Fensterverdachung zur Umsetzung kam, geschah dies jedoch nicht in der sonst allgemein üblichen Gesamtgestaltung aus diesem „nobleren“ Material, wie sie zur damaligen Zeit auch in Plagwitz an fast sämtlichen Wohnhausgestaltungen zum Einsatz kam. Röthig verwendet den Sandstein lediglich zur Markierung von Beginn und Ende des ansonsten aus vertikal angeordneten Ziegeln bestehenden 110 Segmentgiebels über den halbrund nach oben abschließenden Fenstern der oberen Geschosse sowie als Eckmarkierung der einfachen Waagerechtverdachung der Fenster des Hochparterres. Zur Hauptachse des linksseitig angeordneten Seitenrisalits, der Eingang und Treppenhaus des Unternehmens markiert, steigerte er die Sandsteinverwendung in den Fensterverdachungen durch die Einfügung eines ebenfalls sandsteinernen Schlusssteines im Scheitelpunkt des Segmentbogens beziehungsweise über der Mittelachse der nach oben gerade abschließenden Fenster sowie der Eingangstüren. Allerdings verzichtete Robert Röthig hierbei – im Gegensatz zur Gestaltung von Kratzsch & Pozzi durch Carl Brömme – auf eine weitere Betonung der Mittelachse der Fensterverdachung durch die räumliche Erhabenheit dieses Schlusssteins im Kontext der ansonsten völlig flachen Fassade. Das Steigerungsvorgehen von Robert Röthig in Bezug auf die Verwendung von Sandstein in der Firmenfassade kulminiert in dem sich über der Mittelachse des Risalits erhebenden, beinahe komplett aus Sandstein gebildeten Blendgiebel, der die Firmeninschrift trägt und so gleich in mehrfachem Sinne den ästhetischen und aussageimmanenten Höhepunkt der Fassade bildet. Bei dem Pfefferkornschen Gebäude der Villa, auf dem späteren Grundstück der Firma Sack (Abb.204), ist die weiter oben bereits angesprochene Sockelgestaltung, wie man sie bei den Industriebauten in Dresden und Chemnitz so häufig findet, in einer Art aufgeweichter Variante verwirklicht worden. Pfefferkorn ließ im Bereich des Sockels für die Gestaltung der weniger bedeutsamen Fläche zum Füllen der Wand zwischen den Fenstern des Kellergeschosses grob behauene Granitsteine einsetzen, die konstruktiv relevanteren Fensterumfassungen jedoch ließ er in Backstein ausführen und dadurch akzentuieren. Eine Vorgehensweise, die in identischer Form an dem direkt am Wasser gelegenen Gebäude der Firma Mey & Edlich an der heutigen Ernst-Mey-Straße 1 umgesetzt wurde (Abb.201) und die sich antonym zu dem sonst üblichen Einsatz dieses gestalterischen Mittels verhält. Es hat damals tatsächlich firmeninterne Unterschiede bei der Wahl der Materialien für verschiedene Gebäude gegeben, wobei natürlicherweise die unterschiedlich hohen Kosten für die verschiedenen Materialien auch eine hierarchische Wertigkeitsstruktur innerhalb der Unternehmen bewirkten. Simplifizierend lässt sich zusammenfassen, dass sich die Wertigkeit eines einzelnen Gebäudes innerhalb des jeweiligen Firmenkomplexes vom Betrachter 111 oft anhand der Materialwahl bei seiner Gestaltung verifizieren ließ. Allerdings muss hierbei angemerkt werden, dass am Ende jedoch erst das Zusammenspiel von Gebäudestruktur, gestalterischer Ausformung der Fassade und die Materialwahl eine inhaltliche Zuordnung der Gebäude ermöglichte. Naturstein konnte an jedem Gebäude des Unternehmens Verwendung finden, ob es sich dabei um die Fabrikantenvilla, ein Verwaltungs-, Produktions- oder Lagergebäude handelte, spielte keine entscheidende Rolle. Vielmehr bestimmten hauptsächlich Form und Kontext des Einsatzes der unterschiedlichen Werkstoffe über die Aussage, die Bauherr und Architekt dadurch machen wollten und die letztendlich vom Betrachter zum Teil unbewusst herausgelesen wurde. Neben der werkstoffimmanenten Bedeutungstypologie spielte aber auch die Materialchronologie in gewissem Sinne eine entscheidende Rolle bei der Auswahl der eingesetzten Baustoffe. Die chronologische Komponente lässt sich am besten anhand der frühesten Unternehmensgründungen in Plagwitz – also der Eisengießerei von Mügge & Dambacher sowie der Maschinenbauanstalt von Rudolph Sack – untersuchen. Bei letztgenanntem fällt dies besonders leicht, da sich hier nicht nur die lange Entwicklungszeit von der erneuten Firmengründung in Plagwitz im Jahr 1863 mit 5 Angestellten in angemieteten Räumlichkeiten bis zum blühenden Großunternehmen des Jahres 1913, in dem man das 50. Firmenjubiläum mit einem Exportanteil von 72 % , mit circa 2 000 Mitarbeitern auf einer Gesamtfläche von ungefähr 75 000 Quadratmetern feiern konnte, verfolgen lässt. In dieser Zeit fand eine ungeheure Expansion der Firma statt. Zunächst agierte das Unternehmen einige Jahre lang von angemieteten Räumlichkeiten aus, was damals bei Neugründungen keineswegs ungewöhnlich war. Die ersten Gebäude, die Rudolph Sack dann ab 1867 durch Wilhelm Pfefferkorn, Carl Brömme und Louis Winkler bauen ließ, waren meist nur einoder zweigeschossige Gebäude, deren Fassaden beinahe ausnahmslos komplett glatt verputzt wurden (Abb.102). Es handelte sich dabei in den ersten Jahren entweder um mit Ziegeln verfachte Holzstützenkonstruktionen beziehungsweise um Ziegelverbundmauerwerk, auf das mit Dachpappe belegte einfachen Holzdachkonstruktionen aufgesetzt wurden (Abb.206). Lagerschuppen und Stallungen wurden zum Teil komplett aus Holz errichtet, ein Verfahren, das sich im entsprechenden Zeitraum auch bei anderen Firmen beobachten lässt (Abb.en 207 und 208). Spätestens ab den 1880er Jahren wurden beim Bau aller Firmengebäude gusseiserne beziehungsweise stählerne Stützen, Träger und Binder als konstruktive Elemente verwendet (Abb.en 180 und 182), und bei der 112 Dachgestaltung fanden vermehrt Glasdächer, Oberlichtein- und -aufbauten sowie Sheds Anwendung (Abb.en 184 und 185). Nach und nach wurden auch die Holzschuppen durch Steinhäuser ersetzt und die gusseisernen Stützen und Träger wichen ihren Nachfolgern aus armiertem Beton (Abb.en 146 und 147), der mit der Zeit auch das Ziegelverbundmauerwerk der Außenhaut ersetzte. Der erste, bereits 1903/04 von Händel & Franke projektierte Stahlbetonbau in Leipzig-Plagwitz ist das – jedoch erst 1906/07 verwirklichte – Produktionsgebäude der Firma Mey & Edlich an der Nonnenstraße 5. Er wurde jedoch nach außen durch eine Verblendung als Klinkerbau präsentiert. Das gleiche Verfahren wurde für das bereits 1906 fertig gestellte Gebäude der Sächsischen Wollkämmerei AG vormals Tittel & Krüger in der heutigen Holbeinstraße 14 angewandt. Hier wurde das konstruktive Stahlbetonskelett mit einer davor geblendeten Klinkerfassade mit Putzband- beziehungsweise Natursteinelementen zur Gliederung versehen. Lediglich die Solbänke oder die Fensterstürze verleihen diesen beiden Gebäuden durch die äußerliche Verwendung von Sichtbeton eine Art „Guckloch“ auf den eigentlichen Charakter der Bauten, der sich im Inneren natürlich ohne jede Verblendung ganz funktional offenbarte (Abb.en 135, 209 und 210). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Verwendung von Backstein bei der Werkstoffwahl im Plagwitzer Industriebau als führend und in gewissem Sinne auch richtungweisend betrachtet werden muss. Entscheidend ist bei der Wahl eines bestimmten Baustoffs nicht nur der Preisvorteil gegenüber anderen Materialien gewesen, sondern mindestens ebenso wichtig waren die durch ihn zu realisierenden werkstoffimmanenten Aussagen der Fabrikbauten: “In allen Verwendungsformen tritt der einzelne Backstein aber nicht nur als Materialstück hervor, sondern er markiert ... sich selbst als zwar kleinsten aber konstituierenden Bestandteil der Fassade.” 52 Der Backstein als markantester und prägendster Baustoff im gesamten Quartier soll – adäquat zur Aussage, die Eissenhauer als Kerngedanken der Backsteinverwendung im Stiftungswohnungsbau in Hamburg für das 19. Jahrhundert erkennt – auch hier ausdrücken, dass nur durch das harmonische und „von oben“ reglementierte Zusammenspiel der vielen, im Einzelnen unbedeutenden Teilstücke ein reibungslos funktionierendes großes Ganzes entstehen kann, das zu mehr in der 52 Eissenhauer; S.67. 113 Lage ist als die Summe der Einzelteile. Eine Aussage, die auch innerhalb dieser Bauaufgabe hervorragend als implizierte Grundaussage verstanden werden kann. Ebenso wie der Einzelne sich innerhalb einer Stiftung der Gemeinschaft und ihren Regeln unterwerfen muss, um nicht ausgestoßen zu werden, muss auch der Arbeiter innerhalb der komplexen, bis ins Detail aufeinander abgestimmten Prozesse der Produktion als “ Rädchen” funktionieren, um nicht als “Hemmschuh des Getriebes” entlassen zu werden. Diese Kernaussage lässt sich tatsächlich mühelos vom Stiftungswohnungsbau auf den Bereich der Produktion übertragen. Welche Rolle hierbei der zusätzliche Faktor Zeit sowie zeitangepasstes Handeln spielte und welcher Ausdruck dafür gefunden wurde, soll im nachfolgenden Abschnitt untersucht und geklärt werden. Weiterhin lässt sich der Backstein durch seinen Form- und Farbreichtum hervorragend für eine subtile und doch preisgünstige Gestaltung der Fassaden verwenden: “Mit Hilfe der natürlichen Farbqualitäten des Backsteins war es also möglich, einem Gebäude bereits durch die Wandmauerung auch gestalterische und akzentuierende Qualitäten zu verleihen” 53 Diese Form der Gestaltung findet sich beinahe bei jedem der in dieser Untersuchung vorgestellten Bauten. Daher seien an dieser Stelle nur die interessantesten und charakteristischen Vertreter etwas genauer analysiert. Eines der stellvertretenden ausgewählten Beispiele ist die Straßenfront der Firma Törpsch an der heutigen Naumburger Straße 25. Die Gestaltung dieser Fassade spielt in für Plagwitz einzigartiger Weise mit verschiedenen formalen Elementen. Ein besonders augenfälliges Charakteristikum stellt dabei die ungewöhnliche Betonung der Mauerstärke des Gebäudes zur Straße hin dar54. Das wird bei einem Vergleich von Vorder- und Rückansicht besonders deutlich (Abb.en 86, 211 und 212). Natürlich wurden an dieses als Lagerhaus für Maschinen, Maschinenteile sowie Roh- und Werkstoffe geplante Bauwerk im Zusammenhang mit den zu erwartenden extrem hohen Traglasten höchste Anforderungen in Bezug auf Stabilität und statische Festigkeit gestellt. Aber zum Zeitpunkt des Baus war man durchaus in der Lage, diesen Anforderungen durch eine konstruktive Lösung im Inneren gerecht zu werden. Es gab in jedem Fall vom statischen Standpunkt aus keine Notwendigkeit, die Tragfähigkeit des Gebäudes durch 53 54 Eissenhauer; S.57. Vgl. auch Abschnitt III.3. Anforderungen unterschiedlicher Industriezweige und ihre bauliche Umsetzung der Arbeit! 114 überdurchschnittliche Mauerstärken herzustellen. Das würde allerdings bedeuten, dass diese auffällige Betonung der Mauertiefe programmatisch zu begründen sein muss. Eine These, die zusätzlich durch baugeschichtliche Fakten erhärtet wird, denn der ursprünglich beim Bauamt der Stadt eingereichte Entwurf sah eine komplett andere Fassadengestaltung der Straßenfront vor. Im August 1901 wurde für die Firma Törpsch durch den Architekten Alfons Berger ein recht extravaganter 11-achsiger, dreigeschossiger Jugendstilbau projektiert (Abb.155). Dieser wurde von Bauinspektor Bastine jedoch mit recht dürftigen Beanstandungen abgelehnt. Trotz der lediglich ”kleinen Mängel” der Bastine’schen Liste wurde bereits im September desselben Jahres durch Händel & Franke ein völlig anderes Neubauprojekt eingereicht und alsbald auch umgesetzt (Abb.153). Das Konzept dieses Baus offenbart den eigentlichen Ablehnungsgrund für Bergers Projekt: es war schlicht zu verspielt, zu modern und äußerlich zu wenig konform mit der übrigen Bebauung der Straße. Bei dem Bau von Händel & Franke handelte es sich hingegen um einen optisch gänzlich angepassten und traditionell strukturierten, 13-achsigen, viergeschossigen Klinkerfassadenfabrikbau. Einzig die optisch ins Blickfeld gerückte Mauerstärke und seine relative farbliche Homogenität unterscheiden ihn von den übrigen Bauten dieses Abschnitts der Naumburger Straße. Die vielfachen Abtreppungen in der gestalteten Klinkerfassade, auch an Stellen, wo das ausschließlich der Verzierung dient (Abb.en 213, 214 und 215), bestätigen im formal gestalterischen Bereich die bereits durch die Fakten der Baugeschichte nahegelegte These, dass die Stärke und Festigkeit des Gebäudes besonders betont werden sollte. Da leider keinerlei Schriftverkehr zwischen Auftraggeber und Architekten erhalten geblieben ist, muss an dieser Stelle auch auf eine möglicherweise stichhaltige Begründung dieser These verzichtet werden. Sogar bei der Firma Sack, bei der nahezu alle Gebäude komplett verputzt wurden, ließ man einige Nebengebäude durch farbige und anders ausgerichtet verlegte Ziegelmuster verzieren (Abb.en 216 und 217). Ähnlich geartetes Dekor findet sich auch heute noch bei fast allen übrigen in dieser Untersuchung vorgestellten Objekten: so zum Beispiel in Form von komplett umlaufenden, gelben Bändern an der gesamten Außenhaut der Konsumbäckerei (Abb.en 218, 219 und 220) oder bei der bogenförmigen Auslegung der Backsteine und ihrer farbigen Gestaltung über den Fenstern des seitlichen Risalits von Unruh & Liebig (Abb.en 202 und 221), an den wandgliedernden Profilbändern und den beinahe friesartig unterlegten Kranzgesimsen bei Kratzsch & Pozzi (Abb.en 205 115 und 222), bei dem beinahe schon expressionistisch anmutenden Dekorum am Treppenhausturm des sogenannten Hochbaus Mitte von Tittel & Krüger (Abb.223), an der farbigen Gestaltung der Klinkerfassade sowie dem seitlichen Giebel eines der Produktionsgebäude von Mey & Edlich an der Weißen Elster (Abb.en 224 und 225) und an der Straßenfront der Gebrüder Brehmer (Abb.152). Auch die Firma Phil. Swiderski entschied sich für eine entsprechende Verzierung ihrer unter stilistischem Gesichtspunkt ansonsten für Plagwitz eher untypisch gestalteten Fassade (Abb.226). Ausnahmen in diesem Bereich stellen lediglich die Firmen Dambacher & Mügge (Abb.en 189 und 190) sowie Meier & Weichelt (Abb.en 82 und 127) dar, deren Firmengebäude allesamt komplett verputzt wurden. Allerdings wird eine genaue Analyse dieses Umstands dadurch erschwert, dass von der zuletzt genannten Firma heute keines der Plagwitzer Gebäude mehr vorhanden ist und von der erstgenannten nur noch ein kleiner Bruchteil des eigentlichen Bestandes Krieg, nachfolgende Umbaumaßnahmen und vor allem die Sanierungswelle nach 1990 überstanden hat. Tatsächlich lässt sich die soeben gemachte Aussage nach einem genauen Studium der Bauakten nur für die Firma Meier & Weichelt verifizieren, denn eine Bauzeichnung von 1900 zeigt ein durch Händel & Franke errichtetes Werkstattgebäude der Firma Gustav Mügge & Co, das eine typisch gestaltete Klinkerfassade aufweist (Abb.128). Ein anderes ausgesprochen markantes und für Plagwitz typisches Merkmal, welches sich ansonsten in Leipzig, Sachsen und auch andernorts nur in wesentlich zurückhaltenderer Form findet, sind die gliedernden Horizontalbänder aus naturfarbenen Glattputz. Durch ihre Helligkeit und Leuchtkraft kontrastieren sie mit den ansonsten meist in rotem Klinker gestalteten Fassaden der Fabriken. Sie laufen fast immer in die Breite und betonen so die Horizontale der Bauten. Besonders häufig finden sich solche Putzbänder an ausgesprochen breit gelagerten Gebäuden beziehungsweise auch als bauwerkübergreifendes Formelement, welches Gebäudekomplexe oder sogar ganze Straßenfronten zusammenfasst, wodurch für den Betrachter eine Art optische Sogwirkung in die räumliche Tiefe entsteht. Besonders augenfällig wird dieser Aspekt in der Naumburger Straße zwischen der Gießer und der Zschocherschen Straße (Abb.95) sowie im Bereich des heutigen Elsterparks in der Nonnenstraße (Abb.124). Sollte an dieser Stelle die Größe und Potenz eines einzelnen Unternehmens noch einmal besonders unterstrichen werden, so hatte man in der 116 Naumburger Straße bei vielen verschiedenen Firmen auf den gleichen Effekt gesetzt, auch wenn dem Betrachter natürlich schnell klar wurde, dass nicht alle der formal aufeinander abgestimmten Gebäude zum gleichen Unternehmen gehörten. Die beeindruckende Monumentalwirkung blieb dennoch bestehen. Abschließend muss konstatiert werden, dass der Backsteinrohbau in der enggefassten Definition von Eissenhauer für die Industriearchitektur in Plagwitz eine eher untergeordnete Rolle spielt. Hier konnte sich die Form des Mischbaus, 55 vor allem in Form des durch helle Putzbänder horizontal gegliederten Backsteinbaus, mit gloriosem Triumph durchsetzen. Sowohl die Architekten und Baumeister als vor allem auch ihre Auftraggeber wollten sich bei der Gestaltung ihrer Firmenfassaden einen größtmöglichen Spiel- beziehungsweise Freiraum offen halten. Außerdem setzte sich im ausgehenden 19. Jahrhundert, ganz speziell aber in der Zeit zwischen 1875 und 1895, vor allem im Wohnungsbau in vielen deutschen Städten der Mischbau durch. In Leipzig und damit auch in Plagwitz lässt sich diese Entwicklung mühelos durch eine Unzahl von Beispielen belegen. Da es sich bei Plagwitz um ein einzigartiges Wohn- und Industrie-Mischquartier handelt, ist es in diesem Zusammenhang wohl als selbstverständlich anzusehen, dass eine gegenseitige Beeinflussung von Wohn- und Industriearchitektur statt fand, die vor allem für die Industriearchitektur eine optische Anpassung an das Wohnumfeld mit sich brachte. Die ohnehin schwierige Allianz von Wohnen und Arbeiten, die – das belegen die Bauakten – immer wieder zu Beschwerden und Auseinandersetzungen zwischen beiden Seiten führte, sollte nicht noch zusätzlich durch eine für jeden sogleich sichtbar gemachte Zäsur in der Architektur erfahrbar gemacht werden. III.5.2. Fassadengestaltung Abgesehen von der Gestaltung der Fassade durch Wahl und Einsatz verschiedener Baustoffe ist die Form ihrer Anordnung von ebenso entscheidender Bedeutung für die endgültige Wirkung der entstehenden Gebäude: “[Die] Verteilung der Baumassen, ... Anordnung der Wandöffnungen 55 Eissenhauer; S.57. 117 für Türen56 und Fenster, ... Betonung festgelegter Sichtachsen ...[sowie] akzentuiert hervorgehobene Architekturelemente ... strukturieren die Fassaden...” 57 Die Baumeister und Architekten bemühten für die Fassadengestaltung der Fabrikgebäude die gleichen Grundelemente wie für die herkömmlichen architektonischen Objekte ihrer Auftraggeber, wie zum Beispiel Wohnhäuser oder Gebäude der Repräsentation. Dabei nutzten sie Elemente wie Typisierung des “einfachen” Architekturelements, dessen Reihung und Zentrierung an bestimmten wichtigen beziehungsweise zu betonenden Gebäudeteilen in gleichem Maße wie eine gewisse iterierende Gleichförmigkeit. Letztere beispielsweise auch in Form des immer gleichbleibenden Formats der Backsteine, der immer gleichen Größe der Fensteröffnungen und einzelner immer wiederkehrenden Schmuckformen. Die nahezu überall auftauchenden hellen Putzbänder sind ebenso Bestandteil dieser Vorgehensweise wie die Verwendung des immer gleichen leuchtend roten Backsteins. Die Form der Fassadengestaltung war dabei auch durch eine relativ freie Wahl der Stilrichtungen gekennzeichnet. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bot der Historismus die Möglichkeit, je nach Belieben frei in die Schatztruhe der Architekturgeschichte zu greifen und mit vollen Händen nach Formelementen oder architekturtheoretischen Schemata zu wühlen, um sie hernach im eigenen Sinne, in eigener Ausformung und eigener Zusammenstellung zur Anwendung zu bringen. Dabei spielten Inhalte jedoch meist auch im Fabrikbau eine weitaus größere Rolle als persönliche geschmackliche Vorlieben der Architekten oder ihrer Auftraggeber. “Tatsächlich war es ... nicht die historische Form, die um ihrer selbst willen rezipiert wurde, sondern es war die inhaltliche ‘Bedeutung‘, die es mit Hilfe des Materials, der Form und der Struktur umzusetzen galt. ... [Es] konnten beliebig ... Vorbildbereiche zitiert werden, sofern sie geeignet erschienen, dem Gebäude einen Sinnzusammenhang zu verleihen, der die Funktion der Einrichtung in historisch verbrämte Formen umsetzte.” 58 Dieser gedankliche Ansatz findet sich bereits 1975 bei Wolfgang Götz.59 Dieser vertritt ebenfalls die Meinung, dass nicht die historische Form an sich, sondern 56 A.a.O.; S.75. A.a.O.; S.55. 58 Eissenhauer; S.69. 59 So zum Beispiel in seinem Beitrag: „Die Reaktivierung des Historismus. Betrachtungen zum Wandel der Wertschätzung der Baukunst des späteren 19. Jahrhunderts“ ; S.37ff. 57 118 die mit ihr verknüpfte ikonologische Bedeutung der Sinn solcher baulichen Zitate war.60 Während Kurt Milde in seinem Werk zur deutschen Architektur des 19. Jahrhunderts ein deutliches Überwiegen der Neorenaissance im Bereich aller Bauaufgaben nachzuweisen sucht 61: „Schließlich wurde die Neorenaissance mit dem Wettbewerb zum Reichstagsgebäude [für Deutschland] allgemein gültig...“ 62 räumt er darin jedoch indirekt einen Sinnzusammenhang zwischen innerem Aussagewillen und äußerer Stilwahl ein. Diese durch Milde verschleiert eingestandene Bedeutungsevokation wird besonders deutlich, wenn er einzelnen Bauaufgaben die entsprechend geeigneten Stilepochen zuweist. So galt ihm der: „... Neubarock ... [als dienlich für] Repräsentationsbauten des Staates und ... die letztendlich dem Konkurrenzzwang entspringenden Prachtfassaden des städtischen Geschäfts- und Wohnhauses.“ 63 während: „Die Grundlage der Vorliebe für die Gotik ... das ... Überwiegen der religiös-patriarchalischen Auffassungen über die ... aufklärerischen Positionen [war].“ 64 Eissenhauer hingegen interpretiert die Verwendung der Gotik in einem wesentlich engeren Sinnzusammenhang zwischen Auftraggeber, Bauaufgabe und formal-stilistischer Baugestaltung. Ausgedrückt werden sollte die enge Verwandtschaft der kirchlichen Erneuerungsbewegung mit dem mittelalterlichem Vorbild einer wahrhaft christlichen Epoche. Neogotik stand innerhalb seiner Interpretation demnach für die: „... moralisierend-kämpferische Erneuerung der christlichen Religionen im Zeichen einer konservativ und restaurativ betonten Rückbesinnung auf die Blütezeit des christlichen Glaubens – die Gotik.“ 65 Der Kerngedanke all dieser Autoren offenbart dennoch – bei aller Differenz des jeweiligen ideologischen Ansatzes – gewissermaßen einen gemeinsamen Nenner, der besagt, dass die Wahl des für die formale Gestaltung vornehmlich angewandten Neostils sich nach der historischen Vorbildepoche für die jeweils gewünschte Aussage richtete. Bei kirchlichen und karitativen Bauten bot sich die Gotik, mitunter auch die Romanik66 an; für Prachtentfaltung und Repräsentation in: „Beiträge zur Rezeption der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts“ ; München 1975. Götz; S.57. 61 Kurt Milde: Neorenaissance in der deutschen Architektur des 19. Jahrhunderts. Grundlagen, Wesen und Gültigkeit; Dresden 1981. 62 A.a.O.; S.278. 63 A.a.O.; S.319. 64 A.a.O.; S.23. 65 Eissenhauer; S.70. 66 Ebd. 60 119 war vor allem der Stil des Barock geeignet und um bürgerliche Tugenden, Freiheit und Machtansprüche zu veranschaulichen, wählte man entsprechend die Epoche ihrer historischen Machtdurchsetzung – die Renaissance. Insgesamt stellt dieses hier etwas simplifiziert vorgestellte Zuordnungsraster ein recht hilfreiches Rüstzeug im Umgang mit den damals jeweils gewählten stilistischen Ausformungen der Gebäude auch im industriellen Bereich dar. Allerdings gilt es am einzelnen Beispiel zusätzlich bestimmende Faktoren wie etwa den genauen Entstehungszeitraum, den persönlichen Hintergrund der Auftraggeber und regional bedingte Spezifika zu berücksichtigen. Das nachweislich früheste Beispiel für Industriearchitektur in Plagwitz stellt, wie bereits erwähnt, das Unternehmen Dambacher & Mügge in der heutigen Alten Straße dar. Leider haben sich von dem gesamten Firmenkomplex nur zwei Gebäude bis heute erhalten. Jedoch handelt es sich gerade bei diesen beiden vermutlich um den ältesten Baubestand der Firma. Das Gebäude der Nummer 29 war ursprünglich das Fabrikantenwohnhaus (Abb.en 97 und 190). Dieses Gebäude ist mit Sicherheit ein Teil des ältesten Baubestandes auf dem Grundstück der Firma.67 Für die Gestaltung dieses Baus wurde – aller Wahrscheinlichkeit nach vom Bauherrn – der damals durchaus gängige sogenannte Rundbogenstil gewählt. Dessen Siegeszug im Bereich der Leipziger Industriearchitektur erklärte Krüger 1998 wie folgt: „Zum anderen veränderte die speziell unter dem Einfluß von Heinrich Hübsch ausgelöste antiklassizistische Architekturdiskussion die Baustilistik entscheidend: Der Rundbogen, eigentlich gefeiert als Verbeugung vor der deutsch-römischen Geschichte, erwies sich im Industriebau zur Überbrückung großer Spannweiten als ebenso geeignet wie zur Schaffung großer Fensteröffnungen.“ 68 Nun hatte das zu Beginn der 1860er Jahre errichtete Gebäude der Firma Dambacher & Mügge keine allzu großen Weiten mittels Rundbogentechnik zu überspannen, dennoch entschied man sich in der Fassadengestaltung für eine im Äußeren entsprechende Ausformung ganz im Sinne des Hübsch’en Ideals. Mehrfach abgestufte Überfangbögen, Fensterlaibungen und -verdachungen umschließen die acht Zwillingsfenster. Zum Zentrum der Straßenfront mit dem 67 68 Vgl. dazu im Katalogteil der Arbeit den Abschnitt zu Dambacher & Mügge! „ Industriearchitektur in Leipzig“ ; S.64. Zur Architekturdebatte durch Hübsch vgl. auch Eissenhauer; S.63ff. 120 Eingang hin findet eine Steigerung des Bauschmuckes statt, die zusätzlich durch das Vorspringen des Mittelrisalits aus der Mauerebene betont wird (Abb.en 190, 191 und 192). Diese Zentrierung auf die Mitte des Gebäudes fällt vor allem im Vergleich mit allen übrigen hier vorgestellten Beispielen ins Auge, da man dort entweder gänzlich auf die Hervorhebung einzelner Gebäudeteile verzichtete oder aber – wie bei den meisten geschehen – die Seiten beziehungsweise Ecken des Baukörpers durch Bauschmuck oder Eckrisalite betont wurden. Insgesamt ist die endgültige Entscheidung von Dambacher & Mügge für eine ausgesprochen stark am Wohnungsbau orientierte, komplett verputzte Fassade dieses Stils sicherlich vor allem mit dem frühen Entstehungsdatum der Gießerei zu erklären. Die eher konservativ geprägte Intention des Unternehmers mag dabei vor allem durch seine Ausnahmeposition im Quartier beeinflusst worden sein. Als eine der ersten Industrieansiedlungen innerhalb eines bis dato ausschließlich agrarisch geprägten dörflichen Wohnumfeldes sollte nicht auch noch eine auffällige und außergewöhnlich moderne Erscheinung, ein übler Leumund für den eigenen Betrieb sein. Eine These, die durch den ausführlich in den Bauakten erhaltenen Schriftverkehr, der die anfänglich heftigen Auseinandersetzungen über Störungen des alltäglichen Lebens zwischen den Anwohnern der umliegenden Wohnhäuser und der Firma dokumentiert, noch zusätzlich untermauert wird. Ein ganz anderes Beispiel stellt die stilgeschichtliche Entscheidung der Firma Phil. Swiderski für die 1888 durch Eduard Steyer ausgeführte Gestaltung ihrer an der heutigen Zschocherschen Straße 78 gelegenen Fassade im Stil der Neogotik dar. Swiderski war bei dieser Wahl aller Wahrscheinlichkeit nach weniger von den englischen Vorbildern jener vergangenen Epoche noch von den in Deutschland etwas früher entstandenen neogotischen Schöpfungen beeinflusst, vielmehr wollte er wohl mit diesem Rückgriff auf die in Deutschland zu jener Zeit bereits wieder deutlich weniger genutzte Gotik beziehungsweise Neogotik an seine eigene Heimat und Herkunft erinnern. Denn: „Der Begründer dieser im September 1867 errichteten Fabrik Otto Ludwig Philip Swiderski wurde im Jahre 1836 in Marienburg, dem einstigen Hochmeistersitze des Deutschen Ordens, als Sohn eines preußischen Justizbeamten geboren.“ 69 69 ”Die Großindustrie des Königreich Sachsen...” , Bd.II, Leipzig 1893. Dieses Werk wurde ohne Seitennummerierung gedruckt, der Abschnitt über die Firma Swiderski befindet sich jedoch nach eigener Zählung auf S.413ff. 121 Insofern wird verständlich, warum Philip Swiderski das vielbeschäftigte Architektenduo Händel & Franke beauftragte, seiner im Grunde genommen außerordentlich modernen Fabrikhalle mit ihrer „...erstklassige[n] technische[n] Ausrüstung ...“ 70 eine historisch eher rückwärts orientierte Hülle zu schaffen. Andererseits muss auch darauf hingewiesen werden, dass es in Leipzig auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, angeführt von Oscar Mothes (18281903), noch eine relativ starke Lobby der Neogotik in der hiesigen Architektur gegeben hat. Als Beispiele hierfür seien die Villa Mothes, das 1873/74 von ihm selbst projektierte eigene Wohnhaus, an der heutigen Käthe-Kollwitz-Straße 70 auf dem Weg von Leipzig nach Plagwitz gelegen (Abb.229), sowie das 1888, also im selben Jahr wie die Fabrik von Swiderski, von den Architekten Bock & Conrad entworfene und heute noch an der Weißenfelser Straße 15 in Plagwitz befindliche Wohnhaus (Abb.230) sowie die im selben Jahr geweihte Plagwitzer Heilandskirche von Johannes Otzen (Abb.41) zitiert. Das augenfälligste Element der formalen Gestaltung der Firma Swiderski ist der schon von weitem sichtbare, zinnengeschmückte Turm (Abb.139): “Türme können als Fortifikationsrelikte den Schutzcharakter des Hauses betonen, als Schmuckelemente aber auch den ästhetischen Eindruck des Gebäudes erhöhen und es damit dem Vorübergehenden einprägen oder als Hoheitssymbole die hierarchisch gegliederte Struktur eines Gebäudes betonen.” 71 Bei näherer Betrachtung des Turmes der Dampfmaschinenbauanstalt scheint vor allem der letztgenannte Beweggrund als Erklärung angemessen. Dafür spräche auch die an den drei von außen her sichtbaren Seiten des Turmes angebrachte Pseudo-Ädikula, die weniger als Nische beziehungsweise Standort für eine Plastik oder anderweitigen repräsentativen Bauschmuck gedacht werden muss, als vielmehr als Anbringungsort der Fabrikuhr. Fruehauf schreibt über die gut sichtbar inszenierten Uhren an Fabriktürmen und -gebäuden: „Die Konzeption der Fabrik war auf einen reibungslosen, profitorientierten Produktionsablauf angelegt. Der funktionierte nur durch ... Ausdauer, Regelmäßigkeit, Pünktlichkeit, mit einem Wort Zeitdisziplin ... prägnantestes Beispiel ist der Uhren-/Wasserturm am Billbrookdeich.“ 72 70 „ Industriearchitektur in Leipzig“ ; S.66. Eissenhauer; S.76. 72 Fruehauf; S.28. 71 122 Die Uhren am Turm der Firma Swiderski sind heute nur noch über historische Abbildungen rekonstruierbar (Abb.en 84 und 122). Da wir bei näherer Untersuchung aber auch an einigen anderen Firmengebäuden in Plagwitz, wie beispielsweise Tittel & Krüger (Abb.en 118 und 119), Philip Penin (Abb.231) oder Mey & Edlich (Abb.121) mittels Bauzeichnungen beziehungsweise zeitgenössischen Ansichten das nahezu aufdringliche in Szene setzen von Uhren nachweisen können, scheint eine Interpretation der „Architektur der sanften Kontrolle“ , wie sie Fruehauf für die Hamburger Industriebauten vorlegt,73 mehr als geeignet, um inhaltlich auf die Plagwitzer Industriearchitektur übertragen und angewandt zu werden. Die gut sichtbaren, allgegenwärtigen Uhren (Abb.en 232, 233, 234 und 235) dienten der Unterstreichung der absoluten Hegemonie von Pünktlichkeit, Effizienz und Einordnung der Arbeitnehmer in das Zeitbeziehungsweise Schichtsystem ihrer Arbeitswelt. Eine mindestens ebenso entscheidende Rolle wie das Moment der Kontrolle spielte dabei das der Unterordnung. Hinter der auffälligen Anbringung von ästhetisch meist ausgesprochen hochwertiger Uhren steckt – ebenso wie hinter der weiter oben beschriebenen Entscheidung der Unternehmer für den Werkstoff Backstein – der Wunsch, eine ganz spezielle Aussage, nämlich die der Anerkennung und Unterordnung in eine Hierarchie, zu idealisieren. Das Unternehmen als Familienersatz, in dem jeder Einzelne – und sei er noch so gering – seinen wohlverdienten, sicheren Platz erhält – zumindest solange er sich einfügt, unterordnet und nach Plan funktioniert. Um jedoch noch einmal auf das Motiv des Turmes bei Swiderski zurückzukommen, so muss in einem, gegenüber der weiter oben geäußerten Interpretation leicht veränderten Zusammenhang angemerkt werden, dass es hier sicher nicht ausschließlich um die Hierarchie der einzelnen Bauteile innerhalb des Gebäudekomplexes der Firma ging, obwohl auch diese Erklärung durchaus ihre Berechtigung hat. Vielmehr scheint der Hierarchiegedanke auch nach Außen hin, im Kontext der Forderung nach einer neuen Gesellschaftsstruktur gemeint zu sein. Eine Aussage, die man auch andernorts in dieser Form präsentierte: „Ein Machtsymbol der mittelalterlichen Burg z.B. übernahm die Harburger GummiKamm-Co. mit dem zinnengeschmückten Turm. Durch die Höhe des Turms und die Länge des Gebäudes entstand eine imposante Fernwirkung. Die Industriearchitektur entwickelte sich zur Machtdemonstration.“ 74 73 74 Fruehauf; S.28f. A.a.O.; S.31. 123 Für diese Lesart spricht zusätzlich das über dem Eingangsportal am Fuße des Turms angebrachte “Familienwappen” des Eigentümers (Abb.236). Diese, in Anspielung auf den ablösungsbedürftigen Machtanspruch des Adels erfundenen, “ Fantasiewappen” sind in der Architektur der damaligen Zeit in Plagwitz durchaus häufig anzutreffen.75 Im gleichen Zusammenhang ist sicherlich auch der nach außen gewandte Festungscharakter der Anlage zu verstehen, der hier die Verteidigung der entsprechend ihrem neu erwachten Machtanspruch, noch keineswegs konsolidierten politischen Stellung der Industriellen innerhalb der Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts meint: “Die fortifikatorisch anmutenden Formen erwecken den Eindruck, als gelte es, in dem Gebäude Werte zu verteidigen, die von außen bedroht sind.” 76 In diesem Zusammenhang scheint es sinnvoll, noch einmal auf die eingangs gemachte Aussage zur ostpreußischen Herkunft Swiderskis zurück zu kommen. Die Marienburg prägte das Kindheitsbild Swiderskis, und auch in seiner Leipziger Zeit erinnerte er sicher das stadtbestimmende Bild dieser bedeutenden Burg des Mittelalters, die im 19. Jahrhundert im Zentrum des Interesse der erwachenden preußischen beziehungsweise deutschen Denkmalpflege stand. Dabei müssen für den Restaurierungszeitraum zwei wichtige Phasen unterschieden werden: Während etwa bis zur Hälfte des Jahrhunderts unter Theodor von Schön mit Hilfe von Gersdorf und unter konservatorischer Überwachung von Schinkel eine in der Literatur als romantische Phase bezeichnete “Restaurierung” beziehungsweise Rekonstruktion nach Bild- und Schriftquellen erfolgte, welche die Marienburg erklärtermaßen zu einer Art Heiligtum der Region machen wollte, fand danach unter dem pommerschen Denkmalpfleger Ferdinand von Quast (seit 1843) eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit den Beständen und ihrer Konservierung beziehungsweise Restaurierung statt, die teilweise die Resultate der Arbeiten der ersten Jahrhunderthälfte wieder tilgte. Swiderski dürfte jedoch bei der Konzeption seiner Fabrik vornehmlich das Bild der idealisierenden Auffassung der gotischen Architektur, wie beispielsweise die auf Wunsch Schinkels mit Zinnen bekrönten Außenmauern des Nord- und Westflügels oder die hohen dreieckigen Giebel über der Großkomturei im Nordflügel, im Sinn gehabt haben 75 Zum Thema des Neuen Machtanspruchs der Industrie und seinem Ausdruck im Allgemeinen sowie dem Motiv der Wappen im Speziellen vgl. auch Abschnitt III.6. dieser Arbeit! 76 Eissenhauer; S.95. 124 (Abb.en 237 und 238).77 Ende der 1870er Jahre rückte die Marienburg durch mehrere Großveranstaltungen wieder in das allgemeine öffentliche Interesse und 1877 fiel die Entscheidung zu ihrer “zweiten” Wiederherstellung, 78 mit der Konrad Steinbrecht im Jahr 1882 begann. Insofern scheint ein Rückgriff auf die Architektur der Heimat Swiderskis als entscheidender Faktor bei der Wahl der formal-ästhetischen Gestaltung der Außenfassade des Eingangsbereiches seiner Fabrik nicht unbegründet. Die Repräsentation des Unternehmens sollte im Idealfall mit der Repräsentation seiner Gründerpersönlichkeit verknüpft werden. Zu diesem Ansatz sei hier ein Verweis auf den Abschnitt III.6. erlaubt.79 Ausgesprochen häufig finden sich in Plagwitz, wie anderenorts, in der Architektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts stilistische Motive und einzelne Elemente, zum Teil aber auch Gesamtgestaltungen in der Diktion der Neorenaissance. Wie bereits ausgeführt80 meinen einige Autoren, wie beispielsweise Milde81 oder Müller-Wiener,82 dahinter eine allgemeine Tendenz in der Architektur zu erkennen. Aufgrund einer gewissen gesellschaftspolitischen Affinität beziehungsweise Identifikation des damaligen Bürgertums, vor allem während des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts, zur historischen Epoche der Renaissance – welche als Epoche der gesellschaftlichen und machtpolitischen Befreiung des Bürgertums galt – avancierte sie zur beliebtesten Neostilrichtung des Historismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die aufgemachte Rechnung scheint relativ simpel: die oft aus dem Bürgertum stammenden Auftraggeber suchten nach einer architektonischen Identifikationsmatrix ihres Machtanspruchs, die sie in jener Stilepoche zu finden glaubten, und so wurden über die Rezeption der Formensprache der italienischen, später dann eher der deutschen Renaissance, auch die geschichtlichen Inhalte mittransportiert. Eines der auffälligsten Beispiele hierfür in Plagwitz ist der im Jahr 1888 von Pfeiffer & Händel projektierte sogenannte Hochbau West der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger an der heutigen Nonnenstraße 21. 77 Mieczyslaw Haftka und Mariusz Mierzwinski: „ Marienburg. Burg des Deutschen Ordens“ ; Berlin, Gütersloh, Leipzig, München, Potsdam, Stuttgart 1992.; S.80f. 78 A.a.O; S.81. 79 Zum Thema des Neuen Machtanspruchs der Industrie und seinem Ausdruck Abschnitt III.6. dieser Arbeit! 80 Vgl. mit dem Abschnitt I.2.Die Industriearchitektur dieser Arbeit! 81 Vgl. Kurt Milde; 1981. 82 Vgl. Wolfgang Müller-Wiener, 1955; S.39-60: „ Architektonische Zeitfragen im 19.Jh. – Städtebauliche Einzelfragen“ und hier bes. S.49ff sowie S.152-166: „Einordnung der Industriebauten in die Baugeschichte des 19.Jh.’s“ und hier bes. 162ff. 125 Dieser Bau beeindruckt noch heute nicht nur durch seine ungeheuren Dimensionen, die damals geschickt architektonisch in Szene gesetzt wurden, sondern er imponiert daneben auch durch einige formale Besonderheiten, wie zum Beispiel die im Stil antiker Thermenfenster dreigeteilten Rundbogenfenster im obersten Geschoss (Abb.239) oder den weithin sichtbaren, kuppelüberkrönten Treppenhausaufbau an der nordöstlichen Gebäudeecke. “Zeitgleich mit dem monumentalen Prachtbau für das Reichsgericht (18881895) wurde auch die 300 m lange Fabrikfront der Sächsischen Wollgarnfabrik errichtet – historisierend geschmückt, Grundformen beeindruckender Schloßarchitekturen aufnehmend und, wie das Reichsgerichtsgebäude, mit einer Kuppel überkrönt.” 83 Bei dieser Wollfabrikkuppel handelte es sich jedoch keineswegs um eine subtile Adaption des Vorbildes am Reichsgerichtsgebäude Ludwig Hoffmanns (1852-1932), sondern vielmehr um eine verkleinerte, aber ansonsten recht originalgetreue Kopie im „Schlichten“ (Abb.en 240 und 241). In der Form nahezu identisch, kopiert die Kuppel der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger die „große Schwester“ immerhin in deutlich reduzierten Abmessungen. Bei beiden Bauten erhebt sich über dem viereckigen Grundriss die Kuppel, an deren vier Ecken je ein Obelisk installiert wurde. Über dem Scheitelpunkt ragt eine viereckige Laterne mit vier regelmäßigen Öffnungen an den Seiten auf. Die bekrönende Figur der „Wahrheit“ über der Laterne des Reichsgerichts wurde an dem Plagwitzer Industriebau durch eine einfache Kugelform ersetzt. Diese Kugel kann, besonders im Kontext anderer Plagwitzer Bauten, als Weltkugel gedeutet werden,84 welche an dieser exponierten Stelle die internationale Bedeutung des Unternehmens versinnbildlichten. Der Komplex der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger kaprizierte sich jedoch nicht nur auf eine der vielen Neostilrichtungen des 19. Jahrhunderts. Immerhin blieben mehr als fünfzig Jahre, um von einem Bau zum anderen eine neue ästhetische Vorliebe oder aber stilgebundene Kernaussage an den Bauten umsetzen zu lassen. Trotz des starken ersten Eindrucks, dass der Gesamtkomplex aus einem Guss sei, zeigt sich bei eingehender Betrachtung sehr bald schon ein fein differenziertes System von Detaillösungen unterschiedlicher ästhetischer Entfaltung und differenzierter stilistischer Ausformung. Neben Elementen der eben etwas genauer beschriebenen Neorenaissance finden sich 83 84 “Industriearchitektur in Leipzig” ; S.71. Vgl. Abschnitt III.6. Der neue Machtanspruch der Industrie in dieser Arbeit! 126 ebenso Elemente des Neobarock. Ein typisches Beispiel dafür bildet das wunderbare Wappenfeld mit emblematischen Anklängen am sogenannten Hochbau Nord (Abb.en 242 und 243). Wir sehen im Zentrum ein kreisrundes Feld, das wiederum ein Dreieck umschließt, in welchem ein Schwan auf dem Wasser gezeigt wird. Umfasst wird dieses zentrale Bild von einem höchst aufwendig gestalteten Blatt- und Rollwerk, wobei sich die äußeren Zweige deutlich als Eichenlaub erkennen lassen. Bekrönt wird das „Emblem“ von einer männlichen Maske, unter der ein aufgehängtes Löwenfell den Übergang zum zentralen Kreis beziehungsweise Dreieck bildet und über der eine an den Rändern eingerollte Muschel den bekrönenden Abschluss formiert. Der Terminus „Emblem“ wurde nicht von ungefähr verwendet, vielmehr zeigt sich gerade in diesem „Wappenfeld“ des Schaugiebels der deutliche Hinweis auf eine gewisse Konkordanz zur Emblematik des 16. und 17. Jahrhunderts. In den Emblemhandbüchern jener Zeit tauchte der Schwan hauptsächlich als Sinnbild der Reinheit in verschiedenen Zusammenhängen auf, so zum Beispiel als Schwan auf einem Wappenschild, der „reine Freundestreue“ 85 versinnbildlicht, als Schwan unter einem Lorbeerbaum, der für „geschützte Reinheit“ 86 steht oder als Schwan auf dem Wasser, der eine Allegorie der „Reinheit des Dichters“ 87 darstellt. Inhaltlich scheint der größte Bezug zum Motiv des Schwanes unter dem Lorbeerbaum (Abb.244) für die „geschützte Reinheit“ zu bestehen, denn das Zeichen des Schwanes im Dreieck taucht auch auf den Briefköpfen der Firma mit dem Vermerk „geschützte Marke“ auf (Abb.245). Tatsächlich war die hier produzierte sogenannte „Schwanenwolle“ eine eingetragene und patentrechtlich geschützte Marke dieses Plagwitzer Unternehmens.88 Bildlich ist allerdings eine wesentlich größere Nähe zum Schwan auf dem Wasser gegeben, der von den Worten begleitet wird: „VNIVS COLORIS Salvete ingenii divum unica cura poetae, pectora salvete o candidiora nive. Von einer Farbe Seid gegrüßt, ihr Dichter, ihr Lieblinge des göttlichen Geistes, seid gegrüßt ihr Herzen reiner als Schnee!“ 89 85 Arthur Henkel und Albrecht Schöne: „ Emblemata“ ; Stuttgart 1978; S.814 f. A.a.O.; S.817. 87 Ebd. 88 „ Acten des Rathes... Sächsische Wollgarnfabrik...“ ;um 1930, div.Briefköpfe. 89 Henkel/Schöne; S.817. 86 127 Allerdings führte die Deutung des Emblems in dieser Richtung, nämlich als Sinnbild der Reinheit des Geistes sowie der Lauterkeit der firmeninternen Verkaufsabsichten, wohl etwas zu weit. Auch eine adäquate Auslegung des Bildes als Schwan im Wappen, das durchaus eine naheliegende mögliche Lesart des baulichen Schmuckes darstellt, erscheint überzogen. Vielmehr muss eher von einer auch im 19. Jahrhundert noch allgemein üblichen gedanklichen Verknüpfung von Schwan und Reinheit ausgegangen werden, die – zumindest für das Gros der Betrachter – ganz bewusst an solch exponierter Stelle des Baus in Szene gesetzt wurde. Der Bezug zur Emblematik sollte jedoch nicht ganz außer acht gelassen werden, da nicht nur das Motiv eine Übereinstimmung mit den ideellen Bilderwelten des Humanismus aufweist. Auch die Form der Präsentation am Bau ist nicht von ungefähr ganz im Stil des 16. beziehungsweise 17. Jahrhunderts gehalten. Leider lässt sich eine solche Absicht nicht mit den entsprechenden schriftlichen Quellen, wie beispielsweise durch Briefe zwischen Architekt und Auftraggeber, belegen, so dass die logische und naheliegende Herleitung als alleiniger Nachweis dienen muss. Ein weiterer interessanter Aspekt in der baukünstlerischen Ausformung der Plagwitzer Industriearchitektur bilden die Einflüsse des Monumentalismus. Bei einer näheren Betrachtung verschiedener ausgewählter Objekte fällt auf, dass in differenzierter Auseinandersetzung mit diesem formal-ästhetischen Ansatzpunkt ganz unterschiedliche Lösungen entstanden sind. Bei der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger sowie der auf der gegenüberliegenden Straßenseite ansässigen Gummiwarenfabrik Philip Penin bauten die Architekten und Baumeister – hauptsächlich Händel & Franke sowie Eduard Steyer – vor allem auf den Effekt der baulichen Masse. In Abstimmung untereinander wurden die Gebäudefassaden auf beiden Straßenseiten – bis auf kleine Details – einander ausgesprochen stark angepasst (Abb.124). Entstanden ist eine einheitlich kompakte Straßenfront, die auf den Betrachter im ersten Moment beinahe erschlagend gigantisch wirkt. „Macht durch Größe“ könnte das Motto dieser architektonischen Umsetzung heißen. Beide Unternehmen profitierten von diesem gewaltigen Raumeindruck, bis Mitte der 1920er Jahren die Firma Penin von der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger aufgekauft wurde, und die beiden Unternehmen das wurden, als was sie von Anfang an optisch auftraten, nämlich eine Einheit. 128 Eine andere Umsetzung erfuhr der Monumentalismus beim Gebäude der Firma Brehmer in der heutigen Karl-Heine-Straße 110 (Abb.en 152 und 141). Hier wurde vom Architektenduo Händel & Franke eine Art Monolith geschaffen, der als beeindruckender Solitär aus dem Vielerlei der ihn umgebenden Bauten herausragt. Die Architekten setzten vor allem auf eine einzelne, kompakte, formal stark durchkomponierte Gebäudefront zur Schauseite der Karl-HeineStraße hin. Schon bei einem Gang durch die Einfahrt in den Hof des Unternehmens wird dieser geschlossene Eindruck sofort durch die vielen dort angeordneten, notwendigen kleineren Nebengebäude gebrochen. Ebenso wie bei Tittel & Krüger wurde hier bei der Gestaltung mit dem Element Masse beziehungsweise Größe gespielt; anders als dort entwarfen Händel & Franke bei dem 1913 gebauten Haupthaus der Firma Brehmer eine stilistisch zeitgemäßere Umsetzung, in die auch Elemente des Jugendstils Eingang fanden. Eine Erklärung für diese – für das Büro eher ungewöhnliche – Form des Entwurfs mag in der mehrere Jahre währenden Zugehörigkeit des Architekten Paul Otto Hermann Möbius (1866-1907) zum Architekturbüro von Pfeiffer & Händel beziehungsweise später Händel & Franke zu finden sein90: „... mit dem Drang nach neuen Formen wie um 1900 ... [sei] an einen Leipziger Architekten zu erinnern, der als Angestellter eines großen Architekturbüros, weit vor anderen, die aktuelle internationale Bauentwicklung aufgriff und dabei zum neuen Formendenken der Industrie- und Wohnhausarchitektur einen erheblichen Anteil einbrachte: Paul Möbius.“ 91 In den 1890er Jahren arbeitete Möbius als Angestellter für das renommierte Büro. Hier sammelte er Erfahrungen im Bereich der Architektur, Bauzeichnung, -planung und -ausführung bis er sich 1899 selbständig machte und vor allem im Bereich der Wohnhausarchitektur verschiedenster Ausprägung tätig wurde.92 Um die Jahrhundertwende war er ein ausgesprochen gefragter Architekt: “Denn einerseits vollendete er grandios die Bauformen des 19. Jahrhunderts zu einem gestrafften Eklektizismus, und andererseits bereitete er den nicht lyrischen sondern den monumentalen Jugendstil vor.” 93 90 “Industriearchitektur in Leipzig” ; S.74. Bodo Pientka: „Paul Möbius - ein Leipziger Architekt“ ; S.17-23 in: “Deutscher Werkbund Sachsen. Werkbericht 1“ , Leipzig 1993; S.17. 92 A.a.O.; S.20. 93 “Industriearchitektur in Leipzig” ; S.74. 