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Arte antica nella sala d'esposizione / Antike Kunst im Ausstellungsraum
ihre Verwaltung, Wahrnehmung und Präsentation in Italien von 1861 bis 1911
Scholz, Marlene Isabel Julia
In der Dissertation wurde die Entwicklung der archäologischen Nationalmuseen vom Zeitpunkt der Vereinigung Italiens 1861 bis zu ihrem 50jährigen Bestehen im Jahr 1911 untersucht. Den Forschungsgegenstand bilden hierbei die vier archäologischen Nationalmuseen von Neapel, Turin, Florenz und Rom. Sie spiegeln in komprimierter Form einen konzeptuellen Wandel der Museen des Altertums wider: von einer herrschaftlichen Sammlung bis zu einem hauptsächlich auf Ausgrabungsfunden basierenden Bestand. Für eine vergleichende Untersuchung und Gegenüberstellung der Geschichte und der Präsentationsformen archäologischer Nationalmuseen insbesondere im Zeitraum von 1861 bis 1911 behandelt die Arbeit die drei folgenden Aspekte: (1) die Normierung des Museumswesens, (2) die öffentliche Wahrnehmung und Vermittlung antiker Kunst in Italien sowie (3) die Präsentation und Vermittlung antiker Kunst im Ausstellungsraum. Die Arbeit kommt zu folgenden Ergebnissen: (1) Das antike Erbe des eigenen Landes nimmt vor wie nach der Vereinigung Italiens eine besondere Stellung im Entstehen des nationalen Verwaltungsapparats ein. Auf der Suche nach einer nationalen Identität richtet sich das Interesse des jungen Königreiches primär auf die antiken Kulturgüter. Zu ihrem Schutz und zu ihrer Vermittlung werden besondere Leitungs- und Verwaltungsstrukturen eingerichtet. Archäologische Nationalmuseen als wichtiger Teil dieses nationalen Verwaltungsapparats erhalten einen expliziten Forschungsauftrag. Damit sind sie auch für regionale Ausgrabungen zuständig und dazu verpflichtet, Fundobjekte zu bewahren und zu präsentieren. Ihr konkreter Auftrag lautet: den Mythos Italien nähren. (2) Die Rezeptionsgeschichte der Etrusker im 19. Jh. spielt dabei eine besondere Rolle. So wurden etruskische Stilelemente bereits unter dem Haus Savoyen in die herrschaftliche Repräsentation integriert. Zudem belegen zeitgenössische Zeitungsberichte sowie europäische Reiseliteratur (Baedeker, Murray & Hachette) eine kontinuierliche Wahrnehmung und ein Bewusstsein für die etruskischen Errungenschaften. Vor allem mit der Vereinigung Italiens werden die Etrusker zum Gegenstand der nationalen Kulturpolitik und Geschichtsvermittlung. (3) In Bezug auf die Präsentation antiker Kunst schlägt sich der staatliche Forschungsauftrag der archäologischen Nationalmuseen in der Verlagerung des Schwerpunkts auf die Herkunft der Objekte nieder. Die Provenienz der Exponate wird zum maßgeblichen Kriterium der Bestandsbildung. Fundobjekte oder ganze Sammlungen mit besonderem Lokalbezug werden bevorzugt. Die Herkunft der Objekte bestimmt auch ihre Anordnung im Ausstellungsraum und wird zum Thema der Präsentation. Objekte mit und ohne Provenienz werden in der Präsentation visuell sowie räumlich voneinander getrennt, das topografische Kriterium wird zum Maßstab. Besonders die Fundobjekte werden durch Raumgestaltung oder Rekonstruktionen in Kontext zu ihren Fundsituationen gesetzt. Der Forschungsauftrag wirkt sich direkt auf die museale Inszenierung antiker Kunst aus und führt zugleich zum interregionalen Interessenkonflikt zwischen Florenz und Rom bei der Beanspruchung etruskischen Fundmaterials. Schließlich resultiert die kulturpolitische Entwicklung rückwirkend betrachtet vor allem aus der jeweiligen Reichshauptstadtsituation. Die Betonung auf das Prestige des Etruskers herrscht so lange fort, wie erst Turin und dann Florenz als Regierungssitz fungieren. Mit Rom als Hauptstadt muss das positive Image des Etruskers zunehmend dem des Römers weichen. Statt die in Europa fortwährende Konnotation Roms als ewige Stadt und Sinnbild des römischen Imperiums zu überwinden, wird ihr spätestens zum 50jährigem Bestehen Italiens wieder große Bedeutung beigemessen. Der Römer wird zum Vermittlungsinstrument des Nationalismus und später des Faschismus.
The dissertation examines the evolution of the National Archaeological Museums from the time of the unification of Italy in 1861 to its 50th anniversary in 1911. The four national archaeological museums of Naples, Turin, Florence and Rome form the subject of this research. They reflect in compressed form a conceptual change in the museums of antiquity: from a manorial collection to a collection based mainly on excavation finds. The work is divided into the following three aspects: (1) the administrative standardisation of museums, (2) the public perception and conveyance of ancient art in Italy, and (3) the presentation and conveyance of ancient art in the exhibition space. The work comes to the following conclusions: (1) In the search for a national identity, the interest of the young kingdom is primarily directed towards its own ancient cultural assets. For their protection and communication, special management and administrative structures are set up. National archaeological museums are given an explicit research mandate. (2) The history of reception of the Etruscans in the 19th century plays a special role, insofar as Etruscan Style elements have already been integrated into the stately representation under the Savoyen house. Additionally, contemporary newspaper reports and European travel literature (Baedeker, Murray and Hachette) demonstrate a continuous perception and awareness of Etruscan achievements. (3) The provenance of the exhibits becomes the decisive criterion for stock formation, determines their arrangement in the exhibition space and becomes the theme of the presentation. Finally, cultural policy development results retrospectively from the situation of the imperial capital. The emphasis on the prestige of the Etruscan continues as long as Turin and then Florence were the seat of government. With Rome as the capital, the positive image of the Etruscan is increasingly replaced by that of the Roman. Instead of overcoming the continual connotation of Rome in Europe as the ‘eternal city’ and symbol of the Roman empire, it is even stronger pronounced on the occasion of Italy’s 50th anniversary. The Roman becomes the instrument of nationalism and later of fascism.