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Entwicklung und Anwendung der Kryoradiometrie mit harter Röntgenstrahlung

Gerlach, Martin

Elektrische Substitutionsradiometer, die bei Flüssig-Helium-Temperatur betrieben werden, so genannte Kryoradiometer, werden in einem breiten Spektralbereich vom Infraroten bis in den weichen Röntgenbereich zur Messung der Leistung von elektromagnetischer Strahlung mit kleinen Unsicherheiten eingesetzt. Ihr zentraler Bestandteil ist ein Hohlraumabsorber, der mit einem Absorptionsgrad von nahezu 100 % die einfallende Strahlung absorbiert und in Wärme umwandelt. Weit verbreitet sind Absorber aus Kupfer, da dies von allen Metallen bei Flüssig-Helium-Temperatur die beste Wärmeleitfähigkeit besitzt und zudem eine geringe spezifische Wärmekapazität aufweist, wodurch sich eine kleine thermische Zeitkonstante erreichen lässt. Bei Photonenenergien oberhalb 20 keV ist Kupfer allerdings aufgrund des geringen Absorptionsvermögens ungeeignet. Um erstmals Kryoradiometrie mit harter Röntgenstrahlung bis 60 keV zu ermöglichen, wurde ein neuartiger Hohlraumabsorber für das Kryoradiometer SYRES I entwickelt, das durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) als primäres Detektornormal am Elektronenspeicherring BESSY II eingesetzt wird. Dieser Hohlraumabsorber ermöglicht die vollständige Absorption von harter Röntgenstrahlung in Verbindung mit einer geeigneten Empfindlichkeit und einer hinreichend kleinen Zeitkonstante zur Messung von Synchrotronstrahlung bei BESSY II. Da die Herstellung verschiedener Absorber sehr aufwändig ist, wurde die Wechselwirkung von harter Röntgenstrahlung mit verschiedenen Absorbermaterialien und -geometrien zunächst ausgiebig durch Monte-Carlo-Simulationen mit dem Programm Geant4 untersucht. Durch eine direkte Gegenüberstellung von Simulationsergebnissen mit den entsprechenden Ergebnissen von Streuexperimenten unter Einsatz eines kalibrierten und vollständig charakterisierten energiedispersiven Detektors wurde gezeigt, dass Geant4 sowohl den Photoeffekt inklusive Fluoreszenz als auch Compton- und Rayleigh-Streuung quantitativ richtig beschreibt und auch deren Winkelabhängigkeit sowie Polarisationseffekte richtig wiedergibt. Die Simulationen und Experimente resultierten in einem Hohlraumabsorber mit einem 550 µm dicken Goldboden und einem zylindrischen Mantel aus 90 µm dickem Kupfer, der die durch Fluoreszenz und Streuung verursachten Verluste minimiert. Der Absorber wurde durch Elektroformung hergestellt und in das Kryoradiometer SYRES I eingebaut. Durch eine optimierte Wärmeankopplung wurde eine zur Messung von Synchrotronstrahlung ideale Empfindlichkeit erreicht, die einen Messbereich über drei Größenordnungen bis 35 µW ermöglicht. Monochromatisierte Synchrotronstrahlung von hoher spektraler Reinheit wurde genutzt, um Halbleiter-Photodioden, die in der Radiometrie als kompakte und kostengünstige sekundäre Detektornormale eingesetzt werden, erstmals auch im Spektralbereich harter Röntgenstrahlung gegen ein Kryoradiometer zu kalibrieren. Dabei wurden im gesamten an drei Strahlrohren zur Verfügung stehenden Energiebereich von 50 eV bis 60 keV relative Unsicherheiten von unter 0.5 % erreicht. Darüber hinaus wurden die Homogenität der spektralen Empfindlichkeit, die Transmission und die Linearität der Photodioden untersucht. Bisher wurden Freiluft-Ionisationskammern (FLK) zur Messung der Strahlungsleistung von harter Röntgenstrahlung eingesetzt, welche sich bei Kenntnis der Massenenergie-Absorptionskoeffizienten µen/ρ für Photonen in Luft aus der mit einer FLK gemessenen Energiedosis bestimmen lässt. Die derzeit gebräuchlichen Literaturdaten für µen/ρ, die in der Dosimetrie und insbesondere bei der Bestimmung der Strahlungswirkung auf den Menschen eine zentrale Stellung einnehmen, basieren allerdings auf atomaren Modellberechnungen mit relativen Unsicherheiten von bis zu 5 %. Durch eine direkte Vergleichsmessung der FLK PK100, einem dosimetrischen Primärnormal der PTB, und des Kryoradiometers SYRES I konnten die µen/ρ-Werte für Photonen in Luft im harten Röntgenbereich von 10 keV bis 60 keV erstmals experimentell und mit relativen Unsicherheiten von unter 1 % bestimmt werden. Es konnte außerdem gezeigt werden, dass die Literaturdaten zum Teil um 3 % von den experimentell bestimmten µen/ρ-Werten abweichen. Ein großer Fortschritt liegt dabei in den wesentlich kleineren Unsicherheiten und somit der Unterstützung zukünftiger atomarer Berechnungen.