91 129 Seiner Mitarbeit verdankte das Büro Händel & Franke einige seiner gelungensten Entwürfe jener Jahre, so zum Beispiel für diverse Verwaltungsund Kraftstationsgebäude der Leipziger Elektrizitätswerke94, die bereits mit einem von Möbius gern und immer wieder eingesetzten, vielfach variierten Motiv des Thermenfensters ausgestattet sind, ein Motiv, welches man im Büro von Händel & Franke auch nach Möbius Weggang als selbstverständliche Übernahme im firmeninternen Formenkanon weiter verwendete. Die von Möbius begonnene Auseinandersetzung mit dem Jugendstil findet sich in veränderter Form auch bei dem Entwurf für die Fassade des bereits besprochenen Haupthauses der Firma Brehmer. Hinter einem spektakulärmodernen Äußeren verbirgt sich eine beinahe ebenso spektakulär-moderne Konstruktion. Die Firma Brehmer, in der vornehmlich Drahtheftmaschinen für Druckerzeugnisse produziert wurden, stellte ausgesprochen hohe Anforderungen an den Neubau – vor allem war es der extrem hohe Bedarf an Tageslicht, welcher sich durch die hohen Präzisionsanforderungen an die Produktion ergab. Diesen Ansprüchen konnte man auf konstruktiver Ebene im Grunde nur mit einem modernen Stahlbetonbau gerecht werden, den die beauftragten Architekten Händel & Franke 1913 denn auch verwirklichten. Im Formalen gingen sie bei diesem Entwurf mit einer dem Jugendstil verpflichteten Lösung über ihr bis dahin entstandenes Repertoire hinaus, wobei sie es verstanden, Form und Inhalt beziehungsweise Fassade und Konstruktion, beispielsweise durch in Jugendstilelemente eingebettete Fensterstürze aus Sichtbeton, zu einem überzeugenden homogenen Ergebnis zu verschmelzen (Abb.246). Dass der Jugendstil vor 1910 keineswegs als adäquate ästhetische Ausdrucksform für die Plagwitzer Industriearchitektur angesehen wurde, beweist ein genauerer Blick in die Bauakte der Firma Törpsch mit Sitz in der Naumburger Straße 25. Hier hatte es im Jahr 1901 für den Neubau des Unternehmens einen gleichermaßen beeindruckenden wie eigenwilligen Entwurf gegeben, der die Straßenfront als schwunghaft bewegte 11-achsige Jugendstilfassade präsentierte (Abb.155). Ein Entwurf, der zwar beim Bauherren Hermann Törpsch und beim Architekten Alfons Berger auf Zustimmung beziehungsweise Begeisterung stieß, der aber beim Bauinspektor Bastine nichts als Widerwillen hervorrief. Die fünf von ihm vorgebrachten „gewichtigen“ 94 Pientka; S.18. 130 Gründe, die gegen den Bau sprechen, sind in ihrem Inhalt so substanzlos wie altmodisch. Da entstünden beispielsweise „... unschöne Ecken ...“ zu den Nachbargebäuden und die „... Überleitung der Straßenflucht in die Gebäudeflucht ...“ wird als „... unzweckgemäß ...“ zurückgewiesen.95 Diese spärliche „Begründung“ scheint für Hermann Törpsch ausgereicht zu haben oder aber auch nur deutlich genug gewesen zu sein, um den Entwurf komplett zu verwerfen und sich an ein anderes, „ gestandeneres“ Architekturbüro zu wenden. Das ist umso verwunderlicher, wenn man berücksichtigt, dass Unternehmer sich in vielen anderen Fällen entschieden ungerührter gegenüber solchen amtlichen Ablehnungen verhielten. Im Zweifelsfall war man lieber bereit, saftige Strafen zu bezahlen, als eine gänzlich neue, von amts wegen aufoktroyierte Projektion zu veranlassen. Überraschenderweise lag bereits einen Monat später, im September 1901, routiniert die vollständige Planung vom Büro Händel & Franke bei der Baupolizei zur Überprüfung vor (Abb.153). Das Resultat hat vom formalästhetischen Standpunkt aus betrachtet nichts mit dem Entwurf von Berger gemein; was projektiert und im Anschluss ohne Beanstandung umgesetzt wurde, ist ein unspektakulärer, rein konventionellen Schemata folgender Gebrauchsbau, der sich kaum von den übrigen Bauten der Naumburger Straße unterscheidet. Es gibt allerdings einige sichtbar gewordene, dem Zweck des Gebäudes geschuldete Details, die eine genauere Betrachtung des Baus rechtfertigen. Der laut Bauakten 1902 fertiggestellte Bau der Firma Törpsch ist vor allem geprägt durch seine, bereits weiter oben besprochene, enorm stabile und tragfähige Konstruktion, die dem Betrachter durch eine mit mehrfach wiederholter Wandprofilierung unterstrichene Mauerstärke augenfällig gemacht wurde. Die sichtbare Tiefe der Mauern unterstreicht den Eindruck von Wuchtigkeit des als Lager- und Wohnhaus konzipierten Baus. Diese Wuchtigkeit wird ihrerseits wiederum durch verspielte Elemente wie etwa die ansonsten in Plagwitz eher seltenen Verwendung grün glasierter Klinker im Bereich der Fassade oder auch durch die teilweise beinahe exzessive Gliederung der Wand durch die vielfach verkröpfte und multiplizierte Profilierung ein wenig aufgelockert (Abb.en 213, 214 und 215). Der dreineinhalbgeschossige, 13achsige Bau wurde von Händel & Franke beinahe komplett regelmäßig gegliedert, lediglich die erste Achse der rechten Seite bildet mit der vergrößerten Öffnung einer Eingangstür im Erdgeschossbereich eine Ausnahme, und die 95 „ Acten des Rathes... Törpsch... Vol. I, ergangen: 1898“ ; o.S. 131 fünfte Achse der Fassade von rechts beziehungsweise die neunte von links ist durch eine breite Toreinfahrt im Erdgeschoss und einen kleinen geschwungenen Blendgiebel mit Fahnenmast und der Jahreszahl der Fertigstellung des Baus, 1902, über dem Traufgesims als Eingangsachse des Gebäudes weithin gekennzeichnet. Diverse An- und Umbauten späterer Jahre, so beispielsweise der Aufzugsschacht von 1956, verunklären dem heutigen Betrachter das ursprünglich von den Architekten projektierte, reine Bild der Fassade. Zunächst erschien die ungewöhnliche Mauerstärke als formale Spielerei, die Nutzung des Gebäudes als Lager für schwere Eisen- und Stahlmaschinen sowie Maschinenteile erklärt sie allerdings als konstruktive Notwendigkeit des Baus, zumal so kurz nach der Jahrhundertwende die Bereitschaft, die neuen bautechnologischen Entwicklungen des Stahlbetonbaus zu nutzen, anscheinend noch nicht besonders groß gewesen zu sein scheint. Obwohl doch bereits einige Jahre zuvor durch Max Pommer der ersten großen Stahlbeton-Industriebau Leipzigs, das bereits erwähnte, siebengeschossige Papierlager von Sieler & Vogel im grafischen Viertel entstanden war.96 Der direkte Vergleich des Törpschen Baus in der Naumburger Straße 25 mit den nur wenige Jahre später entstandenen ersten Stahlbetonbauten in Plagwitz – so vor allem den neuen Produktionsgebäuden von Tittel & Krüger (Abb.en 146, 209 und 247) in der Holbeinstraße 14 von 1906 und von Mey & Edlich (Abb.en 132 und 134) am Lauf der Weißen Elster in der Nonnenstraße 5 von 1907 – zeigt deutlich die enormen formalen Veränderungen vor allem auch in der Fassadengestaltung, die mit der Einführung der neuen Konstruktionsweise einher gingen. „Das Bemühen um neue Bauformen und die Vorteile gegenüber dem Eisenbau führten zur raschen Einführung des Eisenbetons. ... Der Eisenbetonskelettbau ermöglichte eine Reduzierung der tragenden Teile eine Auflösung der Fassade in tragende und nicht tragende Elemente.“ 97 Bei den genannten Beispielen ist eine starke Reduzierung der Profilierung zu verzeichnen, die vor allem durch die konstruktiv bedingte Verminderung der Anforderungen an die Mauerstärke hervorgerufen wurde. Man konnte größere Lasten durch ein enorm verschlanktes Baugerüst auffangen beziehungsweise tragen. Der Stolz auf die neuen technischen Errungenschaften der Architektur findet seinen Ausdruck in der mehr als deutlich sichtbar gemachten Fragilität der 96 97 Vergleiche Abschnitt I.2.2. zur Industriearchitektur in Leipzig! Fruehauf; S.34. 132 Konstruktion durch die entsprechenden formal-ästhetischen Mittel, wie beispielsweise sehr große Fenster, extrem schmale dazwischenliegende Wandteile und eine wahrnehmbar gemachte Zerbrechlichkeit der Mauerstärke. Dass der Jugendstil in Plagwitz nach 1905 nicht nur im Wohnungsbau, sondern auch in der Industriearchitektur Anwendung fand, zeigt der 1910 bis 1912 entstandene Bau von C.F.Weithas & Nachf., den die Firma selbst projektierte und umsetzte (Abb.en 87, 143 und 248). Entstanden ist eine dreischiffig angelegte Jugendstil-Galeriemontagehalle, deren Umfassungen massiv, deren Konstruktion jedoch ausschließlich in Eisen ausgeführt wurde (Abb.144). Die Dächer des Gebäudes wurden mit Pappe beziehungsweise Glas gedeckt. „Die Beleuchtung erfolgt durch Ober- und Seitenlicht.” 98 „Die relativ breite Halle stand zunächst allein, erhielt daher große Fenster in den Seitenwänden, in Rückfront und Straßenfront sowie ein spitzwinkliges Oberlicht auf dem Flachdach. Die symmetrische Schauseite mit einem großen Tor in der Mitte bekam einen geschweiften Giebel, der das Oberlicht verdeckte. Seitliche Kugelaufsätze auf den Giebelschwüngen und die hohen Fenster wurden mit filigranen, im oberen Drittel strahlenförmigen Unterteilungen versehen.“ 99 Die Pläne sowie die statischen Berechnungen stammten dabei ausnahmslos vom Konstruktionsbüro der Firma C.F.Weithas & Nachf. selbst. Dass man auch nach 1912 noch den Jugendstil vorzog, anstatt die moderne Konstruktion zu zeigen, macht deutlich, dass die Forderungen des 1907 gegründeten Deutschen Werkbundes nach materialgerechtem Bauen und funktionaler Formästhetik in Plagwitz wie vielerorts in Deutschland erst mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung Aufnahme und Anwendung fanden: „Die Harburger Montagehalle zeigt die für den Fabrikbau im Hamburger Raum typischen Architekturauffassungen. Die schon lange angewandten Konstruktionsweisen und Materialien – anfangs Eisen, dann Eisenbeton – wurden nur reduziert ästhetisch genutzt, stattdessen verwendete man „ kulturtragende“ Stilelemente.“ 100 Der Vergleich zur Harburger Montagehalle ist keineswegs ausschließlich abstrakt zu begreifen. Die Ähnlichkeiten sind, bei allen Unterschieden in der Wahl der stilistischen Ausdrucksmittel, verblüffend 98 „ Acten des Rathes... Fa. Weithas Nachf.; Band I., ergangen 1895.“ „Industriearchitektur in Leipzig“ ; S.66. 100 Fruehauf; S.35. Teilweise Hermann Sturm: „Fabrikarchitektur, Villa, Arbeitersiedlung“ ; München 1977, zitiert nach Fruehauf, ebd. 99 133 (Abb.249). In beiden Fällen wurde ein repräsentativer dreischiffiger beziehungsweise sogar fünfschiffiger Raum – denn die Montagehallen wurden in beiden Fällen jeweils nach rechts wie links um weitere Räume ergänzt – zur Straßenfront vorgeblendet, der einen inneren Raumzusammenhang vortäuscht, welcher im Gebäude selbst keine wirkliche Entsprechung fand. Der damals bereits geforderte Funktionalismus fand in der Industriearchitektur Plagwitz erst viel später, beispielsweise in dem 1940 quasi nebenan projektierten Bau einer Flugzeugteilefabrik des Unternehmens Eberspächer GmbH an der heutigen Markranstädter Straße 2/4, seine praktische Umsetzung (Abb.250). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in der Plagwitzer Industriearchitektur zwischen 1860 und 1914 vor allem horizontale Gliederungsschemata bevorzugt wurden, die besonders dazu geeignet sind, die Gesamtwirkung des Gebäudes beziehungsweise des Gebäudekomplexes zu steigern (Abb.124). Diese Horizontalgliederungen wurden teilweise mit vertikalen Akzenten wie beispielsweise Treppenhaus-Eck-, Mittel- oder Seitenrisalite versehen (Abb.en 120 und 217), welche diese Gesamtwirkung noch besonders hervorheben – wie zum Beispiel die turmartigen Aufbauten der Firma Tittel & Krüger. Baukörperbestimmende Vertikalgliederungen kamen hingegen kaum vor. In der Gesamtkonzeption spielen sie eine untergeordnete Rolle, wenn auch besonders zu betonende wichtige Bauteile nach diesem Gestaltungsmuster funktionieren, wie etwa der Treppenhausturm der Firma Swiderski (Abb.122). Das gewählte Material für die Fassadengestaltung ist mit geringfügigen Ausnahmen der Backstein, der in seinem flächigen Einsatz häufig durch die Verwendung von Putzbändern gegliedert wurde. Bei einigen Firmen wurde diese Bänderbildung teilweise nicht durch Putz sondern durch unterschiedlich farbige Klinker an mehreren Fabrikgebäuden erreicht – so auch bei Produktionsgebäuden von Mey & Edlich (Abb.en 224 und 225) und an dessen im Zweiten Weltkrieg komplett zerstörten Versandhaus in der heutigen Nonnenstraße 12 (Abb.251) oder bei der Konsumbäckerei (Abb.en 218, 219 und 220). Eine große Ausnahme von dieser „gestalterischen Regel“ der Backsteinfassaden bildet der Komplex der Firma Sack, bei der fast ausschließlich Putzbauten umgesetzt wurden (Abb.99). Bei einigen Unternehmen wird eine Backsteinfassade auch dann noch vorgeblendet, als man im konstruktiven Bereich schon zum Eisenbetonbau übergegangen war. 134 So entstand über einen recht langen und stilistisch wechselvollen Zeitraum der Architekturgeschichte hinweg in Plagwitz eine relativ homogen wirkende Flächengestaltung, bei der sowohl Wohn- als auch Repräsentations- und Industriebauten den gleichen gestalterischen Vorstellungen und Richtlinien entsprachen. Diese Geschlossenheit des Baubestands war eines der wesentlichen Kriterien für den denkmalgerechten Flächenschutz und das Stadtteilentwicklungskonzept des Quartiers, welche die Stadt Leipzig 1994 für Plagwitz beschlossen hat.101 Bei der Gliederung der Fassaden spielte selbstverständlich die Gestaltung der Fensterlösungen eine wesentliche Rolle. Diese war vor allem geprägt durch extreme Rhythmisierung, aber auch durch eine schrittweise Vergrößerung der Öffnungen. Sie war im Verlauf der Zeit ein Ausdruck der gesteigerten Anforderungen an die natürliche Durchlichtung der Produktionsräume. Ein interessantes Beispiel dafür sind sowohl die durch dickere Mauern ermöglichten großen Fenster der Firma Törpsch wie auch die durch den Stahlbeton realisierbaren einfachen Fassadenrasterungen mit größtmöglichen Fensteröffnungen bei Mey & Edlich in der Nonnenstraße 5 (Abb.134), bei Tittel & Krüger in der Holbeinstraße 14 (Abb.209) und bei Brehmer in der KarlHeine-Straße 109 (Abb.152). Aber auch der spätere Fensterausbruch bei der Firma Mey & Edlich (Abb.en 252 und 253) in der Nonnenstraße 5 im Jahr 1928 oder die Verwendung von mächtigen Thermenfenstern z. B. bei Tittel & Krüger im obersten Geschoss des sogenannten Hochbaus West (Abb.186) oder dem Kesselhaus (Abb.125) sind anschauliche Zeugnisse dieses neuen Anspruchs nach mehr Licht. 102 Eine beinahe noch größere Bedeutung als den Fenstern fällt bei der Massenstrukturierung am Bau103 den Eingangsöffnungen zu, da sie häufig nicht nur für den Bereich in dem sie angeordnet werden eine Synkope im Fassadenrhythmus darstellen, sondern diese besondere Gestaltung sehr oft über die gesamte Höhe des Treppenhauses sichtbar am Außenbau fortgeführt wurde, was die zahlreichen weiter oben beschriebenen Treppenhausrisalite architektonisch umsetzen. 101 „ Plagwitz. Ein Stadtteil im Wandel“ ; S.44. „Industriearchitektur in Leipzig“ ; S.64. 103 Eissenhauer; S.82ff. 102 135 Massenstrukturierung, Formgebung (Stil) und sichtbar verwendetes Material sind nach Eissenhauer die drei grundlegenden Faktoren für die Festlegung der Erscheinung und Gestalt einer Fassade.104 Ein spezielles Detail der Massenstrukturierung wurde in dieser Untersuchung gesondert analysiert und behandelt, weil in diesem Bereich einige für die Industriearchitektur dieser Zeit durchaus außergewöhnliche Lösungen umgesetzt wurden. Es handelt sich dabei um die Dachbereiche der Plagwitzer Industriebauten. III.5.3. Dächer Die Dächer nehmen in der Gestaltung eine gewisse Sonderstellung ein. Häufig sind sie von formbestimmender Bedeutung für die Gesamtwirkung eines Gebäudes. Die äußerlich zum Tragen kommende ausgesprochene Vielfalt der ausführbaren Gestaltungsmöglichkeiten spielte dabei eine wahrscheinlich ebenso große Rolle wie die neuen Ansprüche an Nutzbarkeit und Effektivität der räumlichen Auslastung im Inneren. Die Dachbereiche ließen sich mit einfachsten Mitteln – wie Sheds, Oberlichter und ähnlichem – ausgesprochen gut durchlichten und waren deshalb besonders geeignet für Qualitätsprüfung beziehungsweise Präzisionsarbeiten innerhalb des Herstellungsprozesses. Dem widersprach allerdings in den früheren Jahren die geringere Tragfähigkeit der Konstruktion und die erhöhte Brandgefahr, denn bis weit in die 1870er Jahre hinein waren die meisten Dachstühle der Industriebauten noch aus Holz gefertigt. Mit Einführung der gusseisernen Dachkonstruktionen, spätestens jedoch seit Verbreitung des Eisen- und Stahlbetonbaus industrieller Nutzung um die Jahrhundertwende, der den Dachbereich wie selbstverständlich mit einschloss, wurde diese Geschossebene für Produktion und Lagerung immer interessanter. Dies ist auch zahlreichen Schreiben der verschiedenen Bauakten zu entnehmen, die von Bauherrenseite darum ringen, den Dachbereich als Nutzfläche zu integrieren, was jedoch von baupolizeilicher Seite noch sehr lange zu verhindern gesucht wurde. So gab es beispielsweise im Jahr 1906/07, während der gesamten Planungsphase des Produktionsneubaus für die Firma Mey & Edlich an der Nonnenstraße 5, einen regen Schriftwechsel zwischen dem beauftragten Architekturbüro von Händel & 104 A.a.O.; S.55. 136 Franke sowie dem Rat der Stadt, deren Bauinspektoren vor allem wegen der Bestimmungen bezüglich der Feuersicherheit größte Bedenken hatten. Am Ende stimmte man von städtischer Seite jedoch dem Ausbau des Dachgeschosses zum Lagerraum unter der Auflage der Umsetzung einer aufwendigen eisernen Dachund Deckenkonstruktion zu.105 Dieser Disput ist um so erstaunlicher als die Nutzung der Dachgeschosse für Produktion oder Lagerung ansonsten zu jener Zeit beileibe keine Seltenheit mehr war. Sowohl unter formalästhetischen wie stilistischen Gesichtspunkten ist die äußere Gestaltung des Dachbereiches aber mindestens ebenso interessant wie unter funktionalen. Einmal abgesehen davon, dass die Funktion des Dachgeschosses nur in Ausnahmefällen am Außenbau ablesbar ausgeformt wurde, erfolgte die stilistische beziehungsweise kreative Gestaltung vieler Fabriken zum Teil tatsächlich erst im Dachbereich der ansonsten häufig recht uniform strukturierten Bauten. Das Dach war oftmals die kreative Spielwiese der Architekten und Baumeister, die ihre Entwürfe ansonsten sehr streng an den funktionalen Auflagen der Produktion und den statischen Anforderungen ausrichten mussten. Da hier keine darüberliegenden Stockwerke auflasteten, konnte sich ein großer Teil der Industriebauten im Dachbereich differenzierter präsentieren. Die Palette reichte dabei von weit auskragenden Flachdächern und ebensolchen, flachen Satteldächern, zum Beispiel bei der Firma Sack (Abb.102), über Walmund Mansardendächer, beispielsweise bei Mey & Edlich (Abb.en 251 und 253), sowie unterschiedlichste Turman- und -aufbauten im Bereich der aufwendig gestalteten Treppenhäuser, wie bei Tittel & Krüger (Abb.en 116 und 118) oder Swiderski (Abb.122), bis hin zu einer reichen Durchlichtungsgestaltung der Dachbereiche mit Oberlichtern, Sheds und seitlicher Obergadendurchfensterung der basilikalen Montagehallen der metallverarbeitenden Unternehmen wie etwa bei C. F. Weithas & Nachf. (Abb.en 143 und 144), Unruh & Liebig (Abb.138) oder Swiderski (Abb.en 84 und 140). Sicher eine der beeindruckendsten Dachlandschaften stellt die bereits in Ansätzen beschriebene der Firma Tittel & Krüger dar. Dieses Unternehmen ließ sich nicht nur 1887 von Eduard Steyer ein enormes 20-achsiges, fünfbeziehungsweise sechsgeschossiges Lager-, Pack- und Kontorgebäude mit 105 „ Acten des Rathes... Mey & Edlich.” ; Band III., ergangen 1906, o.S. 137 Souterrain direkt an der Nonnenstraße mit zwei wunderschönen Treppenhaustürmen im Stil der nordeuropäischen Renaissance nebst Wappenblendgiebel und Schriftfeldern im Dachbereich des sogenannten Hochbau Nord entwerfen (Abb.en 116 und 242), sondern kurze Zeit später, 1888, durch Pfeiffer & Händel eine imposante Kuppel über dem zur Schauseite der Nonnenstraße hin gelegenen nordwestlichen Treppenaufgang des 1898 von Händel & Franke noch erweiterten Hochbaus West anlegen (Abb.118). Die Ähnlichkeit zu der in den Jahren zwischen 1888 und 1895 von Ludwig Hoffmann (1852-1932) für den Bau des Reichsgerichtes in Leipzig umgesetzte Zentralkuppel wurde bereits erwähnt (Abb.en 240 und 241). Bei beiden Bauten finden sich vier Obelisken zu Füßen der vier Kuppelecken, die Form der Kuppeln selbst ist bis auf die Abmessungen nahezu identisch, ebenso beiden Laternen nebst Figur – nur dass die „Wahrheit“ über dem Reichsgericht durch die Kugelform der „Welt” über Tittel & Krüger ersetzt wurde, welche für die bedeutende Stellung des Unternehmens im Welthandel stehen sollte. Aber nicht nur die Industrie adaptierte in jenen Jahren die Kuppel als sakrales Hoheitsmotiv. Auch im von Eissenhauer bearbeiteten Hamburger Stiftungsbau finden sich Parallelen zur Übernahme solcher bedeutungsimmanenter Bauteile: “... das sakrale Hoheitsmotiv der Kuppel ... läßt die gesamte Stiftung im Lichte eines architektonisch inszenierten Gottesdienstes erscheinen ...” 106 Hier wird der Gedanke der zusammenwirkenden Gemeinde der Arbeiterschaft im „Gottesdienst“ der Arbeit, was bereits durch die Wahl des Materials Backstein implizit seinen Ausdruck findet, in weithin sichtbarer Form überkrönt beziehungsweise überhöht.“Kuppeln über Fabriken, “Kathedralen der Arbeit”, Ausdruck des Selbstwertgefühls der neuen Mächtigen der Wirtschaft.” 107 Die von diesen “neuen Mächtigen” geforderte neue gesellschaftliche Ordnung sah an der Spitze sich selbst – die Großindustriellen, an Stelle beziehungsweise neben dem bis dahin herrschenden Kreis der Adeligen und des über die Jahrhunderte durch den Handel reich und mächtig gewordenen Großbürgertums. Der einzelne Arbeiter sollte sich, adäquat zur feudalen wie bürgerlichen Gesellschaftsstruktur und des seit dem Mittelalter herrschenden Heilsgedankens des Christentums geduldig und demütig in sein, der sozialen Hierarchie des 106 107 Eissenhauer; S.71. “Industriearchitektur in Leipzig” ; S.67. 138 Gesellschaftsideals untergeordnetes, persönliches Schicksal fügen, um am Ende als Belohnung sowohl geistige, moralische als auch ethische Läuterung zu erfahren,108 “... um als “zuverlässiger Mensch” das Ziel des Lebens im ‘höheren Jenseits‘ zu suchen und nicht etwa im irdisch-materiellen oder politisch-sozialen Dasein zu fordern.” 109 Neben der Kuppel und den beiden Renaissancetürmchen über den Treppenhäusern von Tittel & Krüger gab es noch andere gestalterisch aufsehenerregende Lösungen in diesem Bereich, wie beispielsweise der weiter oben bereits behandelte, zinnenbekrönte Turm der Firma Swiderski (Abb.122). Im vorangegangenen Abschnitt der Arbeit konnte nachgewiesen werden, dass sich auf halber Höhe dieses Turmes, weithin sichtbar angebracht, die Werksuhren befanden. Über die Bedeutung und Anbringung von Uhren an repräsentativen Punkten des Gebäudekomplexes der Unternehmen ist hier bereits geschrieben worden. Die Uhren der Firma Swiderski (Abb.en 122 und 84) dienten dabei, ebenso wie die Uhren von Tittel & Krüger (Abb.en 118 und 119), Penin (Abb.231) oder Mey & Edlich (Abb.121) nicht allein der Pünktlichkeit oder der moralischen Stütze in Form eines quasi erhobenen stetigen Zeigefingers – „... Uhr und Glocke versinnbildlichen zusätzlich den erzieherischen Akt...“ 110 – sie waren gleichermaßen als Repräsentationsobjekt des Unternehmens nach außen gedacht. In diesem Zusammenhang wirkte die Anbringung einer Uhr im Dachbereich eines Baues des Fabrikkomplexes wie ein Ausrufungszeichen – der Betrachter sollte mit einem Blick erkennen, dass dieses Unternehmen nach den neuesten Richtlinien der Wirtschaftlichkeit arbeitete und keine Minute verschenkte. „Die Uhr war das Merkmal für die Umstrukturierung des Arbeitslebens. Sie zählte zu den „radikalen Erfindungen“, die die Umwelt und das Wesen des Menschen grundlegend veränderten. Sie gab den Arbeitsrhythmus an, dessen Geschwindigkeit das Kriterium für die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen war.“ 111 Außerdem konnte der Betrachter mit Hilfe der gut sichtbar eingefügten Uhr meist sofort des Zentrum der Verwaltung des Unternehmens oder doch zumindest den Zugang zu ihm erkennen, denn meist wurden die Uhren über den Treppenhäusern der Verwaltungsgebäude angebracht, adäquat zum Vorgehen in völlig anderen 108 Eissenhauer; S.73. A.a.O.; S.77. 110 Eissenhauer; S.76. 111 Fruehauf; S.29. 109 139 Bereichen der vielfältigen Bauaufgaben, so zum Beispiel beim Hamburger Stiftungsbau: „Ein turmartiger Mittelbau mit Sandsteinportal zeichnet die ganze ... Anlage aus. Darin ist Uhr und Glocke, so wie das Versammlungszimmer der verwaltenden Behörde und in Verbindung damit eine monumentale Haupttreppe untergebracht.“ 112 Neben den Uhren gab es aber in Plagwitz genauso wie in Hamburg noch andere gestalterische und architektonische Ausdrucksmöglichkeiten des unternehmerischen Repräsentationswunsches: „Die Tendenz zu repräsentativen Formen zeigt sich an fast allen Fabrikanlagen im Hamburger Raum, deren Fassaden sich der Öffentlichkeit zuwenden. Dabei lassen sich jedoch unterschiedliche Ausprägungen feststellen.“ 113 Eine davon beschreibt Fruehauf selbst an anderer Stelle ihrer Ausführungen mit „unterschiedlich geformte Giebel der Dachzone“ . Und in der Tat findet sich auch in Plagwitz eine Vielzahl von Variationen verschiedenster Zier- und Blendgiebel, welche in der Mehrzahl der Fälle zur Aufnahme von Firmenwerbung dienten und heutigentags – nach den weitgehend abgeschlossenen Sanierungen der Industriebauten in historischer Attitüde – an den Glanz untergegangener Zeiten erinnern. So etwa der wuchtige Segmentgiebel aus Sandstein in der Naumburger Straße 28, der Firmennamen und Gründungsdatum von Unruh & Liebig (Abb.202) präsentiert der fein ausschwingende Jugendstilgiebel der Firma C.F.Weithas & Nachf. (Abb.248) mit der Unternehmensbezeichnung zur Gießerstraße hin. Hinter der werbenden Aussage der beiden erstgenannten wurde geschickt der jeweilige Dachaufbau des ausgreifenden Oberlichtes der dahinter liegenden Galeriemontagehalle der Fabriken verborgen. Bei anderen Unternehmen wie zum Beispiel Sack oder Mey & Edlich ist beziehungsweise war die Inschrift mit dem Firmennamen gut sichtbar direkt am Gebäude angebracht (Abb.en 99 und 121) oder wie bei Tittel & Krüger an den beiden Turmaufbauten des Hochbau Nord (Abb.116). Andere gingen etwas subtiler vor, indem sie an Stelle des Namens ein Sinnbild des Unternehmen setzten – wie beispielsweise Swiderski, der direkt über dem Haupteingang ein Wappen anbringen ließ, oder Tittel & Krüger, die neben den abstrakten Schriftzug des Firmennamens das bildliche Pendant des Schwanenemblems setzten (Abb.en 236, 116 und 242). Einen gewissen 112 113 „Hamburg. Mittheilungen“ , Hamburg 1868; S.137 zitiert nach Eissenhauer; S.76. Fruehauf; S.25. 140 Sonderfall der Dachgestaltung in der Plagwitzer Industriearchitektur stellt die Lösung in Form einer Dachterrasse über dem Wohnhaus des Fabrikanten Philip Penin in der Nonnenstraße 42 dar (Abb.93). III.5.4. Freizeitbereiche und soziale Firmeneinrichtungen Eine gewisse Sonderstellung in der zum Teil doch recht großflächigen und komplizierten Struktur der Unternehmen nehmen die sozialen Einrichtungen und die firmeninternen Freizeitbereiche wie Parks, Gewächshäuser, Speisesäle oder Kegelbahnen und ähnliches ein. Sie haben keine direkt mit der Produktion verbundene Funktion, gestalten aber das Firmenauftreten wesentlich mit. Einige dieser Räume haben jedoch einen zumindest sekundären Bezug zum Produktionsablauf, da sie gewisse Vor- oder Zwischenbedingungen für einen reibungslosen Arbeitsablauf gewährleisten. Zu diesen Räumlichkeiten zählen beispielsweise Umkleideräume, Speisesäle, sanitäre Einrichtungen und Aufenthaltsräume. Sie waren Bestandteil fast aller größerer Unternehmen in Plagwitz, so zum Beispiel bei Tittel & Krüger, Sack oder Mey & Edlich (Abb.en 254 und 255). Die Gestaltung war dabei weitestgehend von untergeordneter Bedeutung und die Muster ihres Äußeren folgten zumeist den Vorlagen herkömmlicher Wohnarchitektur oder denen des Firmenbildes. Einen weiteren Bereich der “sozialen” Firmeneinrichtungen stellen die Werkswohnungen dar. Im Grunde genommen handelt es sich hierbei, im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung, keineswegs um karitative Einrichtungen. Die Betriebe sorgten durch Werkswohnungsbauten für eine arbeitsnahe Unterbringung ihrer Arbeiter und Angestellten. Das brachte einerseits einen Teilrücklauf der an ihre Beschäftigten ausgezahlten Bezüge, andererseits war die Überwachungsfunktion dieser “Erweiterungsbauten” sehr hilfreich für die gesunde Struktur des Unternehmens. Durch die meist sehr direkte Nachbarschaft zu den Produktions- und Verwaltungsgebäuden konnte von Seite des Unternehmens beispielsweise mühelos überprüft werden, wer wirklich krank war, welche Familien nicht funktionierten, wo das Alkoholproblem überhand nahm und anderes. Da Plagwitz aber von Beginn an als Wohn- und Industriemischgebiet erschlossen worden war, gab es von Anfang an ein ausreichendes Angebot an Wohnungen. So wurde der Initiative der Unternehmen in diesem Bereich verhältnismäßig wenig Impulse gegeben. Unter 141 diesem Gesichtspunkt und vor allem im Kontext mit anderen deutschen Industriezentren und ihren, auch architektonisch teilweise sehr interessanten, Arbeitersiedlungen gestaltet sich dieser Bereich auf Plagwitz bezogen demnach nicht besonders interessant. Die mit der Zeit entstandene, für Plagwitz typische Wohn- und Industriemischstruktur stellt heute einen wichtigen Aspekt der schützenswerten städtebaulichen Besonderheit des Quartiers dar. Häufig hat jedoch gerade diese Mischbebauung in der Vergangenheit zu Reibereien und Auseinandersetzungen in der Nachbarschaft geführt. Klagen über Lärmbelästigung, Umweltverschmutzungen, Asche- und Abgasbelastungen gingen permanent an die Vermieter des Wohnraumes und von diesen wiederum an die Stadtverwaltung. Die Stadt mahnte die Betreiber der Fabriken, und in besonders schwerwiegenden Fällen kam es auch zu regulativen Maßnahmen im Bereich der architektonischen Substanz der Unternehmen, so beispielsweise zur baupolizeilich geforderten Erhöhung der Schornsteine der Firmen, um die Anwohnerbelästigung durch Abluft- und Ascheausstoß zu verringern.114 Zur Unterhaltung der Angestellten nach Dienstschluss und zur Pflege eines firmenintern gebundenen Gemeinschaftssinnes entstanden bei einigen Unternehmen Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen wie Klubhäuser, Kegelbahnen oder ähnliches auf den Firmengeländen. Die Kegelbahnen erfreuten sich in jenen Jahren besonderer Beliebtheit. Jedes der hier untersuchten drei größeren Unternehmen in Plagwitz, nämlich Sack, Mey & Edlich sowie Tittel & Krüger, ließ sich in den 1880er Jahren mit einer solchen ausstatten. Bei der Firma Sack wurden über der 1886 durch Carl Brömme im ländlichen Fachwerkstil errichteten Kegelbahn am steilen Ufer des Kanals sogar Fremdenwohnungen beziehungsweise -zimmer angelegt (Abb.256). Neben den Kegelbahnen waren vor allem kleinere Firmengärten direkt auf den Unternehmensgelände oder aber sogar großflächige Firmenparks an anderem Ort sehr beliebt. Die Größe der werksinternen Grünanlagen war dabei sehr unterschiedlich. Es gab Unternehmen, wie die Maschinenfabrik Swiderski oder die Produktion von Drahtheftmaschinen der Gebrüder Brehmer, bei denen sich das „Werksgrün“ auf einen zwar schmalen, doch seinerzeit repräsentativen 114 „ Acten des Rathes... Mügge & Co... ergangen: 1891” ; o.S. und „ Acten des Rathes... Tittel & Krüger... ergangen: 1906” ; o.S. 142 Grasstreifen zwischen Straße und Fassade beschränkte (Abb.en 84 und 256). Bei anderen Unternehmen, vor allem mittlerer Größe wie beispielsweise Mügge & Dambacher oder Meier & Weichelt (Abb.en 109 und 227), waren kleine Firmenparks mit verzweigten Wegen, schattenspendenden Bäumen und kleinen Weihern zur Entspannung der Mitarbeiter in den Pausen angelegt worden. Natürlich war das nur eine der Funktionen dieser Anlagen – immer spielte das Bild nach Außen, auf den Betrachter, den Kunden und potentiellen Vertragspartner, eine wichtige Rolle. Aber auch pragmatische Hintergedanken standen bei einigen Umsetzungen Pate. So dienten die pittoresken Seen der Firmengärten als potentielle Löschteiche der Erhöhung der Feuersicherheit auf dem Firmengelände und die zum Teil entstandenen Gewächshäuser, so das 1890 realisierte Gewächshaus der Firma Mey & Edlich, waren nicht allein der Erholung und Erbauung oder ihrer wunderbar anzuschauenden Konstruktion aus Eisen und Glas wegen errichtet worden, sie wurden vielmehr ebenso zur optimalen Kultivierung verschiedener Nutzpflanzen verwandt (Abb.257). Eine ähnliche Anlage – das sogenannte Gartenhaus mit zwei angrenzenden Gewächshäusern – gab es beispielsweise auch auf dem Gelände der Gussstahlfabrik der Familie Krupp in Essen (Abb.258). Darüber hinaus entstanden andere firmeneigene Grünflächen, die allerdings nicht auf dem eigentlichen Firmengelände situiert waren. So ließ der Unternehmer Rudolph Sack bereits 1878, allerdings außerhalb des Plagwitzer Geländes seiner Produktion von landwirtschaftlichen Maschinen, ein eigenes Versuchsfeld im benachbarten Kleinzschocher anlegen. Diese Versuchsstation wurde 1904 von 17 auf über 200 Hektar mit mehreren Höfen und Vorwerken ausgebaut. Zu dieser Anlage gehörte auch ein circa 25 Hektar großer Park mit verschiedenen „Landhäusern“, die vornehmlich als Sommersitz der Fabrikantenfamilie gedacht waren. Einige dieser Gebäude dienten aber auch der Freizeitgestaltung der Arbeiterschaft, wie beispielsweise das Feierabendheim und die scheinbar auch hier unvermeidliche Kegelbahn. Zu dieser weitläufigen Anlage gehörten neben vielen landwirtschaftlichen Teststrecken und familiär genutzten Gebäuden auch ein Schwimmbad und ein großer Obst- und Gemüsegarten für die Werksangehörigen (Abb.en 259, 260 und 261). Neben den Werkswohnungen, die für Plagwitz von eher untergeordneter Bedeutung waren, spielten die Grünanlagen, die Freizeit- und Sozialeinrichtungen eine wichtige Rolle im repräsentativen Gesamtbild der 143 architektonische Gliederung des Unternehmens. Das erklärt auch, warum viele Firmen so großen Wert darauf legten, dem Betrachter diese Einrichtungen möglichst augenfällig – das heißt zumeist direkt an der Straße gelegen und auch im Vordergrund des Firmenbildes ihrer Briefköpfe – zu präsentieren. (Abb.en 81, 94, 114, 227 und 256) III.6. Der neue Machtanspruch der Industrie „Das sich zu Beginn der Gründerzeit entwickelnde neue Selbstbewußtsein der Unternehmer äußerte sich am Fabrikgebäude durch die Verblendung der Fassade mit historischen Stilformen.“ 115 Dieses nach dem gewonnenen Deutsch-Französischen-Krieg erstarkende Selbstbewusstsein hatte natürlich unter materiellen Gesichtspunkten zuvörderst etwas mit den geleisteten Reparationszahlungen Frankreichs zu tun, die vor allem der deutschen Industrie und Wirtschaft zugute kamen. Die Entscheidung für die eine oder die andere der zitierenden Stilformen des Historismus variierten in jener Hochzeit des unternehmerischen Aufschwungs entweder nach der individuellen ästhetischen Neigung und Vorliebe des Unternehmers, nach dem regional beziehungsweise lokal vorherrschenden Bild oder aber nach der passenden historischen Architekturschablone mit der jeweils gewollten stilimmanenten Aussage. Die letztgenannte Variante wurde, wie bereits erwähnt, in Mildes 1981 in Dresden erschienenem Werk zur „ Neorenaissance in der deutschen Architektur des 19. Jahrhunderts.“ zur Kernthese heraus gearbeitet. Milde sieht die Neorenaissance als Hauptströmung des Historismus in Deutschland. Seiner Meinung nach kommt ihr diese Stellung vor allem auf Grund ihrer mit der historischen Bedeutung verknüpften Aussage zu. Er führt aus, dass die Epoche der Renaissance – die die Ära der Erlangung von wirtschaftlicher, gesellschaftlicher Unabhängigkeit und politischer Macht des kapitalistischen Bürgertums darstellt – für die Bauherren des 19. Jahrhunderts in ihrer formellen Nachahmung eine Evokation der gesellschaftlichen Umbrüche von damals bedeutete.116 115 116 Fruehauf; S.28 Milde, S.133ff. 144 Neben dieser kontextuellen Bedeutung spielte der ästhetische Aspekt bei der Gestaltung von Gebäuden eine nicht unerhebliche Rolle: “... hatte die Fassade als Sinnträger ... in eine ästhetische Wirkung zu transformieren, die geeignet war, die Bedeutung des Gebäudes entsprechend der ... formulierten Ansprüche zu visualisieren und zugleich über dessen zeitgenössische Entstehung hinaus zu verlängern.” 117 Dabei sollte auch nicht vernachlässigt werden, dass gerade das späte 16. und frühe 17. Jahrhundert eine der Hauptblütezeiten Leipzigs gewesen war. In jener Zeit konnte sich Leipzig dank des erstarkenden Handels und dessen Kulminationspunkt – der Verleihung und Erweiterung des Reichsmesseprivilegs durch Maximilian I. in den Jahren 1497 und 1507 – mit immer stärkerer Bedeutung im regionalen und überregionalen Bereich profilieren. Es war ein Jahrhundert, in welchem die wichtigsten städtischen Bauten, wie etwa die Moritzbastei (1551-53), die Alte Waage (1555) und das Alte Rathaus (1556) durch Hieronymus Lotter (1497-1580) im Stil der deutschen Renaissance entstanden, welche bis heute als bedeutend Beispiele der Baukunst jener Epoche in Deutschland gelten. Diese historische Blütezeit der Stadt beziehungsweise Region sollte mit dem architektonischen „Neozitat“ nicht nur formal-ästhetisch, sondern auch inhaltlich evoziert werden. Dass das Vehikel des damaligen Aufschwungs – die Industrie – dabei nur bedingt mit dem der inzwischen romantisch reichlich verklärten Blütezeit des ausgehenden 16. Jahrhunderts – nämlich dem Welthandel – korrelierte, spielte bei der ästhetischen Entscheidungsfindung der Bauherren nur keine Rolle. Vielmehr interessierte diese vor allem der festliche Prunk der Renaissancearchitektur ihrer Region, die ihnen ein geeignetes Medium zum Transport der Idee vom Glauben an den Fortschritt und die wirtschaftliche Macht ihrer Unternehmen zu sein schien. „... je abschreckender die neue kapitalistische Wirklichkeit werden sollte, desto zwingender war es für die herrschende Klasse, den ästhetischen Schein zu wahren. Und der Bourgeoise selbst verlangte schließlich in seiner Lebensumwelt Schönheit, Reichtum, Selbstdarstellung.“ 118 117 118 Eissenhauer; S.55. Milde; S.81. 145 Ein weiterer, förderlicher Umstand für die Durchsetzung der Neorenaissance in der Industriearchitektur war der Rückgriff des jungen, deutschen Staates auf eben diese Architekturformen bei der Konzeption der Neubauten seiner wichtigsten Repräsentationsbauten: „Schließlich wurde die Neorenaissance mit dem Wettbewerb zum Reichstagsgebäude [für Deutschland] 119 allgemeingültig.“ Sozusagen direkt vor der Haustür hatten die Plagwitzer Industriellen das „ VorBild“ des 1888-1895 realisierten Reichsgerichtsgebäude zu Leipzig (Abb.262). Das von Hoffmann im Stil der italienischen Renaissance entworfene Gebäude fand dabei seine bereits erwähnte, auffällige Entsprechung im Treppenhausturm des sogenannten Hochbaus West der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger (Abb.en 240 und 241). Hier manifestiert sich in augenfälliger Weise der Machtanspruch der neuen gesellschaftlichen Kraft des industriellen Großbürgertums, das durch seine wirtschaftliche Potenz ein gewaltiges Selbstbewusstsein entwickelt hatte. Dieses Selbstbewusstsein ließ es nicht nur an der alt angestammten Machtposition des Adels innerhalb des jungen Staates rütteln und eine wohlverdiente Gleichbehandlung für sich fordern, die „Neureichen“ der Industrie beanspruchten darüber hinaus adäquat zu ihrer wirtschaftlichen Macht eine dominierende Rolle in der Politik des Staates. „...zwischen Adel und Bourgeoisie trat jene Konkurrenz der gesellschaftlichen und intellektuellen Bildung, des Reichtums und des Aufwandes ein, die der politischen Herrschaft der Bourgeoisie überall voranging und die wie jede andere Konkurrenz mit dem Sieg des reicheren Teils endigt ... Die drei Prozent Einkünfte des Adels erlagen vor den fünfzehn Prozent Profit der Bourgeoisie.“ 120 Eine unterhaltsame „Episode“ in diesem Streit zwischen Adel und Industrie bilden die als Bauschmuck plazierten Fantasiewappen an den Verwaltungsgebäuden der Firmensitze oder an den Wohnhäusern der reichen Unternehmer. Das Wappen am Treppenhausturm des Verwaltungskopfbaus der Firma Philip Swiderski wurde bereits beschrieben und – im Zusammenhang mit der Herkunft des Unternehmers aus Marienburg – in Bezug zum Deutschritterorden und dessen Burg gebracht (Abb.236). Ebenso wurde in dieser Arbeit auf das wappenartige Emblem am Blendgiebel des sogenannten 119 120 A.a.O.; S.278. Milde, S.140. 146 Hochbaus Nord der Firma Tittel & Krüger in der Nonnenstraße hingewiesen (Abb.243). Der hier präsentierte Schwan durchzieht gleichsam als Logo der Firmenideologie von reiner, qualitätvoller Ware die verschiedensten Bereiche der gestalterischen Konzeption des Unternehmens. Wir finden den Schwan nicht nur an der äußeren Hülle, sondern auch im Inneren des Baus beispielsweise als zierendes Detail an Türklinken (Abb.263) oder auf den Briefköpfen des Konzerns mit dem Hinweis „Geschützte Marke“ versehen (Abb.245).121 An diesem Beispiel lässt sich exemplarisch vorführen, dass am Ende nicht allein die Architektur der Selbstdarstellung des Unternehmens diente, sondern alle nur denkbaren Bereiche für diese Aufgabe genutzt wurden. Die Briefköpfe der Unternehmen stellen dabei ein eigenes Kapitel der Repräsentation dar. Oft bilden sie für uns aufgrund von Kriegszerstörungen, Umbauten, Abrissen aus DDRZeiten sowie nach der Wiedervereinigung verordneten Beräumungen das einzige Zeugnis der Gesamtanlage einzelner Unternehmen dar. Da es sich jedoch auch um „Werbemittel“ handelte, sind sie in jedem Fall mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, vor allem, was die Größenverhältnisse anbelangt. Die Firmenbriefköpfe machen aber deutlich, dass die Architektur – neben ihrer Aufgabe der Bereitstellung einer baulichen Hülle für die Produktion – nicht allein die repräsentativen Pflichten für das Unternehmen übernahm, sondern dass auch ihr „Abbild“ auf Briefköpfen, Postkarten, in Publikationen und ähnlichem genau diesem Zweck dienten. Eine zu den Fantasiewappen vergleichbare Aufgabe als Aussageträger und Schmuck hatten die vielfach angebrachten Gebäudeanker. Ähnlich wie die Wappen sollten sie den Herrschaftsanspruch des jeweiligen Firmenimperiums demonstrieren. Aus diesem Grund wurden sie zumeist als verschlungenes Monogramm des oder der Firmengründer geprägt (Abb.en 264 und 265). Die Maueranker konnten aber ebenso in Form von abstrahierenden Firmenlogos auftauchen. So beispielsweise bei Rudolph Sack, wo sich die Monogrammvariante mit einer Radsymbolik an der Fassade eines Produktionsgebäudes abwechselt (Abb.en 266 und 267). “Vielfach sind kunstvoll gestaltete Maueranker zum Schmuck der Fassaden von Industriegebäude benutzt worden. An der ehemaligen Halle für den Dampfpflug- und Drillmaschinenbau an der Weißenfelser Straße zeigen die 121 Vgl. Anm.89 dieses Kapitels! 147 Maueranker das stilistische Warenzeichen des Unternehmens. Die verschlungenen Buchstaben RSLP stehen für Rudolph Sack Leipzig-Plagwitz. ... sie sind von den Umrissen eines prall gefüllten Getreidesacks umgeben und mit einer Pflugschar und einem Zahnradsegment gekoppelt.” 122 Die Schauarchitektur der Unternehmen wird häufig mit mehr oder weniger sinnfälligen Symbolen versehen. Es gab dabei zwei grundsätzlich zu unterscheidende Gruppen. Eine davon bildeten die „Zeichen“, die neben der schmückenden noch eine ganz bestimmte Funktion im Arbeitsprozess der Fabrik inne hatten, wie beispielsweise die bereits näher untersuchte Metapher der „Uhr“, die sowohl sinnbildlich für die Überwachung und Reglementierung der Arbeiterschaft des Unternehmens stand wie sie auch tatsächlich derer zeitlichen Überprüfung und Orientierung diente. Zu dieser Gruppe von „Zeichen“ gehörten auch das in dieser Untersuchung vernachlässigte Bild des Schornsteins, der neben seiner funktionalen Bedeutung als Abluftentferner ebenso als beeindruckendes und weithin sichtbares Machtsymbol einer Firma diente: „Auch an dem Symbol der Industrialisierung, dem Schornstein, der in seiner Höhe mit dem Kirchturm konkurrierte, setzt sich das Geltungsbewußtsein fort...“ 123 Als stadtbildprägende Qualität erfuhr der Schornstein zur damaligen Zeit eine ungeahnte Aufwertung. Fruehauf zitiert in ihrer Publikation einen Aufsatz, der 1909 in der „Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen“ erschien und so expressive Metaphern wie „... Anrufungszeichen der Ewigkeit ...“ respektive „... Prozessionskerzen der Industrialisierung ...“ für diesen funktional wichtigen architektonischen Teil der Fabriken fand.124 In der anderen Gruppe finden sich „Zeichen“, die neben der Repräsentation keinerlei Funktion erfüllen. Zu ihnen gehören die bereits beschriebenen „ Fantasiewappen“ und Gebäudeanker. Dieser schmückende Zierrat des Baus verfolgt die Funktion der Differenzierung der repräsentativen Aussage. Man wollte damit nicht nur Reichtum, wirtschaftliche Potenz und unternehmerischer Erfolg demonstrieren, sondern auch bestimmte substantielle und politische Kerngedanken der Unternehmensstrategie – wie beispielsweise der Anspruch auf „Die politische und gesellschaftliche Macht –versinnbildlichen. Industriearchitektur entwickelte sich zur Machtdemonstration ... darüber hinaus 122 “Industriearchitektur in Leipzig” ; S.67. Fruehauf; S.31. 124 Ebd. 123 148 dienten die eingesetzten Architekturformen dem Bestreben, materiellen Reichtum und damit verbundene ökonomische Leistungsfähigkeit darzustellen...“ 125 In diesem Verständnis waren auch Globen und Atlanten ein beliebtes Schmuckelement, da sie die Weltbedeutung des Unternehmens aufs einfachste augenfällig machen konnten. Sie waren so beliebt, dass sie sich an recht vielen Plagwitzer Unternehmen fanden. Dass die Globuswerke in der Limburger Straße sich damit schmückten, war nur allzu naheliegend (Abb.268), aber auch über dem Dachfirst des im Jahre 1903 weltgrößten Versandhauses Mey & Edlich (Abb.en 121, 251 und 269)126 und auch auf der Laterne der Kuppel des Treppenhauses von Tittel & Krüger (Abb.120) schmückten die Weltkugeln weithin sichtbar die Unternehmen. Dass es keinen lokalen „Zwang zum Globus“ in Plagwitz gab, beweist hingegen die Firma von Rudolph Sack, die zeitweise über siebzig Prozent ihrer Produktion an das weltweite Ausland verkaufte und doch auf den Globus als „Zeichen“ komplett verzichtete. Die Beliebtheit gerade dieses Motivs ist jedoch in Plagwitz – vor allem im Vergleich zu anderen Industriezentren – auffallend. All diese Elemente der Repräsentationsklaviatur der Architektur wurden jedoch hauptsächlich nach außen gerichtet eingesetzt. Wie bereits im Abschnitt über die Fassadengestaltung ausgeführt, stellten die Straßenfronten beziehungsweise Kopfbauten der Unternehmen eine Art Aushängeschild dar, das dem Betrachter durch die Art seiner Gestaltung eine bestimmte Aussage kommunizieren sollte: „Die Kopfbauten der Fabrikhallen, die mit ihren Schauseiten zur Straße standen, waren gleichsam die Visitenkarten der Unternehmen. Daher prägten sich in ihnen in besonderer Weise Auffassungen von Bauherren und Architekten darüber aus, wie die Fabrik der Öffentlichkeit vorzustellen wäre.“ 127 Die so entstandenen Industriebauten wurden von ihren Auftraggebern in keinem Fall nur als reine Nutzarchitektur, als praktisch angepasste Hüllen der Produktion in Auftrag gegeben, sie sollten gleichzeitig auch die Funktion eines selbst gesetzten Denkmals übernehmen, eines Denkmals, das allein durch die Tatsache seiner Errichtung, einen “... Anspruch auf kommende Jahrhunderte formuliert[e], in 125 Ebd. Vgl. Abschnitt II.5. dieser Arbeit, S. 82 und Anm.137! 127 „Industriearchitektur in Leipzig“ ; S.66. 126 149 denen diese Bauten immer noch ihren gleichen Sinn und Zweck erfüllen sollten.” 128 Natürlich wollte man auch einen firmeninternen Gemeinschaftsgeist, das Zusammengehörigkeitsgefühl sowie die Identifikation der Arbeiter mit ihren Firmen entwickeln und stärken. Den Unternehmern ging es jedoch vor allem um den von Außen herantretenden Kunden und die Wirkung, die ihr Unternehmen – vermittels seiner Architektur – auf ihn ausübte. Darum blieben Bauplastik und aufwendige Fassadenkompositionen den in der Nähe des Eingangsbereichs gelegenen Fabrikantenvillen, den Konstruktions- und Verwaltungsgebäuden sowie den zur Straße hin liegenden Schaufronten der Fabriken vorbehalten: ein Prinzip, das sich nahezu identisch in allen industriellen Zentren der damaligen Zeit findet. „Die Tendenz zu repräsentativen Formen zeigt sich an fast allen Fabrikanlagen ..., deren Fassaden sich der Öffentlichkeit zuwenden ... innerhalb der Wohngebiete übernahmen häufig Verwaltungsgebäude die Repräsentationsaufgaben ... Zuweilen verbargen sie die Produktionsgebäude zur Straße hin, als gelte es Produktion und Produktionsverhältnisse der Industrie sowie Schmutz und Lärm vor den Anwohnern zu tarnen.“ 129 Damit wollte man jedoch nicht nur die Anwohner, sondern auch potentielle und tatsächliche Kunden beeindrucken. In diesem Sinne ist es sicher nicht verfehlt, von einer „Firmenkulisse“ zu sprechen. Um in der Sprache des Theaters zu bleiben: die Unternehmen inszenierten sich und ihre Firmenideologien vermittels der von ihnen als Bauherren ausgewählten und umgesetzten Architektur. Die variabel einsetzbaren Neostilrichtungen des Historismus als Medium alternativer Bedeutungen waren bestens für diesen unternehmerischen Anspruch geeignet.130 „Im Verfügen über die formalen Ausdrucksmittel der Vergangenheit drückte sich ein neuer Herrschaftsanspruch aus. Gleichzeitig versuchten sie, in dieser Zeit der raschen Veränderungen, den gesellschaftlichen Verhältnissen das Gepräge des stabil gegründeten, des Überdauernden zu geben sowie ihren Machtanspruch gegen Reformbestrebungen zu verteidigen. Es sollten die durch die Industrialisierung hervorgerufenen gesellschaftlichen Verhältnisse legitimiert ... werden.“ 131 128 Eissenhauer; S.88. Fruehauf; S.25ff. 130 Milde, S.133ff. 131 Fruehauf; S.28. 