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Charakterisierung Migräne-relevanter Mutationen anhand Struktur-Funktions-Untersuchungen der Na+/K+-ATPase α2-Untereinheit

Tavraz, Nedime Neslihan

Die aus drei verschiedenen Untereinheiten (α-, β-, γ-) aufgebaute Na+/K+-ATPase ist ein ubiquitäres Membranprotein, das zu den P-Typ-ATPasen gehört und maßgeblich an der Bildung und Erhaltung des Transmembranpotentials beteiligt ist. Als omnipräsente Ionenpumpe transportiert sie unter Verbrauch eines ATP-Moleküls drei Natrium-Ionen aus der Zelle und im selben Zyklus zwei Kalium-Ionen ins Zellinnere. Durch diesen aktiven Transport wird auch das Ruhepotential in Neuronen aufrechterhalten, das kritisch für die Erregbarkeit ist. Mutationen in der Na+/K+-ATPase α-Untereinheit können wesentliche Proteinfunktionen massiv beeinträchtigen. Von den bisher bekannten vier humanen α Untereinheiten sind die beiden Isoformen α2 und α3 mit neurologischen Erkrankungen assoziiert. Während Mutationen in der Na+/K+-ATPase α3-Untereinheit zu der seltenen Erbkrankheit "Dystonie-Parkinsonismus-Syndrom" führen, kommt es bei genetischen Veränderungen in der α2-Untereinheit zu einer autosomal-dominant vererbbaren Form der Migräne mit Aura, der "Familiären Hemiplegischen Migräne" des Typs II (FHM-2). In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss 14 migräne-relevanter Mutationen auf Struktur-Funktions-Beziehungen der Na+/K+-ATPase α2-Untereinheit untersucht. Überwiegend handelte es sich hierbei um typische Punktmutationen, wobei auch je eine Deletions- und eine Frameshift-Mutation näher betrachtet wurden. Die Auswahl der ATP1A2-Mutanten erfolgte nach ihrer Lokalisation in funktionell wichtigen bzw. hochkonservierten Regionen der Na+/K+-ATPase α2-Untereinheit. Mit Hilfe des Expressionssystems der Xenopus laevis Oozyten konnten die Konsequenzen der unterschiedlichen Aminosäure-Austausche eingehend charakterisiert werden. Hierfür standen neben elektrophysiologischen auch biochemische und spektroskopische Methoden zur Verfügung. Ausgenommen von zwei ATP1A2-Mutationen konnten die übrigen erfolgreich in der Plasmamembran nachgewiesen werden. Die beiden Mutationen S966X (Frameshift) und del(K935-S940)insI (Deletion) befinden sich unmittelbar in der Nähe der C-terminal gelegenen Transmembrandomäne TM9 und verursachen starke strukturelle Veränderungen, die dazu führen, dass ein verkürztes und nicht korrekt in die Plasmamembran integrierbares Protein entsteht. Vier weitere FHM2-Mutationen (T263M, G301R, T376M und R937P) wiesen ebenfalls keine stationären Pumpströme auf, trotz ihrer fehlerfreien Integration in die Plasmamembran. Durch die strukturelle Veränderung in den hochkonservierten Regionen ist die Na+/K+-ATPase-Funktion dieser Mutanten schwerwiegend beeinträchtigt. Anhand der Na+/K+-ATPase-Kristallstruktur konnte gezeigt werden, dass hier essentielle Wasserstoffbrücken-Netzwerke destabilisiert werden, die die Transportaktivität massiv beeinträchtigen. Bei acht der untersuchten FHM2-Mutationen ließen sich diverse Parameter, wie Spannungswerte für halbmaximale Ladungsverschiebungen, Wechselzahlen, sowie Na+- und K+-Affinitäten im Detail bestimmen. Nennenswert sind hierbei insbesondere die zwei Mutanten: P979L und X1021R. Die Charakterisierung der P979L-Mutation führte zu der Erkenntnis, dass sie sich funktionell wie das Wildtyp-Enzym verhält und keinerlei Abweichungen aufweist. Allerdings lässt sich diese Beobachtung lediglich bei Xenopus laevis-Oozyten machen, die bei etwa 18°C kultiviert und analysiert werden. In Säugerzellen, die bei einer Temperatur von 37°C wachsen und untersucht werden, zeigte sich, dass die Mutation bei Körpertemperatur offensichtlich zu einem degradierten Protein führt. Durch die FHM2-Mutation X1021R ist der C-Terminus um 28 Aminosäuren elongiert. Elektrophysiologische Messungen ergaben ein vollkommen kontroverses Verhalten des veränderten Proteins gegenüber dem Wildtyp. Die Addition von zusätzlichen Aminosäuren an den C-Terminus führt zu gravierenden Veränderungen in der Natrium-Interaktion und der Spannungssensitivität. Strukturell betrachtet leisten der C-Terminus und die zugehörige Switch-Region einen erheblichen Beitrag zur Bildung der dritten Natrium-Bindungsstelle.
The ubiquitous Na+/K+-ATPase is composed of three different subunits (alpha, beta and gamma) and maintains the physiological gradients for Na+ and K+ ions and is therefore critical for the activity of ion channels and transporters involved in neurotransmitter uptake or Ca2+ signaling. Mutations in ATP1A2, the gene coding for the Na+/K+-ATPase α2-subunit, are associated with both familial hemiplegic migraine (FHM-2) and sporadic cases of hemiplegic migraine (SHM). In this thesis, we examined the structural and functional properties of 14 ATP1A2 mutations associated with familial or sporadic hemiplegic migraine, including missense mutations (T263M, G301R, T376M, R383H, A606T, R763H, M829R, R834Q, R908Q, R937P, P979L, and X1021R), a deletion mutant (del(K935-S940)insI), and a frameshift mutation (S966X). According to the Na+/K+-ATPase crystal structure, a subset of the mutated residues (Ala606, Arg763, Met829, and Arg834) is involved in important interdomain H-bond networks, and the C terminus of the enzyme, which is elongated by the X1021R mutation, has been implicated in voltage dependence and formation of a third Na+-binding site. Upon heterologous expression in Xenopus oocytes, the analysis of electrogenic transport properties, Rb+ uptake, and protein expression revealed pronounced and markedly diverse functional alterations in all ATP1A2 mutants. Abnormalities included a complete loss of function (T376M, G301R), impaired plasma membrane expression (R908Q, del(K935-S940)ins(I) and S966fs), and altered apparent affinities for extracellular cations or reduced enzyme turnover (R383H, A606T, R763H, R834Q, and X1021R). In addition, changes in the voltage dependence of pump currents and the increased rate constants of the voltage jump-induced redistribution between E1P and E2P states were observed. Thus, mutations that disrupt distinct interdomain H-bond patterns can cause abnormal conformational flexibility and exert long range consequences on apparent cation affinities or voltage dependence. Of interest, the X1021R mutation severely impaired voltage dependence and kinetics of Na+-translocating partial reactions, corroborating the critical role of the C terminus of Na+/K+-ATPase in these processes. Furthermore, it was demonstrated that the P979L mutant exhibited the same cellular expression profile as the wild-type protein, both in Xenopus oocytes and in transfected HEK293FT cells grown at 28°C, but much less P979L protein was found upon cell growth at 37°C, showing for the first time that temperature-sensitive effects on protein stability can underlie ATP1A2 loss-of-function.