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Elektrifizierungsgeschichte von Großbardorf
ein Fallbeispiel dezentraler Stromversorgung in den 1920er Jahren
Meyer, Ann-Morla
In den 1920er Jahren partizipierten viele BürgerInnen in Elektrizitätsgenossenschaften um die Elektrifizierung in Deutschland voran zu bringen. Die historische dezentrale Stromversorgung wurde bisher in der Forschung allerdings kaum beachtet. Die vorliegende Arbeit bietet eine umfassende Betrachtung der Elektrifizierung eines landwirtschaftlich geprägten 800-Einwohner-Dorfes durch eine Elektrizitätsgenossenschaft. 1921 weigerte sich das unterfränkische Großbardorf gegen den Anschluss an das geplante Überlandwerk und baute stattdessen ein elektrisches Windrad, eine Batteriespeicheranlage und ein Inselstromnetz auf. Unter der Anwendung der genossenschaftlichen Organisationsgrundsätze – Selbstvertrauen, Selbstverantwortung und Selbstorganisation – konnte die Anlage 16 Jahre lang mit einem hohen Partizipationsgrad betrieben werden. So wurde für die technische Auslegung vorher der Bedarf eines jeden Haushaltes abgefragt. Wenn die Erzeugung trotz zusätzlich aufgestelltem Dieselgenerator mangelhaft war, passten die EinwohnerInnen ihren Verbrauch an. Die Gemeinde gewann auf ihrem Sonderweg eine früher funktionierende Versorgung, die Sicherung der lokalen Wertschöpfung sowie der Entscheidungshoheit über die Energieversorgung. Ab 1937 war das Windrad defekt und die Genossenschaft strich die Energieerzeugung aus ihrer Satzung. Bei einer kriegsvorbereitenden Schrottsammelaktion wurde das Windrad 1939 abgerissen und ein paar Jahre später folgte der Anschluss an das Überlandwerk. Heute errichtet das Dorf erneuerbare Energieanlagen und ist mit dem Titel „Bioenergiedorf“ ausgezeichnet. Die Arbeit rundet die detaillierte Dokumentation der Energiegeschichte Großbardorfs mit einem Kapitel zur ländlichen Elektrifizierung Deutschlands, der Entwicklung der Elektrizitätsgenossenschaften und der Spezifika der bayerischen Energiepolitik ab. Anhand von Fallbeispielen wurden technische, geographische und sozioökonomische Faktoren dezentraler Stromversorgung herausgearbeitet. Im Fazit werden schließlich die Erkenntnisse über das Scheitern eines dezentralen Versorgungssystems in den 1930er Jahren genutzt, um die Strukturwandlungsmöglichkeiten des Stromversorgungssystems in der Energiewende zu kommentieren.
In the 1920s many citizens participated in electricity cooperatives to boost electrification in Germany. Thus far, the historical decentralized electricity supply has rarely been the object of research. The work presented here provides a comprehensive overview of the electrification of an 800-resident-large village by an electricity cooperative. In 1921 the bavarian Großbardorf decided against inclusion into the planned central power station, instead electing to construct their own electrical wind mill, battery storage, and island power supply system instead. Applying the cooperative rules of organisation – self-confidence, self-responsibility and self-organization – the power station functioned well for 16 years with a high degree of participation. If supply could not be guaranteed, despite the additional diesel generator, the inhabitants adapted their consumption. The community succeeded in quickly building up a functioning electricity supply while securing both the local value-added and the decision making authority in an important village matter. In 1937 the wind generator began to malfunction and was torn down in 1939 in the course of war preparation. A few years later the village was connected to the trans-regional grid. Today Großbardorf is active in community supported electricity supply again. The present study suggests technical, geographical and socio-economic factors for historical decentralized energy supply referring to this example. Finally, the analysis of the failing decentralized energy supply in Germany in the 1930s is used to comment on the current situation of the „Energiewende“.
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