129 150 III.7. Plagwitzer Industriearchitektur im Kontext Die interne Untersuchung eines zuvor eingegrenzten Themas bringt konnte auch hier einiges an Ergebnissen hervorbringen. Die Beleuchtung des kontextuellen Zusammenhangs dieser internen Untersuchungsergebnisse mit anderen Studien ist dabei unabdingbar. Dieses „ Ins-Verhältnis-Setzen“ durch Vergleich bietet häufig eine zusätzliche Erhellung der untersuchten Thematik. Für sich betrachtet bietet die Entwicklung und Umsetzung von Industriearchitektur in Plagwitz während der Blütezeit der Industrialisierung der Region im kontextuellen Vergleich – zumindest aus kunsthistorischer Sicht – einen Untersuchungsgegenstand eher gemäßigten Interesses. Die Industriearchitektur vergleichbarer Großstädte der damaligen Zeit – wie etwa Frankfurt am Main, Köln oder Hamburg – präsentiert sich in ihrer formalen Entwicklung in auffälliger Ähnlichkeit. Eine der genuinen Besonderheiten von Plagwitz ist der erfreulich gute Erhaltungszustand der Objekte. Die hier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts projektierte und gebaute Industriearchitektur lässt sich in weiten Teilen heute in beinahe unverändertem Originalzustand erleben und untersuchen. Dort wo sie durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen verlorenging oder aber durch Rekonstruktionen der Nachwendezeit stark verändert wurde, kann mit Hilfe der erhaltenen Bauakten – zumindest ideell – der ursprüngliche Baubestand ziemlich genau rekonstruiert werden. Dabei wird deutlich, dass die zweite Besonderheit von Plagwitz nicht so sehr in den hier entwickelten formalstilistischen Lösungen des Industriebaus an sich liegt, sondern vielmehr in der städtebaulichen und infrastrukturellen Konsequenz, mit der das Viertel erschlossen und bebaut wurde. Das so entstandene Industrie- und Wohnmischgebiet ist sowohl innerhalb Leipzigs als auch im regionalen und überregionalen Kontext e i n z i g a r t i g in jener Zeit. Dieser Mischcharakter fällt besonders im Vergleich mit den anderen wichtigen Industriestandorten vor den Toren Leipzigs beziehungsweise mit den anderen industriell geprägten Vierteln der Stadt ins Auge. So fanden und finden sich im Grafischen Viertel wie auch in Plagwitz Bauten der grafischen Industrie neben Wohnhäusern Leipziger Bürger. Der hier so typische Quartiercharakter ist jedoch ein gänzlich anderer als der beinahe zeitgleich in Plagwitz entstandene. Im Grafischen Viertel finden wir Bürgerhäuser und -gärten, die durch ihre extreme Nähe zum damaligen Stadtkern einem wesentlich reicheren und 151 herrschaftlicheren Gepräge verpflichtet sind. Diese in der Mitte des 19. Jahrhunderts bereits vorhandene Struktur der Bebauung hatte Auswirkungen auf die Gestaltung der sich hier ansiedelnden Verlagshäuser und druckgrafischen Gewerbebetriebe. In diesem Viertel finden sich demnach auch viel häufiger jene Fabriken, die nach außen nicht nur angepasst gestaltet wurden, sondern an ihren Fassade in nichts von einem Schul-, Verwaltungs- oder repräsentativen Wohnbau zu unterscheiden sind. In der Verlagshausgestaltung des Grafischen Viertels dominierten eindeutig der „ Bürgerhaustyp“ und der „ Palaistyp“ .132 Lediglich im Innenhofbereich offenbaren Kesselhaus, Schornstein und Kraftzentrale den wahren Charakter der Anlage. In anderen, später entstandenen Misch-Quartieren der Stadt, die von der Industrie ganz bewusst wegen ihrer Entfernung zur Innenstadt und dem daraus resultierenden üppigen Angebot an Freiraum im räumlichen wie gestalterischen Sinne ausgewählt worden waren, dominiert die Architektur der Industrie. In diesen Vierteln – wie beispielsweise Böhlitz-Ehrenberg oder Lützschena – konnten nach der Jahrhundertwende die neuen Strömungen in der Industriearchitektur besser Fuß fassen.133 Eindrucksvolle Beispiele wie etwa die Klavierspielinstrumentenfabrik der Ludwig Hupfeld AG, die 1910/11 von Paul Ranft oder die ebenfalls 1910 durch Schmidt & Johlige verwirklichte OMEGA Metallfaden-Glühlampenfabrik belegen diese Entwicklung und wurden als Exempel des Fortschritts auch über die Grenzen Leipzigs hinaus von der Architekturkritik der damaligen Zeit wahrgenommen und diskutiert.134 Die entstandene Bautypologie blieb in Leipzig immer in einem relativen und daher nicht eindeutigem Verhältnis zu der von den Anforderungen der Produktion gestellten Bauaufgabe. Die Funktionalität war so gut wie nie oberstes Gebot bei Entwurf und Umsetzung der Bauaufgabe, vielmehr spielten Repräsentation und Anpassung an die Umgebung – je nach Lage des Objektes – eine bedeutsame Rolle bei der Gestaltung. Trotz all dieser Einschränkungen legten viele Auftraggeber größten Wert auf die Entwicklung einer einheitlichen Firmengestaltung, einer Art „ Corporate Design“ der Unternehmensarchitektur, welche die Geschlossenheit und Potenz des Mikrokosmos der Firmenwelt 132 „Industriearchitektur in Leipzig“ ; S.61. „Industriearchitektur in Leipzig“ ; S.77ff. 134 So z.B.: „Die neue Fabrikanlage der Ludwig Hupfeld AG in Böhlitz-Ehrenberg bei Leipzig“ in: „Industriebau“ , 2/1912; S.25-35 sowie 46. 133 152 verkörperte – auch wenn sie in keinem Verhältnis zur zeitgenössischen Architektur stand. Dieses Festhalten an tradierten Formen einer bestimmten Architektur wird uns aufs Wunderbarste am Beispiel der über 50 Jahre hinweg in immer gleicher Diktion erweiterten Bebauung der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger in Plagwitz vorgeführt. Rein typologisch lässt sich in Leipzig – entsprechend der industriellen Hauptzweige Maschinenbau und grafische Industrie – eine Favorisierung der beiden produktionsangepassten Gebäudetypen Galeriemontagehalle135 und Geschossbau136 konstatieren. Letzterer eignete sich dabei schlussendlich genauso gut zum Verlagshaus wie zur Wollspinnerei. Ausgesprochen selten ist hingegen der Flachbau verwirklicht worden. Er diente in der garnverarbeitenden Industrie vor allem als Heimstatt für Webereien. Dieser Industriezweig hatte sich in Leipzig nie besonders gut entwickeln können, was seine Ursache sicher in dem Raum- beziehungsweise Platzproblem fand, das in Leipzig schon immer eine Rolle spielte. Der wesentliche Vorteil der Flachbauten bestand ja eben darin, dass sie jederzeit erweiterbar waren,137 was hier aufgrund der extremen Knappheit an Flächenpotential einfach unwirtschaftlich war und darum nicht favorisiert wurde. Das erklärt sicher die seltene Umsetzung dieses Fabriktyps. Im Vergleich zu anderen, zeitgleich entstandenen Industriestandorten des sächsisch-thüringischen Ballungsraumes fällt weder eine besondere Vorreiternoch eine Nachzüglerrolle im Bereich der konzipierten und umgesetzten Architektur der Region auf. In ihrer industriellen Bedeutung und Größe wiesen in etwa vergleichbare Städte, wie Dresden oder Chemnitz, eine chronologisch annähernd adäquate Entwicklung im Bereich der Industriearchitektur auf. Kleine zeitliche Differenzen hat es dennoch gegeben. Für Chemnitz lässt sich insgesamt eine etwas progressivere Strömung für die Industriearchitektur – vor allem ab 1900 – konstatieren, wohingegen in Dresden zeitgleich vergleichsweise konservativ verschleiernd gebaut wurde. Diese unterschiedliche Ausprägung der formalen Umsetzung von Industriebauten hing mit dem ganz bewusst nach außen transportierten, jeweiligen Selbstbild dieser drei Städte zusammen. 135 Fruehauf; S.23f. A.a.O.; S.21f. 137 Fruehauf; S.22. 136 153 Chemnitz identifizierte und präsentierte sich schon früh als Industriezentrum. Ein Selbstbild, dass sich schon aus der spätmittelalterlichen Geschichte der Stadt und ihrer engen Verknüpfung mit der Geschichte des Bergbaus und der verarbeitenden Gewerke traditionell gebildet hatte. So ist es nicht verwunderlich, dass hier bereits ab 1900 namhafte deutsche Architekten auch zum Bau von Industriearchitektur herangezogen werden. Wilhelm Kreis, Hans Poelzig sowie Hans und Oskar Gerson waren hier ebenso tätig wie Heinrich Straumer oder Erich Mendelsohn. Aber nicht nur überregional renommierte Architekten bauten in Chemnitz zur damaligen Zeit progressive Gewerbearchitektur, sondern auch ortsansässige Architekten ließen sich bereitwillig und unterstützt von ihren Bauherren auf die neue Ästhetik des modernen Bauens ein.138 Ganz anders gelagert waren die Auffassungen und Grundsätze gewerblichen Bauens zur selben Zeit in Dresden, das heute zwar auf eine interessante Industriegeschichte zurückschauen kann, jedoch selbst in den Hochzeiten der Industrialisierung Sachsens immer zuvörderst Sitz der Verwaltung des sächsischen Staates, favorisierter Wohnort reicher Bürger und kulturelles Zentrum des sächsischen Hofes blieb. In der Landesresidenz wurden Gewerbe und Industrie durch eine strenge städtische Reglementierung auf bestimmte Gebiete beschränkt und beinahe ebenso restriktiv waren die Prinzipien des Formenkanons für die Gestaltung von Industriebauten festgelegt. Bei ihnen lässt sich der Drang der Bauherren nach Repräsentation und nach zumindest äußerlicher Anpassung an die großbürgerlich „ländliche“ Stadtfassade139 erkennen. Leipzig liegt auf der Linie dieses Spannungsbogens ziemlich genau in der Mitte der Skala zwischen progressivem Bauen als Sinnbild der wirtschaftlichen Macht des industriellen Fortschrittpotentials Chemnitz’ und der konservativen Repräsentationsarchitektur im Fabrikbau der Residenzstadt Dresden. Adäquat zur Bedeutung der Industrie für die Stadt und zum traditionsbewussten bürgerlichen Selbstverständnis suchte man in Leipzig den pragmatischen Mittelweg – man baute funktional und repräsentativ zugleich. Vergleicht man die Industriearchitektur von Leipzig-Plagwitz mit anderen Großstädten beziehungsweise Zentren der Industrie in Deutschland, so fallen neben einigen Unterschieden vor allem viele Gemeinsamkeiten ins Auge. Am ehesten lässt sich die formal-ästhetische Umsetzung von Industriebauten wohl 138 139 „Industriearchitektur in Chemnitz“ ; S.59ff. „Industriearchitektur in Dresden“ ; S.7. 154 noch mit der Herangehensweise an diese Aufgabe im Hamburger Raum vergleichen. Die bereits erwähnte, 1991 in den „Arbeitsheften zur Hamburger Denkmalpflege“ publizierte Arbeit von Anne Fruehauf bildete eine fundierte Grundlage für diesen Vergleich. Ähnlich umfassend und hilfreich präsentiert sich die ebenfalls bereits erwähnte Arbeit von Henriette Meyen und Dieter KleinMeyen zur „Kölner Wirtschaftsarchitektur“ von 1996. Auch in dieser Arbeit wurde, obzwar in anderen Form als bei Fruehauf, die verallgemeinernde Analyse mit der Untersuchung einzelner Objekte glücklich verschmolzen. Mit Hilfe dieser beiden sachkundigen Arbeiten lassen sich ohne weiteres viele historisch, städtebaulich und architekturgeschichtlich relevante Gemeinsamkeiten in der Entwicklung der Industrie dieser Städte erkennen. Sei es etwa die frühe Ansiedlung im innerstädtischen Bereich und das spätere Abwandern in die Randlagen und umliegenden Gemeinden140, oder sei es das etwa zeitgleiche Erkennen der Wichtigkeit infrastruktureller Elemente wie Straßen-, Gleis- oder Fluss- beziehungsweise Kanalanbindung141 in all diesen Städten: „Auffallend sind die zum Teil bereits in der Frühzeit der Industrialisierung entstandenen Verkehrsbauten wie Brücken, Bahnhöfe und Häfen. Die Eisenbahnlinien bilden dabei ein Netz, das ... zum gliedernden Element der Stadt wurde.“ 142 Ebenso zeigen sich Gemeinsamkeiten in der Entwicklung firmeninterner Strukturen beziehungsweise Herausbildung kleiner Firmenwelten143 und deren Kenntlichmachung durch ein einheitliches Äußeres: „... [äußerlich sichtbare] Materialkontinuität verlieh den über Jahrzehnten gewachsenen und veränderten Firmenkomplexen ein einheitliches Erscheinungsbild. ... Teilweise beauftragten die Firmen mit der Erstellung ihrer Bauten über einen längeren Zeitraum immer den selben Bauunternehmer [Baumeister oder Architekten].“ 144 Dabei lässt sich stilistisch allerorten bis 1900/1910 ein beharrlicher Konservatismus beobachten, der sich dem Historismus verpflichtet sieht und neuen Richtungen vorerst kaum eine Chance einräumt145: „An den einmal eingeführten Gestaltungsformen hielt man in Köln besonders lange fest. Der 140 Klein-Meyen; S.14. Fruehauf; S.11ff. Fruehauf; S.18. 142 Klein-Meyen; S.15. 143 Klein-Meyen; S.15 u. S.50f. sowie Fruehauf; S.18f. u. 25ff. 144 Klein-Meyen; S.16f. und S.19. 145 Fruehauf; S.34 u. 37. 141 155 Jugendstil kam hier im Industriebau kaum zum Zuge, während er bei den Geschäftsbauten durchaus Eingang fand...“ 146 Eine Aussage, die ohne weiteres, sowohl für Köln als auch für Hamburg und Leipzig-Plagwitz, Gültigkeit besitzt. Die gestalterisch einheitlich gehaltenen Firmenwelten bestanden auch andernorts aus den weiter oben beschriebenen konstituierenden Einzelelementen wie beispielsweise Unternehmervilla, Verwaltungsbauten, Kraftzentrale, primären und sekundären Produktionsgebäuden sowie diversem sozialen und schmückenden „Gebäudezubehör“ wie etwa Aufenthalts- und Umkleideräumen, sanitären Einrichtungen etc. Sogar das beschriebene Phänomen der Firmengärten und Firmenparks fand sich in anderen Städten, auch wenn sich die meisten dieser Grünanlagen auch dort maximal in stark reduzierter Form über die Jahre hinweg gegen den ständig wachsenden Platzbedarf erhalten konnten: „Alte Firmenansichten zeigen, daß häufig ... eine Grünanlage, meist mit Springbrunnen, [an-]grenzte – Abstandsgrün und Ziergarten zugleich. Viele dieser Grünflächen hat man im Zuge von Werkserweiterungen überbaut.“ 147 Bei all diesen Untersuchungen war der Mangel an Randquellen ein gewisses Problem. Häufig stellen der heutige Baubestand, die Bauakten sowie historische Abbildungen die einzigen Hilfsmittel bei der Analyse der städtischen Industriearchitektur dar. In den seltensten Fällen gab es öffentliche Ausschreibungen oder Wettbewerbe wie beispielsweise im Bereich der Repräsentationsarchitektur. Nicht viel häufiger sind Briefwechsel beziehungsweise Zeugnisse eines Austauschs zwischen Unternehmer und Bauausführenden zu gestalterischen Fragen erhalten: „Über die näheren Hintergründe der Auftragsvergabe, des Entwurfsprozesses und der Ausführung sind wir nur sehr selten genauer informiert.“ Die wenigen zeitnahen Publikationen beispielsweise zu Bauunternehmern oder Architekten aus dem Bereich des Industriebaus – wie etwa die beiden 1902 und 1935 von der Baufirma Steyer herausgegebenen Schriften zu den bisher vom Unternehmen realisierten Bauvorhaben – sind von Haus aus primär als Werbemittel aufgemacht. Das bedeutet, dass sich hier zwar vielfach einmalige, fotografische Zeugnisse historischer Bauzustände von sehr guter Qualität finden lassen – leider bieten diese Veröffentlichungen jedoch nur selten mehr als dies. 146 147 Klein-Meyen; S.18. Klein-Meyen; S.51. 156 Der Vergleich ließe sich auf andere deutsche, europäische oder internationale Städte und Industriezentren ausweiten, Hamburg und Köln sollen hier jedoch stellvertretend genügen. Weitere Publikationen, die den – zumindest deutschlandweiten – Vergleich ergänzen und abrunden, sind die Arbeiten von Jochen Boberg148 sowie die Publikationen von Volker Rödel149, Rainer Beck150 oder Andreas Beaugrand und anderen.151 Sie beschäftigen sich alle mit Industriearchitektur und Industriekultur des 19. Jahrhunderts im Allgemeinen und beziehungsweise oder am Einzelfallbeispiel einer städtischen Entwicklung. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass sich die Industriearchitektur in Leipzig-Plagwitz sowohl strukturell als auch formal-ästhetisch durchaus ähnlich entwickelt hat wie die anderer – in ihrer historischen Entwicklung und Dimension vergleichbare – Städte Deutschlands. Alles in allem kann nicht von einer prägenden oder gar stilbildenden Rolle der Plagwitzer Industriearchitektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts gesprochen werden. Jedoch bleibt zu vermerken, dass die hier verwirklichte Konsequenz der städtebaulichen und infrastrukturellen Erschließung deutschlandweit solitäre Qualitäten aufweist und dass auch das über die pompös-protzige Fabrikarchitektur transportierte erstarkende Selbstbewusstsein der „neugeborenen“ gesellschaftlichen Klasse der Großindustriellen sich in Plagwitz mindestens ebensogut beobachten und nachvollziehen lässt wie beispielsweise in Köln, Berlin oder Hamburg. Interessant ist dabei in Plagwitz vor allem der außergewöhnlich hohe Grad der Erhaltung von Originalsubstanz. Er lässt sich zum einen auf einen relativ niedrigen Zerstörungsgrad durch den II. Weltkrieg, zum anderen auf eine sehr rationelle Weiternutzung der Baukörper nach dem Krieg durch die pekuniär stets schwache Bauwirtschaft der DDR erklären. Die denkmalpflegerisch behutsame Erhaltung und Umnutzung dieses kulturgeschichtlich wertvollen Erbes ist – nach dem politischen Zusammenbruch der DDR und dem nach der Wiedervereinigung abrupt erfolgten Verwandlung der Fabriken in nutzlose und mehr als entbehrlich erscheinende Gebäudehüllen – das vordringlichste Anliegen der Leipziger Stadtplanung und Denkmalpflege in diesem Quartier. 148 Jochen Boberg: „ Exerzierfeld der Moderne“ ; München 1984, „Die Metropole“; München 1986 und „ Industriekultur in Berlin im 19. Jahrhundert“ ; München 1988. 149 Volker Rödel: „ Fabrikarchitektur in Frankfurt am Main 1774-1924. „Die Geschichte der Industriearchitektur im 19. Jahrhundert“ ; Frankfurt am Main 1984 und ders.: „Ingenieurbaukunst in Frankfurt am Main 1806-1914“ ; Frankfurt am Main 1983.. 150 Rainer Beck: „Industriekultur in Karlsruhe“ ; Karlsruhe 1987. 151 Beaugrand; Vgl. S.90 dieser Arbeit, Anm.32! 157 IV. Strukturwandel in Plagwitz Die im untersuchten Zeitraum von 1860 bis 1914 beinahe abgeschlossene Erschließung des Quartiers Plagwitz konnte sich bis zum Ende der 1980er Jahre beziehungsweise bis zum Ende der DDR weitestgehend authentisch erhalten. Dieser Umstand war zum einen den relativ geringen Kriegsschäden zu danken, die – obwohl Plagwitz und das benachbarte Lindenau aufgrund der hohen Industriedichte „... zu den am schwersten betroffenen Gebieten der Stadt Leipzig.“1 gehörten – eine Veränderung durch Neubebauung nach 1945 überflüssig machten. Zum anderen war die DDR im Hinblick auf ihre schlechte wirtschaftliche Lage gezwungen mit vorhandenen Ressourcen improvisativ zurechtzukommen. Das hatte dazu geführt, dass die Produktion der DDR bis zu den Jahren 1989 und 1990 nicht nur in den Gebäudehüllen des 19. Jahrhunderts sondern oft sogar auch noch an den Maschinen der Vorkriegszeit stattfand. Nach der politischen Wende in der DDR und der Weidervereinigung Deutschlands kam es zwangsläufig ebenso zu einer wirtschaftlichen Wende im Ostteil Deutschlands. Diese wurde durch die ökologisch wie ökonomisch oftmals unhaltbaren Zustände in der DDR-Industrie bedingt. In beinahe allen Fällen kam nur noch die gnadenlose und vollständige Abwicklung der Produktion und der damit bedauerlicherweise einhergehenden Leerfall der sie umgebenden Industriearchitektur als Problemlösung in Frage. Das hatte einschneidende Folgen für die Bevölkerung, für das industrielle Potential und für die Industriearchitektur vieler Regionen – so auch für Plagwitz. Zählte man hier 1989 vor der Wende noch 18 000 Arbeitsplätze in der Industrie, waren es 1995 nur noch ganze 1 500. Glücklicherweise wurde im Bereich der Arbeitsplatzschaffung inzwischen von städtischer und privater Seite sehr viel unternommen, so dass sich allmählich ein positiver Trend feststellen lässt, der leider nicht durch eindeutige Zahlen belegt werden kann, da das Amt für Statistik und Wahlen nur die Beschäftigten in den Stadtteilen insgesamt, nicht aber die dort Beschäftigten in Industrie und kleinerem Gewerbe gesondert zählt. Ähnlich zu den Zahlen der Arbeitnehmer in der Produktion gestaltete sich in dem gleichen zeitlichen Rahmen die Entwicklung der Einwohnerzahlen des Viertels. 1 U.Herrmann und H. Bachmann: „Plagwitz. Aus der Geschichte des Vorortes und seiner Industrie“, Leipzig 1986; S.24. 158 Waren es 1989 noch knapp 40 000 sank die Zahl 1996 auf 8 600, um zum 31. 12. 2000 wieder leicht auf insgesamt 9303 Wohnberechtigte in Plagwitz anzusteigen.2 Ein positiver Trend, vor allem wenn man bedenkt, dass die Besonderheit des Quartiers als ein Wohn- und Industriemischgebiet zu DDRZeiten als hinderlich und beseitigenswert angesehen wurde. Bereits ab Mitte der 1960er Jahre wollte man durch den stadtplanerisch gesteuerten und kontrollierten Verfall der Plagwitzer Wohnsubstanz den Wegzug der Einwohnerschaft provozieren, um so am Ende ein reines Industriegebiet für die Produktionsschwerpunkte Maschinenbau und Textilindustrie zu gewinnen. Der vor allem ab Beginn der 1970er Jahre proklamierten und weitestgehend auch durchgeführten, volkswirtschaftlich initiierten Kombinatsbildung stand somit in Plagwitz nicht mehr viel im Wege, galten doch zu diesem Zeitpunkt bereits etwa ein Drittel der Wohnungen als nicht mehr bewohnbar. Ein Befund, der durch die nicht immer ganz lautere Hilfestellung der Bauaufsichtsbehörde erreicht wurde. Fakt ist, dass Plagwitz nicht erst 1990 als ausgesprochen unattraktives Wohnumfeld regelrecht „verschrieen“ war. Kaum ein Dach über einem der zahlreichen Wohnhäuser, war noch ohne Schaden, ganz zu schweigen von den völlig veralteten sanitären Einrichtungen in den Gebäuden. Zum Teil fanden sich sogar noch Hausgemeinschaftstoiletten im Hinterhof einzelner Wohngebäude! Wer es sich leisten konnte, nutzte die „neue Freiheit“ und zog fort. Eine Rettung für das Viertel jenseits von Komplettberäumung schien vor allem auf Grund der negativen Reputation kaum möglich. Doch schon sehr früh erkannte die Stadtverwaltung das gewaltige historische Potential des Quartiers, welches es unter neuer und völlig gewandelter „Beleuchtung“ zunächst einmal ideell und im Anschluss daran dann auch materiell wieder zu beleben galt. Unter Aufsicht und Anleitung des Amtes für Stadtentwicklung und Wohnungsbauförderung wurden ab 1992 Bürgerbefragungen, Architekten- und Stadtplanerworkshops veranstaltet. Die Ergebnisse lagen oft erstaunlicherweise nah beieinander: Das Ziel der entwickelten städtischen Langzeitstrategie sah vor, dass das Viertel seine Geschichte nicht verleugnen gleichzeitig jedoch den neuen Anforderungen seiner Bewohner nach Naherholung, Einkaufsmöglichkeiten und Kommunikation vor Ort gerecht werden sollte. 3 2 „Statistische Jahrbücher“ ; div. Jg.e, Hrsg. Stadt Leipzig - Amt für Statistik und Wahlen beziehungsweise fernmündliche Auskünfte des Amtes. 3 „ Plagwitz.– Ein Leipziger Stadtteil im Wandel“ ; Hrsg. PRO Leipzig; Leipzig 1999; 159 Diese klaren Aussagen umzusetzen war und ist keine leichte Aufgabe. Die Bausubstanz ist in ihrer Entstehung funktional konzipiert worden, so dass bei einer Umnutzung entsprechende Probleme auftreten. Teilweise ist sie auch in einem so schlechten baulichen Zustand, dass sich in manchen Bereichen ein großflächiger Abriß nicht vermeiden lässt. Die so entstandenen Freiflächen sollen nach städtebaulicher Vorgabe entweder für Neubauten in gewerblicher Nutzung oder aber für die Schaffung von Grünflächen erschlossen werden, um so einerseits die ursprüngliche Nutzungsstruktur des Viertels zu erhalten und gleichzeitig einen Wandel im Naherholungsbereich herbeizuführen. Als gelungenes Beispiel für ersteres kann der Neubau des Business-InnovationCenters auf einem Teil des Abrissgeländes des ehemaligen Firmenareals der einstmaligen Bodenbearbeitungsgerätewerke der Firma Sack gelten (Abb.53), für zweiteres stehen sowohl der auf dem Terrain der ehemaligen Verladestation I an der Industriestraße entstandene Stadtteilpark mit Spielplatz, Rad- und Gehwegenetz sowie die Verbindungsbrücke zum 1995 fertig gestellten Radweg entlang der anderen Seite des Karl-Heine-Kanals, die Bootsanlegestelle, Sitzbänke und Freiflächen für die Erholung (Abb.270) sowie die Begrünung einiger Teilabschnitte des Industriegleisnetzes im Viertel (Abb.271). Als ein weiteres Modell der Integration kann die Umnutzung der ehemaligen Fabrik für Maschinenbau Unruh & Liebig zum städtischen Gründer- und Gewerbehof angesehen werden (Abb.272). Ebenso versteht sich auch die vielfältige Neunutzung des „ Elsterparkes“ auf dem Areal der ehemaligen Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger (Abb.273). Dem Anspruch, die Geschichte des Viertels nicht zu vernachlässigen wurden neben der behutsamen und fachgerechten Sanierung der alten Gebäudehüllen auch die diversen Umnutzungen alter Fabrikgebäude als Museen der Industrieund Technikgeschichte gerecht. Beispiele dafür sind das im Jahr 2000 eingeweihte Automobilmuseum mit der Gastronomie „Da Capo“ des Münchner Investors Manfred Rübesam in einer ehemaligen Produktionshalle der Firma Rudolph Sack (Abb.en 275 und 276) sowie das im Sommer 2001 eröffnete und ebenfalls in einem ehemals Sack’schen Produktionsgebäude befindliche Technikcenter Jugend „GaRaGe“ (Abb.en 274 und 277). S.39ff. 160 IV.1. Probleme und Potentiale der Mischstruktur Die enge Verzahnung von Wohnen und Arbeiten ist eine der ursprünglichsten Facetten der gründerzeitlichen Konzeption von Plagwitz. Die Fabrikherren wohnten am Anfang in ihren Villen auf dem Firmengelände und wollten durch die unmittelbare Nähe der Wohnquartiere ihrer Arbeiter zur Fabrik nicht nur deren Arbeitswege so kurz wie möglich halten sondern gleichzeitig das Instrumentarium der „sanften Kontrolle“ ausspielen. 4 Durch den hohen Erhaltungsgrad der Originalsubstanz erhielt diese Besonderheit der städtebaulichen Struktur zusätzliches Gewicht im Prozess der nach 1990 eingeleiteten Rückbesinnung auf die Identität des Quartiers. Außerdem stellt gerade gerade dieser hohe Erhaltungsgrad eine Besonderheit Plagwitz im Vergleich mit ähnlichen innerstädtischen Flächendenkmalen Deutschlands dar, denn meistenteils legte man schon recht früh großen Wert auf die eindeutige Trennung von Wohnen und Arbeiten in der Stadtplanung, da die ökologischen Belastungen durch die Industrie vor allem im Bereich Lärm und Schmutz oftmals deutlich über den geforderten Grenzen für Wohnbereiche lagen. Im Westteil Deutschlands wurde eine Trennung von Industrie- und Wohngebieten nach dem Zweiten Weltkrieg forciert betrieben – im Ostteil, wo es an der nötigen wirtschaftlichen Potenz mangelte, blieb alles wie es war. Die entstehenden Schwierigkeiten des „Zusammenlebens“ von Industrie und Wohnen kamen jedoch nicht erst Mitte des 20. Jahrhunderts auf. So zeigt denn auch die Geschichte Plagwitz gerade in jenen Bereichen, wo deren Verzahnung am höchsten war – wie etwa im Bereich der Alten Straße oder der Naumburger Straße – ein hohes Maß an ständig währender Auseinandersetzung zwischen Mietern und Fabrikbesitzern. Bei diesen Kontroversen wurde um ein angemessenes Verhalten der Unternehmer beziehungsweise die entsprechenden baulichen Konsequenzen innerhalb der Betriebe – so zum Beispiel Erhöhung einzelner Schornsteine, 5 den Einbau von Aschefängern in die Essen6 oder einen zumindest zeitlich begrenzten Schadstoffausstoß7 – gerungen. Diese Problemfeld 4 Anne Fruehauf: „Fabrikarchitektur in Hamburg“ ; in: „Arbeitshefte zur Denkmalpflege“ , Nr. 10; Hamburg 1991; S.29. 5 „ Acten des Rates der Stadt,..., Mügge & Co,... Vol. I, ergangen: 1865.“ ; o.S. 6 „ Acten ..., Tittel & Krüger, ... Nonnenstraße 17/21; ... Vol.V, ergangen: 1898“ ; o.S. 7 „ Acten des Rates der Stadt,..., Konsum-Verein Plagwitz und Umg. ... Die Dampfkessel- 161 spielt heute bei der stadtplanerischen Neuorientierung in Plagwitz kaum noch eine Rolle, da die neuentwickelten Technologien auch den Bereich der Produktion inzwischen weitgehend sauberer und leiser gemacht haben, die ökologischen Störungen also nur sehr gering ausfallen würden. Eine wesentlich größere und schwierigere Aufgabe stellt allerdings die Umstrukturierung der Fertigung von „alter Industrie“ auf neue Technologien beziehungsweise auf gänzlich neue Gewerbe und deren Ansiedlung in Plagwitz – möglichst in bereits vorhandener industrieller Bausubstanz – dar. Durch diese Entwicklung bedingt, stellt die enge Verzahnung von Wohnen und Arbeiten heute eher ein Potential des Viertels als einen Nachteil dar, da für viele Menschen die Arbeit eine zentrale, wenn nicht gar bestimmende Stellung in ihrem Leben einnimmt und somit der Wunsch Arbeits- und Lebensmittelpunkt möglichst nah zu zusammenzufügen als Folgeerscheinung mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Ein gelungenes Konzept dazu liefert das bisher noch nicht realisierte städtische Modell „Neue Wohnformen: Wohnen und Arbeiten unter einem Dach“ in der Industriestraße gegenüber des Stadtteilparkes (Abb.278).8 Wie bereits erwähnt, wurde mit der Wiedervereinigung Deutschlands in Plagwitz, wie an vielen anderen ostdeutschen Standorten die Produktion auf einen Schlag weitgehend eingestellt. Etwa 80 % der Plagwitzer Betriebe hörten unversehens auf zu existieren, die übrigen wurden etwas langsamer mit Teilzeitlösungen für die Angestellten abgewickelt. Die wenigen Firmen, die überlebten, verlegten ihren Standort in die neuentstehenden Industrievororte auf der sogenannten grünen Wiese, um möglichst schnell und kostengünstig die Unternehmen und deren Produktionstechnologien zu erneuern. Die direkte Folge dieser Entwicklung war eine erschreckende – selbst für die neuen Bundesländer beziehungsweise Leipzig – außergewöhnlich hohe Arbeitslosenrate. Trotz glücklicherweise wieder leicht rückläufiger Zahlen – auch in ganz Leipzig – hatte Plagwitz im Jahr 2000 immer noch 13, 8% Arbeitslose unter seinen erwerbsfähigen Bewohnern im Vergleich zu 12,1% in ganz Leipzig.9 anlage, ergangen: 1899.“ ; o.S. sowie „ Acten des Rates, ..., Tittel & Krüger, ... Holbeinstraße 14; ... Vol.IV, ergangen: 1906.“ ; o.S. 8 „ Plagwitz - ein Leipziger Stadtteil im Wandel“ ; S.84. 9 „Statistisches Jahrbuch 2000“; Hrsg. Stadt Leipzig, Leipzig 2001; S.245. 162 Als die Stadt Leipzig Anfang der 1990er Jahre die Schwierigkeiten von Plagwitz – die sich weitestgehend mit den Schwierigkeiten der ganzen Stadt beziehungsweise sogar mit den Schwierigkeiten der gesamten Region deckten – erkannte, war sehr schnell der Entschluss gefasst, ein Konzept zur Umstrukturierung für den gesamten Stadtteil zu entwickeln, das einem schleichenden aber endgültigen Verfall dieses gewachsenen Gefüges nachhaltig entgegenwirken sollte. Für den Arbeitsmarkt beinhaltete diese gewünschte Umstrukturierung die Vorgabe von Seiten der Stadtverwaltung, eine behutsame Verlagerung der Gewichtung auf die Dienstleistungsebene bei gleichzeitiger Beibehaltung der produktiven Betriebe. Letztere konnten natürlich unmöglich in ihrer überkommenen und mittlerweile vollständig veralteten Form aus dem 19. Jahrhundert erhalten werden. Vielmehr galt es, neue Konzepte und Strukturen für eine kleingewerbliche und innovative Nutzung zu entwickeln, die zum einen dem Anspruch der Nachhaltigkeit gerecht wurden und zum anderen der architektonisch vorgegebenen Wohn- und Industriemischstruktur entsprachen: „Das Hauptziel der städtischen Politik in Plagwitz war der Erhalt der meisten Industrie- und Gewerbeflächen für produzierendes Gewerbe und werkstattgebundene Dienstleistungsbetriebe.“ 10 Hierzu war es nötig, mit teils sehr energischen Maßnahmen gegen private Unternehmensinteressen – wie beispielsweise von Seiten der Treuhandliegenschaftsgesellschaft – vorzugehen, um einen völligen Gesichts- und Geschichtsverlust des Quartiers zu verhindern (Abb.279): „Beispielhaft für das konkrete Handeln und vehemente Engagement für Plagwitz zu dieser Zeit sei hier eine gewiß ungewöhnliche Aktivität des damaligen Oberbürgermeisters genannt: Er dementierte in einer Zeitungsannonce eine TLG-Ausschreibung für Wohn- und Büronutzung für die großen BBG-Areale.“ 11 Die Stadt setzte sich vehement dafür ein, die Tradition als Produktions- und Gewerbestandort in Plagwitz zu erhalten und die Mischstruktur zu fördern. Dem durchaus skeptischen Wirtschaftspotential wollte man mit Förderung und Beschleunigung von Entwicklungsprozessen im produktiven Bereich begegnen. Im Zusammenhang mit der EXPO zwischen 1996 und 2000 war die Stadt besonders ambitioniert, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um dieses gewerbliche Wachstum zu fördern, indem sie engagierten Investoren aus 10 11 „ Plagwitz - ein Leipziger Stadtteil im Wandel“; S.41. A.a.O.; S.43. 163 Industrie und Gewerbe half, ansonsten ausgesprochen langwierige bürokratische und juristische Komplikationen – wie etwa komplex-komplizierte Genehmigungsverfahren oder Rückführungsansprüche von Alteigentümern – aus dem Weg zu räumen. Ein hilfreiches Instrument innerhalb dieser Anstrengungen war in mehreren wichtigen Fällen der sogenannte „ Invorg“ (Investitionsvorrang vor Restitution gemäß des 3a-Verfahrens des Vermögensgesetzes). Mit dieser Sonderregelung konnten – vor allem bei größeren Immobilien – tragfähige Umnutzungskonzepte gegen bestehende Alteigentümeransprüche durchgesetzt werden. So konnte sich in einem außergewöhnlich kurzen Zeitraum eine zumindest einigermaßen tragfähige Grundsubstanz an Gewerbe und Industrie in Plagwitz ansiedeln, die zur Arbeitsplatzstabilisierung beziehungsweise -sicherung innerhalb des Quartiers einiges beigetragen hat. Heute lässt sich rückblickend feststellen, dass eine so rasche strukturelle und wirtschaftliche Restabilisierung und Revitalisierung von Plagwitz ohne das energische Eingreifen der Stadtverwaltung nach dem nahezu totalen Zusammenbruch von 1990 wohl kaum denkbar und machbar gewesen wäre. IV.2. Umnutzung der Fabriken von einst „Seit etwa 1970 werden historische Bauten und Anlagen der Technik und Industrie zunehmend auch als Baudenkmäler erkannt, erforscht und zumindest teilweise erhalten.“ 12 Mit dieser Aussage beginnt Klein-Meyen 1996 seine Ausführungen über „Wirtschaftsarchitektur und Denkmalpflege“ 13, die zunächst einmal einen knappen jedoch durchaus runden Überblick der historischen Entwicklung der Denkmalpflege in diesem Bereich geben.14 Anne Fruehauf wählt hingegen in ihrer fünf Jahre zuvor erschienenen Publikation einen etwas drastischeren aber durchaus ebenso sachlich richtigen Einstieg in den entsprechenden Abschnitt: „Fabrikgebäude wandeln sich mit der Veränderung der Produktionsabläufe. Wenn sie unrentabel geworden sind, 12 Dieter Klein-Meyen und Henriette Meyen: „Kölner Wirtschaftsarchitektur. Von der Gründerzeit bis zum Wiederaufbau“ ; Köln 1996; S.226. 13 Ebd. 14 A.a.O.; S.226ff. 164 fallen sie häufig dem Abbruch zum Opfer.“ 15 Sie verweist darauf, dass allein während ihrer anderthalbjährigen Untersuchung fünf Fabrikanlagen „... verschwanden ...“ und in den Jahren davor noch unzählige weitere und stellt einen Kriterienkatalog zur Entscheidungsfindung der Denkmalpflege auf.16 Diese Aussage lässt sich trotz des starken städtischen Engagements leider auch auf den Standort Plagwitz übertragen, wobei es gilt den entwicklungsgeschichtlich bedingten Zeitrahmen auf die zwölf Jahre zwischen 1990 und 2002 zu begrenzen. Erst mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurde in den Fabriken Ostdeutschlands nach Rentabilität, ökologisch verträglichen Richtwerten und ökonomischen Erfolgskriterien gefragt. Der Osteuropäische Abnehmermarkt brach schlagartig weg und die meisten Produktionsanlagen fielen infolgedessen von heute auf morgen brach. Abgesehen von der sozialen Misere, die dadurch ausgelöst wurde, sahen sich die Städte und Gemeinden der Neuen Bundesländer mit einer architektonischen Misere von enormen Ausmaßen konfrontiert, für die es nachhaltige Lösungen zu finden galt und gilt. Allein zwei17 von den zwölf untersuchten Komplexen von Industriearchitektur in dieser Arbeit sind inzwischen ganz beziehungsweise weitestgehend verschwunden (Abb.en 280 und 281), drei weitere18 sind durch den langen Leerstand in einem ausgesprochen schlechten Erhaltungszustand – so dass es nur noch eine Frage der Zeit zu sein scheint, bis der Abriss erfolgen wird (Abb.en 211, 282 und 283) und bei zwei der hier vorgestellten Objekten19 sind heute lediglich einzelne, rudimentäre Bestandteile erhalten geblieben. Das hat jedoch bei diesen beiden Objekten ursächlich substantiell etwas mit Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg zu tun (Abb.en 189, 190 und 134). Der Verlust in der Vergangenheit führte hierbei glücklicherweise zu einer sensibilisierten Wahrnehmung: „Das Interesse für und die Beschäftigung mit technischen Denkmälern verbinden sich in besonderer Weise mit ihrer Gefährdung durch Funktionsverlust und anschließendem Verfall und Abbruch.“ 20 15 Fruehauf; S.38. A.a.O.; S.39f. 17 Es handelt sich dabei um den Plagwitzer Standort der Firma Meier & Weichelt sowie weite Teile der Firma Sack. 18 Es handelt sich hierbei um die Firmen Swiderski, Törpsch und C.F.Weithas & Nachf. 19 Es handelt sich dabei um die Firmen Mügge & Dambacher sowie Mey & Edlich. 20 Klein-Meyen; S.227. 16 165 So lässt sich das Fazit des Erhalts in Plagwitz denn auch einigermaßen positiv beenden, indem diesen sieben problematischen Erhaltungsergebnissen fünf Objekte gegenübergestellt werden können, die eine zum Teil sehr behutsame Restaurierung – zumindest im Außenbereich – erfahren haben und durch eine erfolgreiche Umnutzung mit „neuem Leben“ gefüllt wurden. Bei der Umnutzung beziehungsweise schon bei der Entwicklung von Konzepten für eine Umnutzung von alten Industriegebäuden scheinen sich im ersten Augenblick zunächst einmal vielfältige Möglichkeiten anzubieten. Die meisten von ihnen sind jedoch bei näherer Betrachtung mit diversen Schwierigkeiten verbunden. Die vordergründigsten und augenfälligsten Probleme bei der Umnutzung sind in der Mehrzahl der Fälle: erstens die genuine Größe der Objekte und das dadurch benötigte extreme Kapitalvolumen sowie die sich daraus ergebenden praktischen Probleme mit den Baulichkeiten beispielsweise in Bezug auf deren Durchlichtung; zweitens der teilweise schlechte Erhaltungszustand, der einen extremen Kraft- und Kapitalaufwand bei der Sanierung erfordert sowie drittens in einigen – in Plagwitz glücklicherweise eher seltenen Fällen – die durch die Produktion verursachten Umweltbelastungen des Geländes beziehungsweise der Bausubstanz. Wie an vielen anderen vergleichbaren Orten in Deutschland, lag auch in Plagwitz die Idee nahe, die einstigen Fabriken nach Abschluss ihrer Sanierung und Restaurierung als Museen zu nutzen. Diese Folgenutzung gilt allgemein als recht beliebt – wenn auch häufig aufgrund entstehender Konflikte zwischen denkmalpflegerischem Erhalt der Bausubstanz und bauliche Veränderungen erzwingende Ansprüchen der musealen Nachnutzung nicht gerade unproblematisch.21 Jedoch ergibt sich bei ihr eine einfache Nachnutzung der ehemaligen Produktionshallen, mit teilweise gigantischen Ausmaßen von ungeteilten offenen Räumen, für den musealen Ausstellungsbetrieb. Allein die Kosten für Restaurierung und vor allem Unterhalt der Museen stehen der Umnutzung alter Industriearchitektur in diesem Sinne nicht nur in Plagwitz häufig im Wege: „Für einen weiteren, schon allein aus finanziellen Gründen nur sehr selten gangbaren Weg, die Umnutzung zu Museen, bieten die Kölner Industriedenkmäler bisher kaum Beispiele.“ 22 21 Alexander Kierdorf und Jutta Hassler: „ Denkmale des Industriezeitalters. Von der Geschichte des Umgangs mit Industriekultur“ ; Tübingen - Berlin 2000; S.231ff. 22 Klein-Meyen; S.229. 166 Dennoch gibt es Beispiele für eine solche Verwendung in Plagwitz. Die erste Neunutzung in diesem Sinne waren die 1994 in der Plagwitzer Nonnenstraße eröffneten Werkstätten und Museum für Druckkunst Leipzig in den Räumlichkeiten der vormaligen Druckerei Offizin Haag-Drugulin (Abb.en 284 und 285). Dieses Spezialmuseum mit kulturell-didaktischem Aufgabenfeld bietet dem interessierten Besucher nicht nur eine einzigartige Sammlung von zum Teil außerordentlich exotischen Schrifttypen, alten Satz- und Druckmaschinen sondern auch den Kontakt zu pensionierten Druckern und Setzern, unter deren Anleitung eigene Werke entstehen. Auch von einigen bildende Künstler wird das ausgefallene und reichhaltige Angebot dieses „lebendigen Museums“ immer gern genutzt, da hier der letzte Standort Deutschlands für die Arbeit mit dem aufwendigen Verfahren des Lichtsatzes unterhalten wird. Auf diese Art wird in Plagwitz heute wieder an die große grafische Tradition der Stadt Leipzig erinnert, auch wenn das Viertel zu keiner Zeit ein Eckpfeiler der renommierten grafischen Industrie Leipzigs gewesen ist. Aber auch auf dem Gelände beziehungsweise in mehreren Gebäuden eines der hier untersuchten Unternehmen haben zwei Museen eine neue Heimat gefunden. In beiden Fällen handelt es sich um ehemaliges Firmeneigentum der Bodenbearbeitungsgerätefabrik Sack. Das im Jahr 2000 von dem Münchner Unternehmer Manfred Rübesam eröffnete „ Da-Capo Automobilmuseum“ befindet sich in einer neu errichteten Halle auf dem Gelände einer der Gießereien von Rudolph Sack an der Karl-Heine-Straße 105 (Abb.en 275 und 276). Das „ GaRaGe - Technologiecentrum für Jugendliche“ wurde durch den Verein für Industrie und Arbeit in einem 1912 ebenfalls für die Firma Sack errichteten und an der Karl-Heine-Sraße 97 gelegenen Gebäude untergebracht und im Juni 2001 eröffnet (Abb.en 274 und 277). Damit kann die Aussage von Kierdorf/Hasseler, welche sich auf das eben genannte Beispiel bezieht: „Wohl endgültig gescheitert sind bisher Museumsprojekte in Frankfurt am Main, Neumünster, Braunschweig und Leipzig.“ 23 – zumindest für Leipzig revidiert werden. Innerhalb dieses Museums-Projektes steht – wie der Name bereits suggeriert – neben der Präsentation historischer Zeugnisse und geschichtlicher Entwicklung vor allem die interaktive Jugendarbeit im Vordergrund. 23 Kierdorf, Hassler: S.234. 167 Bezeichnenderweise handelt es sich bei all diesen Initiativen um private und teilprivate Interessengemeinschaften, die von der Stadt lediglich in Bereichen der Verfahrensregelungen, der Verwaltung und des Erwerbs unterstützt wurden. Wie bereits erwähnt finden solche musealen Nutzungen auf Grund ihrer finanziellen Schwierigkeiten nur noch selten Umsetzung durch kommunale beziehungsweise staatliche Institutionen. Ebenfalls hauptsächlich auf privatem und teilprivatem Engagement fußen die meisten der kulturellen Einrichtungen in den ehemaligen Industriegebäuden in Plagwitz. Sie werden vornehmlich von Vereinen getragen, die sich – ebenso wie im Falle der musealen Nachnutzungen – nur in den eben genannten Bereichen auf die Unterstützung von Seiten der Stadt verlassen können. Im speziellen Zusammenhang mit den in dieser Arbeit untersuchten Firmen sind vor allem die Projektgalerie Elsterpark des Leipziger Kunstvereins in einem Gebäude der vormaligen Gummiwarenfabrik Penin später dann Sächsische Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger an der Nonnenstraße 42 (Abb.286) sowie das soziokulturelle Projekt “ Gieszer 16“ in einem ehemaligen Produktionsgebäude der Firma Sack an der Gießerstraße 16 (Abb.287) und das Theater-Zelt von Bagage auf dem Jahrtausendfeld, inzwischen im Auftrag der TLG beräumtes, vormals ebenfalls Sack’sches Betriebsgelände an der Karl-Heine-Straße (Abb.288), zu nennen. Über den Rahmen der hier untersuchten Objekte hinaus sind für das Quartier aber auch das Jugendfreizeitzentrum „Kanal 28“ in einem alten Lagergebäude am Karl-Heine-Kanal 28 (Abb.289) sowie das Kulturprojekt Schaubühne im Lindenfels an der Karl-Heine-Straße 50 (Abb.233) unbedingt zu erwähnen. Das Hauptanliegen der städtischen Verwaltung bestand jedoch – entgegen diesen bisher genannten Programmen zur Umnutzung einzelner ehemaliger Produktionsobjekte für museale und kulturelle Zwecke – darin, ehemalige Fabriken für eine neue gewerbliche Nutzung zu erhalten. Damit war nicht gemeint, dass jede ehemalige Fabrik wieder zum Produktions- oder Gewerbestandort würde. Für Plagwitz sollte – bei aller Anpassung an die heutigen Ansprüche und einzuhaltenden ökologischen und stadtplanerischen Normen eines innerstädtischen Mischgebietes – vor allem der Grundcharakter einer Gemengelage auf Dauer erhalten bleiben. Dies erforderte ein tragfähiges Konzept, das durch eine obzwar „künstlich“ von außen in Gang gesetzte 168 Umstrukturierung des Viertels eine Eigendynamik entfaltete, die in der langzeitstrategischen Perspektive die Nachhaltigkeit einer solchen städtebaulichen Planung gewährleisten konnte. Das innerhalb der Nach- und Umnutzungsdebatte so häufig angeführte Argument der Unrentabilität der Restaurierung gegenüber Abriss und nachfolgender Neubebauung konnte inzwischen widerlegt werden: „Zahlreiche Vergleichsunteruchungen zu den notwendigen Kosten haben ergeben, dass eine Umnutzung in der Regel wesentlich günstiger als ein entsprechender Neubau ist; mit den steigenden Energie- und Entsorgungskosten im Bauwesen ... dürfte dieser Anteil noch steigen.“ 24 Ein Beispiel für diese von städtischer Seite initiierte gewerblich Umnutzung einer ehemaligen Fabrik war die Einrichtung eines städtischen Gewerbehofes in der ehemaligen Maschinenbauanstalt von Unruh & Liebig in der heutigen Naumburger Straße 28. Hier konnte 1995 der erste solche Gewerbehof eingeweiht werden. Er bot außer der Sicherheit langfristiger Mietverträge zu Preisen, die damals deutlich unter dem marktüblichen Niveau lagen, die Möglichkeit, Gemeinschaftseinrichtungen zu nutzen, die sich eine einzelne Firma – noch dazu in der Anfangsphase der Firmenetablierung – nicht leisten kann und vielfältige Kooperationsmöglichkeiten mit den übrigen Nutzern der Einrichtung.25 Hinzu kam ein hilfreiches und vorwiegend recht unbürokratisches Miteinander zwischen Mietern und Eignern, denn die von der Stadt, der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer Leipzig gegründete ESGP (Entwicklungs- und Sanierungsgesellschaft Plagwitz mbH) saß von Anbeginn an mit unter dem Dach des Gewerbehofes in der Naumburger Straße und stand den Nutzern jederzeit gern beratend zur Seite. Dieses Konzept hat sich recht schnell auch wirtschaftlich als durchaus tragfähig erwiesen und mittlerweile gibt es in Plagwitz eine ganze Reihe privatwirtschaftlicher Gewerbehöfe in ehemaligen Fabriken, die durch den Erfolg der städtischen Initiative angeregt, das Bild in diesem Marktsegment vervollkommnen. Auch die Stadt Leipzig selbst – wieder zusammen mit der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer Leipzig – hat durch ihre Gewerbehofgesellschaft inzwischen zwei weitere Projekte auf dem ehemaligen Sack’schen Firmengelände der Maschinenbauanstalt für 24 25 Kierdorf/Hassler; S.231. „Gründer- und Gewerbehof Plagwitz“ ; Hrsg. Entwicklungs- und Sanierungsgesellschaft Leipzig-Plagwitz mbH; Leipzig 1995; S.9. 169 Bodenbearbeitungsgeräte an der Weißenfelser Straße und der Karl-Heine-Straße etabliert. Das an der Weißenfelser Straße 67 gelegene Gewerbezentrum Plagwitz wird von der Leipziger Gewerbehofgesellschaft mbH betrieben (Abb.290). Die Sanierung der vorhandenen Gebäudeteile wurde hier nahezu gänzlich aufgegeben, so dass der Besucher heute abgesehen von der erhaltenen gründerzeitlichen „Originalfassade“ ein komplett neues und modernes Gebäude vorfindet (Abb.en 291 und 292). Das Business Innovation Center – das sogenannte BIC – an der Karl-Heine-Straße 99 ist ein kompletter Neubau, der auch nach Außen Modernität propagiert und jegliches historisierendes Detail weit von sich weist (Abb.53). Das BIC ist ebenfalls ein städtischer Gewerbehof der Unternehmensgründer aus technologieorientierten Branchen wie Biotechnologie, Medizintechnik, Software und Medienwirtschaft bei der Einführung und Etablierung ihres Unternehmens und seiner Produkte am Markt unterstützen will.26 Die zur Verwirklichung angewandten Mittel entsprechen hier den bereits im Zusammenhang mit dem Gründer- und Gewerbehof an der Naumburger Straße 28 genannten. An eine Erweiterung im Bedarfsfall ist bereits vor Beginn der Planungen gedacht worden und ein entsprechendes Areal steht der Gewerbehofgesellschaft zwischen Karl-Heine-Straße, Gießerstraße, Gleisharfe an der Weißenfelser Straße und dem Lauf des Karl-Heine-Kanals für die Verwirklichung eventueller Ausbauten zur Verfügung (Abb.293). Der Erhalt der originalen Bausubstanz gestaltete sich bei der ehemaligen Firma Sack ausgesprochen schwierig, da es sich zum Teil um sehr alte Industriegebäude handelte und die Firma einen ausgesprochen pragmatischen und billigen Baustil bevorzugte. Nahezu alle Gebäude wurden von Baumeistern ohne Hinzuziehung von Architekten in Form von ein- bis dreigeschossigen Produktionsschuppen und -gebäuden ausgeführt. Die Fenster waren in der Mehrzahl der Fälle extrem klein gehalten, die Konstruktion der Gebäude auf das simpelste, notwendige Maß reduziert und mit billigsten Baustoffen umgesetzt, so dass ein Erhalt wirklich nur in Ausnahmefällen möglich war. Nichtsdestotrotz ist der kurzerhand vollzogene Flächenabriss auf dem ehemaligen Sack’schen Firmengelände den sowohl die Treuhand-Liegenschafts-Gesellschaft mbH als auch die Stadt Leipzig in der zweiten Hälfte der 1990er Jahren praktiziert haben nicht widerspruchslos gut zu heißen. Ein zumindest teilweiser Erhalt der 26 „EXPO 2000 - Leipzig den Wandel zeigen. Projekt: Plagwitz auf dem Weg ins 21. Jahrhundert - Ein Beispiel für nachhaltigen Stadtumbau“ ; (2. veränderte Auflage); Hrsg. Stadt Leipzig; Leipzig 1999...