Electrical substitution radiometers operated at liquid helium temperature, so-called cryogenic radiometers, are well established in radiometry to determine the power of electromagnetic radiation with low uncertainties in a broad spectral range from the infrared to the soft X-ray region. Their core piece is a cavity absorber with an absorptance of 100 %, which converts the incident radiation into heat. Cavity absorbers are made of copper, because it has the best thermal conductivity of all metals at liquid helium temperature. Copper also has a moderate heat capacity which ensures a short response time. However, at photon energies above 20 keV the use of copper prevents the operation of cryogenic radiometers due to increasing transmittance. To establish cryogenic radiometry with hard X-ray radiation for photon energies of up to 60 keV, a novel type of cavity absorber had to be developed for the cryogenic radiometer SYRES I, which is deployed by the Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) as primary standard detector at the electron storage ring BESSY II. This new type of cavity absorber allows for the complete absorption of hard X-ray radiation in combination with an appropriate sensitivity and an adequate time constant for the measurement of synchrotron radiation at BESSY II. As the process of fabrication of different types of absorbers is very time-consuming, the interaction of hard X-ray radiation with different absorber materials and geometries was studied intensively by using the Monte Carlo simulation code Geant4. The accuracy of the simulations was verified comparing them to scattering experiments performed at a wavelength shifter beamline at BESSY II with a calibrated energy dispersive detector. It was shown that Geant4 describes the photo-effect, including fluorescence as well as Compton- and Rayleigh scattering, with high accuracy. The simulations and experiments resulted in a cavity absorber with a gold base 550 µm in thickness and a cylindrical shell made of copper 90 µm in thickness to reduce losses caused by fluorescence and scattered radiation. The absorber was manufactured by electroforming and was implemented into the cryogenic radiometer SYRES I. The new absorber provides a tolerable heat capacity and time constant at liquid helium temperature and exhibits an ideal thermal sensitivity for the measurement of synchrotron radiation with radiant power of up to 35 µW. Monochromatized synchrotron radiation of high spectral purity was then used to calibrate semiconductor photodiodes, which can be used as compact and inexpensive secondary standard detectors, against a cryogenic radiometer, covering the entire photon energy range of three beamlines from 50 eV to 60 keV with relative uncertainties of less than 0.5 %. Furthermore the spatial homogeneity of the spectral responsivity, the transmittance and the linearity of the photodiodes was investigated. Previously free-air ionization chambers had to be used to determine radiant power of hard X-rays, which can be calculated from the measured absorbed dose by using the mass energy absorption coefficients µen/ρ for photons in air. The values of µen/ρ are based on model calculations with relative uncertainties of up to 5 %. However, they play a major role in dosimetry, especially for studying the effects of radiation to the human body. Through a direct comparison of the free-air ionization chamber PK100, a primary detector standard of PTB used in dosimetry, and the cryogenic radiometer SYRES I the values of µen/ρ for photons in air were determined for the first time experimentally in the hard X-ray range from 10 keV to 60 keV with relative uncertainties of less than 1 %. It could also be shown that the data based on atomic calculations deviate from the experimentally determined µen/ρ values by up to 3 %. Therefore the small uncertainties can be considered as an important progress and might be assistant for future model calculations.