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Eine biografische Perspektive auf Radikalisierungsverläufe

Meier, Jana; Bögelein, Nicole; Neubacher, Frank

Dieser Text rekonstruiert auf Basis längsschnittlicher biografischer Interviews mit (ehemals) rechtsextremen Männern vier Idealtypen biografischer Selbstbeschreibung von Radikalisierungsprozessen. In der ersten Selbstbeschreibung erzählen die Biografen von ihrer radikalen Familie, in die sie hineingeboren werden und deren ideologische Normen und Werte sie unhinterfragt übernehmen. Die zweite Selbstbeschreibung erklärt eine Suche nach Halt und Gemeinschaft als handlungsleitend. Die Ideologie spielt dabei anfangs eine untergeordnete Rolle, das Eingebundensein in Kameradschaften und Gewalt gehören aber dazu. In der dritten Selbstbeschreibung beziehen sich die Biografen auf ihre deutsche Abstammung und verherrlichen den Nationalsozialismus. Sie sehen sich als Hüter der völkisch-deutschen Gemeinschaft und verteidigen diese Idee auch unter Anwendung von Gewalt. Die vierte Selbstbeschreibung sieht die Hinwendung zum Rechtsextremismus als Ventil, um empfundene gesellschaftliche Benachteiligungen zu bewältigen. Abschließend prüfen wir, ob die Idealtypen auch auf Selbstbeschreibungen islamistisch eingestellter Interviewpartner übertragbar sind. Tatsächlich beschreiben diese ihren Weg in die Radikalisierung in ähnlicher Weise.
This article reconstructs four ideal types of biographical self-descriptions outlining radicalisation processes that are based on longitudinal biographical interviews conducted with male (former) right-wing extremists. In the first self-description, the biographers explain how they were born into radicalised families whose ideological norms and values they adopted without question. The second self-description outlines how the biographers’ actions were guided by a longing for stability and community. Initially, ideology plays a tangential role, with involvement in Kameradschaften and violence providing key momentum. In the third self-description, biographers refer to their German heritage and glorify National Socialism. They see themselves as guardians of the German Volk and partly resort to violence to defend this idea. The fourth self-description outlines engagement with right-wing extremism as an outlet for frustrations with social discrimination. During our analysis, we examine whether any of these ideal types also correspond to self-descriptions given by Islamists, concluding that the latter do indeed describe their pathways into radicalisation in a similar manner.
Published in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 10.1007/s11757-021-00693-6, Springer Nature