“; S.14. 170 vorhandenen Gebäude sowie deren spätere integrative Nutzung wäre unter Umständen durchaus realisierbar gewesen. Unter denkmalpflegerischen und traditionell städtebaulichen Aspekten ist dies besonders augenfällig durch die teilweise wesentlich behutsamere Nachnutzung von ehemals Sack’schen Gebäuden in der direkten Nachbarschaft an der Karl-Heine-Straße 103-105 durch das private Automobilmuseum und das Da Capo von Rübesam in einem der ehemaligen Gießereigebäude (Abb.en 275, 276 und 294). Eine andere Form der Nachnutzung von ehemaligen Produktionsgebäuden stellt die Unterbringung von Verwaltungseinrichtungen der Stadt und des Landes dar. Auch hierfür finden sich in Leipzig Plagwitz mehrere Beispiele. So zog 1997 das Sächsische Schulamt in den ehemaligen Hochbau Nord der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger (Abb.117) an der Nonnenstraße 17 ein. Das 1907 fertig gestellte und an der Weißen Elster gelegene StahlbetonProduktionsgebäude der Firma Mey & Edlich (Abb.134) wurde von der Stadt Leipzig 1996 sowohl das Grünflächenamt als auch das Amt für Umweltschutz als neue Heimstatt umfunktioniert. Und im Herbst 1994 konnte in der ehemaligen Konsumbäckerei an der Naumburger Straße 26 (Abb.295) das Jugendamt untergebracht werden. Eine privatwirtschaftlich vor allem in den letzten Jahren relativ häufig und in großem Maßstab verwirklichte Umnutzung stellt der Umbau von ehemaligen Fabrikgebäuden zu Wohnraum dar. Es konnten sich dabei die verschiedensten Formen und Grade von Aufarbeitung von industrieller Bausubstanz zwischen minimalistischer Notmaßnahme und aufwendigster Luxussanierung etablieren. Die hier ansonsten nicht näher untersuchte ehemalige Baumwollspinnerei in der Lindenauer Spinnereistraße etwa stellt simpel gesicherte Bausubstanz mit Grundausstattung – wie neue Fenster, Heizung und einen einfachen Gas- und Wasseranschluss – zur weiteren „Selbsterschließung“ mit gewerblicher und teilgewerblicher Nutzung zur Verfügung. 27 Die Loftwohnungen der Atrium GmbH im Hochbau Süd der ehemaligen Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger an der Holbeinstraße 14 (Abb.188) sowie die Elsterlofts der JUS AG im einstigen Hochbau West desselben Unternehmens an der Nonnenstraße 21 auf der anderen Seite der Elster (Abb.239) sind modern 27 Jutta Donat: „Wie es euch gefällt. Ein Tag im Leben einer Wohnfabrik“ „ Leipziger Blätter“ Nr.39; Leipzig 2001; S.53-56. in: 171 ausgestattete zwei- bis dreigeschossige Mehrraumwohnungen, die auch höchsten Ansprüchen der Mieter genügen. Ein großer Nachteil bei der Umnutzung dieser ehemaligen Fabriken zu Wohnraum – nämlich die enorme Tiefe der Gebäudekubaturen – konnte bei diesen beiden Projekten durch eine Entkernung im Innenbereich in Form eines hinein geschnittenen Innenhof aufgehoben werden (Abb.en 295, 296 und 187). Seit Beginn 2002 wird nun auch das vormalige Kesselhaus auf dem Grundstück der früheren Wollgarnfabrik an der Holbeinstraße von der JUS AG saniert und zu Loftwohnungen umfunktioniert. Vom heutigen Blickpunkt aus lässt sich resümierend feststellen, dass in LeipzigPlagwitz insgesamt durch die große Bandbreite an umgesetzten gestalterischen und strukturellen Ideen, durch die Uneinheitlichkeit der neuen Nutzungskonzepte sowie gleichermaßen durch die Vielfalt der verschiedenen Trägerschaften ein annehmbares Konzept für die Revitalisierung des Viertels unter Beibehaltung historisch gewachsener Strukturen – wie etwa der von Seiten der Stadt geplante und durchgesetzte Erhalt der Gemengelage von Wohnen und Arbeiten auf engstem Raum – und Bausubstanz in Form von sanierter, überformter sowie auch behutsam restaurierter gründerzeitlicher Industriearchitektur verwirklicht werden konnte. Der Anfang der 1990er Jahre begonnene Prozess der Wiederbelebung des Quartiers ist dabei jedoch im momentanen Stadium keineswegs abgeschlossen. Er wird sicher noch über einige Jahre, ja sogar Jahrzehnte von vielen Seiten fortgesetzt und unterstützt werden müssen. Tragende Bausteine dieses schwierigen Puzzles stellte und stellen dabei sicher die Beteiligung von Leipzig-Plagwitz als dezentrales Projekt der EXPO 2000 und die Aufnahme des Leipziger Westens in das europäisch geförderte Programm URBAN II dar. Sie sollen deshalb an dieser Stelle in einem eigenen kurzen Abschnitt gesondert betrachtet werden. IV.3. EXPO 2000 und URBAN II - Vehikel auf dem Weg in die Zukunft? „Das Projekt „ Plagwitz auf dem Weg ins 21. Jahrhundert“ stellt nicht nur mit etwa 15 Bausteinen erfolgreiche Beispiele nachhaltigen Stadtumbaus und behutsamer Stadterneuerung aus, sondern nutzt auch den Schwung der 172 EXPO als Motor und Katalysator für eine „neue Gründerzeit“ im Sinne wirtschaftlicher Impulse und Innovationen.“ 28 In der eben zitierten, 1999 von dem Verein PRO Leipzig herausgegebenen Publikation widmen sich die Autoren Karen Hiort und Robert Wick diesem Thema denn auch unter dem Titel „EXPO: Katalysator und Motor für Stadterneuerung und Stadtentwicklung“ in einem eigenen Kapitel.29 Neben den einzelnen Objekten, aus denen sich das EXPO-Projekt Plagwitz zusammensetzt (Abb167),30 stellen die beiden Autoren den positiven Einfluss der EXPO-Beteiligung Plagwitz’ vor allem im ideellen Bereich als „... Anschubpotential durch Öffentlichkeitsarbeit und Zeitdruck.“ 31 heraus. Und tatsächlich ist dieser Faktor neben der bereits bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten, intensiven städtischen Unterstützung einer gesunden Stadtteilentwicklung nicht positiv genug zu bewerten. Ohne ein so starkes Engagement und Eingreifen von Seiten der Stadt, wäre die fruchtbare und rasche Entwicklung von Plagwitz, wenn überhaupt, nur mit einer enormen zeitlichen Verzögerung erfolgt. Eine solche Verzögerung hätte auf Grund des schlagartigen Funktionsverlustes der Fabriken und den dadurch verursachten Leerfall zwangsläufig zu einem beschleunigten Verfallen und Verschwinden wertvoller Denkmale der Industriekultur geführt, der für Plagwitz selbst den totalen Gesichts- und Identitätsverlust der eigenen, historisch gewachsenen Wesenheit bedeutete hätte. Alles, was danach noch hätte entstehen können, wäre ein neues Viertel unter altem Namen gewesen. Insofern ist die EXPO-Beteiligung von Plagwitz im Jahr 2000 tatsächlich ein Motor gewesen, der die Stadtteilerneuerung unter Berücksichtigung historischer Traditionen ein gutes Stück voran gebracht hat. Was hier noch einmal betont werden sollte, ist die Tatsache, dass die von der EXPO-Gesellschaft Hannover mit der Aufnahme einer Auswahl der eingereichten Projekte in das weltweite EXPO-Programm gewährten Vergünstigungen lediglich „... in der Nutzung von Logos und Teilen des Gesamtmarketings sowie in dem Angebot, einige der Projekte ... [in Hannover] zu präsentieren...“ 32 bestanden. Finanzielle Subventionen oder auch geldwerte Vergünstigungen hat es in diesem Zusammenhang nicht gegeben. 28 „ Plagwitz – Ein Leipziger Stadtteil im Wandel“ ; S.5. A.a.O.; S.73ff. 30 A.a.O.; S:96. 31 A.a.O.; S.73. 32 „ Plagwitz – Ein Leipziger Stadtteil im Wandel“ ; S.73. 29 173 Plagwitz wurde unter dem größeren Motto „Den Wandel zeigen“, mit dem Leipzig mit seinen verschiedenen Projekten insgesamt in Hannover auftrat, als Beispiel für die Veränderung eines Industrieviertels aus dem 19. Jahrhundert an der Schwelle zum 21. Jahrhundert präsentiert. Die einzelnen Bausteine sollten dabei laut Konzept zum Zeitpunkt der EXPO in dem jeweiligen Grad ihrer Verwirklichung präsentiert werden, um vor allem den Prozess der Wandlung sichtbar zu machen. Das bedeutete, dass der interessierte Besucher an einigen Punkten mit bereits abgeschlossen umgesetzten Vorhaben konfrontiert wurde, an anderen jedoch für ihn außer einer erklärenden Schautafel noch gar nichts zu sehen war, da sich einige der Projekte zu diesem Zeitpunkt noch in der Planungsphase befanden. Der programmatische Wandel sollte – bei einer deutlichen und nötigen wirtschaftlichen Umorientierung hin zum innovativen und kleineren Gewerbebetrieben sowie zur Dienstleistung – natürlich auch die Tradition des Viertels wahren, indem die verschiedenen Faktoren, die das Besondere des Viertels ausmachten, soweit als irgend gewahrt blieben: „Der besondere Charakter ... begründet sich aus vier Faktoren: der systematischen Erschließung von mehr als 90 Hektar Fläche mit Straße, Bahn und Kanal aus einer Hand, der grobmaschigen und gleichzeitig engen Verzahnung von Wohnen, Arbeiten und Erholungsmöglichkeiten (Kultur und Natur) in Form einer Stadt der kurzen Wege, der relativen Nähe zum Stadtzentrum und den zahlreichen Dokumenten selbstbewußter Industrie- und Baukultur.“ 33 Im Rahmen diese Untersuchung war es natürlich vor allem von Interesse, wie der letztgenannte Aspekt der Besonderheit Plagwitz’ im Zusammenhang mit der EXPO Berücksichtigung und entsprechende Umsetzung fand. Hierzu ist festzustellen, dass allein drei der insgesamt zwölf im Rahmen dieser Arbeit vorgestellten Objekte der Industriearchitektur als EXPO-Projekte in diesen Rahmen eingebunden waren. Die frühere Sächsische Wollgarnfabrik und späteren Buntgarnwerke in der Nonnen- und Holbeinstraße der Firma Tittel & Krüger als Bausteine 2 und 3, die einstige Bodenbearbeitungsgerätefabrik von Rudolph Sack als Bausteine 9, 10, 11, 16 und 17 sowie die ehemalige Maschinenfabrik Unruh & Liebig in der Naumburgerstraße 28 als Projektbaustein Nummer 6. Von den insgesamt 17 Bausteinen sind also allein acht – also knapp die Hälfte – in irgendeiner Weise mit Teilen der 33 „ Plagwitz – Ein Leipziger Stadtteil im Wandel“; S.5. 174 Untersuchungsgegenständen dieser Arbeit identisch.34 Hinzu kommen einige mittelbar involvierte Bausteine, wie etwa die Gleisbereichsbegrünung (Projektbaustein 8) beziehungsweise die Straßen- und Brückensanierungen (Projektbaustein 1) oder auch die Kanalsanierung (Projektbaustein 12 und 13), die in Teilabschnitten, auch die hier untersuchten Objekte mit-betrafen und so für einige der Bauten eine beachtliche „weiche“ Standortaufwertung und dadurch gleichermaßen eine Förderung der Wirtschaftsansiedlung bedeuteten.35 Die Frage, ob die EXPO-Beteiligung ein Erfolg gewesen ist, lässt sich in der Rückschau sowohl mit Ja als auch mit Nein beantworten. Die EXPO 2000 an sich hatte keinen wirklich unmittelbaren Folgen für die Sanierung und Revitalisierung des Stadtteils. Jedoch lässt sich nicht leugnen, dass bereits die Bewerbung des Projektes um Aufnahme als dezentraler Standort der EXPO, die im Jahr 1996 erfolgte, einen mittelbaren Erfolg für Plagwitz bedeutete. Dieser Antrag bedurfte eines geschlossenen Konzeptes, das im Vorfeld von der Stadt unter zu Hilfenahme der Mitarbeit verschiedenster Quellen erarbeitet worden war. Zu diesen Quellen zählte die Stadt Bürgerbeteiligung in Form von Umfragen und Vorschlägen ebenso wie stadtplanerische Tätigkeit und nationale Wettbewerbe beziehungsweise Workshops. Nachdem im November 1997 die Registrierung von Plagwitz als eines der weltweiten EXPO-Projekte erfolgt war, bekam die Realisierung des Konzeptes einen konkret fixierten Zeithorizont. Schon bald wurde allerdings klar, dass das Projekt ein Sichtbarmachen des Wandels in doppelter Hinsicht sein würde, da sich die einzelnen Bausteine im Sommer 2000 in ganz unterschiedlichen Verwirklichungsstadien präsentieren würden und so nicht nur die Veränderung eines Industriestandortes aus dem 19. Jahrhundert in ein modernes Technologieund Gewerbezentrum des 21. Jahrhunderts erfahrbar wurde sondern auch die zu diesem Prozess gehörenden unterschiedlichen Realisierungszustände. So konnte quasi der gesamte Prozess der Metamorphose gezeigt werden und nicht nur sein Endergebnis. Als große Hilfe innerhalb dieses dreijährigen Prozesses erwies sich zum einen die Bildung einer Lenkungsgruppe, in die alle involvierten Personen und 34 35 A.a.O.; S.96. Ebd. 175 Institutionen mit entsprechenden Vertretern eingebunden waren, wodurch eine kurzwegige Entscheidungsfindung und Beschlussfassung ermöglicht wurde. Zum zweiten wirkte sich auch der Einsatz der städtischen Stadterneuerungs- und Entwicklungsgesellschaft ausgesprochen förderlich und beschleunigend auf die Umsetzung aus, da sich auf diese Art und Weise Arbeits- und Entscheidungsläufe extrem verkürzten.36 Im Nachhinein lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die EXPO, durch den zeitliche (Erfolgs-)Druck den der „Horizont“ des Jahres 2000 bildete aber auch durch die vielen von seiten der Stadt entwickelten verfahrens- und entscheidungsabkürzenden Prozesse durchaus förderlich auf eine geschlossene Entwicklung des Stadtteils ausgewirkt haben. Nicht zu unterschätzen sind dabei auch die marketingstrategischen Gesichtspunkte, die sicher für einige der Investoren der Anlass waren, aufgrund der hohen Werbung und Imageaufwertung, die eine solche EXPO-Beteiligung auch für die einzelnen Projektbausteine bedeutete, in Plagwitz zu investieren und damit etwas in diesem Quartier zu bewegen. Die Hoffnung, dass die solcherart ins Rollen gebrachte Entwicklung sich in den kommenden Jahren in positiver Weise fortsetzen würde, erhielt durch die Aufnahme des Projektes Leipziger Westen in das europäisch geförderte URBAN II-Programm im Herbst 2001 neue Nahrung. Von der massiven materiellen Unterstützung, die dieses Programm bietet, erhofft sich die Stadt eine förderliche politische Kontinuität bei den bereits Mitte der 1990er Jahre initiierten Aktivitäten zur Bewältigung der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Probleme im Bereich des Leipziger Westens, als dessen Kerngebiet Plagwitz gesehen und gefördert wird. Für diese Aufgabe scheint das URBAN Programm wie geschaffen, denn dessen programmatische Strategie sieht eine Verbesserung der Voraussetzungen für die Entwicklung von Handel und Gewerbe sowie attraktiven Wohngebieten durch „aktiven Stadtumbau“ vor.37 Adäquat zum bereits erfolgreich abgeschlossenen Programm URBAN I wird die Europäische Union für die 70 ins Nachfolgeprogramm aufgenommenen Städte insgesamt 700 Millionen Euro bereitstellen, von denen allein in das Leipziger 36 37 „ Plagwitz – Ein Leipziger Stadtteil im Wandel“; S.73. Alle inhaltlichen Aussagen zu diesem Programm stammen aus den Unterlagen der Auftaktveranstaltung URBAN II vom 26.09.2001. 176 Projekt voraussichtlich knapp 20 Millionen Euro fließen werden. Das Hauptanliegen der EU ist es, im Zusammenhang mit dem Programm URBAN II einen wichtigen Beitrag zur Förderung einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung benachteiligter städtischer Quartiere im Rahmen der Strukturfondsinterventionen im Förderzeitraum 2000 bis 2006 zu leisten. Die vier erklärten Ziele des Programms sind dabei erstens Beihilfen für die Wirtschaft – vor allem im Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen – sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze; zweitens die Gewährleistung einer Nachhaltigen Stadtentwicklung unter Erhaltung gewachsener historischer und kultureller Strukturen; drittens die Schaffung von Identifikation mit dem Quartier und dem Programm bei den Anwohnern über die Einrichtung eines URBAN-Zentrums vor Ort als konkrete und permanent präsente Anlaufstelle sowie der Ausrichtung von Diskussionsforen, Workshops und Unterstützung für Bürgerinitiativen und -vereine; viertens die Herstellung relativer Chancengleichheit durch eingliedernde Sozialmaßnahmen und Beschäftigungsförderung. Leider ist es noch nicht möglich, Aussagen zu den konkreten Förderprojekten in Plagwitz zu machen, da die Planungsphase erst Mitte 2002 abgeschlossen sein wird. IV.4. [K]Eine Zukunft für unsere Vergangenheit38 „Die Beschäftigung mit der Geschichte der Industriedenkmalpflege ist Teil der Auseinandersetzung mit den Wurzeln und Entwicklungen der postindustriellen Gesellschaft.“ 39 schreibt die Ministerin für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport Nordrhein-Westfalens, Ilse Brusis, sehr bezeichnend im Vorwort der 2000 erschienenen Publikation „Denkmale des Industriezeitalters. Von der Geschichte des Umgangs mit Industriekultur“ . Diese, als Kombination von wissenschaftlich-historischer Aufarbeitung und Anthologie einschlägiger, zum Teil schwer zugänglicher Texte zum Thema gedachte Neuerscheinung ist ein vom Lehrstuhl für Denkmalpflege & Bauforschung der Universität Dortmund 38 Titel zweier Publikationen im Denkmalschutzjahr 1975. So z.B.: Eine Zukunft für unsere Vergangenheit; Hrsg. Landschaftsverband Rheinland; Köln 1975. Und: Klotz, Heinrich, Roland Günther und Gottfried Kiesow: Keine Zukunft für unsere Vergangenheit ? Denkmalschutz und Stadtzerstörung; Gießen 1975. 39 Kierdorf/ Hassler; S.3. 177 unter der Redaktion von Alexander Kierdorf und Uta Hassler herausgegebene Veröffentlichung, die einen nahezu unmöglichen Spagat über mehrere Fachgebiete hinweg versucht und dabei Erstaunliches zu Wege bringt. In der jüngeren Vergangenheit hat es eine vergleichsweise große Zahl von Publikationen gegeben, die sich – meist anhand eines regionalen Beispiels – mit Industriearchitektur, deren Entstehung, Wachstum und Qualität sowie den Chancen und Problemen derer Umnutzung auseinandersetzte. Die in dieser Arbeit bereits erwähnten Publikationen von Beaugrand40, Klein-Meyen41 oder Fruehauf42 zur Industriearchitektur Herfords, Kölns und Hamburg stellen diesen Ansatz in repräsentativer Form dar. Nicht zuletzt wegen der umfangreichen Querverweise auf einschlägige Literatur aus den verschiedensten in diese Forschung involvierten Disziplinen stellt die Arbeit von Kierdorf und Hassler jedoch im Vergleich mit den eben genannten Publikationen eine lange und dringend erwartete Arbeit dar. Soziologie, Technikgeschichte, Ingenieurwesen sowie Kunst- und Architekturgeschichte erfahren darin ebenso Berücksichtigung wie Denkmalpflege, Stadtplanung und Marketing und zwar nicht nur auf der Ebene des konkreten Beispiels sondern auch im abstrakt-analytischen Bereich. Die Arbeit von Kierdorf und Hassler macht vor allem deutlich, wie wichtig eine differenzierte und bewusste Auseinandersetzung mit dem Erbe unserer industriellen Vergangenheit in der heutigen „ postindustriellen“ Epoche tatsächlich ist und sein muss, wenn wir nicht den Irrweg der Verleugnung ungeliebter weil problematischer Aspekte beschreiten und uns damit unversehens eines wesentlichen Teils unserer Wurzeln berauben wollen. Viele der in dieser Publikation getroffenen Aussagen lassen sich mühelos in den Kontext der Entwicklung von Plagwitz unter den divergierendsten Gesichtspunkten rücken. So kann zum allgemeinen Grundverständnis der Dringlichkeit einer durchaus kritischen und detaillierten Auseinandersetzung mit unserem Erbe der Industriekultur Martin Damus zitiert werden, der von einem 40 Andreas Beaugrand, Jörg Borström, Theodor Helmert-Corvey u.a.: Der steinerne Prometheus - Industriebau und Stadtkultur. Plädoyer für eine neue Urbanität; Berlin 1989. 41 Dieter Klein-Meyen und Henriette Meyen: Kölner Wirtschaftsarchitektur. Von der Gründerzeit bis zum Wiederaufbau; Köln 1996. 42 Anne Fruehauf: Fabrikarchitektur in Hamburg; Hamburg 1991. 178 eher philosophischen Standpunkt aus zu bedenken gibt: „Die neue Nutzung der Fabrik, ..., soll darauf verweisen, daß das Alte noch fruchtbar ist, die Gegenwart nicht von der Vergangenheit abgeschnitten ist, sondern aus ihr erwächst. An die Stelle der Identifikation und gesellschaftlichen Integration über den Zukunftsglauben tritt die Identifikation und Integration über Tradition. Die alte Fabrik wird nicht zum Steinbruch degradiert ... [sie] bleibt schöpferisch verwertet.“ 43 Eines der Hauptanliegen dieser Arbeit war neben der kunstgeschichtlichen Verortung der Industriearchitektur von Leipzig-Plagwitz vor allem auch das Bestreben einer breiteren Bewusstmachung der historischer Bedeutung dieser einzigartigen substantiellen Hinterlassenschaft. Ihre Wahrnehmung dient der Beförderung und Forcierung einer aktiven Auseinandersetzung mit jenen Teilen unserer Geschichte, die nicht wenige am liebsten so schnell als möglich verschwinden lassen würden. Im Zusammenhang mit der auf uns überkommenen industriellen Bausubstanz in Leipzig-Plagwitz ist mit jenen unliebsamen Teilen der Geschichte aber nicht nur der zerstörerische Aspekt der Blütezeit der industriellen Entwicklung des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts gemeint, der spätestens seit der Einführung der Diskussion um Umweltzerstörung, Umweltschutz und Bewahrung des ökologischen Gleichgewichts in den 1960er und ‘70er Jahren Relevanz erhielt. Mindestens ebenso stark geht es um die Tilgung materieller – und darum ständig visuell erfahrbarer – Zeugnisse des abrupten Identitätsverlustes, den viele nach der politischen Wende und der Wiedervereinigung Deutschlands 1989/90 und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie durch Arbeitslosigkeit und gesellschaftliche Entwurzelung erfahren mussten. Warum nicht einfach aufräumen, abreißen und von Null an neu beginnen?! In den typischen und historisch überlebten Industrie- und Wohnmischgebieten wie Plagwitz fehlt es doch ohnehin an Grünanlagen und Freiflächen, an Platz zum Atmen und Neubebauen... Also weg mit den ohnehin überholten Resten einer untergegangenen Wirtschaftskultur! 43 Martin Damus: Alte Fabriken und die nostalgische Baukunst der Gegenwart; in: Nachlaß des Fabrikzeitalters, Rheinisches Industriemuseum, Beiträge zur Industrie- und Sozialgeschichte Bd. 2; Köln 1989; S.27. Zitiert nach Kierdorf/Hassler, S.253. 179 Unter diesem Gesichtspunkt scheint es außerordentlich wichtig noch einmal zu verdeutlichen, dass der Paradigmenwechsel der industriellen Wirtschaft44 von einer Produktions- zu einer Informationsgesellschaft sich zwar auf dem Terrain der ehemaligen DDR erzwungenermaßen mit wesentlich größerer Geschwindigkeit vollzog, dass er aber im Gebiet der Alten Bundesländer in gleichem Maße relevant war und ist. Hier half lediglich ein längerer Zeitraum, Platz und Akzeptanz für einen behutsameren und zum Teil auch differenzierteren Umgang mit den bausubstantiellen Relikten der deutschen Industriegeschichte zu schaffen. Die Diskussion um das „Denkmal als Ruine“ 45 – das zeigt sich beispielsweise auf den unterschiedlichsten Ebenen der erst in jüngster Vergangenheit geführten und inzwischen leider durch die Sprengung beendeten Auseinandersetzung um den Erhalt der Förderbrücke des ehemaligen Tagebaus Zwenkau – ist für den „ostdeutschen“ Raum immer noch eine Ausnahme. Das hierzu viel zitierte Beispiel ist die erfolgreiche Etablierung und Nutzung Ferropolis’ im mittelsächsischen Industriedreieck des Bitterfelder Braunkohlereviers.46 Die Verwaltung der Stadt Leipzig hat unter Berücksichtigung der „westdeutschen“ Erfahrungen der letzten Jahrzehnte folgerichtig einen planmäßigen Erhalt der historisch gewachsenen Strukturen des Wohn- und Industriemischgebietes Plagwitz proklamiert und auf den verschiedenen Plattformen des öffentlichen Bewusstseins – durch Publikationen, Medien und öffentliche Diskussionen – sowie der städtischen Planungsebenen und möglichkeiten – durch die intensive und fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen dem Amt für Stadtplanung, dem Amt für Denkmalpflege und dem Amt für Stadtsanierung und Wohnungsbauförderung – durchsetzen können. Das Ergebnis dieser Bemühungen kann sich heute durchaus sehen lassen: wo vor 10 Jahren Untergangsstimmung jeglichen Optimismus im Keim zu ersticken drohte, präsentiert sich heute ein „reanimiertes“ städtische Quartier mit erstaunlichen Zuzugsraten vor allem unter der jungen Bevölkerung, vielfältigen wirtschaftlichen Perspektiven und Neugründungen sowie einem reichhaltigem kulturellen Angebot. 44 Kierdorf/Hassler; S.263. A.a.O.; S.236ff. 46 A.a.O.; S.239. 45 180 In Zusammenhang mit dieser „Erfolgsmeldung“ erscheint es jedoch um so wichtiger, auf einen entscheidenden Makel dieses positiven Bildes hinzuweisen. Das heutige Plagwitz präsentiert sich als ausgesprochen heterogenes Gemisch von diversestem Umgang mit historisch Bausubstanz. Die bereits „bearbeiteten“ Flächen und Objekte sprechen dabei jedoch leider nur allzu oft eine Sprache der plumpen Verdrängung anstelle subtiler Aufarbeitung zur Ermöglichung einer aktiven Auseinandersetzung mit den historischen Gegebenheiten. Der Terminus „bearbeiten“ wurde dabei bewußt als unkreatives Pendant zum Begriff „restaurieren“ gewählt, da von Restaurierung im denkmalpflegerischen Qualitätsmaßstab leider nur ausgesprochen selten die Rede sein kann. Das zwangsläufig entstehende Spannungsfeld von wirtschaftlichen und ästhetischen Ansprüchen der Umnutzung auf der einen und dem denkmalpflegerischen Anspruch auf der anderen Seite wurde in Plagwitz bereits stark strapaziert. In Zukunft sollte die auch von Kierdorf und Hassler – stellvertretend für viele andere – geforderte Vielfalt im Umgang mit den Relikten des Industriezeitalter etwas mehr Raum in Planung und Umsetzung der „Restaurierung“ und Umnutzung des Viertels erhalten. Ansonsten könnte es geschehen, dass die authentischen Spuren dieses Kapitels unserer historischen Vergangenheit in Plagwitz für immer verloren wären. Für die Weckung historischen Bewusstseins und die Erschließung einer eigener Identität nutzt es nicht wirklich, wenn „schwierige“ Bausubstanz abgerissen oder eindrucksvolle Fassaden als Vorhang vor ein einem komplett entkernten und modernisierten beziehungsweise gänzlich neu errichteten Innenbau hängen oder stehen bleiben dürfen. Die Authentizität des Originals ist unter diesen Gesichtspunkten in vielen Fällen der aalglatten „Ästhetik“ eines Umbaus oder der verfälschenden Geschichtsklitterung einer Rekonstruktion vorzuziehen. Noch gibt es in Plagwitz genügend Originalsubstanz, die Raum für beinahe alle Spielarten der Denkmalpflege, des Ensembleschutzes und der Umnutzung von Bauten der industriellen Vergangenheit bietet. Was allerdings schon heute – auf Grund der Beräumung der noch vor nur zwölf Jahren funktionsfähigen, produzierenden Fabriken – nicht mehr möglich wäre, ist die Einrichtung beziehungsweise wieder funktional in Gang setzende Restaurierung auch nur eines einzigen Teilabschnittes der Plagwitzer Produktion, da durch planmäßige 181 Beräumung und individuelles „ Raubrittertum“ von Technik-Nostalgikern47 keine Fabrik mehr in ihrem Originalzustand beziehungsweise mit ihrer Originalausstattung an Maschinen verblieben ist. „Kontrollierter Verfall“ 48 und „ Verrottungsdenkmal“ 49 scheinen eine gute Alternative zum bisher praktizierten Rundumschlag der konzertierten „Verschönerungsaktionen“ für Plagwitz. Bis dahin – das zeigt das Beispiel der einzigartigen Förderbrücke Zwenkau – ist es allerdings noch ein weiter Weg. Als glücklicher Umstand innerhalb des eben geschilderten Problemfelds muss wohl der großflächige Erwerb einiger wichtiger Industriebauten Plagwitz’ von privater Seite betrachtet werden. Die wirtschaftliche Lage sich nicht so günstig wie prognostiziert entwickelte und auch die Stadt einigen Umnutzungsvorhaben einen planerischen Riegel vorschob, stehen heute große Teile der inzwischen privaten Immobilien – abgesehen von ihrer inzwischen verlorenen Ausstattung – noch genauso in Plagwitz, wie sie kurz nach der Stilllegung der Betriebe, gekauft worden waren. Lediglich die Spuren der Nichtnutzung wie der Zeit künden heute von einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Ein nicht zu unterschätzendes Kapital, denn: „Was würde aus unseren in vielen Bereichen noch so deutlich als Geschichtsbuch lesbaren unverwechselbaren Orts- und Siedlungsbildern, wenn alle Industriestandorte des 19. Jahrhunderts daraus getilgt würden.“ 50 Zeit- und Erfolgsdruck sind keine guten Ratgeber, wenn es um den authentischen Erhalt von architektonischer Originalsubstanz geht. 47 Rolf Höhmann: Denkmale der Industrie - Museen der Industrie; in: ICOM - Museum und Denkmalpflege, 1992; S.56-61. Zitiert nach Kierdorf/Hassler; S.260f. 48 Ebd. 49 Gert Selle: Die Unantastbarkeit des erloschenen Feuers. Ein Plädoyer für die alte Völklinger Hütte als Ruine; in: Saarbrücker Hefte, 64; November 1990; S.48-58. Zitiert nach Kierdorf/Hassler; S. 257. 50 HPC Weidner: Erhaltung von Industriedenkmalen zwischen Denkmalschutz und Stadtplanung; in: Die Nordwolle in Delmenhorst. Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen, Heft 3; Hannover 1984. S.9ff. Zitiert nach Kierdorf/Hassler; S.248. 182 Danksagung Am Ende dieser Arbeit steht mein Dank an all jene, die mich in den vergangenen Jahren geistig, materiell und emotional unterstützt haben. In erster Linie gilt mein Dank Prof. Dr. Wolfgang Wolters vom Institut für Kunstgeschichte der Technischen Universität Berlin, der mich während der Studien der vergangenen Jahre als Doktorvater begleitete und durch seine vielseitige Erfahrung vor manchem Irrweg bewahrte. Für den Beistand vor Ort möchte ich besonders Prof. Dr. Ulrich Krüger, Prof. Dr. Thomas Topfstedts, Dr. Friedrich Rebbelmund und Prof. Dr. Hans M. Franke danken, deren Hinweise bezüglich regionaler Aspekte bei der Klärung verschiedener Sachverhalte sehr hilfreich waren. Für ihr Entgegenkommen bei der Gewährung des Zugangs, der Bereitstellung und teilweise erforderlichen Vervielfältigung diverser Unterlagen danke ich besonders dem Leiter des Bauordnungsamtes Herrn Schirmer, der Leiterin des Bauaktenarchivs der Stadt Leipzig Frau Fiedler und der Archivarin Frau Trost. Ich danke der JUS AG – und hier vor allem deren Vorstandsvorsitzenden Michael Haupt – die mir die Möglichkeit gab, im Zuge der Sanierung und Umnutzung des ehemaligen Hochbau West der vormaligen Firma Sächsische Wollgarnfabrik vorm. Tittel & Krüger AG, einen Teil meiner Forschung bereits im Vorfeld in Form eines Buches einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Ohne die emotionale Rückendeckung und kontinuierliche Bereitschaft von Freunden und Verwandten, sich mit formalen und inhaltlichen Fragen der Arbeit auseinanderzusetzen, hätte die Arbeit in ihrer letztendlichen Gestalt nur schwerlich entstehen können. Ich danke Anita und Albrecht Buhl, Friedrich Kühn, Andreas Leyk, Annette Löwe und Alexandra Naumann. STUDIE ZUR LEIPZIG INDUSTRIEARCHITEKTUR PLAGWITZ 1870-1914 AM BEISPIEL AUSGEWÄHLTER ANHANG IN BAUTEN 183 Katalogteil zu den einzelnen Betrieben Um die Vielfalt des für diese Arbeit genutzten, vorhandenen Materials der Quellen überschaubar wiedergeben zu können, wurde an dieser Stelle der Arbeit ein Katalogteil eingefügt. Er ermöglicht einen umfassenden Einblick in den umfänglichen Bestand des gesichteten Archivmaterials – vor allem der erhaltenen Bauakten der einzelnen Objekte – und die Fakten der vorhandenen Literatur sowohl in Hinsicht auf das Baugeschehen als auch auf die betriebsgeschichtliche Entwicklung der einzelnen Firmen. Die Anordnung der Betriebe innerhalb des Kataloges erfolgte nach chronologischen Paradigmen, welches als ordnungsrelevantes Datum jeweils das Jahr der Firmengründung beziehungsweise das Jahr des Ergehens der Bauakte annimmt, auch wenn dies nicht immer als völlig zweifelsfrei gesicherte Angabe betrachtet werden kann. Ist dies im Widerspruch zu in den vergangenen Jahren publizierten Texten, so allerdings nur dann, wenn in den besagten Veröffentlichungen keine Quellenangabe erfolgt oder wenn die dort zitierten Quellen minder glaubwürdig als die Bauakten der Stadt einzustufen sind. Innerhalb der Grobgliederung nach Betrieben wurde jeweils wiederum eine Untergliederung nach einordnenden Charakteristika angelegt, die bei jedem Untersuchungsobjekt in identischer Abfolge wiederholt wird. Das erste Kriterium ist der oder die Namen des Objektes, wobei nach Möglichkeit sämtliche geführten Namen des Unternehmens bis heute beziehungsweise bis zu dessen Auflösung mit den entsprechenden zeitlichen Angaben eingearbeitet sind. Danach folgt die Benennung des ursprünglichen Industriezweiges und das Gründungsjahr. Anschließend wird sowohl die damalige wie die heutige Adresse genannt, was das Auffinden des Objektes beziehungsweise des Standorts des Objektes im heutigen Stadtgefüge ermöglicht. Hierauf wird eine Einschätzung des momentanen baulichen Zustands und der Nutzung vorgenommen, wobei ein im Vorfeld – in Anlehnung an die Literatur – gebildeter Index von Grobkategorien des Bauzustandes zum Einsatz kommt.1 Als nächstes folgt eine Übersicht über den oder die bei Konzeption und Entstehung der Bauten tätig gewordene/n Baumeister beziehungsweise Architekt/en. Hierauf wird eine Kurzbeschreibung des Objektes gegeben, bei 1 Vgl. nachfolgende Seite sowie Anm.2! 184 welcher nach einer weiteren Untergliederung vorgegangen wurde. Die Charakteristika dieser Differenzierung sind die Abmessungen (damals und heute), die Bauweise, die hauptsächlich verwendeten Materialien sowie die Bau- und Firmengeschichte. Die Einteilung zum momentanen baulichen Zustand (im Folgenden mit BZ abgekürzt) wurde im wesentlichen nach dem Schema von Knut Sieckmann2 vorgenommen und lediglich durch zwei Kategorien, nämlich die erste – BZ 1 = Sanierung bereits erfolgt (Jahresangabe) – und die letzte – BZ 8 = Abbruch bereits erfolgt (Jahresangabe) – ergänzt. Denn diese beiden Kategorien haben in den vergangenen Jahren durchaus Relevanz erhalten: BZ 1 BZ 2 BZ 3 BZ 4 BZ 5 BZ 6 BZ 7 BZ 8 Sanierung bereits erfolgt (Jahresangabe) keine baulichen Mängel Verschönerungsarbeiten notwendig (zum Beispiel Malerarbeiten, kleinere Ausbesserungsarbeiten an Dach und Hauswand) Renovierungsarbeiten notwendig (zum Beispiel größere Fassadenschäden teilweise Fensterbruch, abbröckelnder Putz, sonst zufriedenstellender Gesamtzustand, kaum eingeschränkter Nutzwert) Sanierungsbedarf vorhanden (stark verwahrloster Zustand, größere Dachschäden, Auftreten von Nässe und Feuchtigkeit, teilweise brüchiges Mauerwerk, daher Bedarf an planungsrechtlicher Aktivität bei erhaltenswerter Bausubstanz) abbruchreif (nicht mehr zu nutzendes Gebäude, geringer/kein Nutzwert, Abriss aus architektonischer Sicht vertretbar, aus städtebaulichen Gründen empfehlenswert, Sanierungskosten stehen dem möglichen Nutzen entgegen) Abriss aus bautechnischen Gründen notwendig. Einsturzgefahr Abriss bereits erfolgt (Jahresangabe) Eine weitere wichtige Quelle, die zur Klärung der im Katalogteil aufgearbeiteten Bau- und Firmenentwicklung herangezogen werden konnte, waren beziehungsweise sind die diversen Firmenunterlagen. Leider konnte in keinem der Fälle der hier untersuchten Objekte auf ein tatsächlich die Kriegs- und 2 Einteilung nach Knut Sieckmann, Heike Brandthorst u.a. (ESPG): „Kurzfassung und Zusammenfassung der Ergebnisse der vorbereitenden Untersuchungen Leipzig-Plagwitz“; Leipzig 1994, S.21. 185 Nachkriegsereignisse überdauertes Firmenarchiv im herkömmlichen Sinne zurückgegriffen werden. Leider haben sowohl die Zerstörungen während des Zweiten Weltkrieges als auch die Veränderungen und Säuberungsaktionen der DDR-Zeit dazu geführt, dass heute für die hier untersuchten Objekte kein einziges Archiv erhalten geblieben ist. Allerdings existieren vor allem von den größeren Firmen Eigenpublikationen aus den Jahren 1880 bis 1920, die für diese Untersuchung interessante Zusatzinformationen liefern konnten. In ihnen wird sehr anschaulich, wenn auch teilweise im manipulativen Stil eines Werbemittels, die Firmenentwicklung referiert. Durch den häufig sehr umfangreichen Bestand an einzigartigem, zeitgenössischen Bildmaterial und Fotodokumentationen ermöglichen diese Eigenpublikationen Rückschlüsse auf die Baugeschichte der Unternehmen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich im folgenden Katalogteil eine komprimierte Übersicht der Resultate der Quellenforschung der Bauakten der Stadt und der – vor allem im stadtgeschichtlichen Museum Leipzigs gesammelten – „Betriebsarchive“ findet. Die Recherchen bezogen sich dabei auf die gezielte Auswahl von insgesamt zwölf Betrieben in Plagwitz, deren Firmengründung und Blütezeit in die Jahre zwischen 1860 und 1915 fiel. Die Auswahl der untersuchten Unternehmen wurde dabei zum einen durch den Umfang der Quellen mitbestimmt, zum anderen waren es aber vor allem die architektonischen und architekturhistorischen Charakteristika der Firmengebäude, die bei der Selektion der Untersuchungsgegenstände signifikant ins Gewicht fielen. Außerdem sollten die ausgewählten Objekte beispielhaft für die mannigfaltigen Variationen in Größe, Unternehmensbereich, Firmenstruktur, Dauer der Bebauung, Modernität von Konstruktion und Gestaltung etc. der Plagwitzer Industrie sein. 186 Dambacher & Mügge3 Name des Objektes: Dambacher & Mügge; ab 1879 taucht in den Bauakten nur noch Gustav Theodor Mügge als Eigentümer auf. Es gibt jedoch keinerlei gesonderten Eintrag zu dieser Änderung der Eigentumsverhältnisse. Alle für den Untersuchungszeitraum relevanten Bauakten sind mit der Bezeichnung Mügge & Co versehen. 1927 wurde an die Firma Pittler verkauft, der Name Mügge & Co wurde jedoch beibehalten. Heute existiert die Firma nicht mehr. Industriezweig: Eisengießerei. Gründungsjahr: Der erste Eintrag in den Bauakten des Rates der Stadt – die auf dem Aktendeckel leider nicht mit einem Datum des Ergehungs versehen sind – stammt vom 17. März 1865. In dem Schreiben wird Antrag auf einen Erweiterungsbau gestellt, so dass anzunehmen ist, dass die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Gebäude mindestens 1 bis 2 Jahre vorher gebaut wurden. In einer von der Stadt veröffentlichten Untersuchung wird für diese Gebäude als Baudatum ”...vor 1864...”4 genannt, leider ohne jede Argumentation beziehungsweise ohne Quellenhinweis. Allerdings ist einem Briefkopf der Firma aus dem Jahr 1889 als Gründungsjahr des Unternehmens die Angabe 1865 zu entnehmen. Damalige Adresse: Alte Straße 25, 27 und 29. Heutige Adresse: Alte Straße 27 und 29. Momentaner baulicher Zustand/Nutzung: Alte Straße 25 BZ 8 (1999) mit anschließender Neubebauung (1999). Alte Straße 27 und 29 im Bereich der Straßenfront BZ 1 (Sanierung 1999 und 1998); auf dem dahinteliegenden Gelände wie Alte Straße 25. Im Bereich der Nummer 25 steht heute ein Neubau mit Wohneinheiten, der direkt an das benachbarte, wesentlich ältere Gebäude anschließt (Anschluss zur Blockrandbebauung). Bei diesem Nachbarhaus handelt es sich um das 1889 gebaute Postamt Plagwitz an der Ecke zur Weißenfelser Straße. Ebenfalls im Jahr 1999 wurde es umfassend restauriert und dient heute als Wohn- und Geschäftsgebäude. Die Nummer 27 – der ehemalige Arbeitsschuppen beziehungsweise die frühere Schmiede (vor 1869) inklusive Erweiterungsneubau von 1869 durch Mosenthin) 3 „Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück 25/29 an der Alten Straße | 79/80 Abt. A des Brdverf.-kat. | Besitzer : Mügge & Co.“; Bd.I (1865?); Bd.II (1891); Bd.III (1915); Bd.IV (1941); Bd.V (1944); Bd.VI (1966). 4 „Beiträge zur Stadtentwicklung. Workshop Leipzig Plagwitz“; Heft 5, Hrsg. Dezernat für Stadtentwicklung und Raumplanung, Leipzig 1992; S.10. 187 – ist seit der 1999 erfolgten Sanierung als Gewerbefläche (an die Bast-Bau GmbH) vermietet. Bei der Nummer 29 handelt es sich um eine Teil des ehemaligen Fabrikantenwohnhaus. Dieses Gebäude ist laut den Bauakten der älteste Baubestand auf dem Grundstück der Firma Dambacher & Mügge (es ist bereits auf den ersten Plänen der Bauakte von 1869 verzeichnet) und wurde nur kurze Zeit vor Nummer 27, 1998, saniert. Der 1873 durch Louis Winkler realisierte dreiachsige, dreigeschossige Anbau wurde im Zuge der Sanierungsmaßnahmen abgerissen. Seither wird das Innere des sanierten Gebäudeteils als Gewerbefläche an ein Architekturbüro, eine Praxis für Physiotherapie und ein Wirtschaftsberatungsunternehmen vermietet. Im hinter der Straßenfront liegenden Bereich des Firmengrundstücks wurden ausnahmslos alle Werkstatt- und Lagergebäude komplett beräumt. Auf dem frei gewordenen Areal wurden 1998 drei einzeln stehende viergeschossige Gebäude und ein an den entstandenen Neubau der Hausnummer 25 angegliedertes Hofgebäude als Neubauten zu Wohnzwecken errichtet. Baumeister/Architekt: Auf den Plänen, die den entsprechenden Baugesuchen in den Jahren 1865 bis 1915 beigefügt wurden, haben in früheren Jahren hauptsächlich die beiden Maurermeister Louis Winkler und Julius Mosenthin als Verantwortliche der Bauausführung gezeichnet. So für den zweigeschossigen Arbeitsschuppen mit Schmiede von 1869 (Mosenthin); die Vergrößerung der Eisengießerei von 1869 (beide); den Anbau eines Kesselhauses von 1870 (Winkler); den Fabrikneubau von 1872 (Winkler) und den dreigeschossigen, dreiachsigen Anbau an das Wohnhaus von 1873 (Winkler). Ab 1879, also ab dem Jahr, in welchem Dambacher aus der Firma ausscheidet, zeichnet für alle wesentlichen Erweiterungen und Neubauten des Betriebes das Architektenduo Pfeiffer & Händel beziehungsweise ab 1893 Händel & Franke als Verantwortliche der Bauausführungen. Kleinere An-, Um- und Einbauten (Schuppen etc.) übernehmen der Maurermeister Louis Löbe und später der ”Civilingenieur” Franz Schelle. Kurzbeschreibung des Objektes Abmessungen: Das Gelände der Firma umfasste zunächst die Flurstücke 57 und 54 a. Bereits 1869 kam noch Flurstück 56 durch Ankauf hinzu. Das so entstandene Firmenareal hatte eine Abmessung von circa 70 x 55 Meter (im hinteren, an den Gleisen gelegenen Bereich nur circa 25 Meter). Auf diesem 188 Grundstück existierte eine sehr durchmischte Gebäudestruktur. Die beiden heute noch existierenden Gebäude Nr. 27 und 29 zur Straßenseite haben: eine Länge von: 27 (Nr. 27) und 11 Metern (Nr. 29); eine Breite von: 10 (Nr. 27) und 8 Metern (Nr. 29) und eine Höhe von: 6 (Nr. 27) und 8 Metern (Nr. 29). Bauweise: Ziegelverbundmauerwerk (Stärke circa 0,65 m); im Dachbereich des eingeschossigen Gießereigebäudes (von 1869) Dachkonstruktionen aus Stahlbindern (in einem Abstand von ∅ 6,00 m) in Form von Sheddächern (heute nicht mehr existent). Hauptsächlich verwendete Materialien: Ziegel, Putz und Holz. Im Dachbereich ab circa 1880 Verwendung von Stahlbindern und Glas (Sheds). Bau- und Firmengeschichte: Bei den ersten Gebäuden des Unternehmens handelte es sich wahrscheinlich um die älteste, zumindest teilweise noch erhaltene Industriearchitektur Plagwitz‘.5 Einen kurzen Einblick in die Baugeschichte lieferte ja bereits der Abschnitt zum Thema: Baumeister/Architekt und, was die Besitzverhältnisse anbelangt, der Abschnitt: Name des Objektes. Da die Bauakte erst im Jahr 1865 beginnt und auch der selbst gestaltete Briefkopf der Firma das Jahr 1865 als Gründungsjahr ausweist, wird die Arbeit im Folgenden von dieser Datumsangabe ausgehen – auch wenn andere Publikationen6 und die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der schriftlichen Antragstellung zur Angliederung eines Neubaus durch den Maurermeister Louis Winkler vom 7. März 1865 bereits Gebäude auf dem Grundstück vorhanden gewesen sein müssen, was sowohl für eine spätere als auch für eine frühere zeitliche Einordnung des baulichen Unternehmensbeginn gewertet werden könnte. Jedoch ist es durchaus denkbar, dass die Firmengründung in das Jahr 1865 fällt und der Neubau einfach an bereits auf dem Grundstück vorhandene Gebäude angegliedert werden sollte, die durch den Vorbesitzer geschaffen worden waren. Leider gibt es in den Bauakten der Stadt keinerlei Angaben, Pläne oder ähnliches zu diesen bereits vorhandenen Gebäuden, die eine eindeutige Klärung des Sachverhalts ermöglichen würden. Die Firma Dambacher & Mügge war die erste Eisengießerei und Maschinenfabrik, die sich auf dem Boden Plagwitz‘ ansiedelte. Im Jahr der Firmengründung 1865 lag aller Wahrscheinlichkeit nach bereits ein Gleisanschluss am Grundstück an, spätestens aber seit 1884. Insofern war die 5 „Beiträge zur Stadtentwicklung. Workshop Leipzig Plagwitz“ ; Heft 5, Hrsg. Dezernat für Stadtentwicklung und Raumplanung, Leipzig 1992; S.10. 6 Vgl. Anm.2! 189 optimale verkehrstechnische Anbindung unter Umständen auch ein Entscheidungsfaktor für diesen Standort, denn die starke Durchmischung mit Wohnbauten, gerade in diesem Bereich des Quartiers, spricht ansonsten eigentlich eher gegen die Ansiedlung einer so umweltbelastenden Industrie. Zahlreiche Beschwerdebriefe in den Bauakten des Unternehmens belegen dies.7 Es ist darum auch kaum verwunderlich, dass es in der Folgezeit in diesem Bereich von Plagwitz zu keinen weiteren Ansiedlungen vergleichbarer Industrien kommt. Ansonsten ist die Entwicklung der Firma wie auch die Entwicklung der Gebäudestrukturen sehr typisch sowohl für die Zeitspanne (1865-1920) als auch für den Standort Plagwitz. Sie ist gekennzeichnet von einem enormen wirtschaftlichen Aufschwung kurz nach der Firmengründung Mitte der 1860er Jahre, die sich durch eine große Zahl von Erweiterungs- beziehungsweise Neubauten zu erkennen gibt. Auf diese Anfangsaktivitäten folgen dann bis zur Jahrhundertwende hin in einem Abstand von 2 bis 5 Jahren in schöner Regelmäßigkeit Erneuerungen innerhalb der baulichen Firmenstruktur. Prägend für den Charakter dieser Gebäude ist ihre Nähe zu den umliegenden Wohnbauten, der direkte Anschluss an die Bahngleise und die Begrenztheit des Areals. So muss zum Beispiel bereits im Jahr 1869, nur fünf Jahre nach der Firmengründung, ein Nachbargrundstück aus dem Besitz des Herrn Dr. Heine hinzu erworben werden, damit überhaupt gemäß der prosperierenden Firmenentwicklung angebaut werden konnte. Im Jahr 1865 (mit Beginn der Bauakte) befinden sich auf dem Gelände der Firma bereits das Wohnhaus des Herrn Kaspar Dambacher, ein Schuppen und drei aneinander gebaute Gießereigebäude. Diese lassen sich eventuell auf das Baurevisionsprotokoll vom 23.10.1864 beziehen, das der Akte – ohne entsprechende Bauzeichnungen – beigefügt worden ist. Erst ab 1869 taucht der Name Mügge in der Firmenbezeichnung mit auf, bis dahin ist in den diversen Schreiben lediglich von Kaspar Dambacher die Rede. Eine nähere Erläuterung dazu findet sich jedoch nirgends. Ebenfalls 1869 wird der Neubau beziehungsweise Anbau eines zweigeschossigen Arbeitsschuppens/Schmiede durch Maurermeister Julius Mosenthin beantragt und bis Januar 1870 realisiert. In diesem Jahr baut Maurermeister Louis Winkler ein Kesselhaus auf dem Gelände, in welchem ein Kessel der sächsischen Firma E. Müller & Renzsch aus Crimmitzschau installiert wird. 1871 baut Winkler 7 So z.B. in einem sehr ausführlichen Beschwerdebrief vom Dezember 1916 in den: ” Acten des Rates ... Mügge & Co.; Vol III; ergangen 1915“ ; o.A. 190 über der Durchfahrt einen Überbau als Trockenboden und 1872 einen relativ großen Fabrikneubau. Hierzu gibt es keine Bauzeichnungen, sondern nur einen Lageplan. Der Anbau rechts neben der Straßenfront des Wohnhauses (Nr. 29) wird im Jahr 1873 von Winkler realisiert. Sechs Jahre später, 1879, verschwindet der Name Dambacher aus sämtlichen Protokollen, ohne dass es einen schriftlichen Nachweis über die Ursachen gibt. Von diesem Jahr an nennt sich die Firma – bis zur Übernahme durch Pittler am 11. April 1927 – Mügge & Co. Das Architekturbüro Pfeiffer & Händel beziehungsweise später, ab 1893, Händel & Franke avanciert in dieser Zeit zum Exklusivpartner des Unternehmens in Sachen Bauaufgaben. Wiederum fünf Jahre später, 1884, beauftragt Mügge das Architekturbüro Pfeiffer & Händel mit zwei Neubauten für die Eisengießerei. Im Jahr 1885 wird ein zweiter Dampfkessel neben dem alten installiert. Die Anlage stammt von der Firma Goetz & Nestmann aus Leipzig. 1888/89 wird von Pfeiffer & Händel an der Straße (auf dem Gelände der Nr. 25) ein neues Kontorgebäude realisiert. 1892 wird ein weiterer Kessel installiert. Dieser stammt von der Firma F. Schmidt aus Halle an der Saale. 1900 projektieren Händel & Franke ein neues Werkstattgebäude nebst Kesselhaus, im Protokoll als ” Lokomobile” bezeichnet. Diese Planungen werden jedoch nicht realisiert, der Bauantrag wird zwei Monate nach Antragstellung zurückgezogen. Dieser „Rückzieher“ lässt sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit finanziellen beziehungsweise konjunkturellen Problemen erklären. Bis zu diesem Punkt ist die Entwicklung durch einen kontinuierlichen und raschen Auf- beziehungsweise Ausbau der Firma wie auch ihrer baulichen Strukturen gekennzeichnet. Sehr signifikant ist in diesem Zusammenhang auch die mehrmalige Nachrüstung der Kraftanlagen des Betriebes. Ab 1900 jedoch kommt es zu einer wirtschaftlich bedingten Phase der Stagnation. In den nun folgenden Jahren passiert außer kleineren Ausbesserungsarbeiten nichts von Bedeutung. 