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Vor dem Computer, aber beim Patienten: Wie sich Kameraeinstellungen und ärztliche Körperhaltungen im Telemedizinsetting auf die Wahrnehmung der Arzt-Patienten-Beziehung auswirken
Grün, Felix Christian
Obwohl sich telemedizinische Behandlungen durch die Covid-19-Pandemie immer weiter etablieren, gibt es bisher keine empirisch belegten Verhaltensempfehlungen für Ärzt*innen, um eine gute Beziehung zwischen Patient*innen und Ärzt*innen (APB, kurz für Arzt-Patienten-Beziehung) auch online zu etablieren. Es ist bisher unklar, ob und wie Kameraeinstellungen und Körperhaltungen von Ärzt*innen die Wahrnehmung ihrer Patient*innen in telemedizinischen Settings beeinflussen. Die vorliegende Dissertation untersucht deshalb den Einfluss von Kameraabstand und Kamerawinkel sowie von Körperhaltungen auf die Wahrnehmung der APB in einem telemedizinischen Setting. Daraus sollen Implikationen für die Forschung zur APB und Empfehlungen für Ärzt*innen in Bezug auf diese Faktoren in telemedizinischen Beratungen abgeleitet werden.
Um zu untersuchen, wie Patient*innen ihre Ärzt*innen sowie ihre eigene Rolle in der APB wahrnehmen, wurde ein möglichst umfassendes Set an Kompetenzen auf Basis der im medizindidaktischen CanMEDS-Framework definierten Rollen von Mediziner*innen (für die Bewertung der Ärzt*innen) sowie der innerhalb des partizipativen Arzt-Patienten-Modells Shared-Decision-Making definierten Patientenkompetenzen (für die Bewertung der Patientenrolle in der APB) identifiziert und in allen Studien als abhängige Variablen eingesetzt. Die Daten der Dissertation wurden in Onlinestudien entweder durch Rankingfragen erhoben, bei denen Bilder von Ärzt*innen verglichen wurden (Studie 3), oder durch Zustimmungsfragen mit Hilfe von Likert-Skalen operationalisiert (Studie 1, 2, 4 und 5).In der ersten Studie wurde der Abstand der Ärzt*in zur Kamera, in der zweiten Studie der Kamerawinkel bei geringer Distanz zur Kamera untersucht. In Studie 3, 4 und 5 wurde der Einfluss von Körperhaltungen bei größerer Distanz zur Kamera beleuchtet. In Studie 3 und 4 wurde aus Vorstudien existierendes Bildmaterial verwendet, um zu untersuchen, welchen Einfluss offene versus geschlossene Körperhaltungen auf die Wahrnehmung ärztlicher Kompetenzen haben. In Studie 5 wurden neue Stimulusbilder erstellt, um Störfaktoren wie unterschiedliche Beleuchtung und Mimik zu kontrollieren.
Die Ergebnisse der Dissertation legen nahe, dass die Nähe zur Ärzt*in (Kameraabstand) in der Telemedizin im Vergleich zur Präsenzkonsultation keine Rolle spielt (Studie 1) und Patient*innen Ärzt*innen in der Auf- und Normalsicht im Vergleich zur Untersicht generell bevorzugen (Studie 2). In Studie 3 und 4 zeigte sich ein Effekt des Arztgeschlechts: Ärzte in offenen Haltungen wurden generell positiver bewertet als in geschlossenen. Ärztinnen profitierten von offenen Haltungen jedoch nur bezüglich wahrgenommener professioneller Kompetenzen; bezüglich wahrgenommener sozial-interaktiver Kompetenzen wurden Ärztinnen in geschlossenen Haltungen tendenziell (in Studie 3) beziehungsweise signifikant (in Studie 4) höher bewertet. Ein Einfluss von Körperhaltungen auf die Wahrnehmung der APB konnte mit dem neuen Stimulusmaterial nicht repliziert werden. Daher scheinen offene und geschlossene ärztliche Körperhaltungen auch in der Telemedizin keine robusten Effekte auf die Wahrnehmung von Patient*innen zu haben, was ähnliche Forschungsergebnisse über Körperhaltungen in Präsenzsettings bestätigt.
