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Entwicklung eines Information-Retrieval-Systems zur Unterstützung von Gefährdungs- und Risikoanalysen

Hartig, Kerstin

Die Entwicklung sicherheitsbezogener Systeme im Automobilbereich unterliegt speziellen Anforderungen an die funktionale Sicherheit, die in der Norm ISO 26262 beschrieben sind. Um die funktionale Sicherheit zu gewährleisten, werden zu Beginn der Systementwicklung Gefährdungs- und Risikoanalysen (G&Rs) erstellt. In G&Rs werden mögliche Fehlfunktionen in verschiedenen Betriebssituationen untersucht und ihre Risiken bewertet. G&Rs gelten aufgrund ihres experten- und erfahrungsbasierten Charakters als sehr aufwendig. Beispielsweise müssen alle potenziellen Gefährdungen erkannt und Inkonsistenzen zwischen und innerhalb von G&Rs vermieden werden. Eine systematische und automatisierte Wiederverwendung von Erfahrungswissen aus früheren G&Rs gilt als Herausforderung, bietet allerdings Potenzial, den Aufwand zu verringern und Experten zu unterstützen. In dieser Arbeit präsentieren wir ein Information-Retrieval (IR)-System, das dazu in der Lage ist, Wissen früherer G&Rs zu archivieren, das gespeicherte Wissen zielgerichtet zu durchsuchen und bei der Erstellung neuer G&Rs zur Verfügung zu stellen. Dadurch ermöglichen wir die Wiederverwendung von Wissen, um die Konsistenz von G&Rs zu steigern und eine effizientere Durchführung zu unterstützen. Darüber hinaus generalisieren wir unseren Ansatz derart, dass der Aufbau domänenspezifischer IR-Systeme auch auf andere Anwendungsfälle jenseits der funktionalen Sicherheit im Automobilbereich übertragbar ist. Der erste Beitrag dieser Arbeit besteht in der Entwicklung eines Rahmenwerks für den Aufbau domänenspezifischer assoziativer IR-Systeme mit generischen und konfigurierbaren Lösungen für die einzelnen Komponenten. Dazu gehören Techniken zum automatisierten Aufbau semantischer Netze sowie zu deren Verfeinerung. Dabei reduzieren wir den manuellen Aufwand, der üblicherweise bei der Wissensrepräsentation entsteht, indem wir auf das vorhandene Datenmodell fokussieren. Des Weiteren konzeptualisieren wir die Aktivierungsausbreitung als semantisches Suchverfahren und erweitern es unter anderem um eine neuartige Technik zur direkten Steuerung des Ausbreitungsverhaltens in den semantischen Netzen. Um die Nutzerakzeptanz zu erhöhen, stellen wir außerdem ein Verfahren zur automatisierten Erklärung der Ergebnisse des IR-Systems vor. Als zweiten Beitrag präsentieren wir eine aus vier Schritten bestehende Methode für den Aufbau eines domänenspezifischen IR-Systems aus dem generischen Rahmenwerk. Damit trifft der Entwickler nach initialer Analyse von Daten und Domäne sukzessive Entscheidungen für die Auswahl und Konfiguration der Komponenten des IR-Systems sowie für deren Optimierung. Wir unterstützen den Entwickler zudem mit Techniken, die insbesondere die anfängliche Datenanalyse und Konfiguration der Aktivierungsausbreitung vereinfachen. Zum einen stellen wir das semantische Netzwerkskelett als Abstraktion semantischer Netze vor, dessen Visualisierung große semantische Netze wesentlich überschaubarer macht. Zum anderen ermöglichen wir die Simulation der Aktivierungsausbreitung auf diesem Netzwerkskelett, um frühzeitig ungeeignete Konfigurationen auszuschließen. Mit dem dritten Beitrag zeigen wir die Machbarkeit der Methode und verwenden das generische Rahmenwerk beim Aufbau eines domänenspezifischen assoziativen IR-Systems zur Unterstützung von G&Rs. Dafür verwenden wir Daten aus der industriellen Praxis. Ein Prototyp ermöglicht eine Evaluation, die zum einen eine gute Qualität der Ergebnisse des IR-Systems für G&Rs aufzeigt und zum anderen Anhaltspunkte für geeignete und ungeeignete Konfigurationen liefert. Wir präsentieren unter anderem, wie sich Konfigurationen durch Anwendung evolutionärer Algorithmen optimieren lassen. Diese Vorgehensweise kann vom Entwickler domänenspezifischer IR-Systeme adaptiert werden und erweitert daher sein Handwerkszeug bei der Umsetzung der vorgestellten Methode.
Automotive systems engineering must adhere to the functional safety standard ISO 26262. According to the standard, the hazard analysis and risk assessment (HARA) is one of the first safety activities during the development of safety-related systems. In this safety activity, experts examine potential malfunctions and their consequences in different situations and specify safety goals in order to reduce risks to an acceptable level. Performing HARAs is a time-consuming and expensive activity, because it requires extensive experience and domain knowledge. For example, it is essential to identify all potential hazards and to prevent inconsistencies both within and between HARAs. Thus, safety engineers would benefit from decision support that allows the reuse of approved knowledge from previous analyses. However, knowledge reuse and its automation are considered to be challenging tasks. In this thesis, we present an information retrieval system that represents the results from previous HARAs in a semantic network and searches it for useful recommendations during a new HARA. The presented approach aims at making optimal use of the reuse potential and, therefore, increases the consistency of HARAs as well as the efficency of their development. Moreover, we generalize the approach to make it applicable to other domains and artifacts. First, we present a framework for developing domain-specific associative information retrieval systems that comprises both generic and configurable solutions for each component. The framework includes techniques to automatically create and refine semantic networks. We reduce manual efforts that usually come with knowledge representation by focussing on the data’s structure provided by its data model. Furthermore, we generalize and formalize spreading activation as semantic search method and extend it by a new technique to control the spreading behavior. We additionally provide a method to create meaningful explanations for the semantic search results, which is crucial for the user’s acceptance and trust. The second contribution of this thesis is a four-step method that describes how to create a domain-specific information retrieval system using the aforementioned framework. The method addresses the developers of information retrieval systems. We additionally support developers with techniques that facilitate challenging tasks such as the initial data analysis or spreading activation configuration. That includes the semantic network skeleton, an abstract view on a semantic network that summarizes its basic structural information, which makes it easier to comprehend. In addition, we present an approach for spreading activation simulation of semantic networks utilizing their semantic network skeletons. Estimating the expected spreading activation behavior allows the detection of undesirable effects and therefore supports the early elimination of unsuitable configuration settings. Third, we demonstrate the feasibility of the method by creating a domain-specific information retrieval system to support HARAs using the presented framework. All concepts and techniques are implemented in a prototype to facilitate their evaluation. The evaluation outcome reveals good quality of the retrieval results and indicates what configuration settings are advantageous. Moreover, we show how configuration settings can be optimized with evolutionary algorithms, which extends the developer’s tool set.