1906 wird ein Acetylen-Gas-Apparat der Firma Karl Kron aus Münster am Stein installiert, 1912 ein elektrischer Lastenaufzug von Louis Neubauer aus Chemnitz eingebaut. Ansonsten baut man einen Waschraum, Wasserklosetts, einen Sandlagerschuppen, eine Autogarage und einen Handlaufkran ein. Während des Ersten Weltkrieges laufen die Geschäfte durch die Umrüstung auf Kriegsproduktion wieder gut, und es werden auch Erweiterungen der Produktionsräume geplant und projektiert. Durch den Mangel und die 191 Bauverbote des Krieges sind diese dann aber wiederum vorerst nicht zu realisieren. In den 1920er Jahren macht sich dann auch bei der Firma Mügge & Co die Weltwirtschaftskrise deutlich bemerkbar, was im Jahr 1927 zum Verkauf an die Firma Pittler führt. Die Firmenbezeichnung Mügge & Co wird allerdings auch weiterhin beibehalten. Im Zweiten Weltkrieg, 1944, wird ein Großteil der Gebäude vor allem im Dachbereich durch Brandbomben beschädigt.8 Nach dem Krieg wird das Gelände, im Anschluss an eine kurze Zwischenphase im Besitz der Firma von Richard Könze, im Jahr 1960 zwischen der kommunalen Wohnungsverwaltung und einer Maschinenbaufirma aus Grimma aufgeteilt: Im Bereich der Nr. 29 (Fabrikantenwohnhaus) VEB Kommunale Wohnungsverwaltung und im Bereich von Nr. 25 und 27 (Werkstattgebäude) VEB Maschinen- und Apparatebau Grimma. 1966 wird in das Gebäude des Grundstücks Nr. 27 im hinteren Bereich ein Transformatorenhäuschen integriert. 1979 wird die ehemalige, stark ruinöse Gießereihalle abgerissen, nachdem bereits 1972 in einem Baugutachten von Herbert Leipholz der alsbaldige Abriss vorgeschlagen worden war. Auf dem Gelände wird eine Betonhalle für den VEB Buntgarnwerke aus der benachbarten Nonnenstraße gebaut. Die Akte schließt mit der Sanierung (1990) der Tischlerei Dietrich auf dem Grundstück der Nr. 25, die heute aber nicht mehr existiert. In der Nachwendezeit wurden die Schmiede und das Fabrikantenwohnhaus Nr. 27 und 29 an der Alten Straße saniert, der Rest der Gebäude abgetragen und das erschlossene und neu strukturierte Areal mit Wohnhäusern bebaut. Der Abschluss dieser Maßnahmen fiel in das Jahr 1999. 8 ” Acten des Rates ... Mügge & Co.”; Vol. V, ergangen 1944“; Blatt 1 ff. Die Akte beginnt mit einem Antrag auf Wiederinstandsetzung der durch Brandbomben beschädigten Gussputzerei. 192 Rudolf Sack9 ”Die Bedeutung, die Carl Benz und Gottlieb Daimler im Automobilbau besaßen, hatte Rudolf Sack auf dem Gebiet des Landmaschinenbaus. Seine Maschinen wurden in alle europäischen Länder exportiert.” 10 Namen des Objektes: Bodenbearbeitungsgeräte Rudolf Sack Plagwitz, seit 1948 VEB Bodenbearbeitungsgerätefabrik (BBG) Industriezweig: Maschinenbau landwirtschaftlicher Geräte Gründungsjahr: 1854 in Löben bei Lützen; 1863 Übersiedlung nach Plagwitz. Hier Firmengründung im Mai 1863 in angemieteten Räumen Damalige Adresse: seit 1867 Karl-Heine-Straße 95 (damalige Albertstraße); seit 1881 auch Karl-Heine-Straße 90, 97-101; ab 1894 auch Karl-Heine-Straße 103/105; seit 1899 außerdem Weißenfelser Straße 67; ab 1904 überdies KarlHeine-Straße 78-88; seit 1912 auch Aurelienstraße 62 und 64 Zusätzlich Grundstücke der landwirtschaftlichen Versuchsgüter in Kleinzschocher und Großzschocher mit verschiedenen Landhäusern als Sommersitz der Familie (Gesamtfläche um 225 Hektar), ein Villengrundstück in der Karl-Heine-Straße 12 (seit 1910) und Fabrikationsgelände in der Klingenstraße und in Leutzsch Heutige Adresse: Die Firma existiert heute nicht mehr. An der Karl-HeineStraße 97, 101 sowie 103-105 und in spärlichen Resten an der Weißenfelser Straße 67 finden sich jedoch noch Reste der ursprünglichen Bebauung (diese Angabe bezieht sich jedoch ausschließlicher auf die Plagwitzer Gebäude). Momentane/r bauliche/r Zustand/Nutzung: Auch die Mehrzahl der Sack’schen Gebäude existiert heute nicht mehr beziehungsweise entsprechen BZ 8. Die Ursachen dafür sind an anderem Ort erklärt.11 Die noch erhaltenen Objekte in der heutigen Karl-Heine-Straße 97 (2001), 101 (1999); 103 (2001) und 105 (2001) sind mit BZ 1 zu bewerten. Sie befinden sich in Besitz des 9 „Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück 95/99 an der Karl-Heine-Straße| [Bahnhof, Albert, Gießer sind durchgestrichen] | No 314B/315 Abt. A des Brdverf.-kat.| Besitzer : Rudolf Sack ergangen: 1867“ und folgende. „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück 103-105 an der Karl-Heine-Straße | [Albert ist durchgestrichen] | No 42 Abt. B des Brdverf.-kat.| Vol. I. ergangen: 1875“ ; und folgende. Sowie „Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück 101 an der Karl-Heine-Straße | [Albert ist durchgestrichen] | No 43 Abt. B des Brdverf.-kat. | Sit.: Bl.: 112 | Vol. I: 18751965Besitzer : Rudolf Sack ergangen: 1875“; und folgende. 10 ”Leipzig, ein geographischer Führer...” ; 1996, S.127. 11 Vgl. dazu auch den Abschnitt zum Strukturwandel innerhalb dieser Arbeit und dort besonders S.174ff. beziehungsweise in diesem Abschnitt des Katalogs S.206! 193 Technikcenters Jugend GaRaGe (Nr. 97), fungieren als Ärztehaus (Nr. 101) und sind in Privatbesitz des Münchner Investors Manfred Rübesam, der in den Gebäuden der Nummern 103 und 105 eine Sammlung historischer Automobile sowie eine Gastronomie untergebracht hat. Bei den ”spärlichen Resten” in der Weißenfelser Straße 67 handelt es sich um die vollentkernte, nördliche SchauAußenfront, die seit 1998/99 einen Teil des heute dort befindlichen Neubaus eines Städtischen Gewerbezentrums bildet. Baumeister beziehungsweise Architekt/en: Rudolf Sack und seine Söhne haben während des gesamten Untersuchungseitraumes (von 1867 bis 1914) so gut wie alle Fabrik-, Verwaltungs-, Planungs- und Wohngebäude auf dem Plagwitzer Areal von den beiden Zimmer- respektive Maurermeistern Friedrich Wilhelm Pfefferkorn und Carl Brömme bauen lassen. Kurzbeschreibung des Objektes Abmessungen: Die Produktionsgebäude der Firma Sack in Plagwitz befanden sich auf einem Gesamtareal von 75 000 Quadratmeter.12 Die heute noch vorhandenen Restgebäude befinden sich auf einer Fläche, die lediglich etwa einem Siebtel des damaligen Gesamtareals entspricht. Bauweise: Die oft nur ein- oder zweigeschossige Gebäude des Areals waren in Ziegelverbundmauerwerk, mit Holzdachkonstruktionen mit geteerter Dachpappe – ab 1881 mit stützenden Stahlträger und -binder ausgeführt. Hauptsächlich verwendete Materialien: verputztes Ziegelmauerwerk, ab 1881 Verwendung von gusseisernen Stützen; im Dachbereich: Teerpappe oder seltener Ziegeldeckung, später häufig auch Glasfenster beziehungsweise Sheds; sehr seltene Verwendung gestalteter Klinkerfassaden Bau- und Firmengeschichte: Bereits 1854 stellte Rudolf Sack in Löben bei Lützen erste Ackergeräte her. Nachdem er einen Großauftrag erhielt, dessen Produktion wegen der technischen Kapazitäten nach England verlegt werden musste, war Sack davon überzeugt, dass sich ähnliches auch in Sachsen verwirklichen ließe. In der Konsequenz nahm Sack 1863 eine Offerte Heines an und zog mit seinem damals noch kleinen Unternehmen nach Plagwitz. Zunächst mietete Sack mit seinen fünf Arbeitern geeignete Räume an. Aber bereits im Jahr 1867 beauftragte er Pfefferkorn, an der Karl-Heine-Straße 95 ein zweigeschossiges Wohn- und Fabrikgebäude für sich und seine Familie zu errichten. 1868 baute Brömme in Richtung Kanal bereits eine Erweiterung an. 12 „Sack...“ , 1913; S.22. 194 1868/69 entstand auf dem Areal zwischen Kanal, Karl-Heine-Straße, Gießerstraße und Weißenfelser Straße der Kern des ursprünglichen Fabrikgeländes. Louis Winkler wurde beauftragt, drei parallele Produktionshallen zu bauen, deren Zwischenräume mit Glas überdacht wurden und so zusätzlichen Raum für die Fertigung lieferten.13 Außerdem wurde durch ihn ein Kesselhaus, eine Gießerei und ein Haus für den Portier verwirklicht. Die Firma beschäftigte in diesem Jahr etwa 60 Arbeitnehmer. Sechs Jahre später, 1875, stockte Pfefferkorn das Wohnhaus um eine Etage auf; außerdem baute er einen Schuppen und ein sogenanntes ”Portiershaus”. Bei letzterem handelte es sich um eine schmales 12-achsiges, eingeschossiges Haus, das sehr große Fenster erhielt und kaum Zwischenwände aufwies, was eine Nutzung als Fertigungshalle im Bereich der Gießerei nahelegt. Im Jahr 1878 erfolgte der offizielle Anschluss der Firmengleise an das Netz der Staatsbahn. 1879 baute Brömme an der Weißenfelser Straße ein Zwischengebäude und Pfefferkorn einen Pferdestall. Bei beiden handelte es sich um typische einbeziehungsweise zweigeschossige Holzstützenkonstruktionen. Die Firma hatte inzwischen 170 Beschäftigte. Insgesamt wurden bis dahin 19 000 Pflüge, 4 000 Drillmaschinen und 1 100 Hackmaschinen gefertigt. 1880 bekam das Produktionsgebäude am Kanal zwischen Weißenfelser und Karl-Heine-Straße durch Brömme vier neue Glühöfen und Schornsteine. 1881 baute Brömme 5 Hallen auf dem Gelände entlang der Karl-Heine-Straße vom Kanal bis zur Gießerstraße vor. Diese Hallen waren bis auf die östlichste völlig identisch und untereinander durch Glasdachaufbauten über den Zwischenräumen verbunden. Bei diesem Bau fanden zum ersten Mal auf Sack’schem Gelände gusseiserne Säulen als Stützen Verwendung. Im selben Jahr bekam die Firma auch eine neue Dampfkesselanlage der Firma R. Wolf aus Buckau-Magdeburg. 1882 wurden die ersten Dampfhämmer installiert. Außerdem baute Brömme in diesem Jahr ein Wohn- und Magazinhaus, einen Schuppen und ein Werkstattgebäude. 1883 lieferte man den 100 000. Pflug aus. In den folgenden Jahren gab es erst einmal keine nennenswerten Bauangelegenheiten. Es wurden nur ein paar Erweiterungen an diversen Gebäuden durch Brömme vorgenommen. 13 Vgl. dazu auch den Abschnitt Swiderski im Katalog dieser Arbeit! 195 1886 baute er ein zweigeschossiges Kegelhaus mit Fremdenzimmern am Kanal – ein augenfälliges Sinnbild des damaligen Potentials der Firma. Im Jahr 1888 feierte man das 25-jährige Betriebsjubiläum und produzierte den ersten Dampfpflug. 1889 entstand durch Pfefferkorn die erste Sheddachkonstruktion der Firma über der neuen Stahlgießerei. 1891 wurde das Gießereigebäude an der Weißenfelser Straße durch Brömme erweitert. Hier waren Träger und Binder inzwischen komplett aus Eisen oder Stahl. Neben Brömme zeichneten für diese Bauvorhaben – zumindest für die Stahlkonstruktion – die Vereinigten, vormals gräflichen, Einsiedelschen Werke Lauchhammer verantwortlich. Im gleichen Jahr wurde das Unternehmen in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. 1894 verlegte man die Graugießerei in die Gebäude des von der Firma Fuchs & Kunad angekauften Nachbargrundstücks (Karl-Heine-Straße 103/105). Es handelte sich dabei hauptsächlich um einen 1882 durch Pfefferkorn errichteten 10-achsigen, dreigeschossigen Erweiterungsbau des bereits 1874 ebenfalls durch Pfefferkorn geschaffenen Produktionsgebäudes.14 Dieser hatte das damals zweigeschossige Gebäude für die Firma Goettjes & Kaestner bereits mit Eisenträgern und -bindern gebaut. Weder für die Übernahme der Firma Götjes & Kästner durch Fuchs & Kunad (zwischen 1874 und 1879) noch für den Besitzerwechsel von Fuchs & Kunad zu Rudolf Sack (vor 1894) gibt es urkundliche Belege – lediglich ein Schreiben vom 13. Juli 1894, in welchem Sack dem Rat der Stadt mitteilte, dass er beabsichtigt auf dem neu erworbenen Grundstück Karl-Heine-Straße 103/105, durch Brömme eine circa 40 Meter lange Gießerei bauen zu lassen. Dieses Vorhaben wurde damals noch im gleichen Jahr umgesetzt. 1900 verstarb der Firmengründer Rudolf Sack. Er wurde auf dem Plagwitzer Friedhof beigesetzt. Die Leitung der Kommanditgesellschaft übernahmen seine Söhne Paul und Otto Sack. 1904 ging der 1.000 000 Pflug vom Band und es erfolgte eine Erweiterung der landwirtschaftlichen Versuchsstationen von 17 auf über 200 Hektar. Auch das Betriebsgelände in Plagwitz wurde um die Grundstücke Karl-Heine-Straße 7888 erweitert. 14 ” Acten des Rathes ... Karl Heine Straße 103-105..., Vol I, ergangen 1875“; Blatt 1 ff beziehungsweise ” Acten des Rathes ... Karl Heine Straße 103-105 ... Sack, Vol. II, ergangen: 1894“ ; Blatt 1 ff. 196 Im Jahr 1909 riss man die alte Schlosserei auf dem Gelände Karl-Heine-Straße 103/105 ab und ließ durch Brömme ein neues, 10-achsiges, dreigeschossiges Schlossereigebäude mit einem Brückenübergang im 3. Stock errichten. Es kam zu einer umfassenden Modernisierung und Erweiterung des gesamten Betriebes. Im Jahr 1910 wurde für Fritz Sack, zur damaligen Zeit Mitinhaber der Firma, fernab vom Fabrikareal der Firma in der Karl-Heine-Straße 12 durch die Architekten Schmidt & Johlige die imposante Villa ausgeführt, welche heute nunmehr seit 1997 in saniertem Zustand vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs genutzt wird. Durch mehrere Grand-Prix-Auszeichnungen auf verschiedenen Weltausstellungen in Paris, Madrid und Buenos Aires stiegen die Exportanteile der Firma Sack kontinuierlich an. Waren es 1876 lediglich 28%, gewesen, so konnte man 1882 bereits 50% und 1913 sogar 72%, – also beinahe 3/4 der Gesamtproduktion – als Export verbuchen. Im Jahr 1913, dem Jahr des 50. Firmenjubiläums, war die Zahl der Beschäftigten bereits auf 2 000 gestiegen. Die Flächenausdehnung des Firmengeländes hatte den Höchststand von 75 000 Quadratmetern erreicht, und täglich wurden 1 000 Pflüge sowie 40 Drillmaschinen produziert. Auf dem Gelände befanden sich mittlerweile 3 firmeneigene Gleisanschlüsse. Im Ersten Weltkrieg stellte das Unternehmen die Produktion teilweise um, der Erfolg dieser Methode lässt sich messen: Die Kriegsgewinne von Paul und Otto Sack bezifferten sich 1919 mit je 1 Million Mark. Durch die Wirtschaftskrise der späten 1920er Jahre kam es 1930 zur Entlassung von 1 150 Arbeitern und im Jahr 1932 hatte der Betrieb nur noch 65 Beschäftigte und 31 Lehrlinge. Das war sicher auch ein Grund für die rasche Umrüstung der Herstellung auf geheime Kriegsproduktion (zum Beispiel MGWagen) ab 1934. Dadurch erfuhr die Firma wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung. Ab 1942 waren etwa 1 750 Kriegsgefangene aus insgesamt 10 Nationen bei Sack beschäftigt. Sie erarbeiteten umfangreiche Kriegsgewinne für den Betrieb: allein 1944 wurde beispielsweise für 17,5 Mio. Reichsmark Kriegsmaterial produziert. Darum wurde das Werk 1945 auch sofort nach der Befreiung durch die Amerikaner stillgelegt, Otto Sack verhaftet und später als Kriegsverbrecher verurteilt und bereits 1 Jahr später, am 1. Juli 1946, übernahm die Landesregierung Sachsen den Betrieb nach einem Volksentscheid in treuhänderische Verwaltung. 1948 erfolgte die Überführung des Betriebes in Volkseigentum. Er nannte sich seit diesem Zeitpunkt Leipziger 197 Bodenbearbeitungsgerätefabrik, VEB (Industrievereinigung Land-, Bau- und Holzbearbeitungsmaschinen). In den darauffolgenden Jahren der DDR-Zeit gab es einige Neuerungen in der Produktpalette: so die Entwicklung der Kartoffelvollerntemaschine (1957), der Rübenvollerntemaschine (1957), des Anbaubeetpflugs (1962), des AnhängeBeetpflugs (1965) und des Rübenrodeladers (1973). Im Jahr 1983 bekam der Betrieb den Namen Volkseigener Betrieb Bodenbearbeitungsgeräte Karl Marx Leipzig verliehen (kurz: VEB BBG). Der Export beschränkte sich in dieser Zeit hauptsächlich auf die Gesamtheit der im RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) zusammengeschlossenen Ostblockstaaten. Von der Wende war auch das Bodenbearbeitungsgerätewerk stark betroffen. 1994 wurde die gesamte Produktion auf dem Plagwitzer Gelände eingestellt und auf einen neuen Standort im Gewerbegebiet Weidenweg, südlich von Plagwitz, verlegt. Das ehemalige Plagwitzer Firmenareal mitsamt seiner Bebauung verwaltete die TLG (Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft mbH). 1996 erwarb die Stadt Leipzig nach hartem Ringen ein circa 4 Hektar umfassendes Teilgrundstück des ehemals Sack’schen Geländes in Plagwitz, auf welchem sie 1999 ein Business-Innovation-Center (kurz BIC) als Neubau und ein Städtischen Gewerbezentrum in Form eines sogenannten ”kreativen Rückbaus” errichten ließ. Im G ewerbehof des BIC für innovative Produktionsfirmen haben sich derzeit bereits etwa 10 Unternehmen angesiedelt, einige der ersten konnten bereits den schützenden Kokon dieses städtisch geförderten Standorts verlassen und sich in eigenen Firmenräumen niederlassen. Dieser städtischen Initiative war ein mehrjähriger Streit mit der TLG vorangegangen, die das gesamte Firmenareal des ehemaligen VEB BBG als Baugrund für Büro- und Geschäftsgebäude zu einem entsprechend höheren Preis veräußern wollte. Statt der für Industrie beziehungsweise Produktionsstandorte damals üblichen 70,- DM pro Quadratmeter, glaubte die TLG auf dem freien Markt einen Preis von 700,- DM für angeblich als ”Bürofläche beziehungsweise Tertiäre Standorte” ausgewiesene Grundstücke erzielen zu können.15 Eine von der TLG entsprechend geschaltete Anzeigenkampagne für den Verkauf der Grundstücke in allen größeren deutschen Tageszeitungen wurde von der Stadt Leipzig in Vertretung durch ihren damaligen Oberbürgermeister Herrn Hinrich Lehmann-Grube in einer spontanen Gegenkampagne, welche das Fehlen 15 Aus einem Vortrag von Karsten Gehrkens, Leiter des Amtes für Stadtsanierung und Wohnungsbauförderung Leipzig am 29.09.1999 im Konferenzraum des LTS e.V. 198 jedweder Rechtsgrundlage für diese Verkäufe klarstellte, boykottiert. Das führte – neben dem Einsatz anderer Druckmittel von Seiten der Stadt – dazu, dass die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft bei einem Teil der ausgewiesenen Flächen auf das städtische Angebot von 60,- DM einging, was das Maximalangebot innerhalb des städtischen Budgets darstellte.16 Die heutige Entwicklung zeigt, dass die Stadt gut daran tat, hier, unterstützt durch massive Drohungen, ihre eigenen Pläne zu verwirklichen. Zum einen bedeutet dies nämlich, dass Plagwitz im Bereich dieses Areals auch weiterhin seine Grundstruktur als Wohn- und Industrie- beziehungsweise Wohn- und Gewerbemischgebiet beibehalten wird; zum anderen zeigen die brachliegenden Restflächen der TLG, dass eine allzu spekulative Preispolitik nicht immer das förderlichste Mittel einer gesunden Stadtentwicklung ist. Ganz zu schweigen von der nachhaltig destruktiven Auswirkungen dieser Politik der Totalberäumung durch die TLG, die auf Jahre hinaus die Identität des Viertels an dieser Stelle schwer beschädigt hat. 16 Ebd. 199 Mey & Edlich17 Namen des Objektes: seit 1870/72 Papierwäschefabrik Mey & Edlich [davor: Dammenhain & Faber (Hutfabrik in der Nonnenstraße 3: seit 1868); Dr. Johann Rudolph Heinrich Sellnik (Hutfabrik in der Nonnenstraße 5: seit 1866)]; seit 1953 Mey & Edlich in Verwaltung; seit 1972 VEB Plastex Delitzsch; seit 1980 Teil des Kombinat Oberbekleidung Lößnitz und seit 1996 Grünflächen- und Umweltamt der Stadt Leipzig Industriezweig: Papier- und Stoffwäschefabrikation sowie Versandhandel Gründungsjahr: 1867 Damalige Adresse: Nonnenstraße 3-5 sowie Nonnenstraße 12-18 und ErnstMey-Straße [vormals Elsterstraße] 1-5 Heutige Adresse: Nonnenstraße 5 sowie Ernst-Mey-Straße 1 als erhaltene Bausubstanz in Leipzig Plagwitz. Das Unternehmen existiert auch heute noch als Hersteller hochwertiger Damen- und Herrenbekleidung und unterhält in verschiedenen deutschen Städten – wie beispielsweise Berlin, Hamburg, München und Stuttgart – und in anderen Ländern eigene Fachgeschäfte zum Vertrieb der eigenen Produktion. Momentane/r bauliche/r Zustand/Nutzung: Im Februar 1944 Zerstörung der gesamten Bebauung der Nonnenstraße 12-18, es erfolgte kein Wiederaufbau der damaligen Anlagen (BZ 8 seit 1944). Auf dem Areal wurde jedoch ein eingeschossiger Flachbau errichtet, der als Umspannwerk diente und auch heute noch von den ” Stadtwerke[n] Leipzig, [als] Stromversorgung, Umspannwerk Leipzig A” genutzt wird. Ein wesentlicher beziehungsweise sehr interessanter Teil der Bebauung des Grundstücks an der Nonnenstraße 5 ist nach 1990 von der Stadt Leipzig saniert worden (BZ 1 seit 1996) und wird heute vom Amt für Umweltschutz sowie vom Grünflächenamt der Stadt Leipzig genutzt. Die Bebauung an der Ernst-Mey-Straße 1 ist äußerlich wieder hergestellt (BZ 1 seit 1996), wird aber inzwischen als Wohnraum vermietet. Der zusätzlich auf dem Grundstück der Nr. 5 als Erweiterungsbau errichtete Neubau war für die Nutzung als Wohnraum konzipiert und ist seit 1997/98 fertiggestellt. 17 „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück No 5 an der Nonnen Straße | No 34/35 Abt. A des Brdverf.-kat. | Besitzer: Mey & Edlich Vol. I.b ergangen: 1866“ und folgende. Außerdem: „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück / No 12-18 an der Nonnen Straße | No 49B /50 Abt. A des Brdverf.-kat. | Besitzer: Mey & Edlich Vol. Ib ergangen: 1875“ ; und folgende. 200 Baumeister beziehungsweise Architekt/en: Für die Firma Mey & Edlich wurden viele verschiedene Bau- und Zimmermeister tätig: So beispielsweise der im damaligen Plagwitzer Baugeschehen beinahe omnipräsente Friedrich Wilhelm Pfefferkorn in den 1870er Jahren, ab 1877 auch der Maurermeister Otto Steib und ab Mitte der 1880er Jahre dann das Architekturbüro Pfeiffer & Händel (später Händel & Franke). Für die Dampfkesselanlage zeichnen Heinrich Hirzel sowie Scheele & Mark verantwortlich. Ab der Mitte der 1890er Jahre beziehungsweise ab Anfang des 20. Jahrhunderts übernehmen dann auch der Architekt Max Pommer (bekannt vor allem durch die Meyerschen Häuser) und die Firma C.F.Weithas & Nachf.18 einige Arbeiten auf dem Gelände. Man kann aber ohne weiteres von einer Dominanz der Händel & Franke‘schen Architektur auf dem Gelände sprechen, da sie alle größeren beziehungsweise vor allem auch alle repräsentativen Bauaufgaben umgesetzt haben. Kurzbeschreibung des Objektes Abmessungen: Um 1910 hatte die Firma ihre größtmögliche Ausdehnung in Leipzig Plagwitz erreicht. Damals waren alle vier Ecken der Kreuzung Nonnenstraße/Ernst-Mey-Straße in ihrem Besitz und durch sie bebaut. Ein dem Jahr 1923 zugeordnetes Zitat spricht von: ”... 50 000 Quadratmeter Produktions- und Verwaltungsfläche mit annähernd 3 000 Maschinen und Hilfsvorrichtungen...” 19 Es gab aber auch ausgelagerte Betriebsteile innerhalb Leipzigs und Filialen in Hamburg, Berlin, Zürich und London. Bauweise: Kleinere, meist eingeschossige Gebäude werden entsprechend der herkömmlichen Bautradition gemauert. Die mehrgeschossigen Bauten haben zunächst Zwischenstützen aus Holz, später aus Gusseisen und querliegende Doppel-T-Träger, um die Geschosslasten zu verteilen. Ganz oben, unter dem Dach, finden dann wieder einfache Stützen aus Holz Verwendung. Signifikant ist damals bei Mey & Edlich wie auch in vielen anderen Firmen, so zum Beispiel bei Meier & Weichelt20, die nachträgliche Vergrößerung von Fenstern durch Ausbrechen von Zwischenstützen im Jahr 1928 zur Optimierung der Lichtverhältnisse, an die nach und nach – adäquat zur den gestiegenen Anforderungen an die Produktionspräzision – immer größere Anforderungen gestellt wurden. Bei dem 1907 durch Händel & Franke fertig gestellten Erweiterungsbau handelt es sich – neben dem ein Jahr zuvor, 1906, von 18 Vgl. den Abschnitt Weithas Nachf. im Katalogteil dieser Arbeit! Herrmann; S.52. 20 Vgl. den Abschnitt Meier & Weichelt: im Katalogteil dieser Arbeit (Bauweise)! 19 201 denselben Architekten errichteten sogenannten Hochbau Süd der Sächsischen Wollgarnfabrik vorm. Tittel & Krüger an der Holbeinstraße 14 – um einen der ersten Stahlbetonbauten in Plagwitz. Nach außen wurde er jedoch mit einer traditionellen Klinkerfassade verblendet. Hauptsächlich verwendete Materialien: Zum Teil verputztes Ziegelmauerwerk, häufig aber auch Klinkerfassaden mit Putzbänderung bestimmten das äußere Erscheinungsbild der Firma. Holz war das Material für Träger und Stützen der frühen, eingeschossigen Bauten (Schuppen etc.); bei mehrgeschossigen Bauten verwendete man Eisen- und Stahlträger beziehungsweise -stützen, vor allem in den unteren Geschossen zur besseren Lastenverteilung. Bei dem Fabrikneubau von 1907 kam bereits die neu entwickelte Stahlbetonbauweise zum Einsatz. Ansonsten gab es aber auch schon frühere Verwendung von Stahl und Glas, so etwa auch beim Gewächshausbau 1890. Bau- und Firmengeschichte: 1867 übernahm der 1844 in Niederschmiedeberg geborene Carl Ernst Mey in Paris die amerikanische Firma The Gray’s American Moulded Paper Collar Co., welche Papierkragen und -manschetten produzierte und erwarb gleichzeitig auch das dazugehörige Patent und die Vertriebsrechte. Er gründete dort seine eigene Firma und nannte sie Ernst Mey & Cie..21 Bereits im darauffolgenden Jahr wurde Franz Emil Bernhard Edlich als Teilhaber in die Firma aufgenommen, die sich von nun an Mey & Edlich nannte. Wiederum ein Jahr später siedelte Mey von Paris nach Plagwitz über und erwarb 1870 das Grundstück der Hutfabrik von Dr. Sellnick an der Nonnenstraße 5. Im Jahr 1871 beginnt hier bereits die Produktion von Papierwäsche mit 12 Mitarbeitern.22 Das erste Dokument in der Bauakte des Grundstücks, das sich auf Herrn Mey bezieht, stammt vom 11. März 1872. Es handelt sich um ein Schreiben, in welchem der Maurermeister W. Heinak darum ersucht, für den Herrn Ernst Mey ein Fabrikgebäude ”... von 43 Ellen 12 Zoll Länge und 9 Ellen 18 Zoll Tiefe...” bauen zu dürfen.23 Dabei handelt es sich um ein kleines – der ehemaligen Hutfabrik vorgelagertes – eingeschossiges, fünfachsiges Gebäude. Von nun an geht es Schlag auf Schlag: im August 1875 lassen die Herren Mey & Edlich den Zimmermeister Pfefferkorn einen eingeschossigen Papierstreichraum 21 Förster, 1999, S.4f. A.a.O.; S.6. 23 ” Acten des Rathes ... Nonnenstraße 5 ... Mey ... Vol. I, ergangen: 1868“ ; Blatt 1 ff. 22 202 bauen, im Februar 1876 baut Otto Steib einen dreigeschossigen Flügelanbau, im August 1877 soll Otto Steib für Carl Ernst Mey einen eingeschossigen Arbeitssaal anbauen, im Juli 1878 wird eine neue Dampfkesselanlage durch Scheele & Mark installiert, im Mai 1879 baut Pfefferkorn für Mey & Edlich eine Kegelbahn und einen Schuppen, im Juli 1880 beantragt Mey noch einen eingeschossigen Arbeitsraum, den Otto Steib bauen soll und einen Monat später, im August 1880, soll Steib auch noch ein eingeschossiges Gewächshaus ausführen, was dann aber erst 10 Jahre später durch Mosenthin realisiert wurde. Am 15. Januar 1881 will Carl Ernst Mey durch Otto Steib eine Ufermauer errichten lassen. Das wirft statische Probleme auf und zieht mehrere Projektentwürfe nach sich. Am Ende entscheidet sich die Firma für eine aufwendige Variante, die in späterer Zeit durch ihre enorme Stärke jedoch eine „schwere“ Bebauung des direkten Uferbereiches ermöglicht. Etwa Mitte des Jahres 1883 projektiert Otto Steib ein dreigeschossiges, achtachsiges, unterkellertes Gebäude. Im gleichen Jahr wird durch Heinrich Hirzel ein zusätzlicher Gasometer auf dem Grundstück installiert. 1885 ist die Ausdehnung des Betriebsgeländes auf die Grundstücke in der ErnstMey-Straße 1, 3 und 5 sowie Nonnenstraße 5, 12-18 abgeschlossen.24 Nachdem sie 1886 ein neues Kessel- und Maschinenhaus sowie ein neues Papierlager gebaut haben, projektieren Pfeiffer & Händel im Dezember 1887 eine fünfgeschossige und 18- beziehungsweise 20-achsige Fabrikübersetzung sowie einen Verbindungsgang zwischen dem Arbeitssaal und der Streicherei. Ein Jahr später bauen sie eine Einfriedung des Grundstücks und eine Garderobenanlage für die Angestellten. Und im Jahr 1889 konzipiert das Architektenduo ein neues Dampfkessel- und Maschinenhaus für die Firma. Im Oktober 1890 gibt es noch eine Zeichnung zum Gewächshaus (1880 bereits von Steib). Formal wurde nichts verändert, nur zeichnet nun diesmal Julius Mosenthin für die Ausführung der Eisenkonstruktion verantwortlich. Im Jahr 1891 bekommt die Firma Mey & Edlich durch die Firma M. [Max] Friedrich & Glass. Bureau für gesundheitstechnische Anlagen eine neue ” Desinfectionsanlage mit selbsttätigem Kastenrührapparat” eingebaut. Im September 1895 baut Max Pommer eine Übersetzung auf ein kleines Hofgebäude. Zu diesem Übersetzungsbau gehört eine Verbindungsbrücke aus Wellblech, welche die Firma C.F.Weithas Nachf.25 einbaut. 24 25 Herrmann; S.52. Vgl. dazu auch den Abschnitt C.F.Weithas Nachf. im Katalogteil dieser Arbeit! 203 Es folgen mehrere Ein- und Umbauten: die Klingelleitung von Brüggemann & Lewus (1896); eine von Carl Brömme verlegte Einfahrt (1896); ein Lagerschuppen von Max Pommer und Friedrich Wilhelm Pfefferkorn (1901); und eine weitere Durchfahrt, diesmal von Max Pommer (1901). Im Jahr 1903 stirbt der Firmengründer Ernst Mey. Er wird – wie auch Rudolph Sack – auf dem Plagwitzer Friedhof beigesetzt. Sein Unternehmen nimmt in jenen Jahren den 1. Platz im Weltmaßstab innerhalb des Versandhandels ein und beschäftigt knapp 2 000 Mitarbeiter. In diesem Jahr gibt es nach einer längeren Pause wieder ein größeres Bauvorhaben: Händel & Franke wollen einen Erweiterungsbau im vormaligen Gartenareal am Fluss projektieren. Nach diesem Antrag passiert aber erst einmal gar nichts. Zweieinhalb Jahre später, am 23. Juni 1906, erklärt die Firma Mey & Edlich, dass sie das bereits 1903 beantragte Projekt, jetzt ”...möglichst schnell ... als dringend ... gütigst möglich bald ... noch im Laufe dieses Jahres zur Ausführung...” 26 bringen wollen. Der Bau, der im darauffolgenden Jahr am westlichen Ufer der Weißen Elster entsteht ist einer der ersten Stahlbetonbauten in Leipzig Plagwitz. Die Betonarbeiten werden vom Betonbau-Geschäft feuersicherer Hennebique-Bauwerke unter der Leitung des Architekten Theodor Hülssner erstellt. Sämtliche statischen Berechnungen im Zusammenhang mit der Stahlbetonkonstruktion kommen von Hülssner und nicht wie die übrigen Zeichnungen und Berechnungen von Händel & Franke. Da sie auf ein Kellergeschoss auf Grund von – der Flussnähe gezollten – statischen Bedenken der Behörde verzichten müssen, wird der viergeschossige Bau mit einem nachträglich ausgebauten Dachgeschoss versehen, dessen Genehmigung ein reger Austausch von Bedingungsschreiben auf der einen (Stadt/Baupolizei) sowie Bitt- und Begründungsschreiben auf der anderen Seite (Bauherren/Architekten) vorausgingen. Am Ende finden sich dann in den Bauakten die statischen Berechnungen von Händel & Franke für eine eiserne Dach- und Deckenkonstruktion, die allen Ansprüchen genügten und daraufhin auch genehmigt und umgesetzt wurden. Der zum Fluss hin achtbeziehungsweise zum Nachbargrundstück der Nonnenstraße 3 hin zehnachsige Bau wird mit einer vorgeblendeten Klinkerfassade ausgeführt, um ihn formal den übrigen Gebäuden der Firma, beispielsweise dem Versandhaus auf dem Grundstück der Nonnenstraße 12-18, anzugleichen. Auf die Gliederung der Fassaden durch horizontale Putzbänder verzichten Händel & Franke hierbei jedoch vollständig. Mitte 1907 war der Bau fertiggestellt. Die Firma Schelter & 26 ” Acten des Rathes ... Nonnenstraße 5 ... Mey & Edlich... Vol. III, ergangen: 1906“ , Beschriftung Blatt 153 aber ganz am Anfang der Akte. 204 Giesecke aus Leipzig Plagwitz versah ihn mit einem Elektrofahrstuhl, im Juli bekam er auch eine Blitzableiteranlage von Brüggemann & Lewus und im August baute Friedrich Glass eine ” Desinfections- und Klosettanlage” ein. Damit war die Bebauung dieses Grundstücks im wesentlichen abgeschlossen. 1912 wird eine neue Einfriedungsmauer durch Eduard Steyer geschaffen. Man installiert weitere elektrische Aufzüge und bringt verschiedene neue Geräte zur Aufstellung. Im Jahr 1928 beantragen Mey & Edlich, die ”... nich t tragenden Bogenfensterkonstruktionen im 1., 2. und 3. Geschoss herauszunehmen, ... um die Lichtverhältnisse ... zu verbessern.” 27 Und in den Jahren 1938 und 1941 werden zur Vereinheitlichung des Äußeren zwei Fassaden mit ”Eisenklinkern” , im weiteren auch Rohbausteinen oder Klinker genannt, verblendet. Höchst ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass andere Betriebe in Kriegszeiten aus Roh- und Baustoffmangel nicht einmal die Erlaubnis erhalten, gravierende Kriegsverluste auszubessern. Der 1907 fertiggestellte Bau von Händel & Franke ist heute auf diesem Areal der einzige erhaltene Teil der seinerzeit errichteten, reinen Werksanlage von Mey & Edlich. Er ist 1996 umfassend saniert und durch Anbauten mit Neubaucharakter erweitert worden. Der ursprüngliche Stahlbetonbau wird heute vom Amt für Umweltschutz und dem Grünflächenamt genutzt. Wie diverse Situationspläne und Briefköpfe zeigen, hat sich die Firma Mey & Edlich mit einer Mischbebauung über alle vier Grundstücke des gesamten Kreuzungsbereiches von Nonnen- und Elster- beziehungsweise später dann Ernst-Mey-Straße ausgebreitet. Die Umbenennung der Elsterstraße in ErnstMey-Straße erfolgte 1888.28 Während es sich auf der südöstlichen Ecke um eine gemischte Bebauung von Wohnen und Gewerbe handelte, welche auch heute noch existiert, findet sich auf der südwestlichen Ecke eine reine Wohnhausbebauung, welche ebenfalls noch vorhanden ist. Beide Komplexe sind bereits in der ersten Hälfte der 1990er Jahren saniert worden. Auf dem bisher kaum berücksichtigten Grundstück an der nordwestlichen Ecke – Nonnenstraße 12-18 – hatten wir es ursprünglich mit einem Büro-, Lager- und Geschäftshausbau zu tun. Diese Bebauung ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. 1948 wurde dann beantragt, die Ruine abzutragen beziehungsweise zu sprengen und abzutragen, um Baustoffe zu gewinnen. ”Wiederinstandsetzung ist nicht beantragt.” 29 Die im Krieg zerstörte Bebauung stammte größtenteils aus 27 ” Acten ... Nonnenstraße 5 ... Mey & Edlich... Vol. IV, ergangen: 1913“ , Blatt 15. ”Lexikon Leipziger Straßennamen” , S.66. 29 ” Acten des Rathes ... Nonnenstraße 12-18 ... Mey & Edlich”; Vol. I.b“ ; vorletztes Blatt. 28 205 dem Jahr 1880. Damals errichtete Otto Steib einen viergeschossigen, 12achsigen ”...Geschäftsbauten und Waarenhaus...” .30 1883 kam ein Gebäude des Architekten Max Bösenberg hinzu, der auch 1884 einen Neubau realisieren sollte, was dann aber, nach einer missglückten Anfangsphase während der Projektierung, die Architekten Pfeiffer & Händel übernahmen. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auch dieses Terrain anderweitig genutzt. Zunächst ließ der VEB ELGUWA Leipzig im Jahr 1972 ein umsetzbares Heizwerk mit Schornstein vomVEB Kraftwerksanlagenbau errichten. Ab 1976 unterstand dieses aber dem VEB Energiekombinat als Station Nonnenstraße und ab 1986 dem VEB Energiekombinat West der Energieversorgung Leipzig. Heute ist auf dem Gelände das Umspannwerk A der Abteilung Stromversorgung der Stadtwerke Leipzig. 30 ” Acten des Rathes ... Nonnenstraße 12-18 ... Mey & Edlich”; Vol. I.b... 1875“ ; o.A. 206 Meier & Weichelt31 Namen des Objektes: Zunächst pachtet Friedrich Ernst Meier (1834-1907) eine Schmiede von Dr. Karl Heine. Bereits 1871 aber kauft er das gepachtete Grundstück an. 1871/72 gründet er zusammen mit Armin Kräger die Firma Armin Kraeger & F.Ernst Meier. 1873 schied Kräger wegen Kapitalmangels aus der Firma aus und am 14. April 1874 gründeten Ernst Meier und Carl Weichelt die Firma Meier & Weichelt.32 Ab 1879 taucht in den Protokollen dann nur noch die Bezeichnung Meier & Weichelt auf. Industriezweig: Eisen-, Stahl- und Tempergießerei nebst Eisenwarenfabrik Gründungsjahr: 1870 Damalige Adresse: Gießerstraße 8-10 [bzw. Karl-Heine-Straße 92-98] Heutige Adresse: Die Firma und ihre Gebäude existieren heute nicht mehr. Momentane/r bauliche/r Zustand/Nutzung: Auch hier zeigt der Vergleich von damaliger und heutiger Adresse bereits, in welche Kategorie des Bauzustandes die Gebäude der Firma eingeordnet werden müssen: BZ 8. Der Abriss erfolgte 1994/95 durch die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft. Bei diesem Firmengrundstück handelt es sich um ein Nachbargrundstück zum Spekulationsareal der TLG auf dem ehemaligen Sackgelände.33 Baumeister beziehungsweise Architekt/en: In den Anfangsjahren tauchen die Zimmer- beziehungsweise Maurermeister Friedrich Wilhelm Pfefferkorn und Louis Winkler je zweimal in den Akten auf, um diverse Bauvorhaben für Meier & Weichelt umzusetzen. Danach (ab 1878) ist der Maurermeister Carl Brömme sozusagen der Hausbaumeister der Firma, denn bis auf eine Ausnahme (ein 1881 von Pfefferkorn gebauter Lagerschuppen) baut Brömme alles, was die Firma auf ihrem Gelände hatte. Kurzbeschreibung des Objektes Abmessungen: circa 4 200 Quadratmeter 34 Bauweise: Kleinere, eingeschossige Gebäude werden entsprechend der herkömmlichen Bautradition gemauert. Mehrgeschossige Bauten haben 31 „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück 8/10 an der Giesser Straße | [92/98 und Carl Heine Strasse sind durchgestrichen] | No 1004/1005 Abt. A des Brdverf.-kat. | Besitzer : Meier & Weichelt ergangen: 1871“; und folgende. 32 Herrmann; S.56. 33 Vgl. dazu auch im Katalogteil dieser Arbeit den Abschnitt über Sack! 34 Herrmann; S.56. 207 Zwischenstützen und querliegende Doppel-T-Träger aus Gusseisen, um die Geschosslasten zu verteilen. Unterm Dach, finden dann wieder einfache Stützen aus Holz Verwendung. Symptomatisch auch bei Meier & Weichelt der mehrfache nachträgliche Einbau von Fenstern zur Gewährleistung einer durch die erhöhten Präzisionsanforderungen an die Produkte erforderlich gewordenen Verbesserung der Lichtverhältnisse (so beispielsweise 1912)35. Hauptsächlich verwendete Materialien: verputztes Ziegelmauerwerk und Holz für Träger und Stützen; bei mehrgeschossigen Bauten Eisen- und Stahlträger beziehungsweise -stützen in den unteren Geschossen zur besseren Lastenverteilung – nur noch im Dachgeschoss weiterhin Holz. Bau- und Firmengeschichte: Im Jahr 1870 beginnt die Firmengeschichte mit der Pachtung einer Schmiede auf dem Grundstück der Gießerstraße 8-10 durch Ernst Meier. Bereits ein Jahr später kauft Meier das Grundstück dem vormaligen Besitzer Dr. Karl Heine ab und gründet dort mit Armin Kräger eine Eisengießerei. Louis Winkler wird im Oktober 1871 beauftragt, eine eingeschossige Gießerei und ein zweigeschossiges Wohnhaus mit Unterkellerung auf dem Grundstück zu bauen. Im gleichen Jahr bekommt die Firma eine Dampfkesselanlage durch die Firma Max Friedrich aus Plagwitz eingebaut. Der Kessel stammt von der Firma Richard Bruns. Ein Jahr später, 1872, baut Pfefferkorn einen Kohleschuppen und wiederum ein Jahr später, 1873, dann Winkler einen Pferdestall nebst angrenzendem Waschhaus. 1878 baut Carl Brömme auf dem Grundstück einen zweigeschossigen Gießereischuppen. Neben einem Koks- und Kohleschuppen von Brömme bekommt die Firma 1880 ein neues Temperwerk mit Glühofen und Esse. 1883 bekommt der Betrieb eine neue Kesselanlage von der Firma Vogel & Co. aus Neusellerhausen bei Leipzig, und Brömme baut auf dem bisher unbebauten Nachbargrundstück eine neue Gießerei, ein Fabrikgebäude und einen Schuppen. Im Jahr 1886 wird eine neue Kesselanlage der Firma Moritz Jahr aus Gera installiert, diese bauen den Kessel auch selbst ein. Ein Jahr später, 1887, baut Brömme eine eingeschossige Formerei an die Tiegelöfen beziehungsweise an die sie seit 1883 ersetzenden Cupolöfen an. Im darauffolgenden Jahr errichtet Brömme einen 14-achsigen und zweigeschossigen Formereineubau, der bereits 1888 von ihm noch einmal um die Grundgröße erweitert wird. Dieser reicht dann bis zur Gießerstraße. 35 „ Acten des Rathes... Meier & Weichelt ... ergangen: 1904“ ; o.S. 208 1890 wird ein neuer Cupolofen installiert und 1891 eine neue Dampfkesselanlage der Firma R.Wolf aus Magdeburg-Buckau. Im Jahr 1892 wird von Brömme die Putzerei umgebaut, ein weiterer Aufzug integriert und ein internes Transportgleis angelegt. Für das Gleis zeichnet die Plagwitzer Firma C. F. Weithas Nachf. verantwortlich.36 Nur ein Jahr später, 1893, projektiert Brömme eine Erweiterung der Formerei für die Tiegelschmelze. Es handelt sich dabei um einen eingeschossigen Bau, der im Dachbereich mit Dachreitern für Oberlichter und Ventilation versehen ist. Vor Fertigstellung dieser Erweiterung wird durch Brömme eine Erweiterung der Erweiterung projektiert und umgesetzt. Die Struktur ist identisch, nur dass hier die Dachreiter ausschließlich der Durchlichtung mit Oberlichtern dienen. Es folgen noch eine Gießereierweiterung (1895) und ein Gießereineubau (1896) durch Brömme. Dann schließt die Bauakte erst einmal bis zu einem Antrag von 1935. Es werden zwei Holzschuppen zu Lagerzwecken errichtet, ansonsten passiert auf dem Plagwitzer Grundstück nicht viel, was sich mit der Optimierung der Raumauslastung auf diesem Grundstück und den Expansionsaktivitäten des Unternehmens in Leipzig-Leutzsch und Großzschocher erklären lässt.37 Nach dem Krieg wird die Firma Meier & Weichelt als ehemaliger Rüstungsbetrieb 1946 per Volksentscheid auf die Liste C gesetzt. 1948 erfolgt dann auch die Enteignung und Überführung des Besitzes in Volkseigentum. Der neue Name lautet vorläufig: VEB Leipziger Eisen- und Stahlwerke (LES). 1966 erfolgt eine Umbenennung des Betriebes in VEB Gießereianlagen und 1969 dann in VEB GISAG-Stammbetrieb; das setzt sich 1979 fort als VEB Gießerei und Maschinenbau Leipzig (GML) und schließlich 1985 als VEB Kombinat GISAG-Stammbetrieb, Produktionsbereich Eisengießerei Leipzig. Allerdings wird kurz darauf das Hauptwerk der ehemaligen Firma Meier & Weichelt in Großzschocher zum Stammbetrieb des VEB GISAG gekürt. Nach der Wende werden die Firmengelände der GISAG (vormals zu großen Teilen Meier & Weichelt) Anfang der 1990er Jahre von der TreuhandLiegenschaftsgesellschaft verwaltet. Im Bereich des Lindenau/Plagwitzer Werkes wird das Terrain bereinigt, die Gebäude des Betriebes werden komplett abgerissen und eingeebnet. Das gesamte Gelände wird danach ebenfalls Teil des Spekulationsareals der TLG38 und liegt heute ohne jegliche Verwendung brach. 36 Vgl. dazu auch im Katalogteil dieser Arbeit den Abschnitt Weithas Nachf.! Zu Platz- beziehungsweise Ausdehnungsproblemen vgl. Abschnitt III.2. dieser Arbeit: Bebauungschronologie und Strukturen der Firmenareale! 38 Vgl. dazu auch im Katalog den Abschnitt zur Firma Sack sowie im Abschnitt IV.1. dieser Arbeit: Probleme und Potentiale der Mischstruktur! 37 209 Tittel & Krüger39 Namen des Objektes: Tittel & Krüger (1869); Sächsische Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger Leipzig (1887); VEB Leipziger Wollgarnfabrik (1952); VEB Buntgarnwerke Leipzig (1969); Elster Business Park (1992) Industriezweig: Textilindustrie: Garnproduktion, Spinnerei und Färberei Gründungsjahr: Seit 1866 betrieb Tittel ein Handelsgeschäft, seit 1870 gab es dieses Geschäft unter dem Namen Tittel & Krüger und seit 1875 den Produktionsstandort an der Nonnenstraße. Damalige Adresse: Nonnenstraße 17-21, später dann auch Nonnenstraße 42-44 sowie Holbeinstraße 14 Heutige Adresse: Nonnenstraße 17-21 und 42-44 sowie Holbeinstraße 14 Momentane/r bauliche/r Zustand/Nutzung: Da es sich um einen vielteiligen Komplex mit unterschiedlichen Sanierungsgraden handelt, schien ein Gesamtplan als klärendes Hilfsmittel sehr nützlich. Entsprechend dieses Planes befinden sich die einzelnen Gebäude in folgenden Bauzuständen: Gebäude 1 - BZ 1 (1999/2000)/Loft- Eigentumswohnungen Gebäude 2 - BZ 1 (1999/2000)/Loft- Eigentumswohnungen Gebäude 3 - BZ 5 /Leerstand (2002 Projektierung für Lofts Eigentumswohnungen bereits abgeschlossen) Gebäude 3a - BZ 8 (1998) Gebäude 4 - BZ 1 (2000)/Loft- Eigentumswohnungen Gebäude 5 - BZ 5/Leerstand in Umnutzung (noch offen) Gebäude 6 - BZ 1 (1996/97)/Schulamt, Post, Polizei, Läden, Medien (Radio), Restaurants und Gebäudeverwaltung Gebäude 6a - BZ 8 (z.T. Kriegszerstörung 1944, z.T. Abriss 1992) Gebäude 6b - BZ 5 bzw. 6 /Leerstand Gebäude 7 - BZ 1 (1995)/Bürocenter und Werkswohnungen Gebäude 8 - BZ 1 (1995)/Ärztehaus und Apotheke Gebäude 9 - BZ 1 (1995)/Wohnungen Gebäude 10 - BZ 1 (1995)/Wohnungen Gebäude 11 - BZ 1 (1995)/Wohnungen Gebäude 12 - BZ 1 (1995)/Galerien, Kleingewerbe und Restaurant Gebäude 13 - BZ 1 (1995)/Bürocenter 39 „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück No 17/21 an der Nonnen Straße | No 40/41 Abt. A des Brdverf.-kat. | Besitzer: Sächs. Wollgarnfabrik Vol. I. ergangen: 1864“; und folgende.Außerdem „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück Holbeinstraße 14 | No. 30 + 95 Abt. B des Brdverf.-kat. | Besitzer: Sächs. Wollgarnfabrik vorm.T&K Bd.: I. ergangen: 1896 und folgende. Sowie „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück No 42/44 an der Nonnen Straße | No 41B / 42 Abt. A des Brdverf.-kat. | Besitzer: Penin Vol. I. ergangen: 1884“ und folgende. 210 Baumeister beziehungsweise Architekt/en: Fast alles, was heute an Architektur der Sächsischen Wollgarnfabrik in der Nonnenstraße sowie in der Holbeinstraße zu sehen ist, wurde in den Jahren zwischen 1875 und 1923/26 durch das Architekturbüro Pfeiffer & Händel beziehungsweise ab 1893 durch Händel & Franke und den Baumeister Eduard Steyer geschaffen. Die kleineren Gebäude anderer Erbauer aus der Anfangszeit wurden nacheinander alle von ihnen überbaut, wodurch eine auffallende, optische Geschlossenheit der räumlich und zeitlich gleichermaßen weitläufigen Anlage entstand. Kurzbeschreibung des Objektes Abmessungen: circa 50 000 Quadratmeter Bauweise: Da dieser Komplex von Gebäuden über einen Zeitraum von fast 50 Jahren entstanden ist, verwundert zunächst die optische Geschlossenheit der Fassaden. Diese bewusst vereinheitlichte Ästhetik steht jedoch im ausgeprägten Gegensatz zu der Verschiedenheit der baulichen Strukturen im Inneren der Gebäude. Die Gebäude, welche noch vor der Jahrhundertwende errichtet wurden, sind in Verbundmauerwerk ausgeführt, welches durch gusseiserne beziehungsweise Stahlträger und Stahlstützen unterstützt wurde. Die Dachkonstruktion wie auch die kleineren Schuppen und Lagergebäude wurden durch Holzkonstruktionen getragen. Der Hochbau Süd von 1906 ist im konstruktiven Teil in Stahlbeton ausgeführt worden, die Fassaden wurden jedoch durch Klinker mit Putzbändern und Natursteinelementen verkleidet, um ihn so dem übrigen Firmengebäuden äußerlich anzugleichen. Hauptsächlich verwendete Materialien: Verbundmauerwerk, Holz, Glas, Dachpappe, gusseiserne Träger und Stützen – später dann aus Stahl; noch später Stahlbetonskelett mit davor geblendeter Klinkerfassade mit Putzbandbeziehungsweise Natursteinelementen zur Gliederung Bau- und Firmengeschichte: Seit dem 10. Dezember 1866 war Carl August Tittel im Barfußgäßchen in der Leipziger Innenstadt Betreiber eines Tapisserieund Garngeschäftes. Nur drei Jahre später trat August Andreas Krüger als Teilhaber in das Geschäft ein. Da in jenen Jahren die Produktion von Kammgarnen auf Maschinenbetrieb umgestellt wurde und sich durch die Industrialisierung dieses Herstellungsbereiches die gesamte Textilindustrie konsolidierte, wagten Tittel & Krüger Anfang der 1870er Jahre den Schritt vom Handel in die maschinelle Produktion. Im Jahr 1875 wurde am Standort Nonnenstraße 17 die Produktion in einer eigenen Dampffärberei für Wollgarne in Gang gesetzt. Zu Beginn wurden Teile des Geländes an andere verpachtet. So 211 betrieben beispielsweise ”... Fuchs & Kunad ... auf dem Grundstück der Herren Tittel & Krüger eine Maschinenfabrik...” 40, der Kaufmann Gustav Juckuf hatte hier ein Wohngebäude nebst Pferdestall41 und Gustav Struve 1869 durch Maurermeister Wilhelm Heinak ein Fabrikgebäude errichten lassen.42 In den folgenden Jahren gab es kleinere Bauvorhaben; so sollte Louis Ullrich beispielsweise 1876 einen neuen Pferdestall sowie einen offenen Schuppen für Tittel & Krüger errichten. Im Jahr 1881 baute Ottomar Jummel ein neues 16achsiges und vier- beziehungsweise fünfgeschossiges Speichergebäude mit nutzbarem Souterrain. Dabei handelt es sich um einen Teil des heute noch vorhandenen sogenannten Hochbau Nord. In diesem Jahr projektierte der Maurermeister H. B. Oehlschlegel eine Kegelbahn an der Nonnenstraße. Zwei Jahre später, 1883, baute das Bau- und Maschinentechnische Bureau Lothar Heym; Civilingeneur Leipzig eine dreiachsige und dreigeschossige Fabrik für Tittel & Krüger. Dieses Büro war auch für die im selben Jahr errichtete neue Färberei, den Zentrifugensaal und den Arbeitsraum verantwortlich. Julius Steib wird mit einem offenen Wetterdach rund um das Kesselhaus herum beauftragt. Im April 1886 wurde ein zweigeschossiges Fabrikgebäude durch die Maurermeister Wachsmut & Zeller um zwei Geschosse aufgestockt. 1887 erfolgte die Umwandlung der Firma in eine Aktiengesellschaft. Diese Veränderung wirkte sich im ökonomischen Bereich sehr positiv aus, so dass bereits im gleichen wie auch in den darauffolgenden Jahren mit diversen Erweiterungsmaßnahmen begonnen werden konnte. Eduard Steyer sollte 1887 auf dem an der Elster gelegenen Stück einen Fabrikneubau errichten und 1889 baute er ein enormes 20-achsiges, fünf- beziehungsweise sechsgeschossiges „Lager-, Pack und Comptoirgebäude“ mit Souterrain an der Nonnenstraße. Dabei handelt es sich um den anderen Teil des sogenannten Hochbau Nord. Dieses bereits 1992 sanierte Gebäude wird heute durch Schulamt, Post, Polizei, Radio Energy und diverse Läden genutzt. Steyer befestigte im gleichen Jahr außerdem die südlich gelegenen Ufermauern des Grundstücks. 1888 wurden Pfeiffer & Händel mit einem riesigen 16-achsigen, vierbeziehungsweise fünfgeschossigen Fabrikneubau mit Souterraingeschoss beauftragt. Bei diesem Bauvorhaben handelte es sich um den ersten Abschnitt 40 ” Acten des Rathes ... Sächs. Wollgarnfabrik ... Nonnenstraße 17-21 ... Vol I... ergangen 1864“ ; Blatt 8. 41 A.a.O.; Blatt 1ff. 42 A.a.O.; Blatt 4ff. 212 des sogenannten Hochbau West, der 2000/01 von der JUS AG zu einem Wohnkomplex mit Loft-Wohnungen umgebaut wurde.43 Ebenfalls 1888 bauten Pfeiffer & Händel auch einen Speisesaal und ein Portiershaus sowie eine Einfriedung für das Grundstück. Beide großen Bauvorhaben (1888 und 1889) wurden mit der nötigen Ausstattung versehen: die Blitzableiteranlage wurde von Otto Ehrling installiert, die Desinfektionsanlagen von M. Friedrich & Glass eingebaut und in den folgenden Jahren wurden mehrere Kessel angeschafft und installiert. 