Die Arbeit konnte zudem studienübergreifend zeigen, dass Ärztinnen bezüglich Arzt- und Patientenkompetenzen höher als Ärzte bewertet werden. Ob das ein telemedizin-spezifischer Effekt oder ein Abbild sich wandelnder Geschlechterstereotype ist, müssen weitere Studien zeigen. Für die telemedizinische Praxis kann folglich auf Basis der Ergebnisse der Dissertation Ärzt*innen empfohlen werden, den Kamerawinkel leicht von oben oder neutral einzustellen, um eine verzerrte Wahrnehmung zu vermeiden. Ihrem Abstand zur Kamera und ihren Körperhaltungen müssen sie dagegen keine gesonderte Aufmerksamkeit schenken. Zusammengefasst lotet die Dissertation als eine der ersten Forschungen in der Post-Pandemie-Zeit die APB in der Telemedizin aus und zeigt Unterschiede zu Präsenzkonsultationen auf. Mehr Wissen über diese Unterschiede ist wichtig, damit Verhaltensempfehlungen für Ärzt*innen ausgesprochen werden können und die APB auch in der Telemedizin gelingen kann.
Although telemedicine treatments are becoming more established due to the Covid 19 pandemic, there are no empirically proven recommendations for doctors to establish a good doctor-patient-relationship (DPR). So far, it is unclear whether camera settings and body postures of doctors influence the perception of their patients in telemedical settings. This dissertation therefore investigates the influence of camera distance and camera angle, as well as of body postures on the perception of the DPR in a telemedical setting. Implications for research on DPR and recommendations for doctors regarding these factors in telemedicine consultations are goals of this thesis.
To examine patients' perceptions of their doctors and their own role in DPR, a group of competencies was identified based on the roles of medical professionals defined in the CanMEDS medical didactic framework (for evaluating the doctor role in DPR) and patient competencies defined within the participatory doctor-patient model Shared-Decision-Making (for evaluating the patient role in DPR). These competencies were used as dependent variables in all of the studies. Dissertation data was collected in online studies either through ranking questions comparing images of doctors (Study 3) or operationalized through agreement questions using Likert scales (Studies 1, 2, 4, and 5). In study 1, the distance between the doctor and the camera was examined, while study 2 explored the angle of the camera at a shorter distance from the camera. In studies 3, 4 and 5, the influence of body postures at a greater distance to the camera was investigated. In Study 3 and 4, existing imagery from previous studies was used to examine the influence of open versus closed body postures on perceptions of doctor competence. In Study 5, new stimulus imagery was created to control for confounding factors such as varying lighting and facial expressions.
The results of the dissertation suggest that proximity to the doctor (camera distance) does not play a role in telemedicine compared to face-to-face consultations (Study 1). Patients generally prefer doctors in shots taken from a high or eye-level angle, as opposed to shots taken from a low angle (Study 2). Studies 3 and 4 showed an effect of the doctor gender: Male doctors in open body postures were generally rated more positively than those in closed body postures. While open body postures were found to enhance female doctors' perceived professional competencies, closed body postures tended to result in higher ratings for their perceived social-interactive competencies in study 3, and significantly higher ratings in study 4. An influence of body postures on the perception of DPR could not be replicated with the new stimulus material. Therefore, open and closed doctor body postures do not seem to have robust effects on patient perceptions in telemedicine, confirming similar research findings on body postures in face-to-face settings.
The dissertation was also able to show across studies that female doctors are rated higher than male doctors in terms of doctor and patient competencies. Further research is needed to determine whether this is a telemedicine-specific effect or a reflection of changing gender stereotypes. Adjusting the camera angle slightly above or at eye level can reduce distorted perception during telemedical consultations, according to the dissertation's findings. In contrast, they do not need to pay special attention to their camera distance and body postures. In conclusion, this dissertation is one of the first post-pandemic studies to investigate DPR in telemedicine and to highlight differences with face-to-face-consultations. More knowledge about these differences is important in order to provide behavioural recommendations for clinicians and to establish successful DPR in telemedicine.