1895 sollte Steyer eine interimistische, 2-achsige und eingeschossige Reparaturwerkstatt für die Spinnerei bauen, 1896 ein Wetterdach mit Oberlichtern. 1897 wurde das Leipziger Verzinkerei, Wellblech-Walzwerk Grohmann & Frosch mit dem Bau eines Wellblechschuppen beauftragt. Im selben Jahr wurde die Kammgarnspinnerei (Hochbau West) von Händel & Franke erweitert. Ein Jahr später konzipierten sie ein drei- beziehungsweise fünfachsiges, eingeschossiges Schlossereigebäude. 1898 wurden außerdem noch ein Fahrstuhl von Schelter & Giesecke und eine neue Desinfektionsanlage von Friedrich & Glass installiert. Es folgten einige Jahre mit kleineren Bauvorhaben, wie etwa dem Bau eines Speisesaal- und Gaderobengebäudes (1898); eines Erweiterungsbaus zur Spinnerei (Hochbau West; 1898) und einer Kesselhauserweiterung (1905). Dazu neue Blitzableiteranlagen von Brüggemann & Lewus (1898), neue Klosettanlagen von Friedrich (1910), diverse Aufzüge von Unruh & Liebig44 (1910) und Schelter & Giesecke (1911, 1912 und 1914). Im Oktober 1906 konnte das 20-achsige und vier- beziehungsweise fünfgeschossige Gebäude der Spinnerei 2, der Hochbau Süd am südlichen Ufer der Elster in der Holbeinstraße fertiggestellt werden. Das Vorhaben war bereits 1898 als ”Vorprojekt” durch die Architekten Händel & Franke eingereicht, dann aber erst einmal wieder ad acta gelegt worden. 1905 griff man diese Pläne wieder auf, jedoch sollte die Ausführung nun in Stahlbeton durch die Straßburger Firma ZÜBLIN ausgeführt werden. Hierzu war das Gutachten des Professors Theodor Böhm von der Königlich Technischen Hochschule Dresden notwendig, welches bescheinigt, dass ”... dieses neue Bauverfahren ... in anderen Teilen Deutschlands schon längst nicht mehr an den Buchstaben der Bauverordnung scheitern muss.” 45 An dieses Gebäude wurde 1912 durch 43 „ LVZ“ [Leipziger Volkszeitung] vom 15.10.1999, S.13. Vgl. dazu auch den Abschnitt im Katalogteil dieser Arbeit zu Unruh & Liebig! 45 ” Acten des Rathes...Sächs. Wollgarnfabrik vorm. Tittel & Krüger, Holbeinstaße. 14; Bd.II ... ergangen: 1905“ ; o.A. 44 213 Händel & Franke ein Maschinenhaus angebaut, welches sie bereits ein Jahr später, 1913, mit zwei Fabrikgeschossen übersetzten. Die Bebauung auf dieser Seite des Flusses wurde 1923 durch das bereits 1921 von Händel & Franke konzipierte Kesselhaus nebst Schornstein abgeschlossen. Zusammenfassend ist zu bemerken, dass die im Bereich der Textilindustrie äußerst stabile Marktlage in der Zeit zwischen 1880 und 1925 einen beständigen Aufstieg des Unternehmens und die stetige Erweiterung des Gebäudekomplexes der Firma bedingte. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde durch die Verlegung der Berliner Filiale nach Leipzig ein Konzentrationsprozess in Gang gesetzt, welcher eine Erweiterung der Baulichkeiten der Leipziger Niederlassung verursachte. Im Jahr 1926 übernahm das Unternehmen auch die Gebäude der 1878 gegründeten Firma Phil. Penin in der Nonnenstraße 42-44. Optisch ist die ehemalige Trennung der beiden Straßenseiten in zweierlei Unternehmen für den heutigen Betrachter kaum wahrnehmbar, die Gebäude bilden durch ihre ausgesprochen ähnlich gestalteten Fassaden eine nahezu perfekte ästhetische Einheit. Das ist jedoch nicht gar so verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Bebauung bei beiden Unternehmen gleichermaßen hauptsächlich durch Eduard Steyer beziehungsweise das Architektenduo Pfeiffer & Händel beziehungsweise Händel & Franke erfolgte und dass dieses Grundstück bereits zwischen 1888 und 1893 durch Tittel & Krüger schon einmal genutzt und bebaut worden war: Die Bauakte zum Grundstück Nonnenstraße 42-44 beginnt 1884. Zu diesem Zeitpunkt waren die Brüder Georg Julius und Friedrich Wilhelm Bässler die Besitzer des Grundstücks. Zunächst hatten sie die Absicht, eine ”... Fabrik für poliertes Messing und Nickelblech ... wie 1882 Ehregott Schröder...” 46 zu betreiben, dann entschieden sie sich jedoch für eine Gummiwarenfabrik mit dem malerischen Namen Vulkan, deren Gebäude sie von Eduard Steyer konzipieren und bauen ließen. Die Brüder Bässler hatten ihr Grundstück von Dr. Karl Heine erworben47, dann an Tittel & Krüger weitergegeben, die es 1893 an Philip Penin abgaben, aus dessen Besitz sie es dann 1926 wieder zurückkauften. Anfang der 1880er Jahre erbaute Eduard Steyer für Philip Penin ein 20achsiges, 2-geschossiges Fabrikgebäude, einen Abort, einen Pferdestall, einen Schuppen und ein Seitengebäude, in welchem ein Kessel aus Zeitz aufgestellt wurde. Im gleichen Jahr sollte auch ein Wohnhaus für Penin entstehen.48 46 ” Acten des Rathes... Grundstück 42/44 an der Nonnenstraße ... Penin ... Vol I ... ergangen: 1884“ ; o.A. 47 Ebd. 48 ” Acten des Rathes...Grundstück 42/44 an der Nonnenstraße...Penin; Vol I.a II... 1875“ 214 1884 baute Eduard Steyer hinten an den Gleisen einen Speisesaal. Zwei Jahre später, 1886, wurde Steyer mit dem Bau eines zweigeschossigen Pferdestalles und eines neuen Wohnhauses für Penin beauftragt, welches am Jahresende bereits fertig gestellt war. 1888 errichtete er einen Fabrikneubau und 1889 ein Portiershaus sowie eine Übersetzung der Drechslerei. Anfang 1893 sollte Steyer einen Souterrainanbau mit Oberlichtern vor die Fabrikgebäude an der Nonnenstraße setzen. Dieses Gebäude wurde bereits im März desselben Jahres abgenommen. 1894 erhielt ein Gebäude am Gleis eine Übersetzung von Steyer und im Mai 1895 wurde das dreigeschossige Fabrikgebäude an der Nonnenstraße durch Friedrich Wilhelm Pfefferkorn und Eduard Steyer gemeinsam mit einem ausgebauten Dachgeschoss übersetzt, wobei Pfefferkorn die statischen Berechnungen für die Holzkonstruktion liefert. Bei diesem Gebäude handelt es sich um das bereits 1992/93 sanierte, heutige Ärztehaus an der Nonnenstraße 42, in dem seit 1993 verschiedene Arztpraxen und eine Apotheke untergebracht sind. 1895 sollte Steyer den Fabrikbau in der Nonnenstraße erweitern. Allerdings handelte es sich dabei um eine kleine bauliche Aktion, denn schon vier Jahre später wurden Händel & Franke mit einer viel umfänglicheren Aufgabe betraut: Sie sollten einen 16-achsigen, viergeschossigen Erweiterungsbau an dieses Fabrikgebäude anbauen. Hierbei handelt es sich um den heute noch bestehenden rechten Gebäudeteil der Straßenfront der Nummer 44, welcher seit 1996 als Bürohaus genutzt wird. Die Blitzableiteranlage wurde damals von Otto Ehrling installiert und die Desinfektionsanlage baute die Firma Max und Otto Mietke. In den 1890er Jahren entstanden zudem eine Vielzahl kleinerer, meist zweigeschossiger Bauten auf dem Firmengelände für Lagerzwecke, Pferdehaltung und sonstige Versorgungseinrichtungen. Außerdem errichtete Steyer einen Übersetzungsbau im Hof. Auch Händel & Franke bauten 1899 zwei zweigeschossige Hofgebäude an den Gleisanlagen und im Hof. Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Steyer zwei ein- beziehungsweise zweigeschossige Speisesäle und einen Wellblechschuppen im Hof (beides 1901). Für die Eisenkonstruktion des Wellblechschuppens zeichneten C.F.Weithas & Nachf. als Verantwortliche.49 beziehungsweise ” Acten des Rathes... Grundstück 44 an der Nonnenstraße ... Penin; Vol I.b III.; 1883“ ; o.A. 49 ” Acten des Rathes... Grundstück 42-44 ...Nonnenstraße...Penin...Vol IV... 1895“ ; o.A. Vgl. außerdem den Abschnitt Weithas Nachf. im Katalog dieser Arbeit! 215 Im August 1906 wurden Händel & Franke von Penin mit dem Bau mehrerer Neubauten (Kohleschuppen, Hinterhofgebäudeübersetzung, Neubau an der Straße und einer Übersetzung des Aborts) beauftragt. Die Bauten wurden bereits ein Jahr später abgenommen und wieder war es Otto Ehrling, der die Blitzableiteranlage installiert. 1907 erfolgte ein kleinerer Schlossereiumbau durch Steyer, 1908 wurden durch den Architekten Hartmann Fenster ausgebrochen und erweitert. Im folgenden Jahr projektierte derselbe eine neue Remise sowie einen neuen Pferdestall. Im Juni 1911 baute Steyer eine Übersetzung an den Gleisanlagen in Eisenbeton, für dessen Verwendung Max Pommers Baugeschäft verantwortlich zeichnet. 1913, bauten Händel & Franke einen weiteren Fabrikerweiterungsbau für Penin an die Nonnenstraße 44. Es handelte sich dabei um einen 14-achsigen, vierbeziehungsweise fünfgeschossigen Bau mit einem Souterraingeschoss, der auch heute noch existiert. Es ist der linke Abschnitt der Nummer 44. Das Ganze wurde mit einer Blitzableiteranlage von Ehrling, Klosettanlage von M. Friedrich und einer Eisentreppe von Münich & Hedrich ausgestattet. 1926 erfolgte der bereits erwähnte Verkauf des Peninschen Firmengeländes an die Sächsische Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger, die diese Gebäude relativ problemlos in den Arbeitsablauf der Firma integrierte. Zumindest geben die Bauakten in dem entsprechenden Zeitraum über keinerlei Umbaumaßnahmen in diesem Sinne Auskunft. In den 1930er Jahren erfolgten Umstrukturierungen im Gesamtkomplex: Nach dem Konkurs des 1906 – durch den Kauf des Hauptanteils der Aktien der Sächsischen Wollgarnfabrik durch die Norddeutsche Wollkämmerei – entstandenen Nordwollkonzerns im Jahr 1931 erfolgte die Vereinigung mit der Sternwollspinnerei Bahrenfels. Bis 1941 wurden die Fabriken und Manufakturen des Konzerns weiter ausgebaut und vervollkommnet, die Erzeugnisse erreichten Weltruf. Während des Krieges wurde die Firma in einen ” Wehrwirtschaftsbetrieb” umgewandelt und die Produktion auf kriegswirtschaftliche Textilproduktion (zum Beispiel Lazarettleinwand) umgestellt. Ab 1943 ließ man hier auch Flugzeugteile montiert und Geschützelektronik zusammenbauen. Nach dem Krieg wurde die Wollgarnproduktion wieder aufgenommen und am 6. Juli 1951 übernahm der Rat der Stadt Leipzig die treuhänderische Verwaltung, bis die Firma etwa ein Jahr später (am 31. Oktober 1952) in Volkseigentum überführt wurde. Es entstand der VEB Leipziger Wollgarnfabrik. Einzelne Betriebs- beziehungsweise Gebäudeteile wurden damals allerdings an andere 216 Betriebe vermietet, so wurde zum Beispiel der Teil nordwestlich der Nonnenstraße (bis 1926 Penin) als Poliklinik des Stadtbezirkes Südwest (Nr. 42) und als Amt für Material- und Warenprüfung (Nr. 44) genutzt.50 Die heute noch bei der Bevölkerung bekannten Buntgarnwerke entstanden 1967/69 ebenfalls als volkseigener Betrieb. Zunächst wurde die Mitteldeutsche Kammgarnspinnerei an der damaligen Philip-Müller-Straße (heute Zschochersche Straße) umbenannt in VEB Leipziger Wollgarnfabrik, dann erfolgte 1969 die typische Kombinatsbildung: durch die Vereinigung des VEB Sächsischen Kammgarnspinnerei Coßmannsdorf und des VEB Leipziger Wollgarnfabrik entstand der Großbetrieb VEB Buntgarnwerke. In den 1970er Jahren wurde die Färberei abgerissen und eine neue an gleicher Stelle errichtet, welche heute bereits nicht mehr steht – der Abriss erfolgte 1992. Nach der Wende erfolgte 1990 zunächst die Überführung in die Buntgarnwerke Leipzig GmbH, die Produktion musste jedoch wegen der schlechten Auftragslage eingestellt werden. Im Jahr 1992 wurden einige Gebäude auf dem Areal Nonnenstraße 17 (Färberei mit Betriebsgebäude, Produktions- und Lagerhallen) abgerissen. In diese Zeit fallen auch die Restitutionsanspruchsanmeldungen der Alteigentümer, welche jedoch gemäß dem Prinzip ”Investitionsvorrang vor Restitution” abgewiesen wurden. Seit September 1992 ist die BUGA-Partners Verwaltungsgesellschaft mbH im Grundbuch eingetragene Eigentümerin des Elsterparkkomplexes.51 Die Nutzung beziehungsweise Umnutzung und die damit einhergehende kostenintensive Sanierung der Gebäude dieses großen Industriekomplexes stellten die Eigentümerin allerdings vor erhebliche Probleme. Ein Großteil der Projekte konnte inzwischen verwirklicht werden: der Hochbau Nord dient heute als Heimstatt für Schulamt, Post, Polizei, verschiedene private Radiosender sowie diverse Ladengeschäfte und Restaurants. Einige kleinere Gebäude nordwestlich der Nonnenstraße – die Hofgebäude der Nummer 42 – werden als Wohnraum, Ausstellungsfläche, für Kleingewerbe und einen Restaurantbetrieb genutzt. Die drei- beziehungsweise viergeschossigen direkt an dieser Seite der Nonnenstraße gelegenen Gebäude der Nummern 42 und 44 sind bereits seit einigen Jahren fertiggestellt und dienen als Büro- beziehungsweise Ärztehaus. Der Hochbau Mitte ist bisher in großen Teilen nur in seiner Außenhaut saniert worden (2000) – sein Inneres wartet über weite Flächen immer noch auf ein 50 Letzteres ist einem lose eingelegten Blatt der Bauakten zu entnehmen, aus: ” Acten des Rathes... Grundstück 42-44 an der Nonnenstraße ... Penin... Vol VI...ergangen: 1913“ 51 ”Leipzig. Ein geographischer...” , Leipzig 1996; S.135. 217 tragfähiges Konzept. Der Hochbau West konnte (2001) durch die JUS AG saniert und in Eigentum-Loftwohnungen umgebaut werden.52 Das Vorbild für diese Umnutzung lieferte die bereits 1998/2000 durch die ATRIUM GmbH – Bauträgergesellschaft verwirklichte Sanierung des Hochbau Süd, bei dem ein außergewöhnliches Wohnprojekt verwirklicht werden konnte. In den ersten Nutzungsplänen von 1992 war die Umnutzung des Gebäudes an der Holbeinstraße 14 durch eine Hotelanlage der Holiday Inn-Gruppe vorgesehen. Als nach langen Monaten der Planung und Kalkulation klar wurde, dass der Investor das Interesse an dem Projekt verloren hatte, disponierte man von städtischer Seite auf ein Projekt mit betreutem Wohnen um, konnte aber trotz bester Vorsätze die Finanzierung des Projekts nicht auf sichere Füße stellen. Seit Ende 1998 wurde dieser Bauteil der Buntgarnwerke nun mit großem Erfolg von der ATRIUM GmbH Bauträgergesellschaft zu besagtem Wohnkomplex der ungewöhnlichen Art umgestaltet: Bis zum Frühjahr 2000 wurden 145 Lofts, ein komplett entkernter respektive ausgeschnittener Innenhofbereich, eine Dachterrasse, eine zweigeschossige Garage im Souterraingeschoss und viele Extras des Gebäudes pünktlich zur EXPO 2000 fertiggestellt. Inzwischen sind alle entstandenen Wohnungen bereits verkauft und zum Großteil auch vermietet. Diese relativ „schwere Geburt“ verdeu tlicht, dass die ursprünglichen Planungen von 1992, die übrigens eine Fertigstellung des gesamten Komplexes für 1996 vorsahen,53 doch relativ kurzsichtig oder besser gesagt zu optimistisch gewesen waren. Außerdem offenbart uns diese Diskrepanz zwischen Wunschdenken und idealisierender Projektierung auf der einen sowie „pekuniären Potenzstörungen“ und Problemen bei der konkreten Realisierung dieser Ideen auf der anderen Seite die Schwierigkeit, tragfähige und trotzdem adäquate Umnutzungskonzepte für so großflächige innerstädtische Industriekomplexe zu erstellen, umzusetzen und nach der Umsetzung auch der Bevölkerung nahe zu bringen.54 Denn letztlich ist ein gutes und nützliches Konzept ohne die erforderlichen Mittel ebenso uneffizient wie eine wunderbar denkmalgerecht sanierte ”Hülle” ohne ein nutzungsorientiertes Nachfolgekonzept, welches in der Lage ist, diese Hülle nach der Sanierung mit Leben zu füllen. 52 Vgl. dazu auch im Katalog den Abschnitt zur Firma Sack sowie im Abschnitt IV.1. dieser Arbeit: Probleme und Potentiale der Mischstruktur! 53 ”Leipzig. Ein geographischer...” , Leipzig 1996; S.136. 54 Vgl. auch Abschnitt VI.2. Umnutzung der Fabriken von einst in dieser Arbeit! 218 Brehmer55 Name des Objektes: Gebrüder Brehmer (1879); VEB Polygraph, Gebrüder Brehmer (ab 1948); VEB Falz- und Drahtheftmaschinenwerk Leipzig (seit 1951); VEB Buchbindereimaschi-nenwerk (ab 1960); VEB Polygraph Stammbetrieb Buchbindereimaschinen Brehmer (ab 1970); BREHMER Buchbindereimaschinen GmbH Leipzig (seit 1990) Industriezweig: Maschinenbau (Drahtbuchheftmaschinen) Gründungsjahr: 1873 in Philadelphia in den USA; 1879 in Plagwitz. Damalige Adresse: Karl-Heine-Straße 107-109. Heutige Adresse: Karl-Heine-Straße 107-109. Momentane/r bauliche/r Zustand/Nutzung: Nummer 107 allgemein BZ 3 – in Bezug auf die Fenster und im Dachbereich BZ 1(1991/92); Nummer 109 BZ 4. Baumeister beziehungsweise Architekt/en: Auf dem Grundstück 107 steht heute der Bau des Architektenduos Händel & Franke von 1913; auf dem Grundstück 109 stehen Gebäude von verschiedenen Baumeistern, darunter bekannte Plagwitzer Maurermeister wie Carl Brömme, Louis Löbe, Otto Steib oder Friedrich Wilhelm Pfefferkorn, aber auch so renommierte Architekten wie Bauer & Roßbach. Kurzbeschreibung des Objektes Abmessungen: Geschätzte Gesamtfläche der Unternehmensbebauung in Plagwitz circa 10 000 Quadratmeter. Bauweise: ursprünglich ein- &. zweigeschossige Holzbalkenkonstruktionen mit verputztem Ziegelmauerwerk, später (die noch existierenden Gebäude) auf dem Grundstück Nummer 109 traditionelles Mauerwerk zum Teil mit gusseisernen Stützen, auf dem Areal der Nr. 107 ein Stahlbetonskelett, welches sehr große Fenstereinbauten bei unverminderter Traglast ermöglichte. Außen wurde dieses moderne Gebäude mit einer traditionell wirkenden Klinkerfassade verblendet. Hauptsächlich verwendete Materialien: Trotz der frühen Gründung finden sich hier recht späte Bauten (zum Beispiel von 1913), welche die Verwendung von Stahlbeton an der Seite von traditionellen Baumaterialien im Bereich des Maschinenbaus schon beinahe obligat machen und dadurch eher konventionell erscheinen lassen. Ansonsten haben wir es auch hier mit der üblichen Struktur zu 55 „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück No 107-109 an der Karl-Heine-Straße | No 40 Abt. B des Brdverf.-kat. | Besitzer : Brehmer Vol. I. ergangen: 1874“ ; und folgende. 219 tun: Holz für Träger und Stützen der kleineren Schuppen und Gebäude und zum Teil auch im Bereich der Dachkonstruktion der größeren Bauten. Hingegen Ziegelverbundmauerwerk, gusseiserne Stützen und Träger sowie Dachpappe als Abdeckung bei den späteren, größeren Gebäuden. Bau- und Firmengeschichte: Im Jahr 1872 erfand Hugo Brehmer das Verfahren zum maschinellen Drahtheften von Papierbögen. Im darauf folgenden Jahr, 1873, gründete er gemeinsam mit seinem Bruder August Brehmer die Maschinenbaufirma Brehmer Brothers, in Philadelphia/USA. In den Jahren 1875 und 1876 entwickelten die beiden dort die Buch-Drahtheftmaschine. Im Jahr 1879 erfolgte die Übersiedlung von Hugo Brehmer nach Plagwitz. Am 4. Mai 1879 wurde hier in der Karl-Heine-Straße 109 auf dem Gelände der vormaligen Holzhandlung und Kistenfabrik Just, Kachholz & Reuter die Firma Gebrüder Brehmer mit 2 Beschäftigten eröffnet. Ein Jahr später, 1880, waren bereits 52 Personen in diesem Betrieb tätig. Im Jahr 1883 entstand auf dem Grundstück der Nummer 109 auf einer Fläche von insgesamt circa 3 500 m² ein Fabrikneubau. Die Firma hatte zum damaligen Zeitpunkt 137 Beschäftigte. Im darauffolgenden Jahr, 1884, führte die Firma Gebrüder Brehmer ihre Neuerfindung – die Schiffchen-Fadenbuchheftmaschine – auf dem Markt ein. 1886 trat F. Rehwoldt mit seinem Kapital in die Firma ein. Er wurde 1891 –nach dem Tode Hugo Brehmers im Dezember – alleiniger Inhaber der Firma. 1894/95 wurde die Produktion von Falzmaschinen mit halbautomatischer Bogenführung aufgenommen. 10 Jahre später wurde dieser Prozess vollständig automatisiert. Anfang des 20. Jahrhunderts erfand man die ”Sammelheftmaschine 135”, der Export der Firma war damals bereits auf circa 50 % angewachsen. Brehmer lieferte nach England, Österreich, Russland, Frankreich und Südamerika. In den darauffolgenden Jahren tat sich baulich außer ein paar Kleinigkeiten nicht sehr viel auf dem Firmenareal bis dann im Jahr 1913 ein Großauftrag an das Architekturbüro Händel & Franke vergeben wurde. Diese projektierten auf dem ehemaligen Grundstück der Firma Heym Parkett- und Stabfußbodenfabrik in der Karl-Heine-Straße 107 einen zwölfachsigen, fünfgeschossigen Neubau für die Firma Brehmer. Kleinere Bauabschnitte wurden dabei vom Maurermeister Carl Brömme übernommen. In diesem Produktionsneubau baute die Firma Unruh & Liebig einen ihrer Aufzüge ein.56 Die hohen Präzisionsanforderungen an die Produktion bedingten eine starke, natürlich Durchlichtung der Fertigungshallen, was den Einbau großflächiger Fensterfronten unabdingbar 56 Vgl. den Abschnitt zu Unruh & Liebig im Katalog dieser Arbeit! 220 machte. Gleichzeitig musste aber –wegen der Schwere der Maschinen – auch eine enorme Tragfähigkeit in allen Geschossen gewährleistet sein. Gemeinsam ließ sich das im erforderlichen Ausmaß beziehungsweise im Geschossbau erst mit der Erfindung der Baustoffe Eisenbeton, Stahlbeton und armierter Beton verwirklichen. Damit war eine Bauweise entwickelt worden, die im statischen Bereich ein außerordentlich tragfähiges Stahlskelett aufweist, welches nach außen jedoch beliebig verkleidet werden kann. Dadurch wurde es möglich, dem vorbei kommenden Betrachter, unabhängig von funktionalen Anforderungen des Baus, jede gewünschte Ansicht beziehungsweise Bauweise zu präsentieren. In den 1920er und ‘30er Jahren expandiert die Firma durch den Ankauf der rückwärtig zur Weißenfelser Straße liegenden Anrainergrundstücke. So wurde 1924 das Grundstück Nummer 73 – vormals Dr. Struve & Co.; 1925 das Grundstück Nummer 75 – ehemals chemische Fabrik Dr. Heinrich König & Co.; 1926 das Grundstück Nummer 84 – vorher F. Koehlers Witwe & Sohn; 1936/37 das Grundstück Nummer 69/71 – ehemals die Spezialfabrik für Holzbearbeitungsmaschinen Kießling & Co. und schließlich 1939 das Grundstück Nummer 82 aus dem Besitz der Firma Rudolf Sack von der Firma Brehmer angekauft. Zum großen Teil nutzte man die darauf bereits befindlichen, „fremden“ Bauwerke für die eigene Produktion. In der Zeit bis 1939 konnte sich die Firma zum Weltmarktführer für Maschinen der buchbinderischen Verarbeitung entwickeln und den jeweils neuesten Stand der Technik prägen. In den Kriegsjahren sattelte die Firma teilweise auf Kriegsproduktion um und verbuchte dadurch weiterhin beträchtliche Gewinne (12 Mio Reichsmark Jahresumsatz 1942) Deshalb wurde die kaum beschädigte Firma nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 zum Volksentscheid auf die Liste C gesetzt.57 1948 erfolgte dann die Enteignung der Firma sowie die Umwandlung in den volkseigenen Betrieb VEB Polygraph, Gebrüder Brehmer. In den folgenden Jahren wurde der Betrieb mehrmals wegen mehrerer Aus- und Angliederungen umbenannt: Im Jahr 1951 erfolgte die Ausgliederung des vormals Brehmerschen Werkes unter dem Namen VEB Falz- und Drahtheftmaschinenwerk Leipzig; im Jahr 1960 der Zusammenschluss mit dem VEB Bindereimaschinenwerk Leipzig (vormals Krause) zum VEB Buchbindereimaschinenwerk; im Jahr 1970 erfolgte entsprechend dem damaligen volkswirtschaftlichen Drang zur Kombinatsbildung die Integration in das bereits existierende Kombinat des VEB Polygraph Stammbetrieb Buchbindereimaschinen Brehmer. 57 Herrmann; S.26. 221 Nach der Wende ging mit dem Betriebsteil der Firma Brehmer beim ehemaligen VEB Polygraph alles sehr schnell vonstatten. Bereits 1990 erfolgte der Handelsregistereintrag als BREHMER Buchbindereimaschinen GmbH Leipzig sowie die Entwicklung und Einführung eines völlig neuen Produktionsprogrammes. Man gewann einen Kooperationspartner in den Vereinigten Staaten die McCain Manufacturing Corporation aus Chicago. Diese kaufte 1991/92 die einstmals weltmarktführende Firma Brehmer für fünf Millionen Mark von der TLG und am 1. November 1991 kam es unter dem Namen McCain-Brehmer zum Zusammenschluss der McCain Corporation Chicago und der BREHMER Buchbindereimaschinen GmbH Leipzig. Die Firma Brehmer sollte mit ihrer kompletten Produktpalette erhalten werden und ein firmenintern erstelltes Sanierungskonzept, das einen Stellenrückbau von vier Fünfteln auf circa 500 Angestellte vorsah, lief an. Gleichzeitig zu den sichernden Sanierungsmaßnahmen des Hauptgebäudes an der Karl-Heine-Straße 107 in Plagwitz – Dach und Fenster des Stammhauses wurden erneuert – baute McCain auf einem etwa 13 Hektar großen Gelände einen neuen Produktionsund Vertriebsstandort an der Brahestraße im Industrie- und Gewerbepark Leipzig Nordost. Ein Jahr darauf, am 1. April 1993, wurde dieser hochmoderne Werksneubau in Betrieb genommen. Ende 1993 musste McCain-Brehmer aber wegen konjunktureller Schwierigkeiten Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahren stellen. Im April des darauffolgenden Jahres übernahm die Stahl GmbH aus Ludwigsburg den Leipziger Standort. Im Juni 1994 wurde die BNL (Beteiligungsgesellschaft Neue Länder) mit 49 % Partner der BREHMER Buchbindereimaschinen GmbH. Im Jahr 1998 war die BREHMER GmbH komplett privatisiert: ”Die Heidelberger Druckmaschinen AG erwirbt zum Jahreswechsel 1998/99 neben weiteren Unternehmen der StahlGruppe auch die BREHMER Buchbindereimaschinen GmbH und sichert damit den Standort Brehmer in Leipzig und den weltweiten Vertrieb der BrehmerProdukte.” 58 Der Standort Leipzig konnte damit für BREHMER erhalten und nachhaltig gesichert werden. Hier wird heute weiterhin das Programm der Firma entwickelt und produziert. Brehmer bietet seine Produkte weltweit an und ist damit eines der wenigen hier untersuchten Unternehmen, das sich, wenn auch stark verändert und an einem neuen Standort bis heute in Leipzig als Produktionsbetrieb erhalten hat. 58 Aus einem Informationsblatt der Firma BREHMER- Buchbindereimaschinen GmbH zur historischen Entwicklung des Unternehmens, Leipzig 1999. 222 Unruh & Liebig59 Namen des Objektes: Technisches Bureau u. Maschinenbauanstalt Liebig (seit 1880 in Reudnitz); Unruh & Liebig (1887, ab 1897 in Plagwitz), SAG [Sowjetische Aktiengesellschaft] Podjomnik (01.08.1946); Eingliederung in die SAG Transmasch (01.01.1950); SAG S.M.Kirow (01.12.1952); VEB Schwermaschinenbau S.M.Kirow (01.01.1954); Gründer- und Gewerbehof Plagwitz (1993) Industriezweig: Maschinenbau (Handaufzüge und Kranausrüstungen) Gründungsjahr: 1880 (Unternehmen); 1897 (Plagwitzer Stammbetrieb) Damalige Adresse: Braustraße 28 (Straßenumbenennung 1903)60 Heutige Adresse: Naumburger Straße 28. Momentane/r bauliche/r Zustand/Nutzung: BZ 1, seit 1993 (im Frontgebäude), seit 1995 (in Haus A) beziehungsweise seit 1998 (in Haus B). Baumeister beziehungsweise Architekt/en: Neben Unruh & Liebig selbst, die einen Großteil der weniger anspruchsvollen Baumaßnahmen (Schuppen und ähnliches) durch das eigene Konstruktionsbüro projektieren ließen, waren auch Carl Brömme sowie sein Sohn Felix und der Baumeister Otto Voigt mit kleineren Unternehmungen betraut. Bei den beiden großen Bauaufgaben wurden der Baumeister beziehungsweise Architekt Robert Röthig (1896) und der Architekt Paul Ranft (1898) für die Firma Unruh & Liebig tätig. Kurzbeschreibung des Objektes Abmessungen: bebaute Gesamtgrundfläche circa 7 000 Quadratmeter Bauweise: Nach außen klinkerverkleidetes Verbundmauerwerk, innen Eisenstützen und Träger zur Lastenverteilung und Glasdachaufbauten. Hauptsächlich verwendete Materialien: Backstein und Klinker (kaum Putzbänder), Dachpappe, Eisen, Stahl und Glas. Bau- und Firmengeschichte: 1880 gründete der Ingenieur Karl Richard Liebig in Reudnitz das/die Technisches Bureau und Maschinenanstalt. Im Fertigungsprogramm seiner Firma standen seinerzeit vor allem Handaufzüge und Kranausrüstungen. 59 „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück No28 an der Naumburger [Brau] - Straße | No 64c Abth. B des Brdvers.-Kat. | Besitzer: Unruh x Liebig Vol. I ergangen:1888“ und folgende. 60 ”Lexikon Leipziger Straßennamen” , S.154. 223 Im Jahr 1887 trat Gustav Unruh als Teilhaber in die Liebig‘schen Firma ein, die zu jenem Zeitpunkt etwa 30 Beschäftigte zählte. Von nun an nannte sich das Unternehmen Unruh & Liebig und erweiterte sein Sortiment um Transporteinrichtungen für Schuttgüter. Zehn Jahre später, 1896/97, wurde durch den Baumeister Robert Röthig ein Neubau für das Werk an der Braustraße 28 in Plagwitz projektiert und ausgeführt. Die Produktion begann an diesem Standort im Jahr 1897 mit 80 Beschäftigten. Die hergestellten Produkte wurden bereits damals nicht nur für den Verkauf im Inland, sondern auch für den Export nach Russland, Schweden, Dänemark und Holland hergestellt. 1898 wurde das Ingenieurbüro Paul Ranft beauftragt, einen Erweiterungsbau für das Unternehmen zu projektieren. Ranft verwendete für die Konstruktion der zweiten Produktionshalle – ebenso wie bereits Röthig zwei Jahre vor ihm beim Bau der ersten Halle – Eisenstützen und -träger zur besseren Lastenverteilung. 1899 waren Unruh & Liebig – bedingt durch eine Krisensituation und eklatante Zahlungsschwierigkeiten – gezwungen, ihr Unternehmen an die Peninger Maschinenfabrik und Eisengießerei AG (gegründet 1872) zu verkaufen. Die Herren Unruh und Liebig behielten jedoch 50 % der Aktien. Bereits ein Jahr später hatte die Firma 200 Angestellte und beauftragte Paul Ranft, einen Erweiterungsbau zu projektiert. Mit dieser neuen Montagehalle wuchs nicht nur das Areal des Unternehmens, auch das Fertigungsprogramm wurde damals um Becherwerke, Bekohlungsanlagen für Kesselhäuser, Kreisförderer, Aufzüge und Kräne erweitert. 1907 erwirtschaftete das Unternehmen einen Reingewinn von 288 065 Mark. Wenige Jahre später, 1911, wurde das Aktienkapital der Firma aufgrund der guten Geschäftslage um 3,1 Mio. Mark erhöht. In den Kriegsjahren 1914/18 wurde das Werk zum Teil auf Kriegsproduktion umgerüstet. So wurden beispielsweise Munitionsaufzüge für Kreuzer und Schlachtschiffe hergestellt. Diese Umstellung der Produktion sorgte natürlich für einen entsprechenden Gewinn, den das Unternehmen sofort in den Ankauf des Nachbargrundstückes der Firma Schumann & Co. an der Naumburger Straße 30 an der Ecke zur Gießerstraße investierte. Später wurden hier sowohl die mechanische Werkstatt als auch die Vorbereitungshalle untergebracht. Im Jahr 1918 kaufte die Firma ein weiteres Grundstück an. Dabei handelte es sich um die vormalige Firma Backhaus & Langensiepen an der Naumburger Straße 24. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der 1920er und ‘30er Jahre gehen auch an der Peninger Maschinenfabrik nicht spurlos vorüber. Im Jahr 1932 schrumpfte 224 der Arbeitnehmerstamm auf knappe 100 zusammen. Gern stieg man daher Anfang der 1940er Jahre wieder in die Kriegsproduktion ein. So wurden hauptsächlich Munitionsaufzüge für Kriegsschiffe und Hochbunker, U-Bootteile, Panzerketten, Lafettenmittelstücke und Eisenbahndrehkrane produziert. In dieser Zeit (bis zum Kriegsende) beschäftigte man hier bis zu 200 Kriegsgefangene verschiedener Nationalitäten. Am 20. Februar 1944 wurden das Dach und die Decken, sowie ein Teil der Umfassungsmauern des Ostschiffs der Montagehalle durch Feuer zerstört, ebenso das Dach und die Galerien der alten Montagehalle. Nach dem Krieg wurde der Betrieb zunächst treuhänderisch verwaltet. Im Jahr 1946 wurde der Betrieb durch die Sowjetische Aktien Gesellschaft SAG Podjomnik übernommen. In den nun folgenden Jahren steigerte das neue Unternehmen sowohl seine Produktpalette als auch seine Produktivität erheblich. Bis 1949 waren die Kriegsschäden behoben. Im Jahr 1953 hatte der Betrieb 4 500 Beschäftigte. Erst im Jahr 1954 erfolgte die endgültige Übergabe des Betriebes in Volkseigentum. Von nun an nannte er sich VEB Schwermaschinenbau S. M. Kirow. Von jetzt an setzte eine ständige Erweiterung des Firmenareals ein. Die Grundstücke auf der gegenüberliegenden Seite der Naumburger Straße Nummer 25-31 sowie der parallel dahinter liegenden Makranstädter Straße Nummer 8 wurden in den 1950er Jahren dem Kirowwerk einverleibt und zum Teil entsprechend umgebaut. Zu diesem Aus- beziehungsweise Umbau gehörte auch die Schließung eines Abschnittes der Naumburger Straße für den öffentlichen Verkehr. Geschützt durch mächtige Eisentore konnte in ihrem Bereich von nun an der Werksverkehr ungehindert rollen. Zu den eben erwähnten Arealen kamen in späteren Jahren noch die Werke in Böhlitz-Ehrenberg und Lindenau hinzu. Nach der Wende, 1990, wurde das Gelände der Firma in der Naumburger Straße 28 auch durch die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft verwaltet. Der damals noch zum TAKRAF (Tagebau-, Kran- und Förderanlagen-Kombinat) gehörende Betrieb hatte zu diesem Zeitpunkt circa 4 000 Beschäftigte. Die durch politische und wirtschaftliche Veränderungen bedingten Absatzschwierigkeiten und der daraus resultierende Produktionsrückgang führten zu Massenentlassungen und Kurzarbeit. 1991/92 gab es keine Hoffnung mehr auf eine Privatisierung des Betriebes in der alten Form. Verschiedene Massenaktionen der IG Metall führten dazu, dass etwa 1 500 Mitarbeiter versuchsweise in einer Auffanggesellschaft, der Bildungs- und Beschäftigungsgesellschaft mbH (BiB), integriert werden konnten. In Zusammenarbeit mit dem Amt für 225 Wirtschaftsförderung und den Gewerkschaften entwickelte die BiB für das Gelände an der Naumburger Straße 28 die Konzeption für einen Gründer- und Gewerbehof. Sie pachtete die Gebäude von der TLG und setzte bei Umbau- und Sanierungsmaßnahmen vornehmlich ehemalige Kirow-Werksangestellte ein. Im Entwicklungsund Jahr 1993 wurde die frisch gegründete Sanierungsgesellschaft mbH Plagwitz (ESPG) Eigentümerin, Bauherrin und Verwalterin des Gründer- und Gewerbehofes. Hauptgesellschafter dieser GmbH ist die Stadt Leipzig (60% der Anteile), die restlichen Anteile halten (zu je 20 %) die Industrie- und Handelskammer Leipzig sowie die Handwerkskammer Leipzig: ”Die ESPG soll die Stadtteilerneuerung von Plagwitz und Umgebung konzeptionell vorbereiten, öffentliche und private Akteure in den Erneuerungsprozess einbinden und die Ziele der [städtischen] Bauleit- und Sanierungsplanung zügig umsetzen.” 61 Im Jahr 1993 konnte bereits der erste Bauabschnitt (Straßenfront) übergeben werden, Ende 1995 der zweite Bereich (Haus A) und 1998 der dritte (Haus B). Das Nutzungskonzept sieht eine Durchmischung von Handwerk und Gewerbe aus den Bereichen der Metall-, Holz- und Papierverarbeitung sowie dem Dienstleistungssektor vor, die heute umgesetzt ist. Ein kleiner Teil des TAKRAF-Kombinats – nämlich das ursprüngliche Unternehmen von Unruh & Liebig – konnte sich an anderem Ort erhalten. Nachdem die Koehne Gruppe das alte Kirowwerk beziehungsweise eine „Restbelegschaft“ von etwa 180 Fachkräften übernahm und an der Spinnereistraße 13 – im benachbarten Lindenau – einen neuen Unternehmenssitz bauen ließ.62 61 ”Gründer- und Gewerbehof Plagwitz” ; Hrsg. Entwicklungs- und Sanierungsgesellschaft Leipzig-Plagwitz mbH; Leipzig 1995; S.13. 62 „Im Leipziger Elsterland...“ ; S.74ff. sowie im Internet unter http://www.kirow.de/. 226 Swiderski63 Namen des Objektes: Phil. Swiderski Maschinenfabrik (1888); Leipziger Dampfmaschinen- und Motorenfabrik vormals Ph. Swiderski (um 1897); Maschinenbau-Actiengesellschaft vormals Ph. Swiderski (ab 04.01.1900), Industriewerke GmbH (ab 16.10.1916); Friedrich Georg Spieß [Druckmaschinen] (seit 01.03.1921); VEB Bogenanlegerwerk Leipzig (ab 1953); VEB Druckmaschinenwerke Leipzig (ab 01.01.1960)64 Industriezweig: Produktion von Dampfmaschinen, Petroleummotoren und Gasmoteren [ab 1921 Druckmaschinen] Gründungsjahr: Unternehmen 1867 (in der Reudnitzer Straße, ab 1871 in der Thalstraße), Sitz in Plagwitz, Zschochersche Straße 78 seit 1888 Damalige Adresse: Zschochersche Straße 78, zwischenzeitlich umbenannt in Carl-Goerdeler-Straße (1945-‘52), später in Philipp-Müller-Straße (1953-‘91)65 Heutige Adresse: zurück umbenannt in Zschochersche Straße 7866 Momentane/r bauliche/r Zustand/Nutzung: BZ 4/5; Leerstand. Befindet sich im Besitz der Rübesam Verwaltungs-GmbH. Baumeister beziehungsweise Architekt/en: Der Gründer und langjährige Besitzer Otto Ludwig Philip Swiderski ließ meist den Maurermeister Eduard Steyer für sich arbeiten. Die anfallenden Zimmermannsarbeiten wurden dabei häufig durch Friedrich Wilhelm Pfefferkorn ausgeführt. In späteren Jahren wird Carl Brömme zum Teil als Maurermeister beauftragt und bei zwei Projekten wird in den 1890er Jahren der ” Civilingenieur” Paul Ranft engagiert. Ansonsten geht die Firma in späteren Jahren dazu über, anstehende Bauprojekte durch die eigene Bauabteilung erledigen zu lassen. Kurzbeschreibung des Objektes Abmessungen: Das Areal der Firma Swiderski in Plagwitz umfasste eine Fläche von ungefähr 15 000 Quadratmeter, wovon etwa 6000 Quadratmeter bebauter Grund waren. 63 „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück No.78 a. d. Zschocherschen Straße | No. 111 Abt. C des Brdverf.-kat. | Besitzer: Swiderski Vol. I. ergangen: 1888.“; und folgende. 64 „ Acten des Rathes... Swiderski... Vol. I-III... ergangen: 1888 u.a.“ ; diverse Blätter sowie Herrmann; S.85. 65 „ Acten des Rathes... Swiderski... ergangen 1888 u.a.“ ; diverse. Blätter und „Lexikon Leipziger Straßennamen“ , 1995; S.230. 66 „Lexikon Leipziger Straßennamen“ , 1995; S.230. 227 Bauweise: Bei der Bebauung des Plagwitzer Grundstücks fanden – bei den Montagehallen – neben herkömmlichem Verbundmauerwerk für die Außenmauern von Anfang an auch gusseisernen Säulen als tragende Elemente der Bauten sowie Glas als lichtspendende Dachabdeckung Verwendung. Für die kleineren Bauten der Lagerschuppen wurde häufig auf einfache Holzkonstruktionen als tragende Strukturen zurückgegriffen. Schmiede und Kesselhaus hingegen waren durch Mauerwerk und gusseiserne Säulen in Ummantelung mit Ziegeldachabdeckung gekennzeichnet. Hauptsächlich verwendete Materialien: Ziegel, Eisen, Glas, aber auch Holz, Dachpappe und Putzmörtel fanden Verwendung. Bau- und Firmengeschichte: Der in Marienburg geborene Firmengründer Otto Ludwig Philip Swiderski, Jahrgang 1836, kam nach einem äußerst umfassenden Studium in Berlin, Karlsruhe, Essen, St. Anna in Westfalen und St. Denis bei Paris im September 1867 nach Leipzig, um sich hier selbständig zu machen. Die erste Fabrik des Unternehmens befand sich in der Reudnitzer Straße, doch bereits 4 Jahre später, 1871, siedelte sie in einen größeren Neubau in der damaligen Thalstraße – heute Talstraße67, über. Als sich auch dieses Areal als zu klein erwies, wählte Swiderski 1888 einen Standort in Plagwitz aus, der mit einer Fläche von circa 15 000 Quadratmeter über genug Raum für seine Firma verfügte. Die Weitläufigkeit ermöglichte eine rein nutzungsorientierte Gestaltung der Fabrikgebäude, die seinerzeit als ”Musteranstalt” angesehen wurde, die ”...b ereits fünfmal ohne wesentliche Änderungen kopiert worden ist.” 68 Am 14. Januar 1888 stellte Swiderski den Bauantrag zu einem Fabrikgebäude, einem Kesselhaus nebst Schornstein, einem Pissoir, einem Portiershaus, einem Koksschuppen und einer Schmiede69 auf seinem Grundstück an der Zschocherschen Straße 78. Mit der Projektierung und Ausführung beauftragte er Eduard Steyer. Bei dem Fabrikgebäude handelte es sich um eine 110 Meter lange und 20 Meter breite Montagehalle mit basilikaler Anlage – bestehend aus zwei Seitengalerien und einem als Oberlicht dienenden, erhöhten Glasdachreiter über dem Mittelteil. Diesem sehr funktionalen Montierraum wurde ein schmales Vordergebäude für das Kontor vorgelagert, welches nicht nur die Büroräume beherbergte, sondern mit seiner aufwendig gestalteten Turmfassade parallel dazu Werbefunktion für den Betrieb übernahm. In demselben Jahr wurde ein Präzisionshammer und ein Wasserröhrenkessel der Düsseldorfer Firma Ratinger 67 ”Lexikon der Leipziger Straßennamen” , 1995; S.206. ”Die Großindustrie des Königreich Sachsen...” , Bd.II, 1893; S.413ff. (eigene Zählung). 69 ” Acten des Rathes... Swiderski... Vol. I... ergangen: 1888“ ; Blatt 1ff. 68 228 Röhrenkessel im Neubau aufgestellt. 1891 baute Steyer eine ” Einfriedigung” in Form einer flachen Mauer mit darauf installiertem eisernen Zaun. Ein Jahr später, 1892, sollte er für Swiderski einen Übersetzungsbau auf dem Kontorgebäude errichten, im April jenes Jahres dann ein 11-achsiges, eingeschossiges Lagergebäude für Swiderski, das in Abmessungen und Aussehen der 1888 umgesetzten Montagehalle gleichen sollte. Das Gebäude wurde in einem Abstand von circa 20 Metern, parallel zu dem Bau von 1888 umgesetzt, was im Jahr 1897 einen neuen, besonderen Kunstgriff ermöglicht. Nachdem Steyer drei Schuppen, ein weiteres Pissoir, eine zweite Eisengießerei sowie eine Modelltischlerei für Swiderski realisiert hatte, wurde die Freifläche des Zwischenraumes einfach mit einer Stahl- und Glaskonstruktion überdacht, wodurch mit einfachsten Mitteln und geringstem Kostenaufwand ein weiterer Produktionsraum geschaffen entstadn. Mit dieser Aufgabe betraute Swiderski allerdings nicht Eduard Steyer, sondern den ” Civilingenieur” Paul Ranft . In den nun folgenden Jahren entstanden auf dem Firmengelände lediglich kleinere An- und Umbauten, die beinahe ausnahmslos von Steyer projektiert und ausgeführt wurden. Lediglich eine Abtritterweiterung (1900) und ein ” Lichtpaushäuschen” auf dem Dach des Kontorgebäudes (1901) wurden von Friedrich Wilhelm Pfefferkorn sowie eine neue Grubenanlage (1900) von Otto Wilhelmy gebaut. Interessant ist allerdings, dass auf einer Zeichnung zur Kesselhauserweiterung von 1897 Philip Swiderski zwar noch als Verantwortlicher unterzeichnet, das Unternehmen aber bereits die Bezeichnung Leipziger Dampfmaschinen und Motorenanstalt vormals Philip Swiderski trägt.70 Dazu finden sich in den Akten keine Erklärungen. Am 3. Januar 1900 beschließt die Generalversammlung eine neuerliche Umbenennung der Firma in Maschinenbau-Actiengesellschaft vorm. Philip Swiderski und bittet ”... zur Vermeidung von Verzögerungen nur di ese Adresse im Verkehre mit uns zu benutzen.“ 71 Es ist also anzunehmen, dass die Firma Mitte der 1890er Jahre in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, wobei Swiderski sicher – ebenso wie auch die Herren Unruh und Liebig 1899 beim Verkauf ihrer Firma72 – den Löwenanteil der Aktien behielt, denn alle Schreiben und Veränderungspläne der Firma wurden weiterhin von ihm abgezeichnet. Auch nach 1900 gab es keine spektakulären Neubebauungen auf dem Firmengelände: 1901 errichtete Steyer einen Öllagerschuppen, 1903 wurde eine 70 ” Acten des Rathes... Swiderski... Vol. II“ , Blatt 96. ” Acten des Rathes... Swiderski... Vol. II“, Blatt 168. 72 Vgl. auch den Abschnitt Unruh und Liebig, im Katalog dieser Arbeit! 71 229 Sauggeneratorenanlage installiert (ohne Nennung eines Verantwortlichen Baumeisters),73 1904 baute die Firma selbst einen Eisenspäneschuppen, 1908 projektierte Zimmermeister Bastämer Nachfolger einen Holzlagerschuppen, die Firma selbst ein kleines Ladehäuschen und Steyer einen zweigeschossigen Modellschuppen. 1909 sollte Carl Brömme ein Briefarchivhäuschen auf das Dach des Kontorgebäudes bauen. Im Jahr 1910 entstanden durch die Firma selbst ein Wetterschutzdach und ein Gießereiformsandschuppen und im Jahr 1913 ein Fahrradeinstelldach und einen weiteren Öllagerschuppen. ”Nach der Auflassungserklärung vom 16. Oktober 1916 geht das Grundstück in das Eigentum der ”Industriewerke GmbH” über, im Grundstück sesshaft“ .74 Ab dem 1. März 1921 war der Ingenieur Friedrich Georg Spieß Besitzer des Grundstücks und der Fabrik. Er stellte die Produktion komplett auf die Produktion von Druckereimaschinen um. Durch Spieß gibt es ein paar kleinere Aufträge zu Umbauarbeiten an den Architekten Koppe. Außerdem wurde der Antrieb der gesamte Produktion sehr schnell und extensiv auf Strom umgestellt, indem immer mehr Elektromotoren Aufstellung fanden. 1938 wurde ein Teil der am Rand des Grundstücks liegenden Schmiede durch Franz Hermann Törpsch75 beziehungsweise den Architekten Steinmüller abgebrochen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem etwa 70% der Bausubstanz durch Bombenangriffe schwer beschädigt worden waren(1943/44), ging man rasch an den Wiederaufbau des Unternehmens, das ab 1952 von der Stadt Leipzig treuhänderisch verwaltet wurde. Ein Jahr später, 1953, übernahm der VEB Polygraph bereits die Verwaltung der Firma und im Zuge der allgemein üblichen Kombinatsbildung in der Volkswirtschaft der DDR in den 1960er und ‘70er Jahre wurde das Werk 1960 als Betriebsteil III dem VEB Druckmaschinenwerke Leipzig eingegliedert. Nach der Wende und der Wiedervereinigung wurde das Gelände von der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft mbH verwaltet und Mitte der 1990er Jahre, wie viele andere Grundstücke in Plagwitz, an den Münchner Investor Manfred Rübesam veräußert. In diesem Bereich des Stadtviertels – zwischen Markranstädter und Naumburger sowie zwischen Zschocherscher und Gießerstraße – ist Rübesam heute nahezu alleiniger Grundstückseigner.76 73 ” Acten des Rathes... Swiderski... Vol. III“ , Blatt 1. ” Acten des Rathes... Swiderski... Vol. III“ ; o.A. 75 Vgl. dazu den Abschnitt Törpsch im Katalog dieser Arbeit! 76 Vgl. die Abschnitte Sack; Törpsch und Weithas Nachf. im Katalog dieser Arbeit! 74 230 Konsumbäckerei77 Namen des Objektes: Bäckerei des Konsumvereins Leipzig und Umgebung (ab 1889), VEB Backwarenkombinat (seit 1970), Jugendamt der Stadt Leipzig und andere private Nutzer (seit 1994). Industriezweig: Großbäckerei mit Mühle (zweitgrößter Bäckereibetrieb Deutschlands – 1907) Gründungsjahr: 1889. Der Konsumverein Leipzig hatte sich bereits 1884 gegründet und in der Jahnstraße 85-89 (seit 1956 Industriestraße)78 angesiedelt. Fünf Jahre später beschloss man, auf dem rückwärtig gelegenen und 1889 angekauften Grundstück in der parallel verlaufenden Braustraße 26 (seit 1903 Naumburger Straße)79 eine konsumeigene Bäckerei zu errichten. Die Bauakte ergeht jedoch erst 1897 und die hier gemachten Angaben legen eine Bebauung des Grundstücks im Jahr 1899 nahe. Damalige Adresse: Braustraße 2680 Heutige Adresse: Naumburger Straße 2681 Momentaner baulicher Zustand/Nutzung: Ausnahmsweise ist hier die Nichtübereinstimmung der damaligen und der heutigen Adresse von geringem Belang für Rückschlüsse auf den Bauzustand, denn es handelt sich hier bei dem Wandel um eine schlichte Umbenennung der Straße im Jahr 1903.82 Für alle wichtigen Gebäude gilt BZ 1 (1994). Einige kleinere Schuppen wurden beräumt. Baumeister beziehungsweise Architekt/en: Neben den Herren Koch und Föll vom Konsumverein selbst, die einen Teil der weniger anspruchsvollen Baumaßnahmen (zum Beispiel Kohleschuppen und ähnliches) durch das konsumeigene Konstruktionsbüro projektierten, wurde der Architekt Richard Hagemann (1899 drei viergeschossige Haupt-, Lager- und Hofgebäude, Pferdestall und Kessel- und Maschinenhaus) für die Projektierung der wesentlichen Bauabschnitte der Erstbebauung beschäftigt. Für die ”... gußeisernen Säulen sowie die schmiedeeisernen Binder...” zeichnet das Büro Heyne & Weickert (”Inh. I ngenieur G. Otto Heyne; Techn. Bureau; Leipzig” ) verantwortlich. Die Blitzableiteranlage war, wie beinahe überall in Plagwitz, von 77 „ Acten Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück No. 26 an der Naumburger Brau Straße | 64 D Abth.B des Brdverf.Kat. | Besitzer: Konsum-Verein Plagwitz & Umg. Sit.: Bl.6. Vol I. ergangen:1897“ ; und folgende. 78 ”Lexikon Leipziger Straßennamen” , 1995; S.109. 79 A.a.O.; S.154. 80 Ebd. 81 Ebd. 82 Ebd. 231 Otto Ehrling installiert und die Klosetts und Grubenanlagen übernahm das Büro M. Friedrich & Co., Bureau für gesundheitstechnische Anlagen (Weststraße 27). Auf den Plänen von Hagemann taucht mitunter auch die Unterschrift eines Ingenieurs namens Behrens beziehungsweise ” P. B.” auf. Ebenso auf den neuerlichen Plänen Hagemanns von 1901, die einen schmiedeeisernen Verbindungsgang zwischen Konsumzentrale und Konsumbäckerei über dem Anschlussgleis der Bahn entwerfen. Nach dem Großbrand Ende Juni 1903 wird der gesamte Wiederaufbau vom Architekturbüro Heyne & Weickert übernommen. Für die übrigen Arbeiten (Klosett, Blitzableiter) greift man auf die bereits früher für die Konsumbäckerei tätigen Firmen und Fachleute Otto Ehrlings und M. Friedrichs zurück. Zusätzlich lässt der Konsumverein durch die Herren G. Johannes und K. Arnold 1905 eine Rohrbrunnenanlage einbauen. Kurzbeschreibung des Objektes Abmessungen: sind in etwa vergleichbar mit dem Grundstück der Firma Unruh & Liebig,83 also circa 7 500 Quadratmeter bebaute Grundfläche. Bauweise: Bereits in den Bauten von 1899 tauchen explizit erwähnt: ”... gußeiserne Säulen sowie schmiedeeiserne Binder...” auf. Was natürlich zu jener Zeit nicht mehr sehr außergewöhnlich war. Neben diesen in tragender Funktion verwendeten Eisenkonstruktionen im Inneren findet sich im Bereich der tragenden Außenmauern vorwiegend herkömmliches Verbundmauerwerk. Hauptsächlich verwendeten Materialien: Eisen, Ziegel, Mörtelputz, Glas, Holz und Dachpappe. Bau- und Firmengeschichte: Bei der historischen Aufarbeitung gibt es ein Problem, was die Datierung beziehungsweise die eindeutige zeitliche Einordnung der Bau- und Firmengeschichte anbelangt: Während die Literatur den Erwerb und die Bebauung des Grundstücks in der Naumburger Straße 26 durch den Konsumverein in Form einer Bäckerei auf die Jahre 1889: „Bis auf das Lagergebäude waren die Bauten im Oktober 1889 rohbaufertig.“ 84 beziehungsweise 189085 verlegt, beginnen die Bauakten zum dortigen Grundstück erst 1897 und die Bebauung daselbst mit Bäckereigebäuden sogar erst 189986. In diesem Jahr wurden laut Akten drei viergeschossige Gebäude zur Straße und im Hof nebst einem Kessel- und Maschinenhauses durch den 83 Vgl. auch den Abschnitt Unruh & Liebig in dieser Arbeit! So zum Beispiel in: Herrmann; S.71. Eine ähnliche Aussage a.a.O. S.68. 85 So in: ”Im Leipziger Elsterland” , 1998; S.55. 86 ” Acten des Rathes... Konsum-Verein... Vol. I... ergangen: 1897“ . Gleich am Beginn der Akte ist von diesen Gebäuden die Rede (nach dem Bau eines Kohlenschuppens). 84 232 Architekten Richard Hagemann beantragt, genehmigt und gebaut. Zum Bau des Kessel- und Maschinenhauses und dabei insbesondere zur Konzeption und Anbringung von dessen eisernen Träger- und Bindersystem werden Heyne und Weickert vom Technischen Bureau; Leipzig; Inh. Ingenieur G. Otto Heyne herangezogen. In diesem Zusammenhang wird auch eine Klosett- und Grubenanlage von M. Friedrich & Co.; Bureau für gesundheitstechnische Anlagen (Weststraße 27) installiert und Otto Ehrling bringt einen Blitzableiter am Schornstein an. Die eben bereits zitierte Literatur gibt für das Jahr 1889 den „...Kauf des Grundstücks Braustraße (Naumburger Straße 26) Errichtung der Bäckerei des Konsum-Vereins....“ 87 an. Nach gründlicher Revision der vorliegenden Bauakten muss aber unbedingt das Jahr 1899 als Beginn für die große Bebauung des Grundstücks festgehalten werden. Möglicherweise wurde im Jahr 1889 bereits der Ankauf getätigt, die Bebauung erfolgte jedoch erst ein Jahrzehnt danach. Art und Umfang der Bebauung von 1899 schließen die mögliche Konklusion – bei diesen Bauanträgen habe es sich um nachträgliche Folgebebauungen gehandelt – eindeutig aus. Das bedeutet, das Jahr 1899 muss apodiktisch als Datum der Grundstückserstbebauung gelten. Eine These, die auch durch einen Blick auf die sonstige Entwicklung des Konsum-Vereins Plagwitz und Umgegend untermauert werden kann, denn erst um die Jahrhundertwende setzte eine tatsächlich fulminante Expansion dieses Unternehmens ein.88 Am 26. Juni 1903 vernichtete ein Großbrand einen Teil der Bäckereigebäude auf dem Gelände der Naumburger Straße 26. Bereits zwei Monate später fällte man die Entscheidung, alles bis zur Decke des Erdgeschosses abzutragen und wieder neu aufzustocken. Am 31. August 1903 wurden von Heyne & Weickert die Pläne für den Wiederaufbau eingereicht: Vorgesehen war der Wiederaufbau des Vordergebäudes (Straßenfront) sowie eines Seitenflügels. Dabei gab es von seiten des Konsums lediglich ein Problem: Man versuchte, den Einbau eines zweiten Treppenhauses aus Kostengründen zu umgehen, stieß dabei aber beim Bauordnungsamt auf wenig Verständnis. Vorschrift waren Treppenhäuser im Abstand von 30 Meter. Da der Abstand im vorliegenden Fall jedoch 36 Meter betrug, bestand man von Amtsseite auf den Einbau eines zweiten, neuen Treppenhauses, was ein dreiviertel Jahr später, am 21. September 1904, von der Bauprüfung auch abgenommen wurde. Der 87 88 Herrmann; S.68. A.a.O.; S.68ff. 233 Klosetteinbau erfolgte wieder durch die Firma M.Friedrich & Co und der Blitzableiter wurde von Otto Ehrling installiert. In den folgenden Jahren unternahm der Konsum-Verein beziehungsweise die Konsumbäckerei lediglich kleinere Bauvorhaben, wie ein Tischlereigebäude (1905/1906); den Einbau eines Verbrennungsofens (1906); eine Wasserreinigungsanlage (1906); einen neuen Backofen (1907), einen Automobilschuppen (1910) und den teilweisen Umbau des Pferdeschuppens zur Remise (1913). Einen Teil dieser Arbeiten übernahmen Heyne & Weickert, die übrigen Bauten wurde durch die Konsumbäckerei selbst ausgeführt. Im Jahr 1907 war die Plagwitzer Konsumbäckerei der zweitgrößte Bäckereibetrieb in Deutschland. Es waren 121 Arbeitskräfte angestellt, die einen Umsatz von 3 600 000 Mark erwirtschafteten. Davon allein 2 800 000 Mark für Brot, (mehr als 78 % des Gesamtumsatzes). Durch den Großbrand und die so erzwungenen Modernisierung war die Bäckerei der Konsumgenossenschaft in Leipzig-Plagwitz zu einer der produktivsten ihrer Zeit geworden. Im direkten Anschluss an den Ersten Weltkrieg wurde 1918/1919 umgebaut und vergrößert. Anfang der 1920er Jahre erweiterte und modernisierte man die technische Ausstattung um 23 Backöfen und drei neue Wirkmaschinen. Ende der 1920er Jahre erreichte die Produktion Spitzenwerte89. In den 1930er Jahren übernahm eine regimetreue Geschäftsführung die Genossenschaftsbäckerei und beschäftigte fortan ausschließlich Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei. Nach 1945 waren die Kriegsschäden recht gering und der Komplex konnte bald wieder genutzt werden. Im Jahr 1946 wurde die Bäckerei durch einen Befehl der Sowjetischen Militär Administration Deutschlands (SMAD) betreffs der Neubildung der Genossenschaften dem Konsumverein Leipzig zugeordnet. Im Jahr 1970 wurden – entsprechend der allgemeinen Kombinatsbildung – sowohl Bäckerei als auch Mühle aus dem Verband der Konsumgenossenschaft heraus gelöst und dem VEB Backwarenkombinat als Betriebsteil III angeschlossen. Die Bauakten der damaligen Jahre sind voll von Rekonstruktionsmaßnahmen auf dem Gelände. Sie beginnen mit einem Festigkeitsnachweis der Bausubstanz (1969), es erfolgte der Abbruch und Neubau des Kesselhauses (erster Bauabschnitt 1969, zweiter Bauabschnitt 1973), die Rekonstruktion der ehemaligen Transformatorenstation (1979), die Rekonstruktion des Bäckerei-, sowie des Mühlenaufzuges (1985) und als letzte Maßnahme vor der Wende die Rekonstruktion des Konditoreiaufzuges (1989). 89 Vgl. ” Plagwitz...”, 1986; S.72! 234 Nach der Wende, 1992, wurden die Abbruchgenehmigungen für diverse Hofgebäude (zum Beispiel Schornstein und Kesselhaus) erteilt. Neuer Besitzer und Investor wurde Diplomingenieur Gerhard Prüfling90, der gleichzeitig auch für den nun folgenden Um- beziehungsweise Ausbau der Gebäude in den Jahren 1992 bis 1994 im wesentlichen als verantwortlicher Architekt unterzeichnete: So auch die Baupläne zum Einbau einer ölbefeuerten Heizungsanlage und eines ”Büro- und Gewerbezentrums Leipzig-Plagwitz” in die Gebäude der ehemaligen Konsumbäckerei. Außerdem ist er verantwortlich für die Konzeption und Ausführung des Einbaus einer Bäckerei und einer Gastronomie im Westflügel des vorhandenen Gebäudekomplexes. Den Akten liegen noch diverse Brandschutzgutachten, Schreiben und Pläne bei, aber im Wesentlichen kann die bauliche und betriebliche Entwicklung damit als vorerst abgeschlossen betrachtet werden. Heute wird das sanierte Gebäude mit seiner restaurierten Außenfassade – zur Straße wie zur Hofseite hin – hauptsächlich vom Jugendamt der Stadt Leipzig aber auch von einigen privaten Firmen genutzt. An dieser Stelle sei ein kurzer Hinweis auf das rückwärtig gelegene Gebäude der Konsumzentrale erlaubt. In den Jahren zwischen 1928 und 1932 von Fritz Höger entworfen und umgesetzt, zählt es infolge seines Entstehungszeitraumes nicht zu den hier untersuchten Objekten, aber bei diesem Gebäudekomplex handelt es sich zum einen um eines der bedeutendsten Zeugnisse der Architektur der späten 1920er Jahre, die Leipzig zu bieten hat, zum anderen handelt es sich hierbei um den einzigen Industriebau, für den ein durch sein modernes Bauen überregional renommierter Architekt von außerhalb nach Leipzig verpflichtet wurde. Aus besagten Gründen sei diese kleine Reminiszenz auf die so nahe gelegene, kostbare Perle der Backsteinarchitektur der ausgehenden 1920er Jahre an dieser Stelle erlaubt. Die Genossenschaft des Konsums hat sich ja bis in unsere heutige Zeit behaupten können und so ist es nur naheliegend, dass der Konsum auch der gegenwärtige Eigner dieses einzigartigen Gebäudes ist. Seit einigen Jahren bemüht er sich um eine moderate und nachhaltige Sanierung und Erneuerung des Baudenkmals. Seit dem Frühjahr 2000 präsentiert sich zumindest die interessante Straßenfront mit ihren spektakulären Fensterreihungen aus kleingliedrigem Schüsselglas in restauriertem Zustand und auch die Treppenhäuser und die Festsäle konnten gleichermaßen engagiert wie schonend restauriert, saniert und rekonstruiert werden. 90 Anschrift: Dipl. Ing. Gerhard Prüfling; Pfistermeierstraße 53 in Amberg. 235 Kratzsch & Pozzi (Schlothof)91 Namen des Objektes: Leipziger Dampfseifenfabrik Kratzsch & Pozzi (ab 1898); VEB Pharmazie (seit 1961); VEB Mineralstoffgemische (ab 1967); VEB Pumpen- und Gebläsewerk (ab 1970/71) und Schlothof (seit 1996) Industriezweig: Seifenherstellung Gründungsjahr: 1898 Damalige Adresse: Brau- beziehungsweise Naumburger Straße 44 (die Umbenennung der Straße erfolgte 1903)92 Heutige Adresse: Naumburger Straße 44 Momentane/r bauliche/r Zustand/Nutzung: BZ 1 (seit 1996) / Wohnen, Einzelhandel und Kleingewerbe Baumeister beziehungsweise Architekt/en: Im Grunde eine sehr simple Aufschlüsselung, da die Bebauung dieses Grundstücks im wesentlichen in einem Stück in den Jahren 1898/99 erfolgte. Die Anträge wurden von Carl Brömme als Bauverantwortlichem unterzeichnet. In der späteren Geschichte des Unternehmens hat es dann nur noch kleinere bauliche Veränderungen beziehungsweise Ergänzungen durch Oscar Schöppe (Blitzableiteranlage 1899), M. Friedrich & Co (Sanitäranlage 1899), Robert Hoppe (Dampfheizungsanlage 1904), den Architekten Curt Zweck (Luftschutzkeller 1943), die Architekten Bock und Paatzsch (“Elevator“ 1946), Architekt Johann Nicolussi-Moretto (Umbauarbeiten 1957) und durch die Maurermeisterin Johanna Pinter (Schwammsanierung 1981) gegeben. Kurzbeschreibung des Objektes Abmessungen: circa 2 000 Quadratmeter Grundstücksfläche, von dieser Fläche ist reichlich die Hälfte bebaut worden – also circa 1 200 Quadratmeter Bauweise: Verbundmauerwerk im Innern mit eisernen Stützen- und Trägerkonstruktionen, Dachkonstruktion aus Holz beziehungsweise auch hier zum Teil Verwendung von Eisenkonstruktionen, außerdem in einigen Bereichen mit Ziegeln ausgewölbte Tonnen zwischen den Stahlträgern. Hauptsächlich verwendete Materialien: Ziegel, Eisen beziehungsweise Stahl, Holz, Glas, Dachpappe und Schieferschindeln. 91 „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück No. 44 an der Naumburger StraßeNo. 72D Abt. B des Brdverf.-kat. | Besitzer: Wilh. Kratzsch [Bd.: I.] ergangen: 1898“ ; und folgende. 92 ”Lexikon Leipziger Straßennamen” , 1995; S.154. 236 Bau- und Firmengeschichte: Im Gründungsjahr der Firma beantragte Wilhelm Kratzsch am 15. August, ihm die Genehmigung zum Bau einer ” Dampf-SeifenFabrikanlage” zu erteilen.93 Zu dieser Fabrikanlage sollten ein Vorderwohnhaus, ein Portiershaus, ein Fabrikgebäude, ein Kessel- und Maschinenhaus, ein Dampfschornstein, ein Werkstattgebäude, ein Pferdestall und ein Lagerschuppen gehören. Die Projektierung und Bauausführung lag bei Maurermeister Carl Brömme. Im März beziehungsweise Juli des darauffolgenden Jahres erfolgte bereits die Abnahme dieses Bauvorhabens. Zu diesem Zeitpunkt trug die Firma bereits den Namen Kratzsch & Pozzi. An diese Bauunternehmung waren auch die Installation einer Blitzableiteranlage durch Oscar Schöppe und die sanitäre Ausstattung der Gebäude durch die Firma M. Friedrich & Co Bureau für gesundheitstechnische Anlagen geknüpft. Fünf Jahre später, 1904, wurde vom Nachbarn Robert Hoppe eine Dampfheizungsanlage eingebaut. Mit ihm verfassten Kratzsch & Pozzi 1914 eine wechselseitige Einverständnis- beziehungsweise Verzichtserklärung, dass sie vom jeweils anderen (Nachbarn) nicht verlangen, die baurechtlich festgelegten 4,50 Meter Bauabstand von der Grundstücksgrenze einzuhalten. 1925 wurde der erste Elektromotor aufgestellt. Ende 1938 fand ein Besitzerwechsel statt, der aber das Mietverhältnis von Kratzsch & Pozzi nicht berührt. Das Grundstück wechselte laut Bauakten ”... mit allen Nutzen und Lasten...” vom Besitz Elisabeth verwitwete Schaupmeiers in den Besitz Alfred Oswald Wilhelms über. Eine Aussage darüber, seit wann Kratzsch & Pozzi Mieter auf dem Gelände sind, wurde in den Bauakten nicht vermerkt. 1943 sollte Brömme einen Eisenbetonbehälter für die Mersollagerung bauen und im gleichen Jahr wurde der Architekt Curt Zweck mit der Konstruktion einer Werkluftschutzanlage beauftragt. Kurz nach dem Krieg, 1946, sollten die Architekten Bock und Paatzsch einen “Elevator“ bei Kratzsch & Pozzi installieren und ein Jahr später das Hofgebäude aufstocken. Dieser Antrag wird nur vorbehaltlich der eindeutigen Klärung der Entnazifizierung der Architekten gewährt, welche natürlich umgehend erfolgt. Außerdem müssen Kratzsch & Pozzi nachweisen, ob die notwendigen Baustoffe vorhanden sind und woher sie diese haben. 1948 muss die Klärgrube im Hof wegen dringender Einsturzgefahr neu überwölbt werden. 93 ” Acten des Rathes ... Kratzsch... Bd. I, ergangen: 1898“ ; Blatt 1. 237 Nach dem Krieg kommt es erst 1956 zu Umbauarbeiten für den Einzug des VEB Pharmazie durch den Architekten des BDA (Bund Deutscher Architekten) Johann Nicolussi-Moretto. Bis zu diesem Zeitpunkt existieren aber auch immer noch Schreiben der Firma Kratzsch & Pozzi. Etwa zehn Jahre später, 1967, findet sich ein datiertes Schreiben an den VEB Mineralstoffgemische unter identischer Adresse in den Bauakten.94 Ab 1971 wurde das Areal – laut Bauakte – vom VEB Pumpen- und Gebläsewerk, das seinen Hauptsitz in der Leipziger Klingenstraße 16 hat, genutzt. Dieser Betrieb ließ noch im selben Jahr, 1971, eine UnterflanschKatzlaufbahn unter der Bauleitung des Kollegen Kiunke in Eigenleistung im Hof einbauen. Die Literatur gibt eine Eingliederung des Grundstücks mit seiner Bebauung in das Kombinat VEB Pumpen- und Gebläsewerk Leipzig jedoch bereits für das Jahr 1965 an.95 Im Jahr 1981 muss durch Maurermeisterin Johanna Pinter eine umfassende Schwammsanierung und der Einbau elektroosmotischer Dämmanlagen durchgeführt werden. Im gleichen Jahr kommt es zur Aufstellung eines Drehkrans in Eigenleistung des Pumpen- und Gebläsewerkes. 1992 wurde in einem Schreiben vom Pumpen- und Gebläsewerk der Antrag auf Genehmigung einer ”... Flüssiggasanlage mit Schornsteinsanierung ...” gestellt.96 Zwischen diesem nicht mehr umgesetzten Bauantrag und dem Kauf des Grundstücks durch den Geschäftsführer der SPECTRAL Gesellschaft für Lichttechnik – Herr P.H.Neuhorst – aus Freiburg (1995), wurde das Gelände von der Treuhand- Liegenschaftsgesellschaft mbH verwaltet. Direkt nach dem Ankauf durch SPECTRAL wurden die Gebäude des sogenannten Schlothofs in den Jahren 1996/97 saniert beziehungsweise durch eine sanft rückbauende Restaurierung in ihren hervorragenden heutigen Zustand versetzt.97 Der Schlothof, der seinen Namen schon vor langer Zeit aus dem Volksmund wegen seines überlangen Schornsteins verliehen bekam, ist heute ein vorbildliches Beispiel für behutsame, auf Originalzustände zurückführende und doch auch Neues sowie moderne Infrastruktur integrierende Restaurierung eines Industriearchitekturensembles und seiner zeitgemäßen Umnutzung für Wohnen und kleineres Gewerbe in historischem Ambiente. 94 ”Der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig .... Kratzsch & Pozzi; ergangen [1952]“ ; nicht numeriertes, am Ende der Akte lose eingelegtes Schreiben. 95 Herrmann; S.82. 96 ”Der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig .... Kratzsch & Pozzi; ergangen [1952]“ ; lose eingelegtes Schreiben. 97 Dipl. Ing. Marion Goldmann: „Der Schlothof“ in: „ BauSanierung“ , Nr. 3/97; 1997; S.12ff. und hier besonders S.15. 238 Törpsch98 Namen des Objektes: Hermann Törpsch (seit 1888 beziehungsweise 1902); Deutsche Kugellagerfabrik Fabrik GmbH (ab 1907); Eisenkontor Sachsen – Abteilung Schrott, Metalle und Maschinen vorm. Törpsch (seit 1948); VEB Schwermaschinenbau S.M.Kirow (ab 1953/54) Industriezweig: Eisen- und Maschinenhandel (Törpsch bis 1948), zeitweilig ”Fabrikation von Kugellagern” (1906-??)99, nach 1948 Metall- und Schrotthandel; später (1953) Eingliederung in VEB S.M.Kirow als Verzinkerei, nach 1990 stillgelegt, heute im Besitz des Münchner Investors Manfred Rübesam / Leerstand Gründungsjahr: 1888 wird die Firma Hermann Törpsch gegründet. Die Bebauung des Grundstücks Naumburger Straße 25 beginnt jedoch erst im Jahre 1898 beziehungsweise 1901. Damalige Adresse: Braustraße beziehungsweise Naumburger Straße 25100 Heutige Adresse: Naumburger Straße 25 Momentane/r bauliche/r Zustand/Nutzung: Das Gebäude steht seit geraumer Zeit leer und verwahrlost dadurch zusehends. Der bauliche Zustand ist zwischen BZ 5 und BZ 6 anzusiedeln, da bereits beträchtliche Schäden vorhanden sind (stark verwahrloster Zustand, größere Dachschäden, Auftreten von Nässe und Feuchtigkeit, teilweise brüchiges Mauerwerk usw.) – auf jeden Fall stehen hier die sicher beachtlichen Sanierungskosten dem möglichen späteren Nutzen als nur gering einträgliche Gewerbefläche entgegen. Aus architektonischer, architekturhistorischer beziehungsweise denkmalpflegerischer Sicht ist ein Abriss in keinem Falle wünschenswert, das bislang fehlende Nutzungskonzept lässt den ” Wunsch”-Gedanken einer möglichst baldigen Sanierung aber eher unrealistisch erscheinen. Baumeister beziehungsweise Architekt/en: Der Maurermeister Franz Bettzieche baute die Hofeinfriedung nebst Toreinfahrt, der Architekt Alfons Berger sollte einen Fabrikneubau errichten, dieses Projekt kam aber nicht zur Ausführung, denn das übernahm dann das Architektenduo Händel & Franke. 98 „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück No 25 an der Naumburger Straße | No 96 Abt. B des Brdverf.-kat. | Besitzer : Törpsch, H. [Franz Herrmann] Pächter (Deutsche Kugellagerfabrik) Band I. ergangen: 1898“ ; und folgende. 99 ” Acten des Rathes der Stadt...Törpsch, Vol. I, ergangen: 1898“ ; Schreiben vom 26.04.1907 mit entsprechen ausgestaltetem Briefkopf und siehe S.248 im Text dieser Arbeit! 100 ”Lexikon Leipziger Straßennamen” , S.154. 239 Diverse Kleinigkeiten wie Schuppen und ähnliches wurden von Baumeister Walter Schneider, vom Architekten Rammer und vom Zimmermann Richard Schladik erledigt. Kurzbeschreibung des Objektes Abmessungen: die Gesamtgrundfläche beläuft sich auf circa 7 500 Quadratmeter, davon wurden insgesamt nur circa 2 000 Quadratmeter mit diversen Gebäuden bebaut, da die Freifläche als Lagerplatz genutzt wurde. Bauweise: Ziegelverbundmauerwerk unter Verwendung von eisernen Stützen und Bindern, aber auch bereits mit ” Eiseneinlagestücken” im horizontalen Bereich der Geschossdecken. Zur weitestmöglichen Vergrößerung der Fenster aber auch zur Eröffnung gestalterischer Möglichkeiten wurde die Mauerstärke stark vertieft. Zur Gestaltung der Fassade wurde hier dementsprechend hauptsächlich mit plastischer Durchbildung, sprich Vertiefung und Höhung der Ziegelwand, anstelle der sonst üblichen Putzbänder oder Sandsteinversatzstücke, gearbeitet. Hauptsächlich verwendete Materialien: Ziegel, Fensterglas, Dachpappe, Holz und Eisen. Bau- und Firmengeschichte: Zwar geht die Gründung der Firma laut Literatur und Akten auf das Jahr 1888 zurück, die Bauakten beginnen jedoch erst mit dem Jahr 1898, in welchem der Maurermeister Franz Bettzieche im März eine Toreinfahrt und eine Einfriedung um das Grundstück von Franz Hermann Törpsch baute.101 Zunächst wurde das Grundstück von seinem Besitzer eine Weile als Lagerplatz ohne jegliche Bebauung genutzt. Wie lange lässt sich nur mutmaßen, die Bauakten legen allerdings einen Beginn der Bebauung erst ab 1898 nahe. Im August 1901 legte der Architekt Alfons Berger einen aufsehenerregenden Entwurf eines 11-achsigen, dreigeschossigen Jugendstilbaus für die Firma Törpsch vor. Dieser kreative und ausgesprochen ungewöhnliche Entwurf wurde jedoch mit fünf recht dürftigen, beinahe fadenscheinig anmutenden Beanstandungen durch den Bauinspektor Bastine abgelehnt: ”Das eingereichte Bauprojekt ist unzulässig, weil: 1. durch das geplante Einrücken der Straßenfrontmauer zu den Nachbargrenzen nicht nur den Verkehr störende, sondern auch unschöne Ecken entstehen würden, 101 ” Acten des Rathes der Stadt...Törpsch, Vol. I, ergangen: 1898“ ; Deckel und die ersten Blätter, sowie Dr. Joachim Pröhl: „ Leipzig in alten Ansichten. Kleinzschocher, Schleußig und Plagwitz“ ; Zaltbommel/Belgien 1996; Punkt 71. 240 2. die Überleitung der Straßenflucht in die Gebäudeflucht aus verkehrssicherheitlichen Gründen als unzweckmäßig bezeichnet werden muß, 3. die einzige, in alle Geschosse führende Treppe erheblich mehr als 30 Meter von dem gegenüberliegenden Giebel entfernt ist, 4. die Giebel nicht die im vorliegenden Fall erforderlichen Stärken besitzen und 5. die Frontpfeiler nicht in ausreichender Weise durch Brüstungsmauern ausgesteift sind. Leipzig, den 19. August 1901 P. Bastine, Bauinspektor” 102 Trotz der recht leicht behebbaren, ”kleinen Mängel” der Bastine’schen Liste wurde damals – beinahe zeitgleich – bereits im September desselben Jahres durch die Architekten Händel & Franke ein völlig anderes Neubauprojekt für Törpsch eingereicht und umgesetzt. Das Konzept dieses Baus sowie seine alsbaldige Genehmigung und Umsetzung offenbaren den eigentlichen Ablehnungsgrund für Bergers Projekt: es war schlechterdings zu verspielt, zu modern und vor allem anderen äußerlich zu wenig konform mit der übrigen Bebauung beziehungsweise Gestaltung der Fassaden der Straße. Bei dem Entwurf von Händel & Franke handelte es sich um einen optisch ganz traditionell strukturierten 13-achsigen und viergeschossigen Fabrikbau mit Klinkerfassade. In der Projektierung ist davon die Rede, dass das Gebäude für Lagerzwecke, Kontor und Wohnungen dienen soll. Das mutet insgesamt merkwürdig an, zieht man die enorme Mauerstärke, die großen Fenster, die Eisenverstärkungen der Zwischendeckenkonstruktionen und die zahlreichen statischen Berechnungen in Betracht. Es wird jedoch schnell verständlich, wenn man bedenkt, was in welch großen Mengen gelagert werden sollte. Dementsprechend belegen die Akten auch eine Nutzung des Gebäudes im Sinne des ursprünglichen Vorschlages als Metallwaren- und Maschinenlager für die folgenden Jahre. Im Jahr 1901 installierte Otto Ehrling einen Blitzableiter und das Grundstück bekam eine Schleusenanlage. Die endgültige Bauabnahme des Fabrikbaus erfolgte am 21.6.1902. 1906 wurde von Baumeister Walter Schneider ein Schornstein, ein Ofenhaus und ein Lokomobileschuppen für die Deutsche Kugellagerfabrik projektiert und umgesetzt, die als Pächterin des Törpsch’en Grundstücks zeichnete. 1907 baute Walter Schneider eine Abortanlage an das Treppenhaus des Vorderhauses an. 102 ” Acten des Rathes der Stadt...Törpsch, Vol. I, ergangen: 1898“ ; o.A. 241 Der Zimmermann Richard Schaldik versah das Grundstück im Jahr 1911 mit einem neuen Schornstein, einer neuen Desinfektionsanlage, einem neuen Lokomobileschuppen und einem neuen Blitzableiter. Im gleichen Jahr noch baute der Architekt Rammer für die Firma einen Feuerlagerschuppen. Interessant sind in dieser Zeit die Eigentumsverhältnisse auf dem Grundstück. Es gibt Phasen, in denen die Deutsche Kugellagerfabrik sich um alles kümmerte, ohne dass Törpsch auf Plänen, Protokollen und Anträgen auch nur auftauchte. Dann wieder übernahm Törpsch alle Verantwortung und ist alleinig Unterzeichnender verschiedenster Unterlagen. Fakt ist jedoch, dass er durchgehend als Eigentümer des Grundstückes genannt wird103, auch wenn hierbei die Bezeichnungen mit denen er tituliert wird, zwischen ”Kaufmann”, ”Besitzer des Grundstückes” oder ”Besitzer der Fabrik/des Unternehmens” wechseln. Aufschlußreich sind aber ebenfalls die Grundstücks- beziehungsweise Eigentumsverhältnisse der angrenzenden Liegenschaften: Törpsch kaufte nach und nach die benachbarten Grundstücke in Richtung Osten (Naumburger Straße 23) sowie auf der gegenüberliegenden Straßenseite (Naumburger Straße 24) auf und nutzte diese benachbarten Grundstücke als Lagerplatz beziehungsweise deren vorhandene Bebauung als Lager- und Produktionsgebäude. So wurde beispielsweise das Gebäude der Nummer 23 kurz nach dem Ankauf durch Törpsch, der allerdings erst 1936 erfolgte, durch den Architekten Jacobi leicht umgebaut und via Durchbruch mit der Nummer 25 intern verbunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen zunächst weiterhin als Lager- und Sammelstelle – nun allerdings entsprechend der schlechten Versorgungslage – vorwiegenden für Schrott und Altmetall genutzt. Später dann wurden die Grundstücke im Zuge der Kombinatsbildung zuerst dem VEB Schwermaschinenwerk S.M.Kirow übereignet, welcher wiederum selbst einige Zeit später im Kombinat TAKRAF (Tagebau-, Kran- und Förderanlagen) aufging.104 Heute ist das Stammgebäude sowie das Gelände der ehemaligen Firma Franz Hermann Törpsch in der Naumburger Straße 25, wie auch die ehemaligen Firmen C.F.Weithas Nachf., Swiderski und Teile des Areals von Rudolph Sack im Besitz des Münchner Investors Manfred Rübesam.105 103 So erscheint Törpsch auf sämtlichen Aktendeckeln des städtischen Bauaktenarchives, sowie in allen Akteninhalten als Besitzer der Naumburger Straße 25 (später auch 23, zeitweise sogar auch Naumburger Str. 24). 104 Vgl. auch im Abschnitt Unruh & Liebig des Katalogteils dieser Arbeit! 105 Vgl. dazu auch jeweils die Abschnitte zu den Unternehmen Weithas Nachf., 242 Weithas & Nachfahren106 Namen des Objektes: C. F. Weithas Nachf. Industriezweig: Stahlbau Gründungsjahr: 1895 Damalige Adresse: Gießerstraße 29 respektive Markranstädter Straße 8 Heutige Adresse: Gießerstraße 29 respektive Markranstädter Straße 8 Momentane/r bauliche/r Zustand/Nutzung: BZ 1 (1997) und BZ 3. Im Jahr 1997 erfolgte eine Sanierung der substantiellen baulichen Schäden und ein zurückhaltender, nutzungsgerechter Innenumbau der großen Montagehalle zur Go-Cartbahn. Man verzichtete generell auf eine Reinigung der Fassade und andere „Verschönerungsmaßnahmen“ zugunsten einer nutzungs-orientierten Bausicherung. Die große Montagehalle wird seit 1998 entsprechend als GoCartbahn genutzt, in einem der Seitenbereiche des Gebäudes ist ein Reifenhandel untergebracht und einige Schuppen auf dem Gelände stehen weiterhin leer, die Freiflächen dienen als Parkplätze. Baumeister beziehungsweise Architekt/en: Bei den verschiedenen Bauvorhaben auf dem Gelände der Firma C. F. Weithas Nachf. ist in außergewöhnlichem Umfang die Firma selbst tätig geworden. Das hatte zum einen sicher Kosteneinsparungserwägungen zur Ursache, rührte aber andererseits einfach daher, dass es sich um eine Stahlbaufirma handelte, die bis auf Maurer- und Dacharbeiten aus Holz alle anfallenden Arbeiten ohne erheblichen Aufwand durch die eigene Bauabteilung projektieren und durchführen lassen konnte. Bei den Bauvorhaben, die nicht durch die Firma erledigt wurden, gibt es aber auch keinen erkennbaren ”Hausarchitekten oder maurermeister” , wie das bei anderen Firmen erkennbar wurde. 1895 war Eduard Steyer für Weithas tätig, 1910 ging der Auftrag für einen Schuppen und ein Unterbringungsgebäude für die Arbeiter an den Architekten Ernst Erich Franke. 1928 entwerfen die Architekten Kleitz & Zimmer ein zweigeschossiges Arbeiterwohlfahrtsgebäude für Weithas. Hierbei ist der Baumeister Walter Schneider für die Ausführung zuständig. Bei diversen anderen Bauvorhaben werden von der Firma die Baumeister Treusch, Neumann, Horn und George zur Ausführung hinzugezogen. 106 Swiderski und Rudolph Sack im Katalogteil dieser Arbeit! „ Acten des Rathes der Stadt Leipzig | in Baupolizeisachen über das Grundstück No.8 an der Markranstädter Straße | No. 113 B Abt. C des Brdverf.-kat. | Besitzer: Fa. Weithas Nachf. Band I. ergangen: 1895“ ; und folgende. 243 Kurzbeschreibung des Objektes Abmessungen: Das Areal der Firma C.F.Weithas Nachf. hatte in etwa die Größe des nahegelegenen Grundstücks der Firma Swiderski – also rund 7000 Quadratmeter.107 Die Bebauung erfolgte allerdings nicht in der dort beobachteten Weise als koordinierter und in seiner Gesamtheit schlüssig durchdachter Komplex, sondern wie bei vielen der übrigen hier untersuchten Betriebe als ein Konglomerat von nach und nach entstandenen, den jeweiligen Gegebenheiten und Bedürfnissen entsprechend angepassten Gebäuden. Hierbei wurde auch der hohe Anteil an bebauter Fläche von über 50 % – wie wir ihn bei Swiderski vorfinden – nicht ganz erreicht. Bauweise: Bei der Bebauung des Grundstücks fanden bei den Montagehallen neben herkömmlichem Verbundmauerwerk für die Außenmauern ähnlich wie bei der Firma Swiderski108 von Anfang an auch gusseiserne Säulen als tragende Elemente der Bauten sowie Glas als lichtspendende Dachabdeckung Verwendung. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass die 1897 für Swiderski gebaute gläserne Hofüberdachung sowie seine bereits 1888 fertiggestellte Montagehalle als Vorbild für die Konzeption der 1910/12 errichteten dreischiffigen Montagehalle der Firma C.F.Weithas Nachf. gedient haben. Für die kleineren Bauten der Lagerschuppen wurde häufig auf einfache Holzkonstruktionen als tragende Struktur zurück gegriffen. Schmiede und Kesselhaus hingegen waren durch Mauerwerk und gusseiserne Säulen in Ummantelung mit Ziegeldachabdeckung gekennzeichnet. Hauptsächlich verwendete Materialien: Beim Bau der Montagehallen fanden Ziegel, Eisen und Glas Verwendung, aber es wurden natürlich auch Holz, Dachpappe und Putzmörtel – vor allem beim Bau der verschiedenen Lager- und Arbeitsschuppen – herangezogen. Bau- und Firmengeschichte: Die Bauakte beginnt mit dem Antrag des Maurermeister Eduard Steyer vom 14. Oktober 1895, in welchem er nachsucht, auf dem Lagerplatz der Firma (ein Name der Firma wird übrigens nicht erwähnt) ein fünf- beziehungsweise sechsachsiges, zweigeschossiges Wohnhaus nebst einem eingeschossigen Schuppen errichten zu dürfen. Zwei Monate später wollte die Firma C.F.Weithas Nachf. sich selbst eine freitragende Wellblechhalle auf dem hinteren Teil des Grundstücks – in Richtung der Zschocherschen Straße – bauen. Diese Halle konnte bereits ein halbes Jahr später fertiggestellt und abgenommen werden. 107 108 Vgl. dazu auch den Abschnitt Swiderski im Katalogteil dieser Arbeit! Vgl. nochmals mit dem Abschnitt Swiderski im Katalogteil dieser Arbeit! 244 Im Mai 1899 sollte auf der Ecke Gießer/Markranstädter Straße ein eingeschossiger Projektionsschuppen mit einem halboffenen Vordach gebaut werden, der zur Markranstädter Straße sechsachsig und zur Gießer Straße zweibeziehungsweise vierachsig ausgelegt war. Bereits im Juli desselben Jahres ist der Rohbau dieses Werkstattgebäudes fertiggestellt und Anfang Januar 1900 erfolgte seine Schlussabnahme. Anfang Mai 1905 wurde ein ”... Lokomobile-Schuppen...” samt Schornstein durch die Firma selbst hinter der Werkstatt gebaut. Der Rohbau stand bereits am 18. Mai und die Schlussabnahme fand lediglich 2 Monate später, am 15. Juli 1905, statt. Doch schon ein Jahr später gab es Differenzen zwischen der Baubehörde und der Firma, weil C.F.Weithas Nachf. sich ohne Antrag und Genehmigung einfach eine eigene Elektrizitätsanlage eingebaut hatten. Dieses Vorgehen wird vom Unternehmen mit den zwingenden Umständen begründet: Bisher hatte man sich durch die nachbarlichen Schumann’schen Elektrizitätswerke mit Strom versorgen lassen, aber diese Firma kündigte 1906 überraschend die Stromlieferung und begründete dies wiederum mit angeblichem Eigenbedarf. Im Jahr 1910 lenkte Alfred Thieme, der damalige Chef der Firma C.F.Weithas Nachf., im Streit mit der Stadt um die Elektrizitätsabnahme ein. Thieme teilte mit, dass man den Strom nun doch nicht selbst produzieren wolle sondern gedächte, ihn vom Städtischen Elektrizitätswerk zu beziehen. Aus diesem Grund wäre demnach auch der Bau eines Kesselhauses obsolet. Im gleichen Jahr reichte das Unternehmen ein ”Vorprojekt” ein, bei welchem sich eine Hallenerweiterung als Verlängerung bereits bestehender Bauten an der Gießerstraße befinden sollte. Im Mai 1910 schrieb die Firma, dass sie dieses Projekt zur Ausführung bringen wolle: ”Die Umfassungen werden massiv, die Konstruktion in Eisen ausgeführt und die Dächer werden mit Pappe beziehungsweise Glas gedeckt.” 109 Die Abmessungen der dreischiffig angelegten Jugendstil-Galeriemontagehalle sollten 38,40 x 27,50 Meter betragen. ”Die Beleuchtung erfolgt durch Ober- und Seitenlicht.” 110 Die Pläne sowie die statischen Berechnungen stammten alle von C.F.Weithas Nachf. selbst und sind vom ”... Chef d. Fa.: Generalkonsul Alfred Thieme ...” 111 unterzeichnet. Die Schlussprüfung erfolgte am 25. März 1912. Im gleichen Jahr sollte durch den Architekten Ernst Erich Franke an der Markranstädter Straße ein nach Norden, also zur Grundstücksinnenseite hin 109 ” Acten des Rathes... Fa. Weithas Nachf., Band I, ergangen 1895“ ; o.S. A.a.O.; o.S. 111 A.a.O.; o.S. 110 245 offener Schuppen sowie eine zweigeschossige, sechsachsige Unterbringung für Meister und Gesellen (10,00 x 32,60 Meter) gebaut werden. Anfang des darauffolgenden Jahres waren diese Bauten bereits fertiggestellt. 1918 ging ”Das Grundstück Markranstädter Straße 8 (Weithas Nachf. Thieme) ... nach not. Urkunde vom 7.12.1918 in das Eigentum der offenen Handelsgesellschaft in Firma C.F.Weithas Nachf. in Leipzig ... über.” 112 1928 ließ Thieme, der immer noch Verantwortlicher Leiter der Firma war, eine Wellblechbaracke zur Unterbringung von Arbeitern durch die Firma selbst aufstellen. Außerdem projektierten in diesem Jahr die Architekten Kleitz & Zimmer einen zweigeschossigen, vierachsigen Steinbau zur Nutzung als Arbeiterwohlfahrtsgebäude errichten. Für die Bauausführung und Fertigstellung bis zum September 1928 zeichnete der Baumeister Walter Schneider verantwortlich. Im Jahr 1934 wurde die sechs Jahre zuvor aufgestellte Wellblechbaracke wieder abgerissen. 1936 baute die Firma selbst ihr Bürogebäude um und errichtete eine zum Teil überdachte Verlängerung (45 Meter) der Kranbahn bis zum Ende des Firmengrundstücks. Im Bereich der Überdachung sollte die Bahn – durch das Einziehen von Fachwerkwänden an den Seiten – zu einer Halle ausgebaut werden. Bereits ein Jahr darauf, 1937, wurde die Galeriemontagehalle um 23 Meter verlängert. Im dazugehörigen Anschreiben spricht die Firma von: ”Verlängerung des Seitenschiffes...” 113 1938 baute man die bisherige Leutestube zur Pförtnerwohnung aus. Im Jahr 1944 baute die Firma selbst, unter der Aufsicht von Baumeister Treusch – hinten an der Markranstädter Straße – ein Lohnbürogebäude. Dabei betonte man ausdrücklich, dass sämtliches notwendige Material „... aus den Bestä nden der Firma...“ 114 tatsächlich vorhanden ist. Der Mangel der Kriegsjahre spricht aber auch aus der miserablen Qualität der Zeichnungen beziehungsweise des Papiers, auf dem sie angefertigt wurden. Außerdem ist der Akte zu entnehmen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits Teile der Firma als Folge von Kriegsbombardierung abgebrannt sind. Nach dem Zweiten Weltkrieg, ab den 1950er Jahren,115 gehörte auch das Gelände von C. F. Weithas Nachf. zum VEB Schwermaschinenbau S. M. Kirow116 und Mobildrehkrane – Elektro. Hydr. (”Eisenbahn112 ” Acten des Rathes... Fa. Weithas Nachf., Band I, ergangen 1895“ ; o.S. ” Acten des Rathes... Fa. Weithas Nachf., Band II, ergangen 1934“ ; Blatt 100. 114 ” Acten des Rathes... Fa. Weithas Nachf.”, Band III, ergangen: 1936“ ; o.A. 115 Herrmann; S.92. 116 Vgl. dazu auch den Abschnitt Unruh & Liebig im Katalogteil dieser Arbeit! 113 246 Motorgreifer...” 117). Die Briefköpfe waren alle mit dem TAKRAF (Kombinat für Tagebau-, Kran- und Förderanlagen) Logo versehen, was als übergeordnete Instanz respektive als Kombinatsoberbegriff fungierte, dem ja der Betrieb S. M. Kirow und somit auch die ehemalige Firma C.F.Weithas Nachf. eingegliedert worden waren. Seit Mitte der 1990er Jahre ist das Gelände der ehemaligen Firma C.F.Weithas Nachf., wie auch das Areal der Firma Törpsch und der Firma Swiderski118 im Besitz des Münchner Investors Manfred Rübesam, der es von der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH gekauft hat. Die große Montagehalle ist seit 1998 an den Betreiber einer Go-Cart-Bahn verpachtet. Eines der Seitengebäude wird von einem Reifenfachgeschäft als Lager- und Verkaufsraum genutzt. 117 ” Acten des Rathes... Fa. Weithas Nachf.”, Band III, ergangen: 1936“ ; ohne Numerierung, lose eingelegtes Blatt. 118 Vgl. dazu auch die Abschnitte Törpsch sowie Swiderski im Katalogteil dieser Arbeit! 247 Verzeichnis der Architekten und Baumeister Brömme, Carl & Felix Bei den beiden Brömmes handelt es sich um Vater und Sohn, die zeitweise ein gemeinsames Unternehmen als Maurermeister betrieben haben. Es ist davon auszugehen, das der Sohn Felix nicht vor 1880 und der Vater Carl nicht nach 1910 als Maurer aktiv waren. Für die Firma Rudolph Sack: 1868 - Erweiterung des Wohn- und Fabrikbaus an der Karl-Heine-Str. 95 1879 - Zwischengebäude für die Produktion an der Weißenfelser Straße 1880 - Modernisierung eines Produktionsgebäudes (Öfen und Schornsteine) Weißenfelser Str. 1881 - fünf Gießereihallen mit glasüberdachten Zwischenräumen an der Karl-Heine-Str. 97-99 1882 - Wohn- und Magazinhaus, ein Schuppen und ein Werkstattgebäudes 1883 - Erweiterungen diverser Produktionsgebäude auf dem Firmenareal 1886 - zweigeschossiges Kegelhauses mit Fremdenzimmern am Kanal; Karl-Heine-Str. 97 1891 - Erweiterung des Gießereigebäudes an der Weißenfelser Str. 67 1894 - Gießereihalle an der Karl-Heine-Str. 103/105 1909 - Abriss und Neubau der Schlosserei an der Karl-Heine-Str. 103/105 Für die Firma Mey & Edlich: 1896 - Verlegung einer Einfahrt an der Nonnenstraße Für die Firma Meier & Weichelt: Brömme ist sozusagen der Hausbaumeister der Firma, denn bis auf wenige Ausnahmen baut Carl Brömme alle auf deren Gelände an der Gießerstraße 8-10 befindlichen Gebäude. 1878 - zweigeschossiger Gießereischuppen 1880 - einen Koks- und Kohleschuppen und ein neues Temperwerk mit Glühofen und Esse 1883 - eine neue Gießerei, ein neues Fabrikgebäude und einen Schuppen 1884 - 14-achsiger, zweigeschossiger Formereineubau 1887 - Anbau einer eingeschossigen Formerei an die Tiegelöfen beziehungsweise an die sie seit 1883 ersetzenden Cupolöfen 1888 - Erweiterung des Formereineubaus von 1884 um die Grundgröße 1892 - Umbau der Putzerei 1893 - zweimalige Erweiterung der Formerei 1895 - Gießereierweiterung 1896 - Gießereineubau Für die Firma Brehmer: 1913 - kleinere Projektierungsarbeiten für die Architekten Händel & Franke Für die Firma Unruh & Liebig: Carl und Felix Brömme führten lediglich einige unbedeutende Bauaufträge für die Firma aus. Für die Firma Philip Swiderski: In späteren Jahren wird Carl Brömme zum Teil als Maurermeister beauftragt. So z.B. 1909 - Aufbau eines Briefarchivhäuschens auf das Dach des Kontorgebäudes Für die Firma Kratzsch & Pozzi (Schlothof): 1898/99 - Bebauung des gesamten Firmenareals an der Naumburger Straße 44 in einem Stück mit einem Vorderwohnhaus, einem Portiershaus, einem Fabrikgebäude, einem Kessel- und Maschinenhaus, einem Dampfschornstein, einem Pferdestall, einem Werkstattgebäude und einem Lagerschuppen 1943 - Einbau eines Eisenbetonbehälters als Mersollager 248 Händel & Franke Dieses Architekturbüro ist durch die neue Teilhaberschaft des Architekten Theodor Franz Franke (1862-1931) nach dem Tod Pfeiffers im April 1893 aus der Architektengemeinschaft Pfeiffer & Händel hervorgegangen. Die Arbeit der beiden Büros – also Pfeiffer & Händel sowie Händel & Franke – ist darum auf das engste miteinander verbunden, zumal Franke auch schon einige Zeit vor dem Tode Pfeiffers (nämlich seit 1888) Angestellter des Architekturbüros Pfeiffer & Händel gewesen war. Darum beachte man in diesem Zusammenhang auch den Abschnitt zum Architekturbüro Pfeiffer & Händel! Für die Firma Dambacher & Mügge: 1900 - nicht realisiertes Projekt eines Werkstattgebäudes nebst Kesselhaus Für die Firma Mey & Edlich: 1907 - Ausführung des bereits 1904 in ähnlicher Form beantragten Projektes eines in Stahlbetonbauweise ausgeführten Erweiterungsbaus an der Nonnenstraße Für die Firma Tittel & Krüger: 1897 - Erweiterung der Kammgarnspinnerei an der Nonnenstraße 21 1898 - zwei Schlossereigebäude, Bau eines Speisesaal- und Garderobengebäudes und Erweiterung des sogenannten „Hochbau West“ auf dem Areal der Nonnenstr. 17-21 1905 - Kesselhauserweiterung an der Nonnenstraße 17-21 1906 - Neubau der Spinnerei II an der Holbeinstraße 14, des sogenannten „Hochbau Süd“ 1912 - Erweiterung des Hochbaus Süd um ein Maschinenhaus 1913 - Übersetzung des Maschinenhauses (1912) um einen 2-geschossigen Fabrikationsbaus 1923 - Umsetzung der 1921 konzipierten Kesselhaus- und Schornsteinanlage Für die Firma Phil. Penin: Im Katalogteil der Arbeit wird diese Firma im Abschnitt zur Firma Tittel & Krüger behandelt, da sie 1926 von dieser aufgekauft wurde. Die errichteten Gebäude blieben zum großen Teil bestehen und wurden einer neuen Nutzung zugeführt. 1899 - 16-achsiger, 4-geschossiger Fabrikerweiterungsbau an der Nonnenstraße 44, sowie zwei zweigeschossige Hofgebäude an den Gleisanlagen und im Hof 1906 - Kohleschuppen, Neubau an der Nonnenstraße 42, Hinterhofgebäudeübersetzung und Übersetzung des Aborts 1913 - ein weiterer 14-achsiger, 4- bzw. 5-geschossigen Fabrikerweiterungsbau mit einem Souterraingeschoss an der Nonnenstraße 44 Für die Firma Brehmer: 1913 - zwölfachsiger, fünfgeschossiger Neubau an der Karl-Heine-Straße 107 Für die Firma Törpsch: 1901 - Bau des 13-achsigen und viergeschossigen Lager-, Kontor- und Wohngebäudes an der Naumburger Straße 25 Heym, Lothar Das Büro des „Civilingeneur[s]“ baut für die Firma Tittel & Krüger im Jahr 1883 eine dreiachsige und dreigeschossige Fabrik, eine neue Färberei, einen Zentrifugensaal und einen Arbeitsraum. 249 Hülssner, Theodor Hülssner ist der ausführende Architekt bei einem der ersten Stahlbetonbauten in Plagwitz. Er leitet die Arbeiten der Firma ”Betonbau – Geschäft feuersicherer Hennebique-Bauwerke” bei der Ausführung des 1907 fertiggestellten Produktionsgebäudes für die Firma Mey & Edlich. Jummel, Ottomar Jummel tritt innerhalb der hier untersuchten Bauten nur ein einziges Mal als Architekt in Erscheinung. So baut er im Jahr 1881 für die Firma Tittel & Krüger ein 16-achsiges und vierbeziehungsweise fünfgeschossiges (mit nutzbarem Souterrain) Speichergebäude an der Nonnenstraße 17. Löbe, Louis Der Maurermeister Louis Löbe übernahm sowohl für die Firma Brehmer als auch ab 1879 dem Jahr des Aussscheidens von Kaspar Dambacher aus der Firma Dambacher & Mügge lediglich kleine, eher unbedeutende An-, Um- und Einbauten wie etwa Schuppen u.ä. Mosenthin, Julius Für die Firma Dambacher & Mügge: 1869 - zweigeschossiger Arbeitsschuppen sowie Schmiede und Erweiterungsneubau an der Alten Straße 29 und Vergrößerung der Eisengießerei Für die Firma Mey & Edlich: 1880 - Ausführung des von Julius Steib projektierten Gewächshauses auf dem Gelände an der Nonnenstraße 5 Pfefferkorn, Friedrich Wilhelm Für die Firma Rudolph Sack: 1867 - zweigeschossiges Wohn- und Fabrikgebäude an der Karl-Heine-Straße 1874 - Bau einer Graugießerei für ”Goettjes & Kaestner” an der Karl-Heine-Straße 103/105 (später durch „Fuchs & Kunad“ noch später durch Sack angekauft) 1875 - Aufstockung des Wohnhauses, Bau eines Schuppens und eines Portierhauses 1879 - eingeschossiger Pferdestall an der Weißenfelser Straße 1882 - 10-achsiger, dreigeschossiger Erweiterungsbau der Graugießerei von 1874 1889 - die erste Sheddachkonstruktion der Firma über der neuen Stahlgießerei Für die Firma Mey & Edlich: 1875 - einen eingeschossigen Papierstreichraum 1879 - eine Kegelbahn und einen Schuppen 1901 - einen Lagerschuppen, den Pfefferkorn zusammen mit Max Pommer errichtet Für die Firma Meier & Weichelt: 1872 - einen Kohleschuppen 1881 - Lagerschuppen Für die Firma Tittel & Krüger: 1895 - Übersetzung des dreigeschossigen Fabrikgebäudes an der Nonnenstraße 42 mit einem ausgebauten Dachgeschoss zusammen mitEduard Steyer 250 Für die Firma Swiderski: Für die Firma Swiderski führt der Zimmermeister Pfefferkorn verschiedenste Zimmerarbeiten. So baute er z.B. im Jahr 1901 ein ” Lichtpaushäuschen” auf das Dach des Kontorgebäudes. Pfeiffer & Händel Dieses Architekturbüro firmierte nach dem Ausscheiden von Pfeiffer ab 1897 entsprechend der neuen Gemeinschaft unter dem Namen „Händel & Franke“. Das bedeutet, dass für die Zeit danach jenes Büro von Interesse ist und dass die hier geleistete Arbeit nach 1897 direkt in die Arbeit jenes Büros überging. Also vgl. auch „Händel & Franke“! Für die Firma Dambacher & Mügge: 1884 - zwei Neubauten für die Eisengießerei 1888/89 - ein neues Kontorgebäude auf dem Gelände der Alten Straße 25 Für die Firma Mey & Edlich: 1884 - Neubau an der Nonnenstraße 12-18 1886 - ein neues Kessel- und Maschinenhaus sowie ein neues Papierlager 1887 - eine fünfgeschossige und 18- beziehungsweise 20-achsige Fabrikübersetzung sowie einen Verbindungsgang zwischen dem Arbeitssaal und der Streicherei 1888 - eine Einfriedung des Grundstücks und eine Garderobenanlage 1889 - ein neues Dampfkessel- und Maschinenhaus Für die Firma Tittel & Krüger: 1888 - ein 16-achsiger, vier- bzw. fünfgeschossiger Fabrikneubau mit Souterraingeschoss an der Nonnenstraße 21 sowie einen Speisesaal und ein Portiershaus nebst einer Einfriedung für das Grundstück Pommer, Max Für die Firma Mey & Edlich: 1895 - eine Übersetzung auf ein kleines Hofgebäude 1901 - ein Lagerschuppen (gemeinsam mit F.W.Pfefferkorn) und eine Durchfahrt Für die Firma Tittel & Krüger: 1911 - zeichnet Pommers Baugeschäft verantwortlich für die Eisenbetonkonstruktion einer von Steyer an den Gleisanlagen projektierten Übersetzung Ranft, Paul Für die Firma Unruh & Liebig: 1898 - einen Erweiterungsbau des zwei Jahre zuvor durch Röthig umgesetzten Neubaus in der Braustraße (heute Naumburgerstraße 28) 1900 - diverse kleiner Erweiterungan- und Aufbauten auf dem Firmengelände Für die Firma Swiderski: Für die Firma Swiderski verwirklicht der „ Civilingenieur“ Paul Ranft eine besonders einfallsreiche Projektierung. 1897 wird durch ihn der Zwischenraum zwischen den beiden 1888 und 1892 durch Eduard Steyer parallel ausgeführten Montagehallen mit eine Glas- und Stahlkonstruktion überdacht und so mit geringsten Mitteln und Aufwand eine neue Produktionsfläche geschaffen. 251 Röthig, Robert Für die Firma Unruh & Liebig: 1896/97 - Neubau einer dreischiffigen Galeriemontagehalle und eines - im rechten Winkel, parallel zur Straßenführung - vorgelagerten Verwaltungsbau an der Naumburger Straße 28 Schelle, Franz Der ” Civilingenieur” Franz Schelle übernahm neben dem Maurermeister Louis Löbe lediglich kleinere An-, Um- und Einbauten (wie Schuppen u.ä.) für die FirmaDambacher & Mügge an der Alten Straße 25-29. Walter Schneider 1928 zeichnete Baumeister Schneider für die Bauausführung eines durch die beiden Architekten Kleitz und Zimmer für die Firma C. F. Weithas Nachf. an der Markranstädter Straße 8 projektierten zweigeschossigen, 4-achsigen Steinbau zur Verwendung als Arbeiterwohlfahrtsgebäude verantwortlich. Steib, Otto und Julius Die Steibs unterhielten einen der großen Baumeisterbetriebe Leipzigs. Sie waren dabei nicht nur im Industriebau tätig, sondern realisierten auch namhafte Projekte der Wohn- und Prachtarchitektur in der Leipziger Innenstadt. Am bekanntesten ist sicher der nach seinem Erbauer, Felix Steib, benannte „ Steibs Hof“(1907) in der Nikolaistraße. Die für Plagwitz wichtige vorherige Generation von Maurer- bzw. Zimmermeistern Otto und Julius Steib errichteten beispielsweise die sogenannte „Italienische Villa“ in der Rosentalgasse 1/3 (1870) sowie die Häuser Rosentalgasse 9 (1854) und 13(1863/64). Für die Firma Mey & Edlich: 1876 - einen dreigeschossigen Flügelanbau auf dem Gelände der Nonnenstraße 3-5 1877 - einen eingeschossigen Arbeitssaal auf dem Gelände der Nonnenstraße 3-5 1880 - einen weiteren eingeschossigen Arbeitsraumanbau sowie die Projektierung des im selben Jahr durch Mosenthin realisierten Gewächshauses auf dem Gelände der Nonnenstraße 3-5 sowie einen 12-achsigen, viergeschossigen Neubau eines „Geschäfts- und Waarenhaus[es]“ an der Nonnenstraße 12-14 1881 - Errichtung einer enormen Ufermauer am Lauf der Weißen Elster 1883 - 8-achsiges, dreigeschossiges unterkellertes Produktionsgebäude an der Nonnenstraße 3-5 Auch für die Firmen Tittel & Krüger sowie Brehmer führten die Steibs kleinere Arbeiten, wie beispielsweise den Bau kleinerer Nebengebäude oder Schuppen, aus 252 Steyer, Eduard Für die Firma Mey & Edlich: 1912 - neue Einfriedungsmauer für Mey und Edlich Für die Firma Tittel & Krüger: 1883 - Bau eines 20-achsigen, zweigeschossigen Fabrikgebäudes, eines Aborts, eines Pferdestalls, eines Schuppens und eines Seitengebäudes auf dem Firmengelände an der Nonnenstraße 42-44; außerdem wird ein Wohnhaus für Penin an der Nonnenstraße 42 gebaut 1884 - wird hinten an den Gleisen ein eingeschossiger Speisesaal gebaut 1886 - neues Wohnhaus für Penin und zweigeschossiger Pferdestall an der Nonnenstraße 42 1887 - Fabrikneubau direkt am Lauf der Elster (Hochbau Mitte) auf dem Gelände der Nonnenstraße 17 1888 - Fabrikneubau (1. Bauabschnitt des Hochbau West) an der Nonnenstraße 21 1889 - 20-achsiges, fünf- bzw- sechsgeschossiges Lager-, Pack- und Kontorgebäude an der Nonnenstraße 17 (Hochbau Nord) sowie Befestigung der Ufermauer dieses Grundstücks, ein Portiershaus an der Nonnenstraße 42 und eine Übersetzung der dortigen Drechselei 1893 - Souterraingebäude mit Oberlichtern vor dem Gebäude an der Nonnenstraße 21 1894 - Übersetzung des Gebäudes am Gleis 1895 - zweiachsige und eingeschossige Reparaturwerkstatt für die Spinnerei auf dem Gelände der Nonnenstraße 19, Erweiterung eines Fabrikgebäudes an der Nonnenstraße 44 sowie außerdem die Übersetzung des dreigeschossigen Fabrikgebäudes an der Nonnenstraße 42 mit einem ausgebauten Dachgeschoss zusammen mit Friedrich Wilhelm Pfefferkorn, der die Holzkonstruktion übernimmt 1896 - ein Wetterdach mit Oberlichtern 1901 - zwei ein- bzw. zweigeschossige Speisesäle und einen Wellblechschuppen im Hof 1907 - kleinerer Umbau der Schlosserei 1911 - Übersetzung der Gleisanlagen in Eisenbeton zusammen mit Max Pommer Für die Firma Swiderski: 1888 - Projektierung und Bau eines Fabrikgebäudes (Montagehalle), eines Kesselhauses nebst Schornstein, eines Pissoirs, eines Portiershauses, eines Koksschuppens und einer Schmiede an der Zschocherschen Straße 78 1892 - Bau einer Lagerhalle, parallel und in den Abmessungen identisch zu der 1888 errichteten Montagehalle 1897 - Bau dreier Schuppen, eines weiteren Pissoirs, einer zweiten Eisengießerei sowie einer Modelltischlerei In den nun folgenden Jahren entstehen auf dem Firmengelände lediglich kleinere An- und Umbauten, die beinahe ausnahmslos von Steyer projektiert und ausgeführt werden. Für die Firma Weithas Nachf.: 1895 - Bau eines 5- bzw.6-achsigen, zweigeschossigen Wohnhauses nebst eines eingeschossigen Schuppens Voigt, Otto Voigt führte lediglich kleinere baulichen Unternehmungen für das Unternehmen Unruh & Liebig aus. 253 Winkler, Louis Für die Firma Dambacher & Mügge: 1865 - Erweiterung des Fabrikantenwohnhauses (vor 1869) an der Alten Straße 29 1869 - Vergrößerung der Eisengießerei (zusammen mit Mosenthin) an der Alten Straße 25 1870 - Anbau eines Kesselhauses auf dem Gelände an der Alten Straße 27 1871 - Bau eines Trockenbodens über der Einfahrt auf das Firmengelände an der Alten Str.27 1872 - Fabrikneubau auf dem Gelände der Alten Straße 27 1873 - rechtsseitiger Anbau an das Wohnhauses Alte Straße 29 Für die Firma Rudolph Sack: Den Kern der baulichen Hüllen des Firmenimperiums von Rudolph Sack haben Pfefferkorn und Brömme geschaffen. Winkler hat lediglich in den Anfangsjahren einen wichtigen Teil dazu beigetragen, der sich allerdings durch spätere Überbauung (z.B. den Neubau von 1912 das heutige Technikcenter GaRaGe) nicht erhalten hat. 1869 - Bau von drei parallelen Produktionshallen, deren zwischenliegenden Hofräume mit Glas überdacht wurden, so entstand zusätzlichen Raum für die Fertigung; außerdem Bau eines Kesselhauses, einer Gießerei und eines Hauses für den Portier Für die Firma Meier & Weichelt: 1871 - Bau einer eingeschossigen Gießerei, und eines zweigeschossigen, unterkellerten Wohnhauses 1873 - Bau eines Pferdeschuppens nebst angrenzenden Waschhauses 254 Gleisanschlüsse in Plagwitz um 1900 Anschluss Nr. 04P72 Strasse und Hausnummer Karl-Heine-Strasse 107-111 Firmensitz um 1900 Gebrüder Brehmer Umbenennung/ Umnutzung ab 1888 Firma A.Heym Parkett- und Stabfussbodenfabrik bzw. zusätzliche Firmen ab 1948 VEB Polygraph ab 1951 VEB Falz- und Heftmaschinenwerk Leipzig ab 1960 Zusammenschluss mit dem VEB Buchbindereimaschinenwerk ab 1984 VEB Polygraph „Bubima“ wird Stammbetrieb des VEB Kombinat Polygraph „Werner Lamberz“ Leipzig heutige Nutzung teilsanierte Gewerbeimmobilie Anschluss Nr. 01P10 Strasse und Hausnummer Engertstrasse 27 Firmensitz um 1900 Fa. R. Foerstendorf, Kaufmann und Kohlehandlung Umbenennung/ Umnutzung bzw. zusätzliche Firmen heutige Nutzung Unitec GmbH Berufsbekleidung Anschluss Nr. 01P10 Strasse und Hausnummer Engertstrasse 13 / Karl-Heine-Strasse 106-108 Firmensitz um 1900 Leipzig Lindenauer Gasanstalt Umbenennung/ Umnutzung ab 1908 Thüringer Gasgesellschaft ab 1942 bzw. zusätzliche Firmen Stadtverwaltung Leipzig, Gaswerke heutige Nutzung teilweise Brache Karl-Heine-Strasse 108: Lemke Autohandel 254 255 Anschluss Nr. 03P20 Strasse und Hausnummer Gießerstrasse 8 und 10 Firmensitz um 1900 Meier & Weichelt Umbenennung/ Umnutzung ab 1948 VEB Leipziger Eisen- und Stahlwerke ab 1966 bzw. zusätzliche Firmen Umbenennung in VEB Gießereianlagen ab 1969 VEB GISAG heutige Nutzung teilsanierte Gewerbeimmobilie Anschluss Nr. 03P20 Strasse und Hausnummer Karl-Heine-Strasse 78-90 Firmensitz um 1900 Rudolph Sack Umbenennung/ Umnutzung ab 1948 VEB Bodenbeaarbeitungsgerätefabrik ab 1969 bzw. zusätzliche Firmen Umbenennung in VEB Bodenbearbeitungsgeräte (BBG) heutige Nutzung Gelände planiert, Aufschüttung des beim Bau der Landebahn Nord des Flughafens gewonnenen Mutterbodens, zur Expo „Jahrtausendfeld“ Anschluss Nr. 04P17 Strasse und Hausnummer Karl-Heine-Strasse 95-99 und 101-105 Firmensitz um 1900 Rudolph Sack Umbenennung/ Umnutzung 1867 Bau des Wohnhauses der Fam. Sack (Nr.95) 1869 bzw. zusätzliche Firmen Bau der Graugie f¸r Landmaschinen 1878 Anschluss an die sächs. Staatsbahn weiter Nutzung siehe Anschluss 03P20 ¦ ¡£ ¡ §¥¤¢  heutige Nutzung teilweise sanierte Gewerbeimmobilie Anschluss Nr. 5aP08 Strasse und Hausnummer Wei Firmensitz um 1900 Grohmann & Frosch Verzinkerei und Wellblechwalzwerk $ # !  ©  ©  © §" ¥§§¢¨ Umbenennung/ Umnutzung ab 1948 VEB Stahlbau und Verzinkerei bzw. zusätzliche Firmen heutige Nutzung z.Zt. unsanierte Industriebrache, vorgesehene Nutzung: Cafe, Restaurant, Büroeinheiten 255 256 Anschluss Nr. 05P10 Strasse und Hausnummer Industriestraße 44-52 Firmensitz um 1900 Westend Baugesellschaft Umbenennung/ Umnutzung ab 1942 Gebrüder Wagner, Fuhrunternehmung und bzw. zusätzliche Firmen Futterhandlung heutige Nutzung unsanierte Brache Anschluss Nr. 08P56 Strasse und Hausnummer Erich-Zeigner-Allee 44 Firmensitz um 1900 Westendbaugesellschaft (Lagerplatz) Umbenennung/ Umnutzung ab 1908 auch H.Matz & Co., Kohlehandlung ab 1942 auch bzw. zusätzliche Firmen G.Alfred Schurich Nutzholz und Holzbau ab 1948 VEB Holzbearbeitendes Handwerk heutige Nutzung Kunststoffzentrum Anschluss Nr. 08P97 Strasse und Hausnummer Erich-Zeigner-Allee 45a Firmensitz um 1900 G.Alfred Schurich, Nutzholz und Holzbau Umbenennung/ Umnutzung ab 1948 Übernahme des Geländes durch die VEB Leipziger bzw. zusätzliche Firmen Bodenbearbeitungsgerätefabrik als Lagerplatz heutige Nutzung Lagerplatz Dachdeckermeister Hoffmann Anschluss Nr. 08P15 Strasse und Hausnummer Alte Straße 27/29 Firmensitz um 1900 Eisengießerei und Maschinenfabrik G. Mügge & Co. Umbenennung/ Umnutzung ab 1942 Pittler Werkzeugmaschinenfabrik AG, Abt. bzw. zusätzliche Firmen Eisengießerei ab 1948 BT des VEB Kyffhäuserhütte heutige Nutzung gewerbliche Nutzung durch verschiedene Firmen (z.Bsp. Niederlassung der Fa. Bast Bau) 256 257 Anschluss Nr. 08P26 Strasse und Hausnummer Ernst-Mey-Straße 6/7 Firmensitz um 1900 Ladestelle 2 und Güterabfertigung der königlichsächsischen Staatsbahn Umbenennung/ Umnutzung bzw. zusätzliche Firmen heutige Nutzung Wohnbebauung Anschluss Nr. 08P45 Strasse und Hausnummer Nonnenstr. 5 bzw. 12-18; Firmensitz um 1900 Mey & Edlich Papierw‰schefabrik Umbenennung/ Umnutzung 1944 Zerstörung der Gebäude Nr. 12-18 bei einem bzw. zusätzliche Firmen Bombenangriff ab 1972 Anschluss an VEB Plastex Delitzsch heutige Nutzung Stadtwerke Leipzig - Umspannstation Anschluss Nr. 08P13 Strasse und Hausnummer Nonnenstrasse 40-44 Firmensitz um 1900 Philiph Penin Gummiwarenfabrik Tittel & Krüger AG Umbenennung/ Umnutzung ab 1926 Übernahme von Penin durch Fa. Tittel & Krüger ab bzw. zusätzliche Firmen 1942 „Wollgarnfabrik Tittel & Krüger“ und „SternwollSpinnerei AG“ ab 1948 Nutzung Nr. 40-42 durch Poliklinik Südwest ab 1952 VEB Leipziger Wollgarnfabrik ab 1967 Zusammenlegung mit der Kammgarnspinnerei (ehemals Stöhr) zum VEB Buntgarnwerke Heutige Nutzung ab 1994 Umgestaltungsmaßnahme zum „Elsterpark“ Anschluss Nr. 08P45 Strasse und Hausnummer Nonnenstr. 30 Firmensitz um 1900 Robert Friedrich, Deutsche Linol-Fu @8 7 & 6 5 3 2 1 ) ( & A9'§§"4§¤0¢'% Umbenennung/ Umnutzung ab 1950 VEB Linol bzw. zusätzliche Firmen Heutige Nutzung Fa. Arnold Veit 257 258 Anschluss Nr. 05P09 Strasse und Hausnummer Industriestraße 68/70 Firmensitz um 1900 Valentiner & Schwarz, Chemische Fabrik Gebrüder Kersten, Baumaterialien Umbenennung/ Umnutzung ab 1942 Gebrüder Kerste auch Kohlehandlung ab 1942 in bzw. zusätzliche Firmen der Nr. 80-84 Fa. Metallschmelzwerk GmbH Heutige Nutzung versch. Kleingewerbe Anschluss Nr. 05P10 Strasse und Hausnummer Industriestraße 62 Firmensitz um 1900 Ladestelle 1 und Güterabfertigung der königlichsächsischen Staatsbahn Umbenennung/ Umnutzung Ab 1908 auch Fa. R. Foerstendorf, Baumaterialienhandlung Bzw. zusätzliche Firmen ab 1942 Deutsche Reichsbahn, Güterabfertigungsstelle Heutige Nutzung im Jahr 2000: Expo-Austellung und Stadtteilpark Anschluss Nr. 09P28 Strasse und Hausnummer Erich-Zeigner-Allee 69-73 Firmensitz um 1900 Friedrich Hermann Pohl, Cartonagenfabrik Umbenennung/ Umnutzung ab 1908 H. Pohl Kartonagenfabrik m. Dampfbetrieb Eigene bzw. zusätzliche Firmen Druckerei, Präge-und Vergolda-Anstalt ab 1949 Firma H.Pohl KG Kartonagenfabrik heutige Nutzung saniertes Gebäude mit gewerblicher Nutzung Anschluss Nr. 09P11 Strasse und Hausnummer Nonnenstrasse 50 Firmensitz um 1900 Hermann Haferkorn & Co. Kohlen Kommissions- und Agenturgeschäft Umbenennung/ Umnutzung ab 1942 zu G.Alfred Schurich, Nutzholz und Holzbau ab 1948 Lagerplatz des VEB Bodenbearbeitungsgeräte-fabrik bzw. zusätzliche Firmen (BBG) heutige Nutzung Wohnbebauung 258 259 Anschluss Nr. 09P12 Strasse und Hausnummer Nonnenstrasse 31 Firmensitz um 1900 Carl Friedrich Weber Holzzement-, Asphalt- und Dachpappen-Fabriken Umbenennung/ Umnutzung seit 1888 auch Groitzscher Rohpappenfabrik GmbH ab bzw. zusätzliche Firmen 1942 VEDAG Vereinigte Dachpappenfabriken AG ab 1949 VEB Leipziger Werkstätten für Möbel und Innenausbau heutige Nutzung unsaniertes Gebäude Anschluss Nr. 06P06 Strasse und Hausnummer Industriestraße 85-95 Firmensitz um 1900 Consumverein Leipzig-Plagwitz und Umgebung Umbenennung/ Umnutzung 1934 Umbenennung in Verbrauchergenossenschaft Leipzig bzw. zusätzliche Firmen GmbH 1946 Neugründung der Konsumgenossenschaft Leipzig-Plagwitz heutige Nutzung Konsumgenossenschaft Leipzig eG Anschluss Nr. 06P7 Strasse und Hausnummer Gießerstraße 16 Firmensitz um 1900 Friedrich Hermann Wilhelm Lack-, Firniss- und Oelfarbenfabrik Umbenennung/ Umnutzung bzw. zusätzliche Firmen heutige Nutzung Gieszerstra Anschluss Nr. 06P41 Strasse und Hausnummer Gießerstraße 18 Firmensitz um 1900 Metallgießerei und Metallwarenfabrik Stoll & Elschner C e d C b C a T` X V U T S I PI C F D C 4f§c04A§CYW'0'RQ§HGEB Umbenennung/ Umnutzung um 1900 Salpeter-Werke AG um 1942 Werkzeugbau der bzw. zusätzliche Firmen Fa. R. Sack heutige Nutzung Kleingewerbe 259 260 Anschluss Nr. 06P41 Strasse und Hausnummer Naumburger Str. 42-48 Firmensitz um 1900 Robert Hoppe Fabrik für schmiedeeiserne Röhren Umbenennung/ Umnutzung um 1900 Kratzsch & Pozzi Leipziger Dampfseifenfabrik bzw. zusätzliche Firmen (Nr.44) um 1900 Pollrich & Co. Maschinenfabrik um 1900 Dr. Heinrich König & Co. Chemische Fabrik heutige Nutzung verschiedene Gewerbebetriebe Anschluss Nr. 06P06 Strasse und Hausnummer Industriestraße 81-83 Firmensitz um 1900 Flügel & Polter Gummiwarenfabrik Umbenennung/ Umnutzung ab 1933 Flügel & Polter GmbH ab 1948 VEB Leipziger bzw. zusätzliche Firmen Gummiwarenfabriken ab 1968 VEB Elguwa Leipzig heutige Nutzung entkernte Industriebrache (vorgesehen als Loft) Anschluss Nr. 06P05 Strasse und Hausnummer Industriestrasse 73 und 77 (HH) Firmensitz um 1900 E. Beck Gas- Apparate und Furagehandlung (Nr. Heinrich Honold Jalousienfabrik Umbenennung/ Umnutzung ab 1948 teilweise Nutzung durch VEB Elguwa bzw. zusätzliche Firmen heutige Nutzung Tischlerei Bodo Kießig Anschluss Nr. 14P01 Strasse und Hausnummer Zschochersche Straße 79c Firmensitz um 1900 Kammgarnspinnerei Stöhr & Co. Umbenennung/ Umnutzung ab 1948 VEB Mitteldeutsche Kammgarnspinnerei (Mika) ab bzw. zusätzliche Firmen 1967 Umbenennung in VEB Buntgarnwerke heutige Nutzung teilsaniertes Industriegebiet mit vielf‰ltiger Nutzung aus Handel und Gewerbe (Werkzeugbau, Kunstkaufhaus, Weinhandlung uva.) 260 261 Anschluss Nr. 14P43 Strasse und Hausnummer Wachsmuthstraße 4 Firmensitz um 1900 Schelter & Giesecke Maschinenfabrik, Polygraphische Maschinen und Aufzüge Umbenennung/ Umnutzung ab 1942 Schelter & Giesecke AG ab 1948 VEB bzw. zusätzliche Firmen Buchdruckmaschinenwerk heutige Nutzung versch. Gewerbe Anschluss Nr. 13P46 Strasse und Hausnummer Markranstädter Stra Firmensitz um 1900 Gebrüder Wetzel Maschinenfabrik t ir q i h 0¥s0p¢g Umbenennung/ Umnutzung bzw. zusätzliche Firmen heutige Nutzung Industriebrache Anschluss Nr. 12P33 Strasse und Hausnummer Markranstädter Stra Firmensitz um 1900 C.F. Weithas Nachfahre t u h v¢g Umbenennung/ Umnutzung ab 1942 C.F. Weithas Nachf. GmbH Eisenwaren ab 1950 bzw. zusätzliche Firmen Angliederung des Grundst¸ckes an VEB Kirow heutige Nutzung Anschluss Nr. 06P37 Strasse und Hausnummer Naumburger Straße 28 Firmensitz um 1900 Unruh & Liebig Umbenennung/ Umnutzung 1899 wird die Firma durch die „Peniger Maschinenfabrik bzw. zusätzliche Firmen und Eisengießerei AG“ übernommen ab 1946 SAG „Podjomnik“ 1952 Namensänderung in VEB S.M. Kirow heutige Nutzung Gewerbehof 261 262 Anschluss Nr. 07P03 Strasse und Hausnummer Zschochersche Straße 78 Firmensitz um 1900 Maschinenfabrik Phillip Swiderski Umbenennung/ Umnutzung um 1908 Maschinenbau AG um 1942 Georg Spie bzw. zusätzliche Firmen Maschinenfabrik ab 1948 VEB Druckmaschinenwerk Leipzig w heutige Nutzung unsanierte Industriebrache Anschluss Nr. 06P41 Strasse und Hausnummer Naumburger Straße 26 Firmensitz um 1900 Consum-Bäckerei Leipzig-Plagwitz Umbenennung/ Umnutzung ab 1946 zur Konsum-Genossenschaft ab 1970 als bzw. zusätzliche Firmen Betriebsteil III zum VEB Backwarenkombinat heutige Nutzung Nutzung durch verschiedene Handels- und Gewerbeeinrichtungen sowie Sitz des Jugendamtes der Stadt Leipzig Anschluss Nr. 06P04 Strasse und Hausnummer Zschochersche Straße 69 Firmensitz um 1900 Max Friedrich & Co. Maschinenfabrik Umbenennung/ Umnutzung um 1942 auch Deutsche Reichspost, Postamt W31 bzw. zusätzliche Firmen heutige Nutzung Deutsche Telekom AG, Schulungszentrum Anschluss Nr. 12P38 Strasse und Hausnummer Markranstädter Straße 4/6 und 8 Firmensitz um 1900 Leipziger Drahtstiftfabrik M. Billhardt GmbH (Nr.4/6) C.F. Weithas Nachf., Eisenhandlung (Nr.8) Umbenennung/ Umnutzung nach 1936 Übernahme des Geländes durch Fa. bzw. zusätzliche Firmen Eberspächer (Nr. 4/6) nach 1948 zum VEB Blechverformungswerk Gelände der Fa. Weithas nach 1950 zum VEB S.M.Kirow heutige Nutzung Teilsanierter Gewerbe-Immobilie 262 263 Anschluss Nr. 13P35 Strasse und Hausnummer Markranstädter Straße 1 Firmensitz um 1900 Ferdinand Kunad Maschinenfabrik Umbenennung/ Umnutzung um 1900 auch Metallfenster GmbH 1917 Übernahme der bzw. zusätzliche Firmen Fa. Kunad durch die Wotan-Werke und der Fa. Metallfenster durch die Fa. Eberpächer ab 1936 Übernahme des gesamten Gelädes durch die Fa. Eberspächer ab 1949 VEB Blechverformungswerk Leipzig heutige Nutzung Gewerbepark Plagwitz Anschluss Nr. 07P02 Strasse und Hausnummer Zschochersche Straße 79 Firmensitz um 1900 Brauerei C. W. Naumann Umbenennung/ Umnutzung ab 1948 VEB Sachsenbräu ab 1992 Industriebrache bzw. zusätzliche Firmen heutige Nutzung Industriebrache Anschluss Nr. 13P36 Strasse und Hausnummer Markranstädter Straße 3 Firmensitz um 1900 Felix Lasse Blechemballagenfabrik Umbenennung/ Umnutzung um 1942 F. Lasse Blechwarenfabrik ab 1952 BT des VEB bzw. zusätzliche Firmen Blechpackungen Meißen 1993/94 teilweiser Abriss und Sanierung heutige Nutzung Gewerbliche Nutzung Anschluss Nr. 11P49 Strasse und Hausnummer Klingenstraße 16/18 Firmensitz um 1900 C.H. Jäger & Co. Umbenennung/ Umnutzung ab 1952 VEB Pumpen- und Gebläsewerk Leipzig nach 1990 bzw. zusätzliche Firmen Pumpen- und Gebläsewerk Leipzig GmbH Heutige Nutzung PGW GmbH 263 264 Anschluss Nr. 5aP00 Strasse und Hausnummer Weißenfelser Straße 67, 69/71, 75 und 79/81 Firmensitz um 1900 Weydemeyer & Jahn Eisengießerei (Nr.69/71) Dr. Heinrich König & Co. GmbH Chemische Fabrik Fa. A. Finzel Eisenhandlung (Engertstraße 29) Rudolph Sack Maschinenfabrik (Nr. 67) Umbenennung/ Umnutzung bis 1938 Verkauf des Geländes an Fa. Gebr. Brehmer ab bzw. zusätzliche Firmen 1948 zum VEB Polygraph heutige Nutzung Gewerbe 264 265 Abbildungen Abbildung 1: Die Göltzschtalbrücke bei Mylau, 4. Entwurf von Johann Andreas Schubert (1849). Abbildung 2: Frontespiz der Juckenburgschen Publikation von 1912. 266 Abbildung 3: Coalbrookdale-Bridge über den Severn von Farnolls Pritchard (1779). Abbildung 4: Boat Store in Sheerness von Godfrey Greene (1858/60). 267 Abbildung 5: Schokoladenfabrik Menier in Noisiel-sur-Marne von Jules Saulnier (1871). Abbildung 6: Ortsschild am Bahnhof von „Amerika“ in Sachsen, um 1990. 268 Abbildung 7: Die Kammgarnspinnerei Schaefer & Co. bildete in Hartau ein komplett in sich geschlossenen Stadtteil, um 1890. Abbildung 8: Spinnerei von O.Zech – vergleichbar der Spinnmühle in Hartau bei Chemnitz von Johann Traugott Lohse (1804). 269 Abbildung 9: Spinnerei in Einsiedel von O.Zech – vergleichbar der Baumwollspinnerei in Niederlugau von Johann Traugott Lohse (1812). Abbildung 10: Königsmühle der „Dampfmühlen-AG“ in Dresden (1878), 1996. 270 Abbildung 11: Städtisches Wasserwerk „Saloppe“ in Dresden von Gustav Theodor Friedrich und Bernhardt Salbach(1871). Abbildung 12: Ansicht der riesigen Shedhallen-Anlage derKammgarnspinnerei von Heinrich Dietel in Milkau, um 1890. 271 Abbildung 13: Sächsische Strickmaschinenfabrik Kappel ( 1872), 1994. Abbildung 14: Außenansicht der Markthalle in Chemnitz von Eduard Hechler (1891), 1994. 272 Abbildung 15: Schnittzeichnung der Tabakfabrik Yenidze von Martin Hammitzsch (1907/09), 1996. Abbildung 16: Tabakfabrik Yenidze in Dresden von Martin Hammitzsch (1907/09), 1996. 273 Abbildung 17: Gasometer in Dresden-Reick (Zeichnung) von Erlwein (1907/08), 1907. Abbildung 18: Gasometer in Dresden-Reick von Erlwein (1907/08), 1996. 274 Abbildung 19: Wanderer-Werke AG Hauptgebäude in Chemnitz von Zapp & Basarke (1917), 1994. Abbildung 20: Portikus des Bayrischen Bahnhofs in Leipzig von Eduard Pötzsch (1844), 1997. 275 Abbildung 21: Verlag Philipp Reclam jun. von Max Bösenberg (1905), 1997. Abbildung 22: Rauchwaren-Dampffärberei Richard Lindner in Leipzig-Wahren von Polster & Höhne (1893-1902), 1997. 276 Abbildung 23: Leipziger Spitzenfabrik Barth & Co von Richard Rebentrost (1900 u. 1906) 1997. Abbildung 24: Gasbehälter des Städtischen Gaswerks II von August Friedrich Viehweger (1895 und 1910), 1997. 277 Abbildung 25: Elektrizitätswerke in der Kupfergasse von Paul Möbius vom Architekturbüro Händel & Franke (1895), 1997. Abbildung 26: Schafschlachthalle des Städtischen Schlachthofes in Leipzig von Hugo Licht und Ewald Felix Moritz (1888), 1997. 278 Abbildung 27: Straßenfront der früheren Firma C. G. Röder (1898), 2002 Abbildung 28: Blick auf den Hof der Brauerei Naumann an der Zschocherschen Straße, um 1890. 279 Abbildung 29: Ansichtszeichnung des Querbahnsteigs des Leipziger Hauptbahnhofes von William Lossow & Max Hans Kühne (1906). Abbildung 30: Leipziger Hauptbahnhof von Eilers & Kahrige (1915) – Bahnsteigsbereich, um 1995. 280 Abbildung 31: Ansicht der Großmarkthalle in Leipzig von Hubert Ritter (1928/29), 1997. Abbildung 32: Blick in die Großmarkthalle in Leipzig von Hubert Ritter (1928/29), 1997. 281 Abbildung 33: Stadtplan Leipzig gesamt, 2000. Abbildung 34: Stadtplan Leipzig Auschnitt: Plagwitz, 1996. Die Grenzen sind nach Osten der Lauf der Weißen Elster, nach Süden der Lauf der Antonienstraße (Verlängerung der Rödelstraße); nach Westen as Areal des Plagwitzer Bahnhofes und nach Norden der Lauf der Karl-Heine-Straße. 282 Abbildung 35: Stadtplan Leipzigs und Umgebung, um 1800. Abbildung 36: Plan der Straße und Brücke zwischen Plagwitz und Leipzig, 1856. 283 Abbildung 37: Das Überschwemmungsgebiet der Elster nach der von den Ingenieuren Kohl und Georgi 1852-54 aufgenommenen Flussregulierungskarte (Ausschnitt). Abbildung 38: Historischer Plan von Plagwitz, um 1900. 284 Abbildung 39: Ansicht des Gassendorfes Plagwitz (Alte Straße), vor 1750. Abbildung 40: Ansicht des Ortszentrums von Plagwitz mit Post (links) und Rathaus (rechts), um 1910. 285 Abbildung 41: Heilandskirche in Plagwitz, von Johannes Otzen – Grundriss und Außenansicht, 1891. Abbildung 42: Schulgebäude an der Elisabethalle (heute Erich-Zeigner-Alle), um 1910. 286 Abbildung 43: Ansicht des Plagwitzer Bahnhofes, um 1910. Abbildung 44: Gleisanlagen des Güterbahnhofes Plagwitz, um 1910. 287 Abbildung 45: Ehemalige Ladestelle an der Industriestraße, 2001. 288 Abbildung 46: Heines Ausflugsdampfschiff Neptun, um 1860. Abbildung 47: Zerstörtes Färbereigebäude der Firma Stöhr & Co; um 1945. 289 Abbildung 48: Abrissarbeiten am ehemaligen VEB Vestis (Zschocherschen Straße), 1993. Abbildung 49: Teilweise schon beräumte Industriebrachen in der Plagwitzer Industriestraße, 2001. 290 Abbildung 50: Südwestl. Ecke der Kreuzung Nonnenstraße/Erich-Zeigner-Allee, 2001. Abbildung 51: Neubauten in der Alten Straße, 1997. 291 Abbildung 52: Gesamtansicht des Gründer- und Gewerbehofes der Stadt Leipzig, 1998. Abbildung 53: Business-Innovation-Center Leipzig-Plagwitz, 2000. 292 Abbildung 54: Voher/Nachher Bild Gleis – Radweg, 1990/1999. 293 Abbildung 55: Vorher/Nachher Bild Rad- und Wanderweg am Karl-Heine-Kanal, 1990/1999. 294 Abbildung 56: Dr. Karl Erdmann Heine (1819-1888). Abbildung 57: Dr. Karl Erdmann Heine (1819-1888). 295 Abbildung 58: Frontespiz des Mitteilungsblattes der Landwirtschaftlichen Lehranstalt, 1892. Abbildung 59: Plagwitzer Brücke, um 1850. 296 Abbildung 60: Karl Heine Denkmal am Eingang zum Palmengarten; um 1900. Abbildung 61: Sockel des Karl Heine Denkmals, vor dem Juni 2001. 297 Abbildung 62: Karl Heine Denkmal nach der Rekonstruktion, Juli 2001. Abbildung 63: Karte zu Gleis- und Straßenbauaktivitäten Karl Heines und der Leipziger Westend-Baugesellschaft; um 1910. 298 Abbildung 64: Historische Abbildung der Villa Karl Heines, um 1970. Abbildung 65: Aufsteller mit Sanierungsplänen vor der Heine Villa Könneritzstraße 1, 2001. 299 Abbildung 66: Plan der Gewässer um Leipzig (Ausschnitt), 1748. Abbildung 67: Ansicht Plagwitz von Osten, um 1870. 300 Abbildung 68: Plan von Plagwitz, um 1840. Abbildung 69: Plagwitz von Westen, um 1886. 301 Abbildung 70: Kanalbau mit König-Albert-Brücke in Plagwitz, um 1864. Abbildung 71: Einfahrt in den Karl-Heine-Kanal von der Weißen Elster aus, um 1900. 302 Abbildung 72: Leipziger Hafenanlagen, um 2000. Abbildung 73: Ruine der Schleusenanlage bei Wüsteneutzsch, um 1995. 303 Abbildung 74: Faltblatt des Kanalvereins, 1998. Abbildung 75: Bau der massiven Brücke über die Elster, um 1869. 304 Abbildung 76: Könneritzbrücke, um 1990. Abbildung 77: König-Johann-Brücke, um 1996. 305 Abbildung 78: König-Albert-Brücke, um 1910. 306 Abbildung 79: Vorher/Nachher Bild der König-Johann Brücke, 1990/1999. 307 Abbildung 80: Ansicht der Firma der Gebrüder Brehmer, um 1883. Abbildung 81: Briefkopf der Firma Mügge & Co, um 1870. 308 Abbildung 82: Fabrikgrundstück der Firma Meier & Weichelt, um 1874. Abbildung 83: Bauzeichnung für einen Fabrikneubau der Firma Unruh & Liebig, 1896. 309 Abbildung 84: Maschinenfabrik Phil. Swiderski, um 1900. Abbildung 85: Firmenansicht des Unternehmens von Rudolph Sack, um 1880. 310 Abbildung 86: Gebäude der Firma Törpsch, um 1913. Abbildung 87: Straßenansicht der Firma Weithas Nachf., 1910. 311 Abbildung 88: Wollwäsche in der Elster hinter den ersten Fabrikgebäuden der Firma Tittel & Krüger, um 1875. Abbildung 89: Errichtung des Spinnereigebäudes der Firma Stöhr & Co.an der Zschocherschen Straße, um 1890. 312 Abbildung 90: Brand in der Konsumbäckerei, 1903. Abbildung 91: Zeitgenössische Ansicht der Brauerei Naumann & Co im Jahr 1903. 313 Abbildung 92: Bauzeichnung aus einem Prospekt der Ehemaligen Firma Kratzsch & Pozzi, um1997. Abbildung 93: Gummiwarenfabrik und Villa der Firma Phil. Peninan der Nonnenstraße, um 1890. 314 Abbildung 94: Fabrik und Warenhaus von Mey & Edlich, um 1883. Abbildung 95: Blick in die Naumburger Straße mit aufeinander abgestimmte Fassaden von Fabrik- und Wohnhausarchitektur, 2001. 315 Abbildung 96: Lageplan des Grundstücks Dambacher (Bauakte Mügge), mit kleineren Bauten wie Wohnhaus, Gießerei und Schuppen, 1869. Abbildung 97: Ansicht des Fabrikantenwohnhauses mit Anbau, 1873. 316 Abbildung 98: Lageplan des Grundstücks Dambacher mit eingezeichnetem Fabrikneubau durch Winkler (leider ohne Aufriss/Ansicht), 1872. Abbildung 99: Gesamtansicht des Firmenareals Sack 1913. 317 Abbildung 100: 2-geschossiges Wohngebäude Rudolf Sacks an der Leipziger Straße, 1867. Abbildung 101: 3-teilige Fabrikhalle der Firma Sack, 1869 (Winkler). 318 Abbildung 102: Lager- und Lokomobileschuppen der Firma Sack, 1882 (Brömme). Abbildung 103: Wohnhauszeile in der Karl-Heine-Straße, 2001. 319 Abbildung 104: Wohnhauszeile in der Erich-Zeigner-Allee, 2001. Abbildung 105: Blick in die Industriestraße, 2001. 320 Abbildung 106: Ansicht zweier Wohnhausfassaden im östlichen Teil der Industriestraße, 1999. Abbildung 107: Ehemalige Villa Sack an der Karl-Heine-Straße 12, heute Sitz des 5. Strafsenats, 2001. 321 Abbildung 108: Ehemalige Villa Klinger in der Karl-Heine-Straße 2, heute als Wohnhaus genutzt, 1997. Abbildung 109: Situationsplan beim Bau eines Kontorgebäudes durch Pfeiffer & Händel für Gustav Mügge, 1889. (Links unten ist der Firmengarten zu erkennen) 322 Abbildung 110: Situationsplan für den Bau diverser Erweiterungen durch Schelle für Gustav Mügge, 1889. (Der Firmengarten wurde aufgegeben und überbaut) Abbildung 111: Schematische Zeichnung des Firmenareals der Firma Sack, 1911. 323 Abbildung 112: Lageplan des BeBauungsantrages des Schlothofes durch Hoppe, 1898. Abbildung 113: Ansicht der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger, auf einem Firmenbriefkopf des Jahres 1910. 324 Abbildung 114: Ansicht des stark gewachsenen Areals der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals Tittel &Krüger nebst Auszeichnungsmedaillen, um 1890. Abbildung 115: Erster Entwurf von Eduard Steyer für das fünfgeschossige Lager-, Pack- und Comptoirgebäude der Sächsischen Wollgarnfabrik vorm. T.&K., 1888. 325 Abbildung 116: Veränderter, realisierter Entwurf von Steyer für dieses Gebäude, 1888. Abbildung 117: Sanierter Trakt des sogenannten Hochbau Nord an der Nonnenstraße 19, 1999. 326 Abbildung 118: Hauptansicht des Spinnerei-Neubaus der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger; 1888 (Zeichnung Pfeifer & Händel). Abbildung 119: Seitenansicht des Spinnerei-Neubaus der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. T.&.K.; 1888 (Zeichnung Pfeifer & Händel). 327 Abbildung 120: Treppenturmaufbau der ehemaligen Spinnerei Tittel & Krüger, 2001. Abbildung 121: Blick von der Elsterseite auf das Firmengelände von Mey & Edlich, 1887. 328 Abbildung 122: Entwurfszeichnung des zinnengeschmückten Treppenturmes der Firma Phil. Swiderski von Eduard Steyer, 1888. Abbildung 123: Luftaufnahme des Gesamtkomplexes des ehemaligen Firmengeländes der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger, 1999. 329 Abbildung 124: Blick in die Nonnenstraße auf das ehemalige Firmengelände der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. T.&.K.; 2001. Abbildung 125: Bauzeichnung Kesselhaus der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger vom Architekturbüro Händel & Franke, 1922. 330 Abbildung 126: Ansicht des ehemaligen Kesselhauses nebst Schlot der Sächs. Wollgarnfabrik AG vormals T.&.K., 1996. Abbildung 127: Blick auf die beiden Verbindungsbrücken der ehemaligen Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals T.&.K., 1998. 331 Abbildung 128: Entwurfszeichnung für einen Steg über die Elster, 1897. Abbildung 129: Ausschnitt aus der Bauzeichnung des später realisierten Entwurfes von Händel & Franke für eine Eisenbahnbrücke über die Elster, 1898. 332 Abbildung 130: Entwurf einer schmiedeeisernen Brücke über die Elster von Händel & Franke; 1896. Abbildung 131: Blick auf die beiden Verbindungsbrücken der ehemaligen Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals T.&.K., 2001. 333 Abbildung 132: Entwurfszeichnung der Ansicht des neuen Fabrikgebäudes der Firma Mey & Edlich von den Architekten Händel und Franke, 1907. Abbildung 133: Entwurfszeichnung der Konstruktion desselben neuen Fabrikgebäudes durch den Stahlbetonspezialisten Theodor Hülssner, 1907. 334 Abbildung 134: Fassade des 1907 fertiggestellten Produktionsgebäudes der Firma Mey & Edlich zur Elster hin, 2001. Abbildung 135: Fassadendetail des 1907 fertiggestellten Produktionsgebäudes der Firma Mey & Edlich an der Nonnenstraße 3-5 (Innenhof), 1999. 335 Abbildung 136: Ausschnittweiser Situationsplan der Firma Mey & Edlich mit Gartenareal Für den Bau eines Fabrikgebäudes durch Pfeiffer & Händel, 1887. Abbildung 137: Projektierungszeichnung der Ufermauern zur Elster von Mey & Edlich durch den Maurermeister Otto Steib, 1881. 336 Abbildung 138: Quer- und Längsschnitt des Fabrikbaus der Firma Unruh & Liebig, 1896 Abbildung 139: Zinnengeschmückter Turm des Kopfbaus der Montagehalle sowie Portierhäuschen an der Zschocherschen Straße 78, 1996. 337 Abbildung 140: Entwurfszeichnung einer Hofüberdachung zwischen den beiden Längsgebäuden der Firma Swiderski durch Ranft, 1897. Abbildung 141: Entwurfszeichnung der Straßenfront des projektierten Fabrikgebäudes der Firma Brehmer (von Händel & Franke), 1913. 338 Abbildung 142: Entwurfszeichnung der Rückfront des projektierten Fabrikgebäudes der Firma Brehmer (von Händel & Franke), 1913. Abbildung 143: Entwurfszeichnung der Vorder- und Seitenansicht für den Neubau einer Montagehalle der Firma C. F. Weithas Nachf., 1910. 339 Abbildung 144: Entwurfszeichnung (Querschnitt) für den Neubau einer Montagehalle der Firma C. F. Weithas Nachf., 1910. Abbildung 145: Entwurfszeichnung Jummels für ein Speichergebäude der Firma Tittel & Krüger, 1881. 340 Abbildung 146: Entwurfszeichnung zur Verwendung diverser Stützen bzw. Träger des Spinnereineubaus bei Tittel & Krüger durch Züblin, 1906. Abbildung 147: Entwurfszeichnung zur Verwendung der Betonarmaturen des Spinnereineubaus bei Tittel & Krüger durch Züblin, 1906. 341 Abbildung 148: Stabilitätsuntersuchungen zur Uferstützmauer auf dem Areal der Firma T.&K. beim Bau der Eisenbahnbrücke über die Elster, 1896. Abbildung 149: Zeichnerische Aufnahme der Ufermauer auf dem Areal der Firma Tittel & Krüger in der Seumestraße (heute Holbeinstraße), 1904. 342 Abbildung 150: Maschinensaal mit elektrische Lichtanlage der Firma Tittel & Krüger, um 1886. Abbildung 151: System der Antriebsstangen und -riemen in den Spül- und Trockenräumen der Firma Tittel & Krüger, um 1886. 343 Abbildung 152: Straßenfront des Hauptgebäudes der Firma Brehmer von Händel & Franke, 2001. Abbildung 153: Entwurfszeichnung eines Lagerhaus-Neubaus für Hermann Törpsch von Händel & Franke, 1901. 344 Abbildung 154: Detailaufnahme der Straßenfront der Firma Törpsch, 2001. Abbildung 155: Abgelehnter und nicht realisierter Entwurf eines Lagerhausneubaus für Hermann Törpsch von Alfons Berger, 1901. 345 Abbildung 156: Schematischer Lageplan des Grundstücks der Firma Spieß (vormals Swiderski), 1936. Abbildung 157: Entwurfszeichnung für ein Ladehäuschen auf dem Gelände der Firma Swiderski, 1905. 346 Abbildung 158: Einfache Laderampe zu einem rückwärtigen Gleis auf dem Gelände der ehemaligen Baumwollspinnerei, 2001. Abbildung 159: Entwurfszeichnung für einen Fabrikneubau der Firma Sack mit Kranarm und Ladeluken in den Geschossen, 1909. 347 Abbildung 160: Detailaufnahme eines solchen schwenkbaren Kranarmes auf ehemals Sack’schem Firmengeländes, 2001. Abbildung 161: Detailaufnahme zweier ausklappbarer Ladeflächen auf diversen Etagen der Hoffassade eines Fabrikgebäudes des ehemals Sack’schen Firmengeländes, 2001. 348 Abbildung 162: Ausschnitt eines Situationsplanes der Firma Götjes & Kaestner (später Sack), mit dem Verlauf der „Pferdeeisenbahn“, um 1874. Abbildung 163: Ausschnitt eines Situationsplanes der Firma Sack, mit Gleisverlauf nebst Weichen, 1894. 349 Abbildung 164: Ausschnitt eines Situationsplanes der Firma Sack, mit Gleisverlauf nebst Weichen, 1910. Abbildung 165: Als „Laderampen“ aufgelegte Bleche am rückwärtigen „Gleisanschluss“ eines Produktionsgebäudes auf ehemals Sack’schem Gelände, 1998. 350 Abbildung 166: Vorgeschlagenes Grünkonzept für das Industriegleisnetz in Plagwitz von Grub + Partner, März 1993. Abbildung 167: Im Rahmen der EXPO-Beteiligung Plagwitz’ erstelltes städtisches Konzept zur Gleisbegrünung (blau-grüne Linien), 1999. 351 Abbildung 168: Entwurfszeichnung für den Überbau der Durchfahrt als Trockenboden der Firma Mügge & Dambacher durch Winkler, 1871. Abbildung 169: Einfahrt in die Werksstraße der Sowjetischen AG der Kirow-Werke (früher Unruh & Liebig) in der Naumburger Straße, um 1990. 352 Abbildung 170: Einfahrt auf das Firmengelände des VEB BBG (ehemals Sack) in die Weißenfelser Straße von der Gießerstraße aus, um 1990. Abbildung 171: Türöffnung zur Weißen Elster am sogenannten Hochbau Mitte der ehemaligen Firma Tittel & Krüger, 2001. 353 Abbildung 172: Nachträglich erstelltes „Fließ-Schema des Produktionsablaufes“ in der Firma Tittel & Krüger mit Angaben zu den diversen Gebäudeteilen, 1992. Abbildung 173: Bauzeichnung zu einem Verbindungsgang zwischen Arbeitssaal und Streicherei der Firma Mey & Edlich durch Pfeiffer & Händel, 1887. 354 Abbildung 174: Ausschnitt einer Bauzeichnung zu einer freitragenden Verbindungsbrücke für die Firma Mey & Edlich durch C.F.Weithas Nachf., 1895. Abbildung 175: Bauzeichnung einer Fachwerkkonstruktion als Verbindung zwischen zwei Fabrikgebäuden der Firma Mey & Edlich durch Händel & Franke, 1907. 355 Abbildung 176: Blick aus der Luft auf die zweigeschossige Verbindungsbrücke zwischen Hochbau West und Hochbau Süd der ehemaligen Firma Tittel & Krüger, 1998. Abbildung 177: Heutiger Blick in die Weißenfelser Straße, 1999. 356 Abbildung 178: Blick in die Gießerstraße (ehemals Sack), 1995 und 1999. 357 Abbildung 179: Zweigeschossige Gebäudebrücke der ehemaligen Firma Tittel & Krüger über den Lauf der Weißen Elster nach der Sanierung, 2001. Abbildung 180: Bauzeichnung/Schnitt eines Fabrikgebäudes für Mey & Edlich durch Pfeiffer & Händel (nur die unteren 2 Etagen gusseiserne Säulen), 1887. 358 Abbildung 181: Bauzeichnung/Schnitt eines neuen Fabrikgebäudes für Fuchs und Kunad (später Sack); 1882. Abbildung 182: Bauzeichnung/Schnitt eines neuen Fabrikgebäudes für Phil. Penin (später Tittel & Krüger) von Händel & Franke; 1899. 359 Abbildung 183: Bauzeichnung/Schnitt des Neubaus für Mey & Edlich durch Händel & Franke und Hülssner (ummauerte Träger), 1906. Abbildung 184: Ausschnitt aus einer Bauzeichnung/Schnitt des ersten Bauabschnitts des sogenannten Hochbau West für Tittel & Krüger durch Händel & Franke, 1888. 360 Abbildung 185: Briefkopf mit Firmenansicht der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vorm. Tittel & Krüger - rechts Glasdachaufbauten, um 1940. Abbildung 186: Ansichtszeichnung des Hochbau West von der Nonnenstraße aus im Sinne der Sanierung, 2000. Abbildung 187: Bauzeichnung/Schnitt durch den sogenannten Hochbau West im Sinne der Sanierung, 2000. 361 Abbildung 188: Computeranimation des sogenannten Hochbau Süd im Sinne der Sanierung, 1998. Abbildung 189: Straßenfront der ehemaligen Schmiede von Mügge & Dambacher, 2000. 362 Abbildung 190: Straßenfront des ehemaligen Wohnhauses von Mügge & Dambacher, 1998. Abbildung 191: Detail der oberen beiden Etagen der Straßenfront des ehemaligen Wohnhauses von Mügge & Dambacher, 2000. 363 Abbildung 192: Detail der unteren beiden Etagen der Straßenfront des ehemaligen Wohnhauses von Mügge & Dambacher, 2000. Abbildung 193: Detail der Seitenfront der ehemaligen Schmiede von Mügge & Dambacher mit weit vorkragendem Sichtholzdach, 2000. 364 Abbildung 194: Detail der Straßenfront des Wohnhauses Weißenfelser Str. 15, 2001. Abbildung 195: Detail des ehemaligen Wohnhauses der Firma Penin (später Tittel & Krüger) - Wintergartenanbau, 2001. 365 Abbildung 196: Verspielte Fachwerkornamentik an einem Wohnhaus der Feuerbachstraße des Leipziger des Waldstraßenviertels, 2001. Abbildung 197: Verspielte Fachwerkornamentik an Wohnhäusern in der Fregestraße des Leipziger Waldstraßenviertels, 2001. 366 Abbildung 198: Verspielte Fachwerkornamentik an einem Wohnhaus in der Erich-Zeigner-Allee in Plagwitz, 2001. Abbildung 199: Verspielte Fachwerkornamentik an einem Wohnhaus in der Karl-Heine-Straße in Plagwitz, 2001. 367 Abbildung 200: Detail der Uferaufmauerung mit bossierten Natursteinquadern des sogenannten Hochbaus Mitte der ehemaligen Firma Tittel & Krüger, 2001. Abbildung 201: Detail der Uferaufmauerung mit bossierten Natursteinquadern der Firma Mey & Edlich, 2000. 368 Abbildung 202: Detail des sandsteinernen Schmuckwerbegiebelfeldes des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Firma Unruh & Liebig, 2000. Abbildung 203: Detail der Straßenfront (sandsteinernen Fensterfassungen) des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Firma Unruh & Liebig, 2000. 369 Abbildung 204: Detail des mit bossiertem Naturstein abgesetzten Sockel der ehemaligen Fabrikantenvilla Sack an der Karl-Hein-Str. 103, 2000. Abbildung 205: Detail der Seitenfront (sandsteinernen Fensterfassungen) des ehemaligen Fabrikantenwohnhauses der Firma Kratzsch & Pozzi, 2000. 370 Abbildung 206: Bauzeichnung/Schnitt durch ein Fabrikgebäude der Firma Sack von Pfefferkorn, 1874. Abbildung 207: Bauzeichnung von Julius Steib für das Projekt eines Schuppens der Firma Tittel & Krüger, 1884. 371 Abbildung 208: Bauzeichnung/Schnitt durch einen Arbeitsraum und die Färberei der Firma Mey & Edlich von Pfefferkorn; 1868. Abbildung 209: Detail der Straßenfront des sogenannten Hochbau Süd ehemals Tittel & Krüger, 2001. 372 Abbildung 210: Detail/Innenansicht Geschossdecke aus Sichtbeton im sogenannten Hochbau Süd ehemals Tittel & Krüger, 1999. Abbildung 211: Straßenfront der ehemaligen Firma Törpsch, 1998. 373 Abbildung 212: Rückfront der ehemaligen Firma Törpsch, 1998. Abbildung 213: Detailaufnahme des Schmuckgiebels der ehemals Törpsch’en Straßenfront, 2000. 374 Abbildung 214: Detailaufnahme des Wandprofils der ehemals Törpsch’en Straßenfront unter Verwendung farbig glasierter Ziegel, 2000. Abbildung 215: Detailaufnahme des Wandprofils der ehemals Törpsch’en Straßenfront unter Verwendung farbig glasierter Ziegel, 2000. 375 Abbildung 216: Detail einer Fabrikfassade der früheren Firma Sack mit Wandgestaltung durch verschiedenartig eingesetzte Klinker, 2000. Abbildung 217: Detail einer Fabrikfassade der früheren Firma Sack mit Wandgestaltung durch verschiedenartig gesetzte, mehrfarbige Klinker, 2000. 376 Abbildung 218: Gesamtansicht Straßenfront der ehemaligen Konsumbäckerei mit verschiedenartig gesetzten, mehrfarbigen Klinker, 2000. Abbildung 219: Detail/Straßenfront der ehemaligen Konsumbäckerei (unteres Geschoss) mit verschiedenartig gesetzten, mehrfarbigen Klinker, 2000. 377 Abbildung 220: Detail/Straßenfront der ehemaligen Konsumbäckerei(Seitentrakt) mit inversem Einsatz mehrfarbigen Klinker, 2000. Abbildung 221: Detail der Straßenfront des früheren Verwaltungsgebäudes von Unruh & Liebig, 2000. 378 Abbildung 222: Detail der Hoffassade der „kleinen Villa“ der ehemaligen Firma Kratzsch & Pozzi, 2000. Abbildung 223: Detail des Treppenhausturmes des Hochbau Mitte der ehemaligen Firma Tittel & Krüger, um 1998. 379 Abbildung 224: Detail der Wasserfront eines ehemaligen Produktionsgebäudes der Firma Mey & Edlich, 2000. Abbildung 225: Detail der Schmalseite eines ehemaligen Produktionsgebäudes der Firma Mey & Edlich, 2000. 380 Abbildung 226: Detail des Turmaufbaus des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Firma Swiderski, 2000. Abbildung 227: Firmenansicht eines Briefkopfes der Firma Meier & Weichelt von 1921. 381 Abbildung 228: Entwurfszeichnung eines Werkstattgebäudes für die Herren Gustav Mügge & Co von Händel & Franke, 1900. Abbildung 229: Villa Julburg von Oscar Mothes 1873/74 als eigenes Wohnhaus an der Käthe-Kollwitz-Straße 70 erbaut, 2001. 382 Abbildung 230: Plagwitzer Wohnhaus Zschochersche Straße 53, 2001. Abbildung 231: Entwurfszeichnung der Straßenansicht eines Fabrikgebäudes für Phil. Penin von Eduard Steyer, 1888. 383 Abbildung 232: Uhr im Giebelfeld des Mittelrisalit am Reclam-Gebäud in der Inselstraße, 2001. Abbildung 233: Uhr über dem Haupteingang zur Schaubühne im Lindenfels in der Karl-Heine-Straße, 2001. 384 Abbildung 234: Uhr am Seitenrisalit des ehemaligen SAG-Betriebes Schumann & Co in der Karl-Heine-Straße, 2001. Abbildung 235: Reste einer Uhr an einem der Türme der Leipziger Baumwollspinnerei in der Spinnereistraße, 2001. 385 Abbildung 236: Detail des Eingangsbereich des ehemaligen Verwaltungstraktes der Firma Swiderski mit Wappen über dem Portal, 2000. Abbildung 237: Der Nordflügel des Mittelschlosses der Marienburg, Stich von M. Rosenheyn, 1858. 386 Abbildung 238: Ansicht der Marienburg von der Nogat-Seite, 1966. Abbildung 239: Computeranimation des sanierten Hochbau West der ehemaligen Firma Tittel & Krüger vom Wasser aus gesehen, 2000. 387 Abbildung 240: Blick über das Dach des sogenannten Hochbau West auf die Kuppel des noch unsanierten Treppenhausturmes, 2000. Abbildung 241: Blick auf die Kuppel des ehemaligen Reichsgerichtes, 2001. 388 Abbildung 242: Detailaufnahme des Schmuckgiebels des sogenannten Hochbau Nord der früheren Firma Tittel & Krüger, 2001. Abbildung 243: Detailaufnahme des „Emblems“ am Schmuckgiebel des sogenannten Hochbau Nord der früheren Firma Tittel & Krüger, 2001. 389 Abbildung 244: Detail eines Briefkopfes der Sächsischen Wollgarnfabrik GmbH vormals Tittel & Krüger, 1930. Abbildung 245: Emblem „Schwan unter einem Lorbeerbaum“ als Allegorie „geschützter Reinheit“ aus Henkel/Schöne. 390 Abbildung 246: In Jugendstilelemente eingebettete Fensterstürze aus Sichtbeton der ehemaligen Firma Brehmer, 2001. Abbildung 247: Entwurfszeichnung der rechten Giebelfront des Hochbau Süd der früheren Firma Tittel & Krüger von Händel & Franke, 1905. 391 Abbildung 248: Straßenfront der früheren Firma C.F.Weithas Nachf. zur Gießerstraße hin, 2001. Abbildung 249: Aufriss Westansicht und Schnitt der Montagehalle der Harburger Eisen- und Bronzewerke AG, 1910. 392 Abbildung 250: Straßenfront der früheren Flugzeugteilefabrik Eberspächer GmbH zur Makranstädter Straße hin, 1995. Abbildung 251: Firmenansicht Mey & Edlich von einem Briefkopf, 1928. Das Gebäude rechts der Straße weist die zweifarbig gliedernden Klinker auf. 393 Abbildung 252: Entwurfszeichnung von F. Moring zur Entfernung der nichttragenden Bogenfensterkonstruktionen der Fabrik Mey & Edlich, 1928. Abbildung 253: Detail eines Mansarddaches der früheren Firma Mey & Edlich, 2000. 394 Abbildung 254: Situationsplan zum Projekt eines neuen Speisesaales der Firma Tittel & Krüger vor dem Hochbau West durch Eduard Steyer, 1889. Abbildung 255: Detail eines Situationsplanes der Firma Tittel & Krüger von 1907 der auch ganz oben vor dem Hochbau Nord Speisesäle zeigt. 395 Abbildung 256: Grünstreifen vor dem Hauptgebäude der ehemaligen Firma Brehmer, 2001. Abbildung 257: Entwurfszeichnung für ein Gewächshaus auf dem Gartenareal der Firma Mey & Edlich durch Steyer, 1890. 396 Abbildung 258: Ansicht des von Ferdinand Barchewitz zwischen 1859 und 1861 für Alfred Krupp errichteten Gartenhauses, um 1880. Abbildung 259: Plan der Parkanlage auf der Sack’schen Versuchsstation, um 1900. 397 Abbildung 260: Vorn im Bild die Kegelbahn auf dem Sack’schen Firmengelände, um 1900. Abbildung 261: Kegelbahn auf dem Gelände der Sack’schen Versuchsstation, um 1900. 398 Abbildung 262: Gebäude des ehemaligen Reichsgerichts zu Leipzig nach Entwürfen von Ludwig Hoffmann von 1888-1895 erbaut, 1990. Abbildung 263: Detail der Innenausstattung der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger, 1992. 399 Abbildung 264: Gebäudeanker mit den durch ein „&“ verschlungenen Initialen T für Tittel und K für Krüger am Hochbau Nord, 2000. Abbildung 265: Gebäudeanker mit den Initialen RSLP für Rudolph-Sack-Leipzig-Plagwitz am ehemaligen Fabrikgebäude Weißenfelser Straße, 2000. 400 Abbildung 266: Gebäudeanker in Form eines stilisierten Rades (alternierend zu Abb. 265) am ehemaligen Fabrikgebäude Weißenfelser Straße, 2000. Abbildung 267: Detail der Fassade des ehemals Sack’schen Fabrikgebäudes an der Weißenfelser Straße 67 mit beiden Motiven, 2000. 401 Abbildung 268: Figur eines Atlas am Haupteingang zu den ehemaligen „Globus-Werken“ in der Limbacher Straße, 2001. Abbildung 269: Fabrikgebäude der Firma Mey & Edlich in Plagwitz. Auf dem linken Giebel des Hauptgebäudes ist der Atlas zu erkennen, um 1890. 402 Abbildung 270: Blick auf den 1999/2000 entstandenen Stadtteilpark zwischen Industriestraße und Karl-Heine-Kanal, 2001. Abbildung 271: Blick in eine inzwischen durch die Stadt Leipzig begrünte Gleisschneise des ehemaligen Industriegleisnetzes in Plagwitz, 2001. 403 Abbildung 272: Detail der Fassade des heutigen Gründer- und Gewerbehofes im Gebäude der früheren Firma Unruh & Liebig, 2000. Abbildung 273: Vielfältige Nutzungen des Elsterparks auf dem Areal der Sächsischen WollgarnWollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger, 2001. [I. Loftwohnungen; II. Loftwohnungen (geplant); IV. Brache; V. Handel/Gewerbe; VI. Loftwohnungen; VII. Dienstleistung und Verwaltung; VIII Parkplatz; IX. Leerstand; X. und XI. Wohnen und Dienstleistung; XII. Ärztehaus; XIII. und XIV Wohnen und Dienstleistung. 404 Abbildung 274: Straßenfront des Technikcenter Jugend „ GaRaGe“ in einem ehemaligen Produktionsgebäude der Firma Sack, 2001. Abbildung 275: Straßenfront des Automobilmuseums und des „Da Capo“ in einem ehemaligen Produktionsgebäude der Firma Sack, 2001. 405 Abbildung 276: Blick in das Automobilmuseum, 2001. Abbildung 277: Blick in den musealen Bereich des Technikcenter Jugend, 2001. 406 Abbildung 278: Geplante Gewerbe-Reihenhäuser in Block 56, 1999. Abbildung 279: Modell der „neuen“ Plagwitzer Skyline der von M. Rübesam geplanten Bürohäuser, der See wäre der umgewandelte Bahnhof, 1999. 407 Abbildung 280: Brache des ehemaligen Firmengeländes von Meier & Weichelt, 2001. Abbildung 281: Brache eines Teils des ehemaligen Firmenareals von R. Sack, 2001. 408 Abbildung 282: Teilansicht der inzwischen recht ruinösen Montagehalle der ehemaligen Firma Swiderski, 2001. Abbildung 283: Blick in die ehemalige Montagehalle von C.F.Weithas Nachf., die heute als Go-Kart-Bahn genutzt wird, 2001. 409 Abbildung 284: Straßenansicht der Werkstätten und Museum für Druckkunst in der Nonnenstraße, 2001. Abbildung 285: Blick in die Räume der Werkstätten und Museum für Druckkunst in der Nonnenstraße, 2001. 410 Abbildung 286: Außenansicht der Projektgalerie Elsterpark im Hinterhofgebäude der Nonnenstraße 42, 2001. Abbildung 287: Außenansicht des alternativen Kulturprojektes „ Gieszer 16“ an der Gießerstraße 16, 2001. 411 Abbildung 288: Außenansicht des Theaterprojektes „Bagage“ im Zelt des Theaters der Jungen Welt auf dem Jahrtausendfeld, 2001. Abbildung 289: Ansicht des Jugendfreizeitzentrums „Kanal 28“ am Karl-Heine-Kanal 28, 2001. 412 Abbildung 290: Straßenfront des Gewerbezentrums Plagwitz der Leipziger Gewerbehof-Gesellschaft an der Weißenfelser Straße 67, 2001. Abbildung 291: Stehengelassene und abgestützte Außenhaut eines ehemaligen Gebäudes der Firma Sack während der Sanierungsarbeiten, Mai 1998. 413 Abbildung 292: Blick ins Innere desselben Gebäudes während der aktiven Bauphase der Sanierung im August 1998. Abbildung 293: Computeranimation über einem Luftbild von Plagwitz. Man kann (v.l.n.r) den Gewerbehof Naumburger Straße, die Konsumzentrale, den Stadtteilpark, das Parkhaus, den Gewerbehof Weißenfelser Straße, das Technikcenter Jugend und das BIC nebst Erweiterungsmöglichkeiten erkennen. Das gläserne Gebäude auf der linken Seite soll die gläserne Fabrik von VW darstellen, um die sich Leipzig damals zusammen mit Dresden bewarb, 1999. 414 Abbildung 294: Entwurfszeichnung mit Ansicht und Schnitt durch eine neue Gießerei für Rudolph Sack von Carl Brömme, 1894. Abbildung 295: Detail eines Blicks in den „ausgeschnittenen“ Innenhof des ehemaligen Hochbau Süd während der Sanierungsarbeiten, 1999. 415 Abbildung 296: Detail eines Blicks in den „ausgeschnittenen“ Innenhof des ehemaligen Hochbau Süd mit neu aufgemauertem Penthausgeschoss, 1999. 416 Abbildungnachweis Ackermann, Kurt: „Industriebau“; Stuttgart 1994: Abb.en 3; 4 und 5. „Ars arcus“; Köln 1994: Abb.166. „Bauacten des Rathes der Stadt Leipzig“ sämtliche Akten der Firmen im Bauaktenarchiv des Bauordnungsamtes der Stadt Leipzig